Max Dreyer
Ohm Peter
Max Dreyer

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Er hatte als Geheimnis gehütet, was seinem Hause bevorstand, auch nachdem es entschieden war, daß die Kleine zu ihm kommen sollte. Tagelang hatte er es mit sich allein herumgetragen, in Verwunderung über sich, in Zorn gegen sich und die Andern, mit Kopfschütteln, Wettern und höhnischem Lachen. Jetzt, nachdem er es mit dem gewohnten Ruck Mutter Wittmüs offenbart, war aus dem allen eine Art freudigen Eifers geworden.

Und mit solcher betriebsamen Munterkeit betrat er das Pfarrhaus, wohin ihn gleich für den nächsten Tag die Frau Pastorin entboten hatte.

Ein Haus, so traulich zum Wohnen wie keines, von Efeu eingesponnen, niedrig und alt und schmiegsam und warm. Ein Laubengang führte von ihm zu der Kirche, deren Unterbau war selbst umrankt von Efeu und wilden Rosen, und immer höher, zärtlicher und versöhnlicher wollte grünes Leben diese 35 Burg des Wortes umfangen. Ohne Anfechtung aber, mit kantigem Selbstbewußtsein hob sich darüber kalt, wehrhaft und grau der gedrungene Turm.

So wie die Kirche, ganz ebenso war Pastor Willers selbst in seines Wesens Erscheinung. Peter Brandt hatte es festgestellt, und Frau Brigitte, die es am besten wissen mußte, hatte es bestätigt.

Dabei hatte Peter hervorgehoben, daß die meisten Menschen zwei verschiedene Seiten hätten, daß die meisten nach links und rechts auseinander fielen. Ein andres oben und unten aber hätten die wenigen, denn die meisten wohnten überhaupt zu ebener Erde.

Bei diesen wenigen wäre nun ein langweiliges Gleichmaß beider Stockwerke die Regel. Darum sei Karl Christian Willers, der Mann mit zwei verschiedenen Stockwerken, als Seltenheit zu feiern, zumal die beiden in all ihrer Ungleichheit selten gut aufeinander säßen. Er, Peter Brandt, wüßte nicht einmal zu sagen, welche der beiden Hälften an und für sich genommen ihm am besten gefiele: die untere mit ihrer Güte, ihrer Hilfsbereitschaft und ihrer Freude an allem Lebendigen, oder das, was sich starr und unbeugsam darüber erhob: der Eifer in Glaubensdingen, die unerschütterliche 36 Standhaftigkeit im Dogma, die steinerne Treue im Worte, die aufrechte Todesbereitschaft für jeden Buchstaben der Schrift, die düstere Drohung mit ewigem Tode für jeden, der nicht gleich unerschütterlich für das Wort sein Leben einsetzte.

Er ist ein Kerl, der Karl Christian, sagte Peter Brandt, ein dummer Kerl vielleicht, aber er ist ein Kerl! Ein alter, eherner Krieger, der kein Pardon gibt! Wie ekelhaft war ihm dagegen all die schleimige Kompromißlerei moderner Theologie, all die schmiegsame Gelegenheitsmache hierarchischer Politik und kirchlichen Bureaukratentums. Für eine »Karriere« und so etwas war Pastor Willers nicht geschaffen, dafür litt er zu sehr an harten und geraden Knochen. So blieb er bis an sein Lebensende in seinem Dorf, geliebt und gefürchtet, und wer ein Bild seines Wesens vor Augen haben wollte, der mußte sich die Dorfkirche ansehen.

Peter Brandt hatte seit Monaten das Pfarrhaus nicht betreten, zu selten verließ er seinen Bau. Jetzt empfing ihn Frau Brigitte auf dem Flur. »Na? Kriechen Sie endlich wieder heraus aus Ihrer arroganten Einsamkeit?«

Sie war eine große, hellblonde, noch blühende Frau, die Augen etwas zu schnell und zu laut, 37 die Züge mit einem Strich ins Grobe und die weißen, breiten, hervorstehenden Zähne zu beredte Zeugen eines regsamen Appetits, aber die Stirn von klarer Klugheit und die ganze Art von festem, gesundem Gefüge.

