Alexander Dumas
Königin Margot. Erster Band
Alexander Dumas

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Die zweite Hochzeitsnacht

Mit bemerkenswerter Geschwindigkeit ließ die Königin-Mutter ihre Blicke im Zimmer umhergleiten. Die Samtpantoffel am Fußende des Bettes, die auf den Stühlen verstreuten Kleider, die Augen Margaretes, aus denen sie sich den Schlaf zu reiben versuchte, überzeugten Katharina davon, daß sie ihre Tochter aufgeweckt hätte.

Dann lächelte sie wie eine Frau, die ihre Pläne gelingen sieht, und zog sich einen Stuhl heran.

»Setzen wir uns, Margarete, und plaudern wir ein wenig.«

»Madame, ich höre.«

»Es ist Zeit, meine Tochter,« begann Katharina und schloß ihre Augen mit jener Gelassenheit, wie es tiefe Denker oder vollendete Heuchler zu tun pflegen, »es ist Zeit, daß Sie erkennen, wie Ihr Bruder und ich auf Ihr Glück bedacht sind.«

Wenn man Katharina kannte, war dieser Eingang der Rede gerade nicht beruhigend.

Was will sie mir sagen? dachte Margarete.

»Als wir Sie verheirateten,« setzte die Florentinerin fort, »haben wir eine jener politischen Notwendigkeiten durchgeführt, wie sie so oft eine begründete Sorge der Regierung bilden. Aber wir müssen eingestehen, mein armes Kind, daß wir nie für möglich halten konnten, den Widerwillen des Königs von Navarra gegen Sie, die Sie so hübsch, so jung und verführerisch sind, bis zur Halsstarrigkeit gesteigert zu sehen.«

Margarete erhob sich, und indem sie ihr Nachtkleid zusammennahm, machte sie vor ihrer Mutter eine tiefe, feierliche Verbeugung.

»Ich erfuhr es erst heute abend – denn sonst hätte ich Sie ja früher besucht –« sprach Katharina weiter, »daß Ihr Gemahl weit davon entfernt ist, für Sie jene Aufmerksamkeiten zu haben, die nicht nur einer schönen Frau gebühren, sondern auch namentlich einer Königstochter Frankreichs erwiesen werden müssen.«

Margarete seufzte auf und Katharina, durch die stumme Zustimmung angeeifert, fuhr fort: »Bezüglich dieses Königs von Navarra, der eines meiner Hoffräulein öffentlich aushält, in das er auch so vernarrt ist, daß es unliebsames Aufsehen erregt und mit Rücksicht darauf, daß er die Frau, die man ihm angetraut, verachtet, können wir, wir ohnmächtigen Allmächtigen, unglücklicherweise keine Abhilfe schaffen. Der kleinste Edelmann unseres Königreiches kann seinen Schwiegersohn fordern oder ihn durch seinen Sohn fordern lassen.« Margarete ließ den Kopf sinken.

»Ihre geröteten Augen, meine liebe Tochter, Ihre heftigen Ausfälle gegen die Sauve, beweisen mir schon seit genug langer Zeit, daß die Wunde Ihres Herzens, trotz aller Beherrschung, nicht weiterhin nach innen bluten darf.«

Die Vorhänge bewegten sich leise, Margarete zitterte vor Angst, doch glücklicherweise hatte Katharina nichts bemerkt.

»Diese Wunde, mein Kind,« sagte sie und verdoppelte ihr herzliches Wohlwollen, »diese Wunde hat die Hand der Mutter zu heilen. Diejenigen, die Ihr Glück begründen wollten, die Ihre Hochzeit zugegeben haben, bemerken mit Besorgnis, daß sich Heinrich von Navarra noch jede Nacht in eine andere Wohnung verirrt. Sie können nicht erlauben, daß ein Schattenkönig, wie er, Ihre Schönheit, Ihre Stellung, Ihre Verdienste, stündlich beleidigt, indem er Ihre Persönlichkeit anscheinend geringschätzt und seine Nachkommenschaft vernachlässigt. Sie ahnen endlich, daß sich beim ersten günstigen Wind der tolle und freche Hartkopf gegen unsere Familie wenden wird, ja daß er Sie aus seinem Hause davonjagen wird. Und haben die nicht das Recht, Ihre Zukunft von seinem Schicksal zu trennen, sie sicherzustellen und würdiger zu gestalten?«

