Alexander Dumas
Königin Margot. Erster Band
Alexander Dumas

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Die Nacht vom 24. August 1572

Als La Mole und Coconas ihr karges Nachtmahl eingenommen hatten – denn das Geflügel der Gastwirtschaft »Zum schönen Sternbild« machte sich eben nur auf dem Aushängschild breit – ließ Coconas seinen Stuhl um ein Bein im Kreis herumdrehn, streckte dann seine Beine aus, stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch und verkostete noch ein letztes Glas Wein.

»Werden Sie sich jetzt unverzüglich schlafen legen, Herr von La Mole?« fragte er sein Gegenüber.

»Wahrlich, ich hätte große Lust dazu, denn wahrscheinlich wird man mich in dieser Nacht aufwecken.«

»Vermutlich mich auch,« erwiderte Coconas, »aber ist es da nicht angezeigter, Karten zu verlangen und ein wenig zu spielen? Wenigstens müßte dann niemand auf uns warten, wir wären gleich bereit, fortzugehen.«

»Ich würde Ihren Vorschlag sehr gerne annehmen, Herr von Coconas, aber mir mangelt das Geld zum Spiel. Ich habe nicht einmal hundert Goldtaler in meiner Reisetasche, und was die Hauptsache ist: das ist mein ganzes Vermögen. Es liegt an mir, damit hier mein Glück zu machen!«

»Was, hundert Goldtaler?« rief Coconas. »Und Sie bedauern sich? Zum Teufel, mein Herr, ich besitze deren überhaupt nur sechs!«

»Nicht möglich!« meinte La Mole. »Ich sah Sie doch aus der Tasche eine Börse ziehen, die mir nicht nur schön rund, sondern sozusagen wohlgespickt schien?«

»Ach, was das betrifft, so ist das ein Geld, mit dem ich eine alte Schuld meines Vaters bezahlen muß. Es gehört einem seiner früheren Freunde, den ich in Verdacht habe, daß er geradeso Hugenotte ist wie Sie, wenn auch nur ein gemäßigter. Jawohl, da sind dreitausendsiebenhundertfünfzig Franken darin,« erklärte Coconas und klopfte auf die Tasche, »aber sie gehören dem Meister Mercandon. Mein väterliches Erbteil beschränkt sich, wie ich schon sagte, auf sechs ganze Taler.«

»Wie können wir also spielen?«

»Gerade deshalb wollte ich mein Glück versuchen. Außerdem ist mir ein glänzender Gedanke gekommen.«

»Welcher?«

»Wir kommen doch beide zu einem bestimmten Zweck nach Paris?«

»Gewiß!«

»Jeder von uns hat einen mächtigen Beschützer?«

»Auch das stimmt!«

»Sie können auf den Ihrigen rechnen, so gut wie ich auf meinen?«

»Richtig!«

»Nun sehen Sie, da habe ich mir gedacht: wir verspielen erstlich einmal unser Geld, dann den ersten Vorteil, der uns erwächst, sei es, daß wir ihn vom Hof zu erwarten haben oder von einer Geliebten . . .«

»Tatsächlich ist der Gedanke nicht schlecht,« meinte La Mole lächelnd, »doch muß ich Ihnen gestehen, daß ich viel zu wenig Spieler bin, um mit einem Kartenwurf mein ganzes Leben auf das Spiel zu setzen, denn der erste Vorteil, der mir oder Ihnen zufallen wird, der wird jedenfalls für unser ganzes Leben von Bedeutung sein.«

»So lassen wir die Vorteile vom Hofe und spielen wir um die erste Gunst einer Geliebten.«

»Darin erblicke ich einen Nachteil,« sagte La Mole.

»Warum denn?«

»Weil ich überhaupt keine Geliebte habe.«

»Ich auch nicht; aber ich rechne sehr damit, in kürzester Zeit eine zu besitzen. Gott sei Dank! Man ist ja schließlich so wohl gewachsen, daß man bei Frauen Glück haben muß.«

»Sie werden es auch sicherlich haben, Herr von Coconas; doch da ich zu meinem Glückstern in dieser Hinsicht weniger Vertrauen hege, so wäre mein Einsatz für Sie entschieden sehr nachteilig. Spielen wir also bis zu dem Betrag Ihrer sechs Taler. Sollten Sie diese unglückseligerweise verlieren und trotzdem weiterspielen wollen, dann wird Ihr Ehrenwort das Gold aufwiegen, denn Sie sind ja ein Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle!«

»Ausgezeichnet!« rief Coconas. »Das nenne ich gut gesprochen. Sie haben recht, Herr von La Mole, das Wort eines Edelmannes ist Goldes wert, besonders dann, wenn er so gut bei Hofe angeschrieben ist. Glauben Sie nicht, daß ich zu viel aufs Spiel setze, wenn ich einen ersten Vorteil gegen Sie wage.«

»Ohne Zweifel, Sie können ihn verlieren. Ich kann ihn aber auch nicht gewinnen, denn da ich zum König von Navarra gehöre, kann ich nichts vom Herzog von Guise haben.«

»Ah, du kalvinistischer Spitzkopf!« murmelte der Wirt und putzte seinen alten Helm. »Ich habe also gleich den richtigen in dir gewittert.«

Er unterbrach sich sofort, um das Zeichen des Kreuzes zu machen.

