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18.

Bei Tische saß Gräfin Susanne neben ihrem Sohne auf der einen Seite der Tafel. Jonny saß neben Gräfin Thea Lothar gegenüber. Man speiste in Wildenfels in großem Stile, auch wenn keine Gäste zugegen waren, die sonst dazu Veranlassung gaben.

Gräfin Susanne liebte es so. Sie trug eine kostbare Robe in grauvioletten Farben mit echten Spitzen reich garniert. Auch Gräfin Thea sah vornehm aus in einer schwarz und weiß gestreiften Seidenrobe. Jonny saß Lothar wie der verkörperte Frühling gegenüber in einem duftigen, mattblauen Eoliennekleidchen, das in schmale Plisseefalten gelegt war.

Die Unterhaltung drehte sich, schon der Diener wegen, nur um gleichgültige Dinge. Erst beim Nachtische, nachdem der Hausmeister mit den Dienern das Zimmer verlassen hatte, wurde man ungezwungener. Gräfin Susanne brachte selbst das Gespräch auf das Eisfest. Hasselwert hatte ein Festprogramm geschickt. Das las sie vor. Es wurden darin auch die erwärmten Gasthofszimmer erwähnt zur Benutzung für die ältern Herrschaften. Bei dieser Stelle sah Lothar seine Großmutter bittend und bedeutungsvoll an.

Die alte Dame lächelte verständnisvoll.

»Ach, bitte, Susanne – das lies doch noch einmal.«

Gräfin Susanne wiederholte.

»Das ist ja eine sehr gute Idee von Hasselwert,« sagte darauf Gräfin Thea. »Ich habe nicht gedacht, daß er auch für die ältern Herrschaften vorgesorgt hat. Das ändert natürlich meine Bestimmung. Ich treffe da sicher einige meiner alten Freunde und kann behaglich mit ihnen plaudern. Jedenfalls fahre ich mit hinüber. So kommt doch auch Jonny noch zu ihrem Rechte.«

Susanne biß sich, unangenehm berührt, auf die Lippen.

»Es wird für dich schwerlich viel Vergnügen herauskommen, Mama.«

»Nun, ich werde schon auf meine Kosten kommen, wenn ich vom warmen Zimmer aus das fröhliche Jungvolk auf dem Eise sich tummeln sehe.«

»Man weiß aber nicht, ob die Räume wirklich gut durchwärmt sind,« gab Susanne zu bedenken.

Um Gräfin Theas Mund zuckte es verräterisch. Sie durchschaute ihre Schwiegertochter.

»Baron Hasselwert ist in solchen Fällen durchaus verläßlich. Schlimmsten Falles fahre ich wieder heim. Jonny findet dann schon einen Schutz. Dich will ich damit nicht belästigen.«

»Ich könnte mich auch nicht um Fräulein Warrens kümmern. Baron Hasselwert rechnet auf meine Unterstützung bei dem Feste.«

»Ich bin auch noch da,« warf Lothar, wie beiläufig ein.

Jonny wurde bei diesen Worten dunkelrot. Ihr Herz klopfte bang bei dieser Unterhaltung. Gräfin Thea hatte ihr Verhaltungsmaßregeln gegeben, daß sie in Gräfin Susannes Gegenwart Lothar nicht direkt anreden solle.

Nun saß sie ihm ängstlich gegenüber und wagte ihn nicht einmal anzusehen.

Gräfin Susanne hatte sich brüsk zu Lothar gewandt.

»Du kommst doch selbstverständlich nicht in Frage als Schutz eines jungen Mädchens. Wenn Fräulein Warrens darauf besteht, das Fest zu besuchen, so muß sie eben mit Mama wieder nach Hause fahren, sobald diese das Fest verläßt.«

Lothar wollte eine heftige Antwort geben, das sah man seinem erregten Gesicht an. Aber ein warnender, bittender Blick seiner Großmutter ließ ihn schweigen. Statt seiner antwortete Gräfin Thea sehr ruhig und gleichmütig, indem sie Jonnys zitternde Hand verstohlen unter dem Tische drückte:

»Die Angelegenheit bedarf keiner Erörterung mehr. Ich bleibe, so lange ich kann, und dann kehrt Jonny mit mir heim.«

Nach Gräfin Susannes Wunsch war es gar nicht, daß ihre Schwiegermutter und Jonny mit nach Hasselwert kamen. Wußte sie doch, daß der Baron nur auf eine Gelegenheit wartete, sich Jonny zu nähern. Jedenfalls nahm sie sich vor, das junge Mädchen keinen Augenblick aus den Augen zu lassen. Man mußte den Baron um jeden Preis vor einer Unbesonnenheit bewahren, das war ihre Meinung.

Wenn sie eine Ahnung gehabt hätte, welche heißen Wünsche in Lothars Brust erwacht waren in bezug auf Jonny Warrens, sie hätte wahrscheinlich ihr Augenmerk mehr auf ihn gerichtet, als auf Baron Hasselwert. Daß sie Jonny die vertrauliche Anrede ihres Sohnes verbot, war nur ein Ausfluß ihrer Gehässigkeit gegen diese. Nie wäre ihr der Gedanke gekommen, daß sich ein Graf Wildenfels so weit vergessen könne, an eine Heirat mit der Enkelin eines Untergebenen zu denken.

Nach Tische liefen Jonny und Lothar Schlittschuh auf dem Wildenfelser See. Es war prachtvolle Bahn und herrliches Wetter. Sie waren beide hervorragende Läufer und sausten in eleganten Bogen dahin. Lothar hatte seine Verstimmung überwunden und war in übermütiger Laune. Er riß Jonny mit fort. Auch sie vergaß, was quälend hinter ihr lag. Sie war jung und elastisch und das Glück über Lothars Gegenwart und sein liebevolles Wesen war zu groß, als daß sie nicht alles andere darüber vergessen sollte.

Wie herrlich war diese Stunde auf dem See. Während sie in weiten Bogen dahinflogen und die frische Luft ihre Wangen höher und höher färbte, durchdrang die junge selige Liebe tiefer und tiefer ihr ganzes Sein.

Ins Schloß zurückgekehrt, widmete sich Lothar seiner Mutter. Einige Besucher fanden sich zur Teestunde ein. Unter anderm die junge Komtesse Liebenau mit ihren Eltern. Gräfin Susanne schien diese junge Dame sehr auszuzeichnen. Lothar zeigte sich in seiner natürlichen Liebenswürdigkeit allen Besuchern gegenüber. Man sprach fast ausschließlich von dem Eisfeste in Hasselwert.

Da Gräfin Thea für morgen Kräfte sammeln wollte, kam sie nicht herunter und Jonny blieb bei ihr im Zimmer. Lothar schienen es verlorene Stunden.

Als die Besucher sich entfernt und Gräfin Susanne sich etwas ermüdet in ihre »blaue Grotte« zurückgezogen hatte, eilte Lothar in Gräfin Theas Zimmer. Dort fühlte er sich bald sehr glücklich und behaglich. Jonny sang ihre schönsten Lieder, und er saß neben seiner Großmutter und lauschte voll Entzücken der glockenreinen, schönen Stimme, die im warmen Mezzosopran aus dem Herzen kam.

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