»Trotz allem, Madame,« erwiderte Margarete, »und trotz der Erwägungen der liebenden Mutter, die mich sicherlich mit Freude und Ehre überhäufen, muß ich mir die Kühnheit herausnehmen, Eurer Majestät vorzuhalten, daß der König von Navarra mein angetrauter Gatte ist.«

Katharina fuhr in einer zornigen Bewegung auf und rückte an ihre Tochter heran.

»Er« rief sie, »er Ihr Gatte! Genügt denn der Segen der Kirche allein, um Mann und Frau zu sein? Wird die Ehe nur durch die Worte des Priesters geheiligt? Er Ihr Gatte! Nein, meine Tochter, wenn Sie Frau von Sauve wären, dann hätten Sie mir diese Antwort geben können. Er hat ganz das Gegenteil von dem getan, was wir von ihm erwarten mußten, und seit Sie Heinrich von Navarra die Ehre erwiesen haben, seine Gemahlin zu sein, gibt er einer anderen das Recht hierzu. Und selbst jetzt, in diesem Augenblick,« Katharina zuckte die Achseln, »tut er das! Kommen Sie doch mit mir, dieser Schlüssel öffnet die Wohnung der Frau von Sauve und Sie werden sehen!«

»Leiser, ach, leiser, Madame, ich bitte darum!« sagte Margarete. »Denn Sie irren sich nicht nur, sondern . . .«

»Sondern?«

»Sondern Sie wecken mir meinen Mann auf!«

Nach diesen Worten erhob sich Margarete anmutig. Während sie ein rosenfarbenes Wachslicht holte, flatterte ihr halboffener Schlafrock, die kurzen Ärmel ließen einen wundervoll geformten Arm und wahrhaft königliche Hände sehen. Sie näherte sich dem Bett und hob die Vorhänge in die Höhe. Und nun zeigte sie lächelnd ihrer Mutter den König von Navarra, der mit seinem stolzen Antlitz, seinen schwarzen Haaren und halbgeöffnetem Munde auf den ungeordneten Kissen lag und in tiefen, ruhigen Schlaf versunken zu sein schien.

Bleich, mit verstörten Augen und nach rückwärts gebogenem Leibe, als ob sich jäh ein Abgrund vor ihren Füßen aufgetan hätte, stand Katharina da und stieß ein dumpfes Gemurmel aus.

»Sehen Sie, Madame, daß Sie schlecht unterrichtet waren?« sagte Margarete.

Katharina warf einen Blick auf Margarete, dann einen auf Heinrich von Navarra. Sie brachte in ihrem lebhaften Gedankengang die bleiche, feuchte Stirne und die von dunklen Ringen umgebenen Augen des Ruhenden mit dem Lächeln Margaretes in Verbindung und biß sich in stillem Ingrimm auf die schmalen Lippen.

Margarete gestattete ihrer Mutter dieses Bild, das auf sie die Wirkung eines Medusenhauptes ausübte, länger zu betrachten, dann ließ sie den Vorhang fallen, begab sich auf den Fußspitzen zu Katharina und ließ sich wieder neben sie nieder.

»Sie sagten also, Madame?«

Die Florentinerin versuchte einige Sekunden lang die Harmlosigkeit der jungen Frau zu prüfen, dann, als sich ihre gespannten Blicke unter der natürlichen Ruhe Margaretes gemäßigt hatten, sagte sie kurz und einfach: »Nichts!«

Und mit großen Schritten entfernte sie sich aus dem Gemache.

Sofort nachdem sich der Hall der Schritte im geheimen Gang verflüchtigt hatte, öffnete sich der Vorhang des Bettes abermals, und mit strahlenden Augen, mit verhaltenem Atem und bebenden Händen erschien Heinrich von Navarra und ließ sich vor Margarete auf die Knie nieder. Er war nur mit Strumpfhosen und Panzer bekleidet, so daß Margarete, obwohl sie ihm herzlich die Hand reichte, über den sonderbaren Anzug laut auflachen mußte.

