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Elftes Kapitel.
Lehren der Geschichte und § 218

Wer sich mit Geschichte befaßt hat, muß zu dem Ergebnis kommen, daß eine große Zahl von Kriegen als Folge eines zu raschen Wachsens der Bevölkerung entstanden ist. Niemand wird bestreiten wollen, daß die größten, immer kriegerisch verlaufenden geschichtlichen Wellenbewegungen sich aus einer Übervölkerung, dem sich daraus ergebenden Mangel an Boden und Brot, entwickelten. Das gewaltigste Beispiel hierfür ist die große Völkerwanderung. Ob sie ein Glück für die Weiterentwicklung und Hochzüchtung der Menschheit war, ist noch sehr dahingestellt! Wir haben leider nur gelernt, die Kämpfe der Völkerwanderung von unserem völkischen Gesichtspunkte aus zu betrachten. Trotz aller Hochachtung, die uns Wagemut und Tapferkeit unserer germanischen Vorfahren abnötigen, müssen wir doch zugeben, daß ihre Wanderungen an sich das Völkerrecht verletzten, daß sie unendlich große Gesittungswerte in den Ländern zerschlugen, in die sie einbrachen, ohne doch die Fähigkeit zu besitzen, etwas Gleichwertiges an die Stelle des Vernichteten zu setzen.

Wenn ich daher hören mußte, wie ein Rechtsgelehrter im Brustton den Wunsch aussprach, unser Volk durch möglichst ungehemmte, erzwungene Massenzüchtung von Menschen wieder zum »Erstarken« zu bringen, da empfand ich dies als ein peinliches Vorbeidenken an großen Lebensrätseln, die sich sicher nicht mit Schlagworten lösen lassen. Ich weiß, daß ich bei allen übervölkisch Denkenden lebhaften Widerspruch finden werde, wenn ich dazu auffordere, überhaupt die Bemühungen aufzugeben, unser Volk über die Zeitgrenzen hinaus, die die Natur nun einmal allen Völkern gesetzt hat, mit Zwangsmitteln erhalten zu wollen. Wir erleben, daß die Familien kommen und meist spurlos wieder vergehen. Die Völker leben auch nur eine begrenzte Zeit, dann nutzen sie sich ab und sterben. Dem Naturfreund sind diese Gedankengänge nicht fremd, er weiß, daß auch andere Lebewesen als der Mensch, nämlich die Pflanzen und Tiere, ähnlichen Gesetzen unterworfen sind. Ganze Gattungen verschwinden, gewiß auch mit durch ungünstige äußere Umstände oder durch menschliche Rücksichtslosigkeit. Aber auch wenn so etwas fehlt, sogar wenn der Mensch sich bemüht, manche Pflanzenarten vor Entartung oder Aussterben zu schützen, ist deren Vergehen doch nicht aufzuhalten. Wenn ein Gärtner versuchen würde, einen alten, überlebten Baum, der Natur zum Trotz, über seine Zeit hinaus zu erhalten, würde man ihn einen großen Toren schelten. Ich spreche daher dem Staat wohl das Recht zu, den Versuch zu machen, eine unnatürliche, zum Beispiel auf Rückgang der Sittlichkeit beruhende Geburtenverminderung seines Volkes mit allen Mitteln zu bekämpfen, muß ihm aber andererseits auch das Recht absprechen, durch unerträglich harte Gesetze eine unnatürlich verlängerte Lebensdauer des Volkes erzwingen zu wollen. Über der Sorge für die völkische Zukunft muß unbedingt die Verpflichtung stehen, den lebenden Volksgenossen in der Gegenwart ein Mindestmaß an Lebensglück zu gewähren.

Es ist anzunehmen, daß die allgemeine Völkervermischung um so stärker werden wird, je mehr die europäischen Staaten sich einander nähern und ineinander aufgehen, eine Entwicklung, die mir ebenso zwangsläufig erscheint, wie die vor fünfzig Jahren erfolgte Wiedervereinigung deutscher Stämme in einem Reich. Sich auszumalen, wie durch eine derartige Entwicklung der Dinge sich die Frage, die uns in dieser Schrift gemeinsam bewegt, ohne weiteres von selbst lösen würde, will ich dem Leser überlassen. Denen, die diese Möglichkeit für ein Hirngespinst ansehen, muß trotzdem empfohlen werden, darauf zu verzichten, unser Volk zu Unnatürlichem zu zwingen. Sie müssen sich mit dem Gedanken befreunden, daß, wenn wir Deutschen unsere Aufgabe, im Rahmen des Menschengeschlechts die Entwicklung zu höherer Gesittung und Geistespflege zu fördern, gelöst haben, unser Volk wieder vergehen kann.

Ich glaube, wir haben die geistige Festung der Gegner nun erstürmt, die Fahne des Fortschritts weht von den eroberten Zinnen. Es ist nicht meine Absicht, nunmehr, wie manche meiner Mitstreiter es vorschlagen, die genommenen Mauern völlig zu schleifen. Ich möchte nur einen, allerdings großen Teil von ihnen abtragen und dann den Rest so umbauen, daß aus der Zwingburg eine Schutzburg wird, die dem wahren Gedeihen unseres Volkes dient.


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