Charles Dickens
Oliver Twist.Aus dem Englischen von Julius Seybt
Charles Dickens

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Fünfunddreißigstes Kapitel.

Das Endergebnis des Abenteuers, das Oliver begegnet war, und eine Unterredung von ziemlicher Wichtigkeit zwischen Harry Maylie und Rose.

Als die Bewohner des Hauses, veranlaßt durch Olivers Rufen, in den Garten eilten, fanden sie ihn bleich und bebend dastehen. Er wies nach dem Wiesengrunde hinter dem Garten und war kaum imstande, die Worte zu stammeln: »Der Jude! der Jude!«

Mr. Giles vermochte gar nicht zu fassen, was sie bedeuten sollten; Harry Maylie, der Olivers Geschichte von seiner Mutter gehört hatte, begriff es dagegen desto rascher.

»Welche Richtung hat er genommen?« fragte er, zugleich einen tüchtigen Stock aufhebend, der zufällig dalag.

Oliver wies nach der Richtung hin, in welcher er die beiden Männer hatte forteilen sehen und sagte, daß er sie soeben erst aus den Augen verloren hätte.

»Dann wollen wir sie schon wieder einholen!« sagte Harry. »Folgt mir und haltet euch mir so nahe, wie ihr könnt!«

Er sprang bei diesen Worten über die Hecke und eilte so raschen Laufes davon, daß die anderen ihm kaum zu folgen vermochten. Nach ein paar Minuten gesellte sich ihnen auch Losberne, der eben von einem Spaziergange heimkehrte, zu und rief ihnen laut die Frage zu, was denn vorgefallen sei. Sie hielten erst an, um Atem zu schöpfen, als Harry in das Angerstück einlenkte, nach welchem Oliver hingewiesen hatte, und sorgfältig den Graben und die Hecke zu durchsuchen anfing, wodurch die übrigen Zeit gewannen, heranzukommen und Losberne die Veranlassung der Jagd mitzuteilen.

Ihr Suchen war vergeblich. Sie entdeckten nicht einmal frische Fußspuren. Sie standen endlich auf einem kleinen Hügel, von welchem aus sie die Wiesen, Anger und Felder nach allen Richtungen weithin übersehen konnten. Linker Hand lag das kleine Dorf; allein die Verfolgten hätten, um es zu erreichen, in der von Oliver beschriebenen Richtung eine Strecke über den offenen Anger zurücklegen müssen, die sie in so kurzer Zeit zurückzulegen schlechterdings nicht imstande gewesen wären. Nach einer anderen Seite begrenzte dichtes Gebüsch die Wiesen, allein es war aus gleichem Grunde unmöglich, daß sie dasselbe schon hatten gewinnen können.

»Du mußt geträumt haben, Oliver,« sagte Harry Maylie, ihn beiseite führend.

»Nein, nein, Sir, wahrlich nicht,« erwiderte der Knabe schaudernd; »ich sah ihn zu deutlich – sah beide so deutlich, wie ich Sie jetzt vor mir sehe.«

»Wer war denn der andere?« fragten Harry und Losberne zugleich.

»Derselbe Mann, von dem ich Ihnen sagte, daß ich ihn im Hofe des Gasthauses getroffen,« antwortete Oliver. »Wir hatten unsere Blicke wechselseitig aufeinander geheftet, und ich könnte es beschwören, daß er es war.«

»Weißt du gewiß, daß sie diesen Weg genommen haben?« fragte Maylie.

»So gewiß wie ich weiß, daß sie vor dem Fenster standen,« versicherte Oliver und wies nach der Hecke zwischen dem Garten und dem Wiesengrunde hinunter. »Da sprang der große Mann hinüber; der Jude lief einige Schritte weit rechts und drängte sich durch die Lücke dort.«

Maylie und Losberne sahen Oliver und sodann einander an – und man brauchte nur die eifrigen Mienen des Knaben zu beobachten, um überzeugt zu sein, daß er die reine Wahrheit sagte. Indes waren immer noch keinerlei Spuren von Männern, die auf eiliger Flucht begriffen gewesen wären, in irgendwelcher Richtung zu entdecken. Das Gras war lang, aber nur da niedergetreten, wo die Verfolgenden es niedergetreten hatten. Die Ränder und Seiten der Gräben waren von feuchter Tonerde, allein an keiner Stelle wollte sich auch nur die mindeste Spur frischer Fußstapfen finden.