»Oh, Madame, oh, Margarete,« rief er, »wie werde ich mich Ihnen je erkenntlich erweisen können!«

Er bedeckte ihre Hand mit Küssen, unmerklich liefen seine Lippen an Ihrem Arm hinauf.

»Sire,« sagte die Königin und entzog sich sacht der Liebkosung, »vergessen Sie, daß zu dieser Stunde eine arme Frau, der Sie das Leben verdanken, sich um Sie sorgt und um Sie weint? Frau von Sauve,« fügte sie ganz leise bei, »hat Ihnen ein Opfer gebracht, indem sie Sie zu mir hersandte und sie wird Ihnen nebst dem Opfer eifersüchtiger Liebe auch vielleicht noch das Opfer ihres eigenen Lebens bringen müssen, denn niemand weiß es besser als Sie, wie verderbenbringend der Zorn meiner Mutter ist!«

Heinrich erbebte, und während er sich rasch erhob, machte er eine Bewegung, wie um aus dem Zimmer zu stürzen.

»Aber,« sagte Margarete mit bewundernswertem Liebreiz, »ich habe mir alles überlegt und habe mich beruhigt. Der Schlüssel wurde Ihnen ohne Bezeichnung übergeben und Sie werden einfach dahin beurteilt werden, an dem heutigen Abend mir den Vorzug gegeben zu haben.«

»Und diesen Vorzug gebe ich Ihnen, Margarete! Wollen Sie nur vergessen . . .

»Leiser, Sire, leiser!« antwortete die Königin und dichtete scherzhaft die Worte um, die sie zehn Minuten früher ihrer Mutter zugeraunt hatte. »Man hört Sie vom Nebenzimmer aus sprechen und weil ich noch nicht ganz frei bin, würde ich Sie ersuchen weniger laut zu sprechen.«

»Ach ja,« meinte Heinrich halb lachend, halb ärgerlich, »das ist ja wahr! Ich hatte ganz vergessen, daß ich nicht derjenige bin, der bestimmt ist, den Schlußakt dieses schönen Schauspieles zu spielen. Dieses Nebenzimmer . . .«

»Treten wir ein, Sire,« sagte Margarete, »denn ich möchte mir die Ehre geben. Eurer Majestät einen tapferen Edelmann vorzustellen, der während des Gemetzels verwundet wurde, der im Begriffe war, in den Louvre zu eilen, um Eure Majestät von der Gefahr zu benachrichtigen, die Eure Majestät bedrohte.«

Die Königin näherte sich der Tür, Heinrich von Navarra folgte.

Die Tür öffnete sich und Heinrich erblickte staunend einen Mann in diesem Zimmer, das für Überraschungen förmlich ausersehen war.

Noch überraschter war La Mole, als er sich so unerwartet dem König von Navarra gegenüber sah. Schließlich warf Heinrich Margarete einen spöttischen Blick zu, den diese aber unbefangen erwiderte.

»Sire,« sagte sie, »ich muß befürchten, daß man diesen jungen Mann, der Eurer Majestät vollständig ergeben ist, selbst in meiner Wohnung zu töten versucht. Ich überantworte ihn Ihrem Schutz!«

»Sire,« berichtete der junge Mann, »ich bin der Graf Lerac von La Mole, den Eure Majestät erwartet haben und der Ihnen vom armen Herrn von Teligny anempfohlen wurde. Herr von Teligny ist an meiner Seite getötet worden.«

»Ah, richtig, mein Herr!« sagte Heinrich. »Die Königin hat mir den Brief übergeben. Aber hatten Sie nicht auch ein Schreiben vom Herrn Statthalter von Languedoc?«

»Jawohl, Sire, und dazu den Befehl, es Eurer Majestät sofort nach meiner Ankunft persönlich zu übergeben.«

»Und warum ist das nicht geschehen?«

»Ich habe mich gestern abend sofort in den Louvre begeben, Sire, doch Eure Majestät waren so beschäftigt, daß Sie mich nicht empfangen konnten.«