Er beugte sich über ihre weiße, fleischige Hand und küßte sie mit posenhafter, sich selbst verhöhnender Ritterlichkeit. Sie aber neigte den Kopf, schnüffelte unbekümmert an ihm herum und sagte mit munterem Wohlbehagen: »Was riechen Sie wieder gottvoll nach Teer!«

»Ja, Frau Brigitte – aber dieses wohlriechende Dasein wird mir jetzt wohl böse verkümmert werden.«

Und dann erzählte er ihr, daß er Prinzessinnenerzieher werden sollte.

Sie hielt das erst für einen Witz und lachte ihn aus.

Er aber sprach voll Wehmut: »Glauben Sie nicht, daß ich dazu passe?«

»Und ob! Wie der Igel zum Badeschwamm!«

Danach aber berichtete er ihr des weiten und breiten, wie alles gekommen war und warum es so kommen mußte, worauf er sie um ihre Hilfe bat, dem kleinen Ankömmling ein angemessenes Quartier zu schaffen. 38

Sie wurde nun Feuer und Flamme für die Zurüstung, und endlich fragte sie, warum sie das Kind nicht bekommen sollte? Sie hätte sich immer eine Tochter gewünscht, und die Kleine wäre doch unter allen Umständen besser bei ihr aufgehoben als in Peters Seeräuberbau.

»Ja, wissen Sie, Frau Brigitte, der Vater von das Kind, der sanfte Heinerich, ist unsänftiglich gegen Pastorenhäuser gesinnt.«

»Ja, ja, ich weiß. Er ist ein Heide. Er betet zu den Göttern Griechenlands.«

»Nein, er betet zu den Göttern der Hethiter.«

»Der Hethiter? Die in der Bibel vorkommen?«

»Jawohl.«

»Woher wissen Sie, daß die in der Bibel vorkommen?«

»Aus dem Konversationslexikon. Und Mutter Wittmüs hat mir gerade 'n Knopf dabei angenäht.«

Er hatte noch immer das wehmütige Gesicht. Frau Brigitte sah ihn lange an, dann sagte sie kopfschüttelnd: »Sie, der verquerste Mitbewohner dieser Welt! Wie soll die Kleine sich mit Ihnen zurechtfinden!«

»Sie ist gerade, denn sie ist jung. Sie wird mich führen.« 39

Er sprach es mit einer gewissen lichten Leichtigkeit. Und plötzlich stand ein sorgloser Uebermut in seinen hellen Blicken.

Frau Brigittens Augen forschten aufs neue an ihm herum, und nun sagte sie mit neuem Kopfschütteln: »Wissen Sie, daß Sie jetzt wie ein Junge aussehen?«

»Nein.«

»Wie ein kleiner durchtriebener Junge. Und Sie wollen Pflegevater werden?«

Er reckte seine knabenhaft schlanken Glieder, fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes, kurzgehaltenes Haar und lachte unbekümmert. Und dann wurde sein Lachen anzüglich, als er sagte: »Ich hoffe, Sie helfen mir mit Ihrer pädagogischen Weisheit – Sie, die Mutter von Jum und Jim!«

Jum und Jim waren die jüngsten Söhne des Hauses, Zwillinge ihres Zeichens. Ihr Vater hatte sie christlich als Kurt und Fritz getauft und in das Kirchenbuch eingetragen. Peter aber, für den die Jungen eine wilde Verehrung zeigten, hatte sie mit den gottlosen Zirkusnamen bedacht. Und die paßten wie bestellt zu den Clowngesichtern mit den struppigen, eckigen Schädeln und den unglaublich frechen, himmeltrotzenden Nasen. 40

Sie waren der Schrecken des Kirchspiels. Alles rettete sich, wo ihre borstigen Flachsköpfe auftauchten. Die ältesten, kräftigsten Jungen, die bissigsten Dorfköter drückten sich in weitem Bogen um sie herum.

Bösartig waren sie nicht, und Schwächeren taten sie nie etwas zuleide, aber eine unbändige Rauf- und Abenteuerlust und eine tolle Freude, Verwirrung, Aufruhr und Kampf in den ländlichen Frieden zu tragen, trieben sie zu immer neuem Ansturm auf Dinge und Menschen, die ihnen drohten, weil sie stärker waren als sie. Trotz des Freibriefes, dessen sie als Pastorensöhne sich erfreuten, stießen sie sich oft genug an der Härte des Körperlichen dieser Erde die Köpfe entzwei, aber das konnte ihre Kriegslust nicht dämpfen.