»Es ist höchst auffallend,« sagte Maylie.

»Höchst auffallend,« wiederholte Losberne. »Sogar Blathers und Duff würde der Verstand dabei stillstehen.«

Sie suchten noch immerfort, bis es vollkommen dunkel geworden war, und sahen sich endlich genötigt, ihre Bemühungen ohne alle Hoffnung auf Erfolg aufzugeben. Giles mußte sich die beiden ominösen Männer so gut wie möglich von Oliver beschreiben lassen und wurde darauf in die Bierhäuser des Dorfes abgeschickt, um Nachfragen anzustellen; er kehrte jedoch zurück, ohne die mindeste Auskunft erhalten zu haben, indem man sich doch zum wenigsten des Juden sicher erinnert haben würde, wenn er verweilt, sich etwa einen Trunk reichen lassen oder mit jemand gesprochen hätte.

Am folgenden Morgen wurden die Nachsuchungen und Nachforschungen wiederholt, allein ebenso vergeblich. Am zweiten Tage ging Mr. Maylie mit Oliver nach dem Marktflecken, in der Hoffnung, dort etwas von dem Juden und seinem Begleiter zu sehen, zu hören oder zu erfahren; doch der Versuch zeigte sich nicht minder fruchtlos als alle ihm vorhergegangenen, und nach Verlauf einiger Tage fing die Sache an in Vergessenheit zu geraten.

Rose hatte inzwischen das Krankenzimmer verlassen, konnte wieder ausgehen, war dem Familienkreise zurückgegeben und erfreute aller Herzen durch ihr Aussehen wie durch ihre Gegenwart.

Allein obgleich diese glückliche Veränderung die sichtbarste Wirkung auf den kleinen Kreis hatte und obgleich in Mrs. Maylies Landhäuschen wieder muntere Gespräche und fröhliches Gelächter gehört wurden, so herrschte doch bisweilen eine sonst nicht gewöhnliche Zurückhaltung, was auch Oliver nicht entging. Mrs. Maylie und ihr Sohn entfernten sich oft und lange, und auf Roses Wangen waren Spuren von Tränen bemerkbar. Nachdem der Doktor einen Tag zu seiner Abreise nach Chertsey bestimmt hatte, lag es klar vor Augen, daß etwas vorging, wodurch der Seelenfriede der jungen Dame und noch jemandes gestört wurde.

Als endlich Rose eines Morgens im Wohnzimmer allein war, trat Harry Maylie herein und bat mit einigem Stocken um die Erlaubnis, ein paar Worte mit ihr reden zu dürfen.

»Wenige, sehr wenige werden hinreichen, Rose,« sagte der junge Mann, sich zu ihr setzend. »Was ich dir zu sagen habe, ist dir bereits nicht mehr unbekannt; du kennst die süßesten Hoffnungen meines Herzens, obgleich du sie noch niemals aus meinem Munde vernommen hast.«

Rose war bei seinem Eintreten erblaßt, was freilich noch als eine Nachwirkung ihrer Krankheit gedeutet werden konnte. Sie beugte sich über einen ihr nahestehenden Blumentopf und wartete schweigend, daß er fortfahren würde.

»Ich – ich hätte schon früher wieder abreisen sollen,« sagte er.

