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35.

Gräfin Susanne hatte keinerlei Verdacht geschöpft, als ihr Schiffler meldete, Graf Lothar sei nach der Stadt gefahren. Auch als er ihr am nächsten Mittag berichtete, daß der junge Herr einen Boten geschickt habe, weil er auch die zweite Nacht im Hotel bleiben wolle, wunderte sie sich kaum. Das war schon zuweilen vorgekommen. Von Grills Abreise hatte sie gar nichts gemerkt. Sie sah die alte Frau manchmal tagelang nicht.

Als ihr Schiffler die fingierte Nachricht von dem Boten brachte, gab sie Befehl, ihre Equipage anzuspannen. Sie wollte in der Nachbarschaft Besuche machen. Bei Soltenaus traf sie mit Baron Hasselwert zusammen, der von seiner Reise zurückgekehrt war.

Sie machte ihm Vorwürfe, daß er sich noch nicht in Wildenfels hätte sehen lassen. Der Baron schnitt eine klägliche Grimasse.

»Teuerste, verehrteste Freundin – man sucht nicht gern den Schauplatz seiner Niederlagen auf. Wenn ich auch vielleicht den Mut gefunden hätte, Ihnen wieder gegenüber zu treten, so ist mir doch der Gedanke, mich vor Fräulein Warrens als abgewiesener Freier zu produzieren, ziemlich unerträglich.«

Sie waren einige Minuten allein und konnten sich ungeniert aussprechen. Gräfin Susanne sah ihren alten Verehrer aufatmend an.

»Nun denn – dies Hindernis besteht nicht mehr, Fräulein Warrens hat Wildenfels verlassen.«

Hasselwert blickte sie überrascht an.

»Fräulein Warrens ist nicht mehr in Wildenfels?«

»Nein, ich fand es für notwendig, sie nach dem Tode meiner Schwiegermutter zu entfernen.«

»Aber warum, meine gnädigste Gräfin?«

Susanne neigte sich zu ihm.

»Unter uns – ich fürchtete, daß mein Sohn im Begriff war, ebenso unklug zu sein, wie Sie.«

Der Baron stutzte.

»Sie meinen – Ihr Herr Sohn – und Fräulein Warrens –«

»Ja – ich meine. Und als vorsichtige Frau habe ich meine Vorkehrungen getroffen.«

Er sah sie mit einem zweifelnden Blicke an.

»Wenn Sie Grund zu Ihren Befürchtungen haben, dann werden diese Vorkehrungen wenig nützen. ›Und legt ihr auch zwischen mich und sie wohl Berge, Tal und Hügel.‹ Sie kennen doch das Lied?«

Sie zuckte die Achseln.

»Ich bin gründlich gewesen.«

»Hm – hm. Aber sagen Sie nur, verehrteste Freundin – angenommen, die beiden jungen Leute lieben sich – warum wollen Sie so grausam sein, sie zu trennen? Ich an Ihrer Stelle wäre froh, ein so entzückendes und liebenswertes Schwiegertöchterchen zu bekommen.«

»Baron – lassen Sie solche Scherze.«

»Bitte – das ist mein heiliger Ernst. Meine Ansicht über Fräulein Warrens hat sich nicht geändert, trotzdem sie mir einen Korb gegeben. Ich finde sie anbetungswürdig und meine, sie gereicht jedem Fürstenthrone zur Zierde.«

Susanne nagte ärgerlich an ihren Lippen.

»Mir scheint, Sie sind noch immer nicht ganz zur Vernunft gekommen.«

Er lächelte und seufzte.

»Wenn Sie damit meinen, daß ich heute meinen Antrag noch wiederholen würde, wenn Fräulein Warrens für mich erreichbar wäre – ja – das würde ich vielleicht tun. Vielleicht – denn ich bin des Alleinseins herzlich müde. Aber so viel bin ich doch zur Vernunft gekommen, um einzusehen, daß sie zu jung für mich war. Heute bin ich wieder auf meinem einstigen Standpunkte – daß Sie die passendste Lebensgefährtin für mich wären. Sie wissen – man erinnert sich gern seiner alten Liebe. Seit ich Sie heute wiedersah, ist mir, als sei ich von meiner ›Unvernunft‹, wie Sie es nennen, kuriert.«

Gräfin Susanne wurde sehr rot, und Hasselwert betrachtete sie mit den alten verliebten Blicken.

»Werden Sie nie ganz vernünftig sein, Baron?« fragte sie scheinbar ärgerlich, aber doch mit einem Gefühl der Freude.

Er seufzte.

»Mir fehlt eben der veredelnde Einfluß holder Weiblichkeit. Ich werde noch ganz verwildern, wenn Sie sich nicht doch noch eines Tages meiner erbarmen. Sie täten wahrlich ein gutes Werk.«

»Ach gehen Sie – ich bin inzwischen eine alte Frau geworden.«

Er küßte ihre Hand.

»Lästern Sie meine Freundin nicht! Für mich sind Sie noch jung und schön – wie einst.«

Wieder errötete Gräfin Susanne. Aber das Gespräch wurde unterbrochen, sie waren nicht mehr allein.

Es war aber doch ein wohliges Gefühl für Susanne, daß Hasselwert zu ihren Füßen zurückgekehrt war.

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