Und auch alle Erziehungsmittel des Pfarrhauses, alles, was das Christentum an Strenge und Güte in seiner Rüstkammer verwahrt, auch der echt menschliche Zorn der Machtlosigkeit, der die kräftige Hand des Vaters und die schwächeren, aber um so regsameren Hände der Mutter oft genug in starke pädagogische Schwingungen versetzte – nichts vermochte die beiden kleinen Banditen von ihrem Kriegspfade abzudrängen. 41

»Sie sind wie meine beiden Teckel!« sagte der alte Förster Hagen den Eltern zum Trost. »Was hab' ich die schon gedroschen! Die Seele ihnen aus dem Leib und den Arm mir aus dem Kugelgelenk. Aber Appell – ja proste Mahlzeit!«

Und die beiden Teckel, Waldmann und Waldine, konnte man wenigstens, da die Natur so vorsichtig gewesen war, ihnen verschiedenes Geschlecht zu geben, ohne weiteres auseinander kennen, aber Jim und Jum, die gleich geratenen, waren von einer so bedrohlichen Aehnlichkeit, daß allein die Mutter sie, und das auch nur bei hellem Tageslicht, unterscheiden konnte, der Vater nur nach eingehender Prüfung, Peter bloß in glücklichen Momenten, und andre Sterbliche überhaupt nicht.

Natürlich nutzten die Schlingel das aus, und wenn sie nicht bandenmäßig zusammen räuberten, wenn der eine den Streich ausführte und der andre nur »Schmiere stand«, die Klageführenden wußten nie, wer der eigentliche Verbrecher gewesen. Die beiden verrieten sich niemals, äußere Anzeichen in der Kleidung aber, die sie hätten verraten können, vertauschten sie geflissentlich. Und wenn sie so viel Treulichkeit auch nicht gegen die häusliche Strafe zu schützen vermochte – geteilte Hiebe sind halbe Hiebe. 42

Fiel diese Teilung aber einmal etwas ungleichmäßig aus oder fühlte der eine im Bewußtsein seiner geringeren Schuld durch zu große Gleichmäßigkeit sich benachteiligt, so konnten sie sich selbst mit all ihrer Kampfbegier in die struppigen Haare geraten, und da sie auch an Leibeskräften einander unheimlich gleich waren, entwickelte sich dabei stets eine höchst ergiebige, weithallende Klopferei.

Wollte die Mutter dann mit sorgsamen, schlichtenden Händen in den dröhnenden Zweikampf eingreifen, so wehrte ihr der Vater, der für die beiden Strolche überhaupt ein inneres Schmunzeln hatte. »Laß, Brigitte! Laß sie nur selber am Werk ihrer Erziehung mitarbeiten!«

Nur eine Macht gab es, die all ihre Wildheit niederzwang und ihre Abenteuerlust in stille Träume zog, das war – Peter mußte dabei an seine eignen Kindertage denken – der Gesang der Mutter in der Dämmerstunde.

Frau Brigitte, die früher Oratoriensängerin gewesen war, hatte ihre prachtvolle Stimme verloren, und ihr Singen hatte nur flüsternde, nebelnde Klänge aus weiter Ferne. Aber gerade das erwies sich dem Träumen so hold. Dann lagen die beiden kleinen Halunken zusammengekauert wie 43 zwei junge Hunde dicht nebeneinander auf dem Boden, und wurde es ihnen in ihrem Gemüte besonders wohlig und weh, so krauten sie sich gegenseitig mit den besänftigten Händen in dem struppigen, knisternden Fell ihrer Köpfe.

»Wo sind denn die beiden?« fragte Peter nach seinen Freunden.

»Der Vater hat sie mitgenommen. Uebrigens, wenn Sie so anzüglich über meine Erziehung sprechen – wer sind Sie? Peter Brandt sind Sie! Und selbst viel unerzogener und schlimmer als meine Jungs. Ja, ein Verderber der Jugend! Haben Sie die Kleinen nicht oft genug zu Schelmenstücken angereizt!«

»Hab' ich das?«

»Haben Sie ihnen nicht neulich erst mit bedeutungsvollem Nachdruck erzählt, daß auf dem Gutshof ein Sirupfaß lagerte?«