»Ich bin deiner Meinung, Harry,« erwiderte Rose. »Vergib mir, daß ich es sage, allein ich wollte, du hättest es getan.«

»Die schrecklichsten und quälendsten aller Befürchtungen haben mich hergetrieben,« entgegnete der junge Mann; »die Angst und Sorge, das teure Wesen zu verlieren, auf das sich alle meine Wünsche und Hoffnungen beziehen. Du warst dem Tode nahe – standest bebend zwischen Himmel und Erde. Wenn die Jugendlichen, Schönen und Guten durch Siechtum heimgesucht werden, so wenden sich ihre reinen Geister den ewigen Wohnungen seliger Ruhe zu, und deshalb sinken die Besten und Schönsten unsers Geschlechts so oft in der Blüte ihrer Jugend in das Grab.«

Der holden Jungfrau traten, als sie diese Worte vernahm, Tränen in die Augen, und als eine derselben auf die Blume herabträufelte, über welche sie sich niedergebeugt hatte, und diese verschönend hell in ihrem Kelche glänzte, da war es, als wenn die Ergüsse eines reinen jungen Herzens ihre Verwandtschaft mit den lieblichsten Kindern der Natur geltend machten.

»Ein Engel,« fuhr der junge Mann leidenschaftlich fort, »ein Wesen, so schön und frei von Schuld, wie ein Engel Gottes, schwebte zwischen Leben und Tod. O, wer konnte hoffen, daß sie zu den Leiden und Ängsten dieser Welt zurückkehren würde, als die ferne, ihr verwandte ihrem Blicke schon halb geöffnet war! Rose, Rose! es war fast zu viel, um es tragen zu können, zu wissen, daß du gleich einem leisen Schatten, den ein Licht vom Himmel auf die Erde wirft, entschwändest – keine Hoffnung zu haben, daß du denen erhalten würdest, die hier noch weilen, und keinen Grund zu kennen, warum du es solltest – zu wissen, daß du der schöneren Welt angehörtest, wohin so viele Reichbegabte in der Kindheit und Jugend den zeitigen Flug gerichtet – und doch bei all' solchen Tröstungen zu flehen, daß du den dich Liebenden wiedergegeben werden möchtest! Das waren meine Gedanken bei Tag und Nacht, und mit ihnen ergriff mich ein so überwältigender Strom von Besorgnissen und Ängsten und selbstsüchtigen Schmerzen, daß du sterben und nie erfahren würdest, wie heiß ich dich liebte, daß er mir in seinen Strudeln Sinn und Verstand fast mit fortriß. Du genasest – Tag für Tag und fast Stunde für Stunde träufelten wieder Tropfen der Gesundheit aus Hygieias Kelche herab und vermischten sich mit dem schwachen, fast versiegten, zögernd in dir umlaufenden Lebensbächlein und schwellten es wieder zum vollen, raschen, munteren Hinrieseln an. Ich habe dich mit Augen, feucht vom heißesten Sehnen und innerster tiefer Herzensneigung, zurückkehren sehen vom Tode zum Leben. O, sag' mir nicht, du wünschtest, daß ich meine Liebe aufgegeben haben möchte, denn sie hat mein Herz erweicht und der ganzen Menschheit geöffnet!«

»Das wollte ich nicht sagen,« nahm Rose weinend das Wort; »ich wünsche nur, daß du von hier fortgegangen sein möchtest, um dich wieder hohen und edeln Bestrebungen – deiner würdigen Bestrebungen zu widmen.«

»Es gibt keine Bestrebung, die meiner würdiger – des edelsten und herrlichsten Geistes würdiger wäre als das Mühen, ein Herz wie das deinige zu gewinnen,« versetzte der junge Mann, ihre Hand ergreifend. »Rose, meine liebe, unnennbar teure Rose, ich habe dich seit – ja, seit Jahren geliebt, jugendlich hoffend und träumend, mein Teilchen Ruhm mir zu erringen und dann stolz heimzukehren und im selben schönen Augenblicke dir zu sagen, daß ich das Errungene nur gesucht, um es mit dir zu teilen, dich zu erinnern an die vielen stummen Zeichen einer Jünglingsneigung, die ich dir gegeben, dir dein Erröten dabei in das Gedächtnis zurückzurufen und dann deine Hand wie zur Besiegelung eines unter uns altbestandenen stillschweigenden Vertrags zu fordern. Die Zeit ist noch nicht gekommen; doch gebe ich dir jetzt, ohne Ruhm geerntet, ohne einen der jugendlichen Träume erfüllt gesehen zu haben, das so lange schon dein gewesene Herz und setze mein Alles auf die Erwiderung, die meiner Anerbietung von dir zuteil wird.«

