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30.

In den letzten Märztagen war das neue Bankhaus Kalmar im ehemaligen Palais Wartenstein eröffnet worden.

Nur eine kleine, vornehme Messingtafel am alten, wuchtigen Haustor trug das Firmenschild: Schwedisch-Österreichische Bank, und darunter ein kleines Täfelchen: Kalmar.

Das Bankkapital war eingezahlt worden.

Präsident und Verwaltungsrat hatten ihren Profit noch vor der Eröffnung des Bankhauses eingestrichen. Die Personalbeschaffung hatte keine Schwierigkeiten gemacht.

Der Staat muß pensionieren und abbauen. Aus Offizieren, ehemaligen Staatsbeamten und frisch ausgemusterten Handelsschülern setzt man die Garnitur zusammen. Die Leitung liegt in den Händen von ein paar dunklen Ehrenmännern, die genau wissen, was sie wollen: Die Bank muß genau so lang leben, bis sie reich geworden sind, dann kann sie fusionieren oder liquidieren oder Ausgleichsverfahren einleiten oder die wertlos gewordenen Aktien billig zurückkaufen und noch einmal teuer verkaufen, wenn man irgendein Manöver durchführt, das die Situation auf einmal als aussichtsreich erscheinen läßt ... alles das wird sich finden. Jetzt heißt es Konjunkturgewinne machen. Die Gewinne für die Taschen der Verwaltungsräte – die Verluste für die Aktionäre!

Die guten Namen, bestimmt, das Vertrauen der Bevölkerung zu erwecken, werden dieses Vertrauen gegebenen Falles auch täuschen – freiwillig oder unfreiwillig – je nachdem. Sind sie dumm, wird man ihnen keinen Einblick in die Geschäfte gewähren und ihnen etwas einreden – sind sie klug, wird man sie mitmachen lassen. So – oder so! Man wird sie klein kriegen.

Tarnopoler Moral ist stärker als jedes Bedenken. Den Luxus der Anständigkeit kann sich ein reich gewordener Schieber leisten, wenn es ihm später einmal Spaß macht, aber kein darbender Intellektueller oder Mittelständler.

Doktor Pummerer ist Bankanwalt geworden. Wie hätte er der Lockung widerstehen können, der Rechtsvertreter eines Institutes zu werden, dem so viele glorreiche Namen der alten Monarchie zur Zierde gereichten ...

Man sieht den richtigen Verwaltungsrat nicht vor lauter Exzellenzen. Die Herren haben es eilig, zu neuem Verdienst zu gelangen, nachdem die Sachwerte der alten Monarchie aus dem Arsenal, den Wöllersdorfer Werken und Lagerhäusern, aus den diversen Depots und Magazinen zu ihren Gunsten und zum Nachteil des Staates verhandelt und verschoben sind.

Ein intimes Dejeuner, bei dem der Champagner sprudelt, vereinigt Präsidium, Direktorium und die Verwaltungsräte und erweckt beste Hoffnungen und glänzende Laune ...

Auch so und so viele Damen vom Theater – selbstverständlich auch Anka und Lisa – sind geladen, um dem Fest Glanz und Heiterkeit zu geben.

Ernö Kalmar ist nach diesem Fest mit einem halben Dutzend Exzellenzen und Sektionschefs auf du und du.

Zu seinem großen Ärger hatte es Marianne abgelehnt, die Hausfrau zu spielen, und sich entschuldigen lassen. Ihr Herz ist schwer. Sie hat sich in ihr Zimmer eingeschlossen und träumt von einer Stunde im Palmenhaus ... von einem Menschen mit zwei Augen voll Zärtlichkeit und Güte.

Ihre Arme strecken sich weit und sehnsüchtig aus. Sie leidet Liebe – zum ersten Mal in ihrem Leben.


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