»Hab' ich das?«

»Haben Sie nicht, als Sie das letztemal hier waren, sich in Gegenwart der Jungen ganz unverantwortlich über Ihre eigne Jugenderziehung ausgelassen? Ueber die Prügel Ihrer Kindheit? So oft Ihr Vater Sie zwischen die Knie genommen, so oft der hintere Peter Brandt seine Hiebe 44 besehen habe, der vordere Peter hätte nur immer fester die Zähne zusammengebissen! ›Schreien, den Gefallen tat ich dem Alten nicht! Und in der höchsten Not faltete ich die Hände und betete zu Gott, der Alte möchte mich doch totschlagen, damit ihn selbst danach die Gewissensbisse totbissen!‹ Haben Sie so gesprochen oder nicht? Und das in Gegenwart der Jungen!«

»Hab' ich das?«

»Und so was redet über Erziehung. Und so was will selber erziehen!«

Peter machte ein komisch zerknittertes Gesicht.

»Ja, Frau Brigitte – ich hatte nur zum Erzogenwerden kein rechtes Talent.«

»Und ich muß immer wieder fragen: Sie wollen Pflegevater werden?«

»Und ich bitte Sie immer wieder, helfen Sie mir dabei. Und fahren Sie zunächst einmal mit mir nach Stralsund, und besorgen Sie Möbel mit mir und was sonst nötig ist für das Jungfrauengemach.«

Sie verabredeten einen Tag für die gemeinsame Fahrt. Und dann kam Pastor Willers mit den beiden Jungen vom Spaziergang zurück.

Die beiden stürzten sich sofort mit freudigem 45 Gebrüll auf Peter, der sie ohne weiteres mit beiden Händen in der Bauchgegend ergriff und mit dem rechten Arm Jim oder Jum, mit dem linken Jum oder Jim in die Höhe stemmte. Dann stieß er sie da oben zärtlich mit den beiden Köpfen gegeneinander. Gleich und gleich gesellt sich gern.

»Peter Brandt!« rief Frau Brigitte, »Sie stoßen mir meine Jungs entzwei!«

Er setzte sie wieder auf die Erde, und dann überschlug er sich auf dem Fußboden in tadellosem Purzelbaum, den die Kleinen ihm wie auf Kommando mit derselben Gewandtheit nachmachten.

»Ja, ihr seid ein Kleeblatt!«

»Sehen Sie, Frau Brigitte – das ist ein erzieherisches Moment, das Ihnen fehlt!«

»Peter Brandt ist nämlich mit einemmal auf Erziehung versessen,« wandte sich Brigitte an ihren Mann, der Peter mit kräftigem Druck seiner schweren Hand begrüßte.

»Will er mit einemmal sich selbst erziehen?«

»Nein, ein kleines Mädchen.«

Durch des Pastors breite, knochige Züge wanderte rastlos das Erstaunen. »Was bedeutet das?«

Er bekam es zu hören und schüttelte den Kopf. »So, so, die Tochter von Heinrich Burgwart!« 46

»Ist das nicht verdreht?« fragte Brigitte.

Karl Christian Willers blickte eine Zeitlang nachdenklich vor sich hin, dann wandte er langsam den massigen Kopf zu Peter herum, sah ihm klar ins Gesicht und sagte ruhig: »Vielleicht doch nicht. Vielleicht ist es gut. Vielleicht bekommt Ihr Leben so einen Inhalt.«

»Was? Was? Hat es den nicht?«

»Nein, Peter Brandt.«

»Das ist mir neu! Hab' ich nicht im Herbst hier die meisten Kartoffeln gehabt – Gott sei Dank nicht die dicksten, aber die meisten! Bin ich nicht vorgestern mit Vater Wittmüs auf unserm alten Fischerboot an dem neuen Kutter von Millermann in demselben Kurs glatt vorbeigesegelt? Und haben Sie meinen Winterroggen gesehen – wie ich den gesäet hab'? Es war ein schöner Wind da oben an dem Oktobertag, kann ich Ihnen sagen! Bauer Koos hat an demselben Tag gesäet, der hat's von Jugend an gelernt, und meine Saat ist gleichmäßiger als seine! Und dann – hab' ich hier nicht die neuen jütländischen Schleppnetze eingeführt? Sie taugen nichts – weiß Gott nicht – aber sie sind doch was Neues, und ich, ich hab' sie euch gebracht! Und dann – wer hat hier vor mir 47 zuerst den amerikanischen Drachen steigen lassen – würfelförmig, mit Leinwand bekleidet und ohne Schwanz? Hab' ich im Dorf nicht die Volksbibliothek ›in die Wege geleitet‹ – was daraus geworden ist, das ist Ihre und des Schulmeisters Schuld! Und hab' ich im Herbst nicht 'ne Kreuzspinne abgerichtet –«

So wirbelten Ernst und Scherz im Tanze.