»Das stimmt!« sagte der König. »Aber Sie hätten mir, wie ich glaube, immerhin den Brief übermitteln lassen können.«

»Ich hatte von Herrn von Auriac den ausdrücklichen Befehl, den Brief Eurer Majestät nur persönlich in die Hände zu übergeben. Er enthielt, wie mir Herr von Auriac versicherte, eine so wichtige Anzeige, daß er ihn einem gewöhnlichen Boten nicht anvertrauen konnte.«

»Ja, wirklich,« sagte der König und durchflog die Zeilen, »es war die Mahnung, den Hof sofort zu verlassen und sich nach Bearn zurückzuziehen. Herr von Auriac, obwohl Katholik, zählt zu meinen besten Freunden, und als Landesverwalter der Provinz hatte er wahrscheinlich von den kommenden Ereignissen rechtzeitig Wind bekommen. Himmel und Hölle! Mein Herr, warum konnten Sie mir diesen Brief nicht schon vor drei Tagen übergeben, heute ist es zu spät!«

»Weil ich, wie ich Eurer Majestät schon berichtet habe, bei allergrößter Eile nicht früher ankommen konnte als gestern abend.«

»Ärgerlich, sehr ärgerlich!« murmelte der König. »Denn zu dieser Stunde wären wir dann schon in Sicherheit gewesen, sei es in Rochelle, sei es an irgend einem anderen günstigen Orte. Wir hätten zwei- oder dreitausend Reiter um uns versammeln können!«

»Sire, was geschehen ist, läßt sich nicht ändern,« sagte Margarete halblaut, »und anstatt die Zeit mit der Beurteilung der vergangenen Ereignisse zu vergeuden, wäre es vorteilhafter, einen Entschluß für die Zukunft zu fassen.«

»Hätten Sie an meiner Stelle noch irgendeine Hoffnung, Madame?« fragte Heinrich und betrachtete die junge Frau mit forschendem Blick.

»Ganz bestimmt! Ich würde das begonnene Spiel als ein Kartenspiel mit drei Runden beurteilen, bei welchem ich nicht mehr als die erste Partie verloren habe.«

»Ah, Madame,« raunte Heinrich, »wenn ich wüßte, daß Sie halbpart mit mir machen würden . . .«

»Wenn ich mich auf die Seite Ihrer Gegner hätte schlagen wollen, so hätte ich vermutlich nicht so lange damit gewartet.«

»Das ist wahr! Ich bin undankbar, und alles kann sich, wie Sie schon erwähnten, heute noch in das rechte Geleise bringen lassen.«

»Leider, Sire,« warf La Mole ein, »obwohl ich Eurer Majestät Glück auf allen Wegen wünsche . . . leider haben wir heute keinen Admiral mehr!«

Heinrich lächelte in der Art pfiffiger Bauern, ein Lächeln, das man bei Hof erst mit dem Tage verstand und zu deuten wußte, als er König von Frankreich war.

»Madame,« begann er und betrachtete aufmerksam den jungen Edelmann, »der Graf von La Mole kann doch bei Ihnen nicht wohnen, ohne Sie fortwährend zu stören; außerdem würden Sie stets den unangenehmsten Überraschungen ausgesetzt sein! Was gedenken Sie zu tun?«

»Können wir ihn aber aus dem Louvre hinauslassen?« fragte Margarete. »Ich füge mich gerne Ihren Ratschlägen.«

»Es ist allerdings schwer.«

»Wäre es möglich, Sire, daß Herr von La Mole ein wenig Platz in Ihrem Hause finden könnte?«

»Es tut mir sehr leid, Madame, doch Sie behandeln mich noch immer als König der Hugenotten und so, als ob ich noch ein Volk hinter mir hätte. Sie wissen, daß ich schon halb bekehrt bin und daß ich nicht über einen Mann mehr verfüge.«

Eine andere als Margarete hätte sich nun damit beeilt, dem König auf der Stelle zu eröffnen: auch er ist Katholik! Doch die Königin wollte sich von Heinrich um die Angelegenheit fragen lassen, die sie von ihm bereinigt zu sehen wünschte. La Mole hingegen, der die Zurückhaltung seiner Beschützerin bemerkte und noch gar nicht wußte, auf welche Art er auf dem schlüpfrigen Boden eines so gefährlichen Hofes, wie es zur Zeit der von Frankreich war, festen Fuß fassen sollte, schwieg sich ebenfalls aus.