»Na also,« sagte Coconas und mischte die Karten, die ihm ein Bursch gebracht hatte, »Sie gehören demnach wirklich . . .

»Wem?«

»Dem reformierten Glauben an?«

»Ich?«

»Na ja, Sie selbstverständlich!«

»Gut, nehmen Sie es an,« sagte La Mole, »haben Sie etwas gegen uns?«

»Oh, Gott sei Dank, nein! Mir ist das ziemlich einerlei. Ich hasse im allgemeinen diese Hugenotterei, doch persönlich hasse ich die Hugenotten nicht, und dann ist das jetzt so zeitgemäß.«

»Jawohl,« antwortete La Mole lachend, »als Beweis dessen: die Schießerei auf den Herrn Admiral! Werden wir auch um derlei Büchsenschüsse spielen?«

»Wie Sie es wünschen werden,« sagte Coconas; »die Hauptsache bleibt, daß ich überhaupt spiele, um was, ist mit ziemlich gleichgültig!«

»Spielen wir!« sagte La Mole, hob die Karten auf und mischte sie.

»Ja, spielen Sie, spielen Sie nur mit Zuversicht, denn sollte ich hundert Goldtaler verlieren, wie Sie sie besitzen, dann werde ich morgen früh sicherlich etwas haben, um mich auszugleichen.«

»Das Glück wird Sie also im Schlaf überraschen?«

»Nein, ich werde es natürlich suchen gehen.«

»Wo denn? Verraten Sie es, ich werde mit Ihnen gehen!«

»Im Louvre!«

»Sie kehren also in dieser Nacht dahin zurück?«

»Ja, heute nacht noch habe ich eine besondere Unterredung mit dem großen Herzog von Guise.«

Seit Coconas angefangen hatte von der Glücksucherei im Louvre zu reden, hatte der Wirt seine Tätigkeit unterbrochen und hatte sich so hinter den Stuhl La Moles gesetzt, daß er von da aus Coconas unbemerkt Zeichen machen konnte. Der Piemontese war aber so mit seinem Spiel beschäftigt, daß er diese Zeichen gar nicht bemerkte.

»Das ist wirklich wunderlich,« begann La Mole von neuem, »und Sie hatten recht, als Sie sagten, daß wir unter demselben Stern geboren sein müßten. Auch ich habe heute nacht eine Verabredung im Louvre, aber nicht mit Herrn von Guise, sondern mit dem König von Navarra.«

»Haben Sie ein Losungswort?«

»Ja.«

»Ein Erkennungszeichen?«

»Selbstverständlich! Mein Losungswort heißt . . .«

Auf diese Worte hin machte La Hurière, und zwar gerade in dem Augenblick, als der redselige junge Mann seinen Kopf hob, ein so ausdrucksvolles Zeichen, daß Coconas innehielt. Das Zeichen machte ihn weit mehr betroffen als der Kartenfall, bei welchem er mit einem Schlage drei Goldtaler verlor. La Mole bemerkte das plötzliche Erstaunen seines Mitspielers und sah sich nach rückwärts um. Doch er sah nichts anderes als den Wirt, der lässig mit gekreuzten Armen hinter ihm saß und die Sturmhaube aufhatte, die er schon vorher blank geputzt und gerieben hatte.

»Was haben Sie denn?« fragte La Mole seinen Spielgenossen.

Coconas sah den Wirt und La Mole wortlos an, denn er verstand die nunmehr verdoppelten Bewegungen des Meisters La Hurière ganz und gar nicht.

La Hurière sah ein, daß er dem Edelmann zu Hilfe kommen müßte: »Ich habe nämlich ebenfalls für das Spiel eine besondere Vorliebe,« sagte er rasch zu La Mole, »und weil ich gerade den Stich beobachtete, der Sie gewinnen ließ und mich darum genähert hatte, dürfte Herr von Coconas über meinen Kopfschmuck erstaunt gewesen sein, der wohl einem Krieger zukommt, nicht aber einem armen Bürger.«

»Gibt auch ein gutes Bild ab!« rief La Mole und schüttelte sich vor Lachen.

»Eh, mein Herr,« bemerkte La Hurière mit verstellter Gutmütigkeit und ließ die Schultern zum Zeichen seiner Minderwertigkeit herabsinken, »wir sind keine Helden, wir Bürger. Wir haben auch nicht das Aussehen kriegerischer Menschen. Das paßt sich für junge Edelleute, die ihre vergoldeten Helme und feinen Raufdegen im Sonnenlicht aufblitzen lassen. Wenn wir nur unseren Wachtdienst gut versehen . . .«

»Ah, ah!« meinte La Mole und mischte nun selbst die Karten, »Sie versehen Nachtdienste?«

»Mein Gott, ja, Herr Graf, ich bin Unteroffizier bei einer Kompanie der städtischen Bürgergarde.«

Während La Mole mit dem Kartengeben beschäftigt war, zog sich La Hurière zurück und legte, um Coconas Schweigsamkeit anzuempfehlen, den Finger an die Lippen. Der war aber bestürzter denn je.