»Deine Handlungsweise war immer gut und edel,« erwiderte Rose, ihre heftige Bewegung unterdrückend. »Glaubst du, daß ich weder fühllos noch undankbar bin, so höre meine Antwort.«

»Geht sie dahin, daß ich mich bemühen soll, dich zu verdienen, teuerste Rose?«

»Dahin, daß du dich bemühen mußt, mich zu vergessen – nicht als deine alte liebe Gespielin, denn das würde mich unsäglich tief verwunden und schmerzen, sondern als einen Gegenstand deiner Liebe. Blick' hinaus in die Welt – o, wie viele Herzen gibt es in ihr, die du gleich stolz sein kannst zu gewinnen. Vertraue mir eine Leidenschaft für eine andere an, und ich will dir die wahrhafteste, wärmste und treueste Freundin sein.«

Beide schwiegen, und Rose verhüllte ihr Antlitz und ließ ihren Tränen freien Lauf. Harry hielt noch immer ihre Hand stumm in der seinigen. »Und deine Gründe, Rose,« begann er endlich mit leiser Stimme; »darf ich die Gründe wissen, die dich zu dieser Entscheidung drängen?«

»Du hast ein Recht, nach ihnen zu fragen,« erwiderte Rose, »kannst indes nichts sagen, was meinen Beschluß zu ändern vermöchte. Es ist eine Pflicht, die ich üben muß. Ich bin es andern schuldig wie mir selbst.«

»Dir selbst?«

»Ja, Harry, ich bin es mir selber schuldig, daß ich, ein verwaistes, vermögensloses Mädchen mit einem Flecken auf meinem Namen, der Welt keinen Grund gebe, zu wähnen, ich hätte aus niedrigen Antrieben deiner ersten Leidenschaft nachgegeben und mich als ein Bleigewicht an deine Hoffnungen und Entwürfe geheftet. Ich bin es dir und deinen Angehörigen schuldig, dir zu wehren, im Feuer deiner edeln Gefühle ein solches Hemmnis deines Vorwärtsschreitens in der Welt dir aufzubürden.«

»Wenn deine Neigungen mit deinem Pflichtgefühle zusammenstimmen –« begann Harry.

»Das ist nicht der Fall,« unterbrach ihn Rose tief errötend.

»So erwiderst du also meine Liebe?« sagte Harry. »Sage mir nur dies eine, nur dies eine, Rose, und lindere die Bitterkeit meiner harten Täuschung.«

»Wenn ich dürfte, ohne ihm, den ich liebte, ein schweres Leid zuzufügen,« erwiderte Rose, »so würde ich –«

»So würdest du die Erklärung meiner Liebe ganz anders aufgenommen haben?« fiel Harry in der größten Spannung ein. »O Rose, verhehle mir das wenigstens nicht.«

»Nun ja,« sagte die Jungfrau. »Doch,« fügte sie, ihre Hand der seinigen entziehend, hinzu, »warum diese peinliche Unterredung fortsetzen, die für mich am schmerzlichsten, wenn auch ein Quell der reinsten Freude ist? Denn es wird mir allerdings stets ein hohes Glück gewähren, einst von dir wie jetzt beachtet und geliebt zu sein, und jeder neue Triumph, den du im Leben erringst, wird mich mit neuer Kraft und Festigkeit erfüllen. Lebe wohl, Harry! denn wir dürfen uns so nie wiedersehen, wenn uns auch in anderen Beziehungen die schönsten, innigsten Bande umschlingen. Möge dir jeder Segen zuteil werden, den das Flehen eines treuen und aufrichtigen Herzens von dort, wo die Wahrheit thront und alles Wahrheit ist, auf dich herabrufen kann!«

»Noch ein Wort, Rose,« sagte Harry. »Deine wahren, eigentlichen Gründe. Laß sie mich aus deinem eigenen Munde hören.«

