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Vierundzwanzigstes Kapitel.

    »In England sollen sieben Sechser-Brode künftig nur
einen Groschen kosten: die Schoppenkanne soll sieben Schoppen
enthalten, und Halbbier trinken will ich zu einem Criminal-
Verbrechen machen.«
Jack Cade.

Wäre Alderman Van Beverout Theilnehmer an dem vorhergehenden Gespräch gewesen, so hätte der einleitende Ausruf, womit er in den Pavillon hereinstürmte, nicht passender seyn können.

»Potz Winde und Klima!« rief er, mit einem offenen Briefe in der Hand eintretend; »Hier geht über Curaçao und die afrikanische Küste die Nachricht ein, daß das gute Schiff ›die Zibeth-Katze‹ konträrem Wind auf der Höhe der Azoren begegnete, wodurch es zu seiner Fahrt nach Hause siebzehn Wochen brauchte! Das heißt zu viel kostbare Zeit zwischen einem Markt und dem andern verschwenden, mein lieber Capitän Cornelius Ludlow, und es wird wahrlich dem guten Rufe des Schiffes Abbruch thun, das bis jetzt stets einen makellosen Charakter hatte, da es niemals mehr als die gewöhnlichen sieben Monate zur Reise hin und her nöthig hatte. Wenn unsre Fahrzeuge einen so schläfrigen Gang anzunehmen beginnen, so kriegen wir kein Fell mehr nach Bristol, bis es untauglich geworden ist. – Was haben wir denn da, Nichte? Waaren! und von verdächtiger Fabrik dazu! Wer hat die Faktura dieser Güter, und mit welchem Schiff sind sie hier angekommen?«

»Der Eigenthümer wird Ihre Fragen besser beantworten können,« erwiederte die Schöne, indem sie ernst und nicht ohne ein leises Beben in der Stimme auf den Contrebande-Händler hinwies, der beim Eintreten des Alderman sich so weit als möglich in den Hintergrund des Salons zurückgezogen hatte.

Myndert überflog mit einem Kennerblick den Inhalt des Waarenballens und schaute dann ängstlich das unbewegte Gesicht des Königlichen Capitäns an. »Herr Capitän,« sagte er endlich, »das Blatt hat sich gewendet, der Verfolgende ist der Verfolgte geworden. Nachdem wir eine Woche oder noch länger auf dem atlantischen Meere herumgesegelt sind, wie der Comptoir-Schreiber eines jüdischen Mäklers auf dem Kai zu Rotterdam auf und ab läuft, um eine Parthie schadhaften Thees loszuwerden, sind wir förmlich selbst gefangen! Welchem Sinken der Preise, oder veränderten Grundsätzen der Handelsbehörde verdanke ich die Ehre gegenwärtigen Besuches, Herr M – hem – Herr Elegant, der Sie grüne Damen und Prachtgewebe zu verkaufen haben?«