»Ja, Peter Brandt, was haben Sie nicht alles! Und doch haben Sie im Grunde nichts, denn Sie haben sich selber nicht. Sie finden es nicht, das Beste, was auch in Ihnen steckt, das wahrhaft Lebendige!«

»Pastor Willers, jetzt klettern Sie wieder in Ihren Oberstock, in den kantigen, unfrohen, humorlosen Turm und läuten Ihre unbarmherzigen Glocken und rufen von hoch oben Wehe über mich!«

»Ich will ganz friedlich und menschlich zu Ihnen sprechen, Peter Brandt. Sehen Sie, dies Schaukeln auf der krausen Oberflächlichkeit – das kann doch nicht Ihr Wesen ausmachen! All die kleinen Arbeiten und Pflichten, die Sie haben oder zu haben glauben, die tun es nicht. Ihnen fehlt eine große Pflicht! Und etwas, wo Sie sich hineinknien müssen, 48 inbrünstig, mit Stolz und Demut zugleich. Und darum sag' ich, es ist vielleicht ganz gut, daß die Kleine zu Ihnen kommt.«

»Na also!«

»Vielleicht führt das Kind Sie dahin, wo das Beste von Ihnen verborgen liegt, und Sie finden sich selbst und finden den Weg, den alle menschliche Kreatur gehen muß! Den Weg in die Höhe!«

»Amen! Karl Christian, jetzt predigen Sie wieder!«

»Das ist ja wohl auch schließlich mein Beruf!«

»Ja – aber mein Beruf ist – – Himmel noch mal, wenn ich vergnügt bin und lache, das ist mehr wert für mich und für die Welt als 'n Dutzend Ihrer Vormittags- und Nachmittagspredigten zusammengenommen!«

»Das könnte wahr sein, wenn Sie wirklich froh wären und im Innersten lachen könnten. Aber das können Sie gar nicht. Und das kann auch keiner, der den großen Lebenskampf nur als Schlachtenbummler hinter der Front mitmacht!«

»Das ist ein Wort! Natürlich! Immer hoch aus der Turmluke! Aber das wollen wir lassen! Davon verstehen Sie nichts. Keiner, außer mir selbst. Was wissen Sie von meinen Kämpfen!« 49

Peter war sehr ernst geworden. In seinen Augen war ein Drohen, durch seine Glieder bebte es, er biß die Zähne zusammen, um nicht noch heftiger zu reden. Karl Christian aber stand da, hart, unerschütterlich und wehrhaft wie eine Bastei.

»Was ist das wieder mit euch!« Frau Brigitte mischte sich jetzt in den drohenden Männerkampf. »Du bist ein christlicher Pastor, und Sie, Sie völlig unchristlicher Peter Brandt, Sie sind Gast hier im Hause! Jetzt fehlt bloß noch, daß ihr euch in die Perücken fallt. Grad wie die Jungen da draußen wieder einmal!«

Man hörte aus dem Garten fröhliches Kampfgeheul, und Brigitte trat ans Fenster.

Peter aber, bei dem sich schnell die Munterkeit wieder einstellte, machte Miene, seinen Rock auszuziehen, und sagte lustig: »Das ist ein Gedanke, Karl Christian! Wollen wir auch?«

Als sich dann auch draußen die Wogen zu legen schienen und Brigitte ins Zimmer sich zurückwandte, verabschiedete er sich in ungetrübter Herzlichkeit von den Pastorsleuten.

»Also übermorgen, Peter Brandt, fahren wir nach Stralsund!«

Schwerer wurde ihm draußen der Abschied von 50 Jim und Jum, die seine Beine umschlangen und sich nicht von ihm trennen wollten.

»Laßt mich los mit euren Fangarmen, ihr Kopffüßer, ihr Tintenfische! Und Tintenwischer!«

»Bleib noch hier! Bleib noch hier!«

»Ich kann nicht! Sagt mal, habt ihr schon gebadet?«

»Nein. Nein.«

»Nicht? Ich gestern. Kalt war's noch, aber schön war's doch! Ich alter Knabe bin also auch in diesem Jahr der erste gewesen! Was seid ihr für Jungs!« 51

 


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