Dies war auch der Grund, warum er das zweite Spiel genau so schnell verlor als das erste.

»So,« sagte La Mole, »jetzt haben Sie gerade sechs Taler verloren, wollen Sie Ihr künftiges Glück auf das Gegenspiel einsetzen?«

»Sehr gern,« sagte Coconas, »sehr gern!«

»Sagten Sie mir aber, bevor Sie sich zum Spiele setzten, nicht, daß Sie eine Verabredung mit dem Herzog von Guise haben?«

Coconas sah sich hilfesuchend nach der Küche um und bemerkte dort La Hurière, der ihm mit seinen großen Augen die gleiche Warnung zuwinkte.

»Natürlich,« antwortete er, »doch die Stunde ist noch nicht gekommen. Übrigens reden wir doch einmal auch von ihrer Verabredung, Herr von La Mole.«

»Wir werden besser daran tun, vom Spiel zu sprechen, mein lieber Herr von Coconas, denn ich täusche mich nicht, wenn ich mich abermals sechs Taler von Ihnen gewinnen sehe.«

»Verdammt! Das ist richtig, . . . man hat mir immer gesagt, daß die Hugenotten Glück im Spiele haben. Ich hätte Lust, Hugenotte zu werden . . . der Teufel noch einmal!«

Die Augen La Hurières funkelten und glühten wie Kohlen, doch diesmal bemerkte es der spiellustige Coconas nicht.

»Tun Sie das, Graf, tun Sie das nur, und wenn auch die Art und der Grund Ihrer Berufung einzigartig ist, so werden Sie trotzdem von uns bewillkommnet werden.«

Coconas kratzte sich hinter dem Ohre.

»Wenn ich ganz sicher wäre, daß Ihr Glück von dieser Seite kommt, würde ich Ihnen zusagen . . . denn eigentlich halte ich nicht so besonders zur Messe, und der König, der hält schon gar nichts darauf . . .«

»Und außerdem ist unsere Religion schön, sie ist so einfach und rein.«

»Und dann ist sie zeitwirksam,« sagte Coconas, »und dann . . . bringt sie Glück im Spiel . . . denn der Teufel hole mich . . . die Asse haben Sie ja gepachtet! Ich beobachte Sie, seit wir die Karten in den Händen halten, Sie spielen ein ehrliches Spiel, Sie schwindeln nicht . . . an allem muß doch Ihre Religion schuld sein . . .«

»Sie schulden mir um sechs Taler mehr,« sagte La Mole mit unerschütterlicher Ruhe.

»Ah! wie Sie mich in Versuchung führen,« rief Coconas, »und wenn ich mit dem Herzog von Guise in dieser Nacht nicht sehr zufrieden sein werde . . .«

»Na, dann?«

»Na, dann bitte ich Sie, mich morgen dem König von Navarra vorzustellen. Und seien Sie unbesorgt: wenn ich einmal Hugenotte bin, dann werde ich ein besserer Hugenotte sein als Luther, als Kalvin, als Melanchthon und als sämtliche Hugenotten der Welt.«

»Ruhig!« brummte La Mole. »Sie werden sich mit unserem Wirt entzweien.«

»Das ist wahr,« bestätigte Coconas und blickte wieder zur Küche hinüber; »doch nein, er hört uns nicht, er ist augenblicklich zu sehr beschäftigt.«

»Was treibt er denn?« fragte La Mole, der ihn von seinem Platze nicht sehen konnte.

»Er plaudert mit . . . der Teufel hole mich! . . . er ist es!«

»Was für ein Er?«

»Einer von der verdächtigen Sorte der Nachtvögel, derselbe, mit dem er schon sprach, als wir ankamen, der Mann mit dem gelben Wams und dem feuerschwammfarbenen Mantel. Teufel, wie er ihm scharf zusetzt! . . . eh! Sagen Sie doch, Meister La Hurière, machen Sie vielleicht Politik?«

Doch diesmal bestand die Antwort des Meisters La Hurière in einer so nachdrücklichen und befehlenden Handbewegung, daß Coconas trotz seiner Vorliebe für die bemalten Pappdeckel aufstand und zu ihm hinging.

»Was haben Sie nur?« fragte La Mole.

»Wünschen Sie vielleicht Wein, mein Herr?« erkundigte sich La Hurière und faßte gleich lebhaft nach der Hand des Piemontesen, »man wird Ihnen gleich einen bringen. Gregor, Wein für die zwei Herren!«

Dann zischte er Coconas in das Ohr: »Ruhe, bei Ihrem Leben, Ruhe! Beurlauben Sie Ihren Gefährten!«

La Hurière war so bleich und der gelbe Mann so schaudererregend, daß Coconas fast eine Gänsehaut bekam. Er wandte sich an La Mole: »Mein verehrter Herr von La Mole,« sagte er, »ich bitte mich zu entschuldigen. Hier sind fünfzig Taler, die ich im Handumdrehn verloren habe. Ich bin heute abend entschieden im Unglück, ich fürchte mich, mich am Ende zu sehr zu beunruhigen.«

