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Einundzwanzigstes Kapitel.
Ausführung der ärztlichen Eingriffe

Schließlich wäre noch zu besprechen, wer die Unterbrechung auszuführen hätte, wo sie stattzufinden hätte und unter welchen äußeren Umständen. Ich stimme dafür, alle Unterbrechungen grundsätzlich aus der Hand des praktischen Arztes, überhaupt aller der Ärzte zu nehmen, die die »Anzeige« dazu feststellen, und eigens dazu ausgebildete und verpflichtete Ärzte mit der Unterbrechung zu beauftragen. Die Hilfeleistungen müßten in einer öffentlichen Krankenanstalt stattfinden und die betreffenden Frauen sich schriftlich vorher verpflichten, im Krankenhaus mindestens drei Tage oder nach Lage der Sache auch länger zu verweilen, bis sie ohne Gefahr entlassen werden könnten. Es wäre eine dankenswerte Aufgabe, im Sinne des schon so oft vorgeschlagenen weiblichen, werktätigen Dienstjahres Helferinnen zu gewinnen und auszubilden, um die Berufsschwestern und Pflegerinnen dabei zu unterstützen, wenn sie die im Krankenhaus liegende Frau und Mutter – besonders in der armen Familie – zu ersetzen und deren Pflichten zu übernehmen hätten. Dies wäre sehr wertvoll! Die Klassengegensätze würden überbrückt, Frauen höherer Stände erhielten Einblicke in Volksleben und Volksnot und würden selbst innerlich dabei nur gewinnen! Für die vom Staat beauftragten Ärzte würde eine zweijährige frauenfachärztliche Ausbildung im allgemeinen wohl ausreichen. Das wäre aber das mindeste, denn sie müßten nicht nur die Kunstfertigkeit besitzen, alle Schwangerschaftsunterbrechungen, die vom dritten Monat an recht schwierig sein können, vorzunehmen, sondern außerdem noch die dazu genügende Ausbildung besitzen, in bestimmten, schon früher erwähnten Fällen auch eine Eileiterunterbindung vorzunehmen, um jede weitere Fortpflanzungstätigkeit, wenn dies geboten erscheine, auszuschalten. Unterbrechung und Unterbindung hätten dann tunlichst in einer Sitzung zu geschehen, man sparte dabei eine Betäubung mit ihrer Gefahr, Kosten sowie Zeit dem Arzt und der Frau. Nachweisbar Unbemittelte sollten, soweit sie nicht Mitglieder einer Krankenkasse wären, vom Staat aus frei behandelt und verpflegt werden, solange sie im Krankenhause lägen. Da die Krankenkassen sich bisher meist auf den Standpunkt stellten, daß alles, was mit der Gebärtätigkeit zusammenhinge, nicht als »Krankheit« aufzufassen sei, daher auch aus ihrem Pflichtenkreis herausfalle, müßte dieser engen und deshalb von den Ärzten schon oft bekämpften Auffassung von Staatswegen ein Ende gemacht werden. Die Vertreter der Krankenkassen würden sich einer Neuordnung leichter fügen, wenn man ihnen klar machte, daß der allgemeine Gesundheitszustand ihrer Versicherten sich unmittelbar und mittelbar gewaltig heben würde, wenn meine Vorschläge angenommen würden. Bei Unterbrechungen, die aus eugenetischen etc. und ärztlichen Gründen erfolgten, könnte ein beamteter Arzt entscheiden, bei Unterbrechungen wegen Notzuchtsschwangerschaften der Richter dies tun. Zahlungsfähige Frauen würden nach dem Steuerbescheid des letzten Jahres einzustufen sein, am besten in drei Gruppen. Berufneren sei es überlassen, die Einzelheiten zu regeln. Die staatlich verpflichteten Ärzte würden in den Großstädten hauptamtlich, in kleineren Orten – nach Bedarf – nebenamtlich, die ersteren mit fester Besoldung, die anderen unter der Bedingung anzustellen sein, daß sie für jede behandelte Frau eine Durchschnittsbezahlung erhielten. Damit wären meine praktischen Vorschläge erschöpft, wenigstens soweit es sich um die Unterbrechung einer schon bestehenden Schwangerschaft handelte.


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