»Doch was schreibt mir denn der Herr Statthalter von der Provinz,« sagte Heinrich und las noch einmal im Briefe nach, den La Mole überbracht hatte, »Ihre Mutter war eine Katholikin und daher stammt das Wohlwollen, das er Ihnen schenkt.«

»Und von was für einem Gelübde haben Sie mir vorhin gesprochen, Herr von La Mole?« fragte Margarete. »Betraf es nicht einen Glaubenswechsel? Meine Gedanken verwirren sich in dieser Richtung, Sie müssen mir, zu Hilfe kommen, Herr von La Mole! Handelte es sich nicht um etwas Ähnliches, wie es auch der König wünscht?«

»Leider ja! Doch Eure Majestät haben meine bezüglichen Erklärungen so kühl aufgenommen, daß ich nicht wagte . . .«

»Das ging mich eben alles nichts an, mein Herr. Berichten Sie dem König, berichten Sie es ihm!«

»Nun also, was ist das für ein Gelübde?« fragte Heinrich.

»Sire,« erzählte La Mole, »verfolgt von den Mördern, waffenlos, blutete ich aus zwei Wunden, da erschien mir auf meinem Wege der Geist meiner Mutter und hielt ein Kreuz in der Hand und leitete mich zum Louvre. Da tat ich das Gelübde, daß wenn ich gerettet werden würde, ich den Glauben meiner Mutter annehmen würde. Denn Gott hatte ihr erlaubt, das Grab zu verlassen und mir während der fürchterlichen Nacht als Führerin zu dienen. So hat Gott mich bis hierher geführt, Sire. Ich sehe mich unter doppelten Schutz gestellt, unter den einer Königstochter Frankreichs und unter den des Königs von Navarra. Mein Leben wurde auf wunderbare Weise gerettet, ich habe nur mehr mein Gelübde zu erfüllen, Sire. Ich bin bereit den katholischen Glauben anzunehmen.«

Heinrich zog seine Augenbrauen zusammen. Zweifler, der er war, verstand er wohl das Abschwören aus Eigennutz, doch er mißtraute dem Glaubenswechsel aus Schicksalsgründen.

»Der König will sich meines Schützlings nicht annehmen,« dachte Margarete.

La Mole indessen wartete bescheiden und fühlte sich als Gegenstand zweier entgegengesetzter Meinungen unbehaglich. Er merkte, ohne es sich recht erklären zu können, das Lächerliche seiner Lage. Margarete war es, die ihm mit echt weiblichem Zartgefühl aus dieser Enge half.

»Sire!« sagte sie, »wir vergessen ganz, daß der arme Verwundete Ruhe benötigt. Ich selbst falle schon vor Schlafbedürfnis um, doch da sehen Sie!«

La Mole erbleichte tatsächlich. Aber nur die letzten Worte Margaretes, die er in seiner Art deutete, hatten die Blässe zur Folge gehabt.

»Natürlich, Madame, nichts ist doch einfacher!« sagte Heinrich. »Warum können wir Herrn von La Mole nicht Ruhe gönnen?«

Der junge Mann warf einen flehenden Blick auf Margarete und ließ sich trotz der Anwesenheit beider Majestäten, gebrochen von Schmerz und Müdigkeit, auf einen Stuhl niederfallen.

Margarete verstand, wie viel Liebe in diesem Blick gewesen war und wieviel Verzweiflung in der Schwäche lag.