»Sehr gut, mein Herr, sehr gut, wie es beliebt!« sagte La Mole. »Übrigens bin ich gar nicht darüber böse, mich ein wenig auf mein Bett werfen zu können. Meister La Hurière!«

»Herr Graf?«

»Wenn mich jemand im Auftrag des Königs von Navarra holen kommt, so wecken Sie mich auf. Ich bleibe angezogen und bin daher gleich bereit.«

»Das ist auch mein Fall,« sagte Coconas. »Um Seine Hoheit aber nicht einen Augenblick warten zu lassen, werde ich mir das Kennzeichen vorbereiten. Meister La Hurière, ich bitte mir eine Schere und ein weißes Papier zu geben.«

»Gregor!« schrie La Hurière, »weißes Papier, um einen Brief zu schreiben, eine Schere, um den Umschlag zurechtzuschneiden!«

»Hm,« sagte sich Coconas, »scheinbar bereitet sich hier etwas Außergewöhnliches vor.«

»Guten Abend, Herr von Coconas,« sagte La Mole, »und Sie Herr Wirt werden die Liebenswürdigkeit haben, mir den Weg zu meinem Zimmer zu weisen, nicht wahr? Alles Gute, mein Freund!«

La Mole verschwand, gefolgt von La Hurière, in der Wendeltreppe. Jetzt ergriff der geheimnisvolle Mann seinerseits Coconas beim Arm, und indem er ihn an sich heranzog, flüsterte er ihm hastig folgendes zu: »Mein Herr, Sie hätten fast an die hundert Male ein Geheimnis enthüllt, von dem das Schicksal des ganzen Reiches abhängt. Gott hat Ihnen noch zur rechten Zeit den Mund verschlossen. Ein Wort mehr . . . und ich hätte Sie mit einem Büchsenschuß niederstrecken müssen. Jetzt sind wir glücklicherweise allein, darum hören Sie . . .«

»Ja, wer sind Sie denn, daß Sie mit mir in diesem befehlenden Ton sprechen dürfen?«

»Haben Sie vielleicht zufällig vom Herrn von Maurevel reden gehört?«

»Dem Mörder des Admirals?«

»Und des Kapitäns von Mouy!«

»Ja, ich hörte von ihm.«

»Nun gut, der Herr von Maurevel bin ich!«

»Oh!« rief Coconas.

»Hören Sie mich also.«

»Verdammt! Ich glaube wohl, daß ich auf Sie hören werde.«

»Still!« flüsterte Maurevel mit dem Finger am Mund.

Coconas war ganz Ohr.

Man hörte gerade den Wirt, wie er im oberen Stockwerk eine Zimmertür schloß, dann die Tür des Ganges mit einem Riegel versperrte. Eilig kam er darauf herab und gesellte sich den beiden anderen zu.

Er wies Coconas und Maurevel zwei Stühle an und setzte sich dann selbst auch nieder.

»Alles ist gut versperrt, Herr von Maurevel, Sie können ruhig reden.«

Von Saint-Germain-l'Auxerrois schlug es elf Uhr. Maurevel zählte jeden Hammerschlag, unheimlich zitterten die Töne durch die finstere Nacht und erst, als der letzte verklungen war, begann er: »Sind Sie ein guter Katholik, mein Herr?«

»Das will ich wohl glauben!« antwortete Coconas, der über die Vorsichtsmaßregeln der beiden Männer entgeistert war.

»Sind Sie dem König ergeben, mein Herr?«

»Mit Herz und Seele. Die Frage ist fast beleidigend, mein Herr!«

»Wir werden uns hierüber nicht streiten . . . nur müssen Sie uns folgen.«

»Wohin?«

»Das ›wohin‹ ist Nebensache. Lassen Sie sich nur führen. Es geht um Ihr Glück, vielleicht auch um Ihr Leben.«

»Ich mache Sie darauf aufmerksam, mein Herr, daß ich um Mitternacht im Louvre zu tun habe.«

»Gerade dorthin wollen wir auch.«

»Der Herzog von Guise erwartet mich.«

»Uns ebenfalls.«

»Aber ich habe ein besonderes Losungswort,« erklärte Coconas ein wenig gekränkt, die Ehre seiner Vorlassung beim Herzog mit Maurevel und Meister La Hurière teilen zu müssen.

»Auch das haben wir.«

»Aber ich habe ein Erkennungszeichen.«

Jetzt lächelte Maurevel, zog aus seinem Wams einen weißen Lappen in Kreuzform, übergab ihn La Hurière, händigte Coconas einen zweiten ein und behielt einen dritten für sich selbst. La Hurière befestigte das Kreuz an seinem Helm, Maurevel steckte es sich an den Hut.

»Ach so?« meinte Coconas erstaunt. »Die Verabredung, das Losungswort, das Erkennungszeichen . . . das gilt also für alle Welt?«

»Sehr richtig, mein Herr, oder besser gesagt: für alle guten Katholiken.«

»Es gibt also im Louvre ein Fest, ein Gastmahl des Königs, nicht wahr? Und man will diese Hunde von Hugenotten ausschließen?« rief Coconas. »Gut, ausgezeichnet; sie brüsten sich dort schon lange genug herum!«

»Ja, es wird ein Fest im Louvre stattfinden,« sagte Maurevel, »auch ein Festmahl des Königs, und die Hugenotten sind dazu eingeladen . . . mehr noch: sie werden die Helden dieses Festes sein, sie werden die Tafel bezahlen und wenn Sie einer von den Unsern sein wollen, dann kommen Sie gleich mit, denn wir wollen zuerst ihren größten Glaubensstreiter, ihren Gideon, wie sie ihn nennen, einladen gehen.«

»Den Herrn Admiral?« rief Coconas.