»Deine Aussichten sind glänzend,« erwiderte sie mit Festigkeit. »Dir winken alle Ehren, zu denen bedeutende Talente und einflußreiche Verbindungen zu verhelfen vermögen. Aber deine Anverwandten und Gönner sind stolz, und ich will mich ihnen weder aufdrängen, die Mutter verachten, die mir das Leben gab, noch auf den Sohn der Frau, die Mutterstelle an mir vertrat, Unehre bringen oder schuld an der Vereitelung seiner Hoffnungen und Aussichten sein. Mit einem Worte,« fuhr sie, sich abwendend, als wenn die Festigkeit sie verließe, fort, »es klebt ein Makel an meinem Namen, wie ihn die Welt an den Unschuldigen nun einmal heimsucht; er soll in kein fremdes Blut übergehen, sondern der Vorwurf auf mir allein haften bleiben.«

»Noch ein Wort, teuerste Rose – noch ein einziges Wort,« rief Harry, sich vor ihr niederwerfend. »Wäre ich minder – minder glücklich, wie es die Welt nennt – wäre mir ein dunkles und stilles Los beschieden gewesen – wäre ich arm, krank, hilflos – würdest du mich dann auch zurückweisen, oder entspringen deine Bedenken aus meinen vermuteten Aussichten auf Reichtümer und Ehren?«

»Dränge mich nicht zu einer Antwort auf diese Frage,« versetzte Rose. »Es kann und wird keine Veranlassung kommen, sie aufzuwerfen, und es ist nicht recht, nicht freundlich von dir –«

»Wenn deine Antwort lautete, wie ich es fast zu hoffen wage,« unterbrach Harry das bebende Mädchen, »so würde ein Wonnestrahl auf meinen einsamen Weg fallen und den düsteren Pfad vor mir erhellen. Wieviel kannst du durch die wenigen kurzen Worte für mich tun, der ich dich über alles liebe! O Rose, bei meiner glühenden, unvergänglichen Neigung – bei allem, was ich für dich gelitten und nach deinem Ausspruche leiden soll – beantworte mir die eine Frage!«

»Nun wohl!« erwiderte sie; »wenn dir ein anderes Los beschieden gewesen wäre – wenn du immerhin ein wenig, doch nicht so hoch über mir ständest, wenn ich dir bei beschränkten Verhältnissen eine Gehilfin und Trösterin sein könnte, statt in glänzenden dich nur zu hindern, zu hemmen und zu verdunkeln, so würde ich dir diese ganze Pein erspart haben. Ich habe jetzt alle, alle Ursache, zufrieden und glücklich zu sein, würde dann aber, ich bekenne es, Harry, mein Glück erhöht achten.«

Lebhafte Erinnerungen an alte süße Hoffnungen, die sie als aufblühende Jungfrau lange gehegt, drängten sich ihr bei diesem Geständnisse auf und brachten Tränen mit, wie es alte Hoffnungen tun, wenn sie verwelkt vor der Seele auftauchen; allein sie schafften ihrem gepreßten Herzen Erleichterung.

»Ich kann meiner Schwäche nicht wehren, und sie bestärkt mich in meinem Entschlusse,« fügte sie, dem Geliebten die Hand reichend, hinzu. »In Wahrheit, Henry, ich muß dich verlassen.«

»So bitte ich um ein Versprechen,« flehte er. »Laß mich noch ein einziges Mal – in einem Jahre oder vielleicht noch weit früher – ein letztes Mal über diesen Gegenstand zu dir reden.«

»Nicht um in mich zu dringen, daß ich meinen wohlüberlegten Entschluß ändere, Harry; es würde vergeblich sein,« erwiderte Rose mit einem wehmütigen Lächeln.

»Nein,« versetzte er, »um dich ihn wiederholen zu hören, wenn du ihn wiederholen willst. Ich will dir, was ich mein nennen mag, zu Füßen legen und der Entscheidung, die du jetzt ausgesprochen, wenn du bei ihr beharrst, auf keinerlei Weise entgegentreten.«

»Dann sei es so,« sagte Rose. »Es ist nur noch eine Bitterkeit mehr, und ich vermag sie später vielleicht besser zu ertragen.«

Sie reichte ihm noch einmal die Hand; allein er drückte sie an seine Brust, küßte ihre schöne Stirn und eilte hinaus.

 


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