»Sire,« sagte sie, »es ziemt sich Eurer Majestät, diesem jungen Mann eine Wohltat zu erweisen, für die er Eurer Majestät sein ganzes Leben lang dankbar sein wird. Er hat sein Leben für seinen König eingesetzt, weil er, verwundet wie er war, noch hierher geeilt ist, um Ihnen den Tod des Admirals und Telignys zu melden.«

»Was für eine Wohltat?« fragte Heinrich. »Befehlen Sie nur, ich bin bereit!«

»Herr von La Mole wird in dieser Nacht zu Füßen Eurer Majestät schlafen. Eure Majestät selbst werden mit diesem Ruhebett vorliebnehmen. Mit der Erlaubnis meines durchlauchtigsten Gemahls werde ich Gillonne rufen und mich in meinem Zimmer zu Bett begeben, denn ich schwöre Ihnen, Sire,« und Margarete lächelte zu diesen Worten, »daß ich von uns dreien nicht diejenige bin, die der Ruhe am wenigsten bedarf.«

Heinrich besaß Verstand, vielleicht sogar ein bißchen zu viel Verstand. Seine Freunde und seine Feinde warfen ihm das wenigstens später einmal vor. Er begriff, daß diejenige, die ihm jetzt das Ehebett versagte, das Recht hierzu aus der Gleichgültigkeit erworben hatte, die er ihr bisher geoffenbart. Außerdem hatte Margarete sich für seine Gleichgültigkeit gerächt, indem sie sein Leben rettete. Seine Antwort blieb also frei von jeglicher Eifersucht.

»Madame,« sagte er, »wenn Herr von La Mole imstande wäre, in meine Wohnung zu kommen, würde ich ihm mein eigenes Bett zur Verfügung stellen.«

»Wohl,« antwortete Margarete, »aber Ihre Wohnung kann heute weder Sie noch ihn schützen, und die Vorsicht gebietet es, daß Eure Majestät bis morgen früh hier bleiben.«

Ohne die Antwort des Königs abzuwarten, rief sie Gillonne, ließ die Polster für des Königs Lager zurechtrichten und zu Füßen dieses Lagers ein Bett für La Mole bereitstellen. Der schien von dieser Ehre beglückt und befriedigt, man hätte schwören können, daß er keinerlei Schmerzen mehr verspürte.

Margarete machte vor dem König eine höfische Verbeugung, zog sich dann in ihr von allen Seiten wohlverriegeltes Zimmer zurück und begab sich zu Bett.

»Und nun,« sagte sich Margarete, »ist es nötig, daß Herr von La Mole morgen im Louvre einen Beschützer hat. Heute abend spielt sich der auf den Beschützer, der sich sonst taub stellt und der das morgen sicherlich bereuen wird!«

Dann machte sie Gillonne, die auf die letzten Befehle der Herrin wartete, ein Zeichen.

Gillonne kam herbei.

»Gillonne,« sagte sie leise, »morgen muß der Herzog von Alençon, mein Bruder, aus irgendeinem Grunde das Verlangen haben, vor acht Uhr früh bei mir zu erscheinen. Das ist so einzurichten.«

Es schlug zwei Uhr nachts im Louvre.

Eine Weile sprach La Mole mit dem König noch über Politik, dann schlief Heinrich allmählich ein und schnarchte gleich darauf so anhaltend, als ob er ruhig in seinem Lederbett in Bearn läge.

La Mole hätte vielleicht ebenso gut geschlafen wie der König, doch Margarete schlief ja nicht. Sie wälzte sich in ihrem Bett herum und dieses Geräusch verwirrte die Gedanken des jungen Mannes und verscheuchte seinen Schlaf.

»Er ist wohl noch jung,« murmelte Margarete in ihrer Schlaflosigkeit, »er ist sehr schüchtern. Vielleicht muß man das erst abwarten, vielleicht wird er sogar lächerlich werden. Immerhin, er hat hübsche Augen . . . eine gut gemachte Gestalt . . . viel Reiz . . . Doch, wenn er nicht tapfer sein sollte? . . . er ist geflohen . . . er schwört ab . . . das ist ärgerlich, der Traum hatte so schön begonnen! Ach, was! Lassen wir die Dinge laufen und überlassen wir alles dem dreifachen Gott der närrischen Henriette!«

Erst bei Tagesanbruch schlief Margarete ein, sie hatte drei Worte auf den Lippen: Eros–Kupido–Amor.

 


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