»Ja, den alten Gaspard, den ich Esel gefehlt habe, obwohl ich mit einer Hakenbüchse des Königs auf ihn geschossen habe.«

»Und darum, mein geehrter Herr, habe ich mir meinen Helm geputzt, meinen Degen zugespitzt und meine Messer geschärft,« sagte der schon kriegsmäßig gekleidete Meister La Hurière mit gellender Stimme.

Coconas wurde blaß und erregt, er begann jetzt alles zu verstehen.

»Was, wirklich?« schrie er auf. »Das Fest, das Gelage . . . das ist . . . man wird . . .

»Sie haben wohl lang dazu gebraucht, alles zu erraten, mein Herr,« sagte Maurevel, »und man merkt, daß Sie von den Frechheiten dieser Ketzer noch nicht so viel zu leiden hatten wie wir.«

»Und Sie nehmen es auf sich, zum Admiral zu gehen und zu . . .

Maurevel lächelte und zog Coconas zum Fenster hin.

»Sehen Sie einmal dorthin,« sagte er, »bemerken Sie auf dem kleinen Platz am Ende der Straße, gleich hinter der Kirche, die Abteilung, die sich still im Schatten ordnet?«

»Ja.«

»Die Leute, die sich dort sammeln, haben alle, wie Meister La Hurière, Sie und ich, ein Kreuz am Hut.«

»Und?«

»Das ist eine Kompanie Schweizer, befehligt von Toquenot. Sie wissen vielleicht, daß die Herrn von der Eidgenossenschaft die besonderen Vertrauten und Helfer des Königs sind.«

»So, so!«

»Jetzt beobachten Sie die Reitergruppe, die auf dem Quai vorüberkommt; erkennen Sie ihren Führer?«

»Wie soll ich ihn erkennen,« sagte Coconas aufgeregt, »ich bin ja erst seit heute abend in Paris.«

»Das ist der, mit dem Sie um Mitternacht eine Zusammenkunft im Louvre verabredet haben. Sehen Sie doch, er erwartet Sie gar.«

»Der Herzog von Guise?«

»Er selbst! In seiner Begleitung befinden sich Marcel, der ehemalige Vorsteher der Kaufmannschaft, und J. Choron, der gegenwärtige Vorsteher. Beide werden die Kompanien der Bürgergarden in Marsch setzen. Und sehen Sie, dort ist der Kapitän unseres Stadtviertels, gerade kommt er in die Straße, beobachten Sie, was der beginnen wird.«

»Er klopft gegen jede Tür. Was gibt es denn nur auf den Türen, gegen die er pocht?«

»Ein weißes Kreuz, junger Mann, ein gleiches, wie wir es auf unseren Hüten tragen. Zu anderer Zeit überließ man es Gott, die Seinen untereinander kenntlich zu machen . . . heute sind wir fortgeschrittener, wir ersparen Ihm diese Sorge.«

»Jedes Haus, an das er tritt, öffnet seine Tür . . . bewaffnete Bürger kommen heraus.«

»Er wird auch bei uns anklopfen und auch wir werden uns hinausbegeben.«

»So viel Menschen auf den Beinen, um einen alten Hugenotten zu töten?« rief Coconas. »Verdammt, das ist beschämend, das ist eine Aufgabe für Würger, aber nicht für Soldaten!«

»Junger Mann,« erwiderte Maurevel, »wenn die Alten Ihnen nicht recht sind, dann suchen Sie sich nur die Jüngeren aus. Es ist für jeden Geschmack gesorgt. Wenn Sie den Dolch verachten, dann bedienen Sie sich Ihres Degens, denn die Hugenotten lassen sich nicht so einfach abwürgen, ohne sich zur Wehr zu setzen, und dann, Sie wissen es wohl: die Hugenotten, alt oder jung, haben ein verdammt zähes Leben!«

»Man wird sie also alle töten?« rief Coconas.

»Alle!«

»Auf Befehl des Königs?«

»Auf seinen und auf des Herzogs von Guise Befehl!«

»Wann soll das geschehen?«

»Sobald Sie die Glocken von Saint-Germain-l'Auxerrois hören werden.«

»Ach, deswegen hat der höfliche Deutsche, der beim Herzog ist . . . wie heißt er denn nur?«

»Herr von Besme.«

»Richtig! Deswegen sagte mir Herr von Besme, ich solle beim ersten Sturmläuten zum Louvre eilen?«

»Sie haben Herrn von Besme gesehen?«

»Gesehen und gesprochen.«

»Wo?«

»Im Louvre. Er hat mir Einlaß verschafft, hat mir das Losungswort gegeben, hat . . .

»Sehen Sie dorthin!«

»Ach, das ist er ja selbst!«

»Wollen Sie ihn sprechen?«

»Bei meiner Seele! Ich würde es sehr gerne.«

Maurevel öffnete behutsam das Fenster. Besme schritt mit etwa zwanzig Mann vorüber.

»Guise und Lothringen!« sagte Maurevel.

Besme kehrte um, und als er merkte, daß der Ruf ihm galt, näherte er sich dem Fenster.

»Ah! ah! Sie sind das, Herr von Maurevel.«

»Ich bin es . . . wen suchen Sie?«

»Suche das Gasthaus ›Schönes Sternbild‹, um einen gewissen Coconas zu benachrichtigen.«

»Hier stehe ich!« rief der Piemontese.

»Ah! Gut, gut! Sind Sie bereit?«

»Jawohl! Was gibt es zu tun?«

»Was sagen wird Herr von Maurevel . . . ist ein guter Katholik!«

»Haben Sie gehört?« sagte Maurevel.

»Recht so! Doch wohin gehen Sie, Herr von Besme?«

»Ich?« lachte Besme.

»Ja, Sie, Herr von Besme!«

»Ich werde Herrn Admiral ein klein Wort sagen!«

»Sagen Sie ihm gleich zwei, wenn es nötig ist,« sagte Maurevel, »und sagen Sie ihm, daß er sich diesmal, wenn er sich zum erstenmal vom Boden erheben wird, sicherlich nicht zum zweitenmal mehr erheben wird.«

»Unbesorgt, Herr von Maurevel, unbesorgt! Und richten Sie mir den jungen Mann gut ab.«

»Wird auf jeden Fall geschehen, denn die Coconas sind feine Spürhunde, und gute Hunde entsprechen immer ihrer Veranlagung.«

»Adieu!«

»Gehen Sie nur!«

»Und Sie?«

»Beginnen Sie nur die Jagd, wir bekommen schon unser Jägerrecht!«

Besme entfernte sich und Maurevel schloß das Fenster.

»Hörten Sie es, junger Mann?« sagte Maurevel. »Wenn Sie irgendeinen besonderen Feind haben – und wäre er auch nicht ganz ein Hugenotte – dann setzen Sie ihn auf die Liste und er wird mit den andern verschwinden.«

Coconas war von allem Gehörten und Gesehenen mehr als je betäubt, er betrachtete einmal den Wirt, der sich in den fürchterlichsten Angriffsstellungen übte, das andere Mal wieder Maurevel, der ruhig ein Papier aus der Tasche zog. »Was mich betrifft,« meinte dieser, »da ist meine Liste: volle dreihundert! Wenn jeder gute Katholik heute nacht nur den zehnten Teil von dem leisten wird, was ich durchführen werde, dann wird sich morgen nicht ein einziger Ketzer im Königreich befinden.«

»Still!« flüsterte La Hurière.

»Was gibt es?« wiederholten Coconas und Maurevel.

Der erste Glockenschlag von Saint-Germain-l'Auxerrois durchzitterte die Luft.

»Das Zeichen!« schrie Maurevel. »Man hat also die Stunde vorgerückt, es hieß doch, erst um Mitternacht soll der Tanz beginnen . . . Umso besser! Wenn es sich um den Ruhm Gottes oder des Königs handelt, sind mir vorgerückte Uhren lieber, als zurückgestellte.«

Tatsächlich war jetzt das dumpfe Glockenläuten vom Kirchturm gut zu vernehmen. Bald knallte der erste Schuß durch die Luft und gleichzeitig flammte blitzartig da und dort ein Feuerschein in der Straße l'Arbre-Sec auf.

Coconas fuhr sich mit der feuchten Hand über die Stirne. »Das Spiel beginnt!« rief Maurevel. »Vorwärts!«

»Einen Augenblick, einen Augenblick noch!« sagte der Wirt. »Bevor wir uns in Marsch setzen, müssen wir uns kriegsmäßig noch unseres Quartiers versichern. Ich möchte wohl nicht, daß man mir, während ich draußen weile, meine Frau und meine Kinder meuchelt, denn wir haben ja einen Hugenotten im Hause!«

»La Mole!« rief Coconas und fuhr plötzlich auf.

»Jawohl! Der ketzerische Querkopf hat sich in den Rachen des Wolfes geworfen.«

»Wie? Sie werden Ihren Gast angreifen?« fragte Coconas.

»Nur seinetwegen habe ich vorher meinen Degen gespitzt.«

»Oh!« rief der Piemontese und zog die Brauen zusammen.

»Ich habe bisher nur meine Kaninchen, Enten und Hühner geschlachtet,« erklärte der würdige Wirt, »ich kenne mich also beim Angriff auf Menschen nicht sonderlich aus. Darum werde ich mich bei dem dort einüben! Wenn ich hierbei Ungeschicklichkeiten begehe, wird wenigstens kein Zeuge anwesend sein, der mich auslachen kann.«

»Mein Gott, das ist hart!« wendete Coconas ein. »Herr von La Mole ist meine Reisegefährte, Herr von La Mole hat mit mir genachtmahlt, Herr von La Mole hat mit mir gespielt . . .«

»Ja, aber Herr von La Mole ist ein Ketzer,« sagte Maurevel, »Herr von La Mole ist zum Tode verurteilt, und wenn wir ihn nicht töten, werden es andere besorgen.«

»Abgesehen davon, daß er Ihnen fünfzig Taler abgewonnen hat.«

»Das ist richtig,« erwiderte Coconas; »doch aufrichtig gesagt: ich bin seiner sicher.«

»Aufrichtig oder nicht, zahlen müssen Sie doch! Wenn ich ihn aber töte, sind Sie schuldenfrei.«

»Vorwärts, vorwärts, beeilen wir uns, meine Herren,« rief Maurevel. »Ein Schuß, ein Degenstich, ein Schlag mit dem Hammer, mit dem Feuerbock . . . ist alles ganz gleich, aber ein Ende müssen wir machen, wenn wir nach unserem Versprechen dem Herzog von Guise rechtzeitig beim Admiral helfen wollen.«

Coconas seufzte auf.

»Ich eile,« rief La Hurière, »warten Sie auf mich!«

»Verdammt!« schrie Coconas. »Er wird den armen Teufel leiden lassen, wird ihn gar ausrauben! Ich will anwesend sein, um wenigstens ein schnelles Ende zu bereiten und zu verhindern, daß man sein Geld antastet.«

Von diesem glücklichen Gedanken getrieben, eilte Coconas die Treppe empor und hatte La Hurière bald eingeholt. Der hatte seine Schritte verlangsamt, weil er während des Hinaufsteigens immer mehr überlegte.

In dem Augenblick, als er die Tür erreichte, hallten einige Schüsse in der Straße. Ebenso schnell hörte man La Mole aus dem Bett springen, der Fußboden krachte unter seinen Schritten.

»Teufel!« brummte La Hurière, ein wenig erschrocken. »Mir scheint, der ist aufgewacht!«

»Kommt mir so vor,« sagte Coconas.

»Er wird sich verteidigen?«

»Das ist er wohl imstande. Sagen Sie doch, Meister La Hurière, wäre es nun nicht komisch, wenn er Sie töten würde?«

»Hm, hm!« murrte der Wirt.

Doch im Hinblick auf seine gute Büchse sammelte er sich wieder rasch und trat die Tür mit einem heftigen Fußtritt ein.

La Mole stand hinter seinem Bette, gänzlich angekleidet, doch ohne Kopfbedeckung. Er hielt den Degen zwischen den Zähnen und zwei Pistolen in den Händen.

»Oh!« meinte Coconas und seine Nasenflügel öffneten sich wie die eines wilden Tieres, das Blut wittert, »jetzt wird die Sache packend, Meister La Hurière, vorwärts, los!«

»Ah, man will mich ermorden, wie es scheint!« schrie La Mole mit lodernden Blicken. »Du bist es, du Schuft?«

Meister La Hurière antwortete auf diese Anrede nur damit, daß er die Büchse senkte und auf den jungen Mann anlegte. Doch La Mole hatte die Bewegung rechtzeitig bemerkt, er warf sich im Augenblick des Schusses auf die Knie, und die Kugel flog über seinen Kopf hinweg in die Wand.

»Zu mir!« schrie La Mole, »zu mir, Herr von Coconas!«

»Zu mir!« heulte La Hurière, »zu Hilfe, Herr von Maurevel . . .«

»Bei meiner Ehre!« rief Coconas, »das einzige was ich in dieser Sache für Sie tun kann, Herr von La Mole, das ist, nicht gegen Sie zu kämpfen! Man tötet scheinbar in dieser Nacht alle Hugenotten im Namen des Königs . . . helfen Sie sich selbst, so gut es geht!«

»Ah, Verräter, Mörder! So steht es mit euch? . . . Wohlan denn, wartet nur!«

La Mole zielte und drückte eine seiner Pistolen los. La Hurière, der ihn nicht aus den Augen verloren hatte, sprang rechtzeitig zur Seite, Coconas aber, auf den raschen Gegenangriff nicht gefaßt, blieb auf der Stelle stehen. Die Kugel streifte ihm die Schulter.

»Verdammt!« schrie er und fletschte die Zähne. »Ich habe meinen Teil! Auf uns zwei kommt es jetzt an, wenn du es so willst!«

Er zog den Degen und stürzte sich auf La Mole.

Zweifellos hätte La Mole dem Angriff standgehalten, wenn sie zu zweit geblieben wären. Doch hinter Coconas stand La Hurière und lud seine Büchse und Maurevel raste auf den auffordernden Ruf des Gastwirtes hin bereits die Treppe herauf. La Mole warf sich daher in ein angrenzendes Nebenzimmer und verriegelte die Tür hinter sich.

»Ah, Schelm!« schrie der tobende Coconas und schlug mit dem Degenknauf heftig auf die Tür. »Warte nur, ich will dich mit so viel Degenstichen durchlöchern, als du mir heute Taler abgewonnen hast. Ah, ich komme, um dir unnötige Leiden zu ersparen, ich komme, um zu verhindern, daß man dich bestiehlt . . . und du dankst mir das mit einer Kugel! Warte, erbärmlicher Kerl, warte nur!«

Mittlerweile war La Hurière an die Tür herangetreten und zerschmetterte sie mit einem Kolbenschlag seiner Büchse.

Coconas sprang in das Zimmer hinein und stieß mit der Nase an die Wand, denn das Zimmer war leer und das Fenster offen.

»Er wird sich hinabgestürzt haben,« sagte der Wirt, »und da wir im vierten Stockwerk sind, wird er tot sein.«

»Oder er wird sich auf das Dach des Nachbarhauses gerettet haben,« sagte Coconas und hob das eine Bein über die Fensterbrüstung, um den Flüchtigen auf diesem glatten und abschüssigen Weg zu verfolgen.

Doch Maurevel und La Hurière stürzten sich auf ihn und brachten ihn in das Zimmer zurück.

»Sind Sie wohl verrückt?« riefen beide zugleich. »Sie werden sich erschlagen.«

»Ach was! sagte Coconas. »Ich bin ein Bergbewohner und daher gewöhnt, über Gletscher zu laufen. Übrigens, wenn mich ein Mensch einmal beleidigt hat, dann krieche ich ihm bis in den Himmel nach oder steige mit ihm bis zur Hölle hinab, der Weg bleibt sich mir gleich! Lassen Sie mich nur machen.«

»Entweder ist er eben tot oder er ist schon auf und davon,« erwiderte Maurevel, »Kommen Sie lieber mit uns; wenn der Ihnen auch ausgekommen ist, so werden Sie sich an hundert anderen schadlos halten können.«

»Sie sollen Recht behalten!« fluchte Coconas. »Tod den Hugenotten! Ich will mich furchtbar rächen, und zwar so bald als möglich!«

Und alle drei stürzten wie eine brausende Lawine die Treppe hinunter.

»Zum Admiral!« schrie Maurevel.

»Zum Admiral!« wiederholte La Hurière.

»Gut also, wenn Sie es schon wollen, zum Admiral!« sagte auch Coconas.

Sie stürmten aus dem Gasthof »Zum schönen Sternbild« auf die Straße hinaus und überließen das Haus der Obhut Gregors und anderer Burschen. Ihr Ziel war die Straße von Bethizy, in welcher der Admiral wohnte, und ein heller Feuerschein, wie Gewehrgeknatter zeigten ihnen die Richtung an.

»Wer kommt denn dort daher?« schrie Coconas, »ein Mann ohne Wams und Schärpe!«

»Einer, der das Hasenpanier ergreift!« sagte Maurevel.

»Vorwärts, nehmen Sie Ihre Büchsen fertig, vorwärts!« schrie Coconas.

»Nichts für mich,« sagte Maurevel, »ich spare mir das Pulver für besseres Wild.«

»Dann nehmen Sie ihn auf das Korn, Meister La Hurière!«

»Warten Sie,« sagte der Wirt und legte seine Büchse an.

»Ja, nur immer warten und warten, mittlerweile rettet er sich!« schrie Coconas.

Er begann den Unglücklichen zu verfolgen und holte ihn bald ein, weil er schon verwundet war. Doch in dem Augenblick, als Coconas den Flüchtigen, um ihn nicht von hinten niederzustechen, mit den Worten anrief: »Kehren Sie sich um! So kehren Sie sich um!«, sauste eine Kugel bei seinen Ohren vorbei. Der Fliehende überschlug sich wie ein im schärfsten Lauf vom Blei des Jägers getroffener Hase.

Ein triumphierender Schrei erscholl im Rücken Coconas. Der Piemontese wendete sich nach rückwärts und erblickte La Hurière, der freudetrunken seine Waffe schwang.

»Ah, diesmal ist mir die erste Probe gelungen!« jubelte der Wirt.

»Schon gut, Sie haben es aber versäumt, mich vorher auch noch durchzuschießen.«

»Achtung, mein Herr, Achtung!« brüllte La Hurière.

Coconas sprang nach rückwärts. Der Verwundete hatte sich halb erhoben und nur auf einem Knie gestützt, im letzten Rachegedanken, den Dolch nach dem Piemontesen gezückt. Der warnende Ruf hatte diesen zum rettenden Sprung veranlaßt.

»Viper!« schrie Coconas.

Und indem er auf ihn losstürzte, bohrte er dem Verwundeten dreimal den Degen bis an das Stichblatt in die Brust.

»Und jetzt,« rief Coconas, »zum Admiral!« Er ließ vom Hugenotten ab, der in bereits bewußtlosen Zuckungen um sich herumschlug.

»Ah, mein verehrter Herr, es scheint, daß Sie endlich anbeißen!« sagte Maurevel.

»Meiner Treu, ja! Ich weiß nicht, ob es der Pulvergeruch ist, der mich trunken macht oder ob mich der Anblick des Blutes erregt . . . aber verdammt! Ich bekomme Geschmack an dieser Schlächterei. Man könnte sagen, daß dies eine Treibjagd auf Menschen ist. Bisher habe ich nur Treibjagden auf Bären und Wölfe mitgemacht, doch ich muß sagen, daß mir die auf Menschen am kurzweiligsten vorkommt.«

Und alle drei machten sich wieder auf ihren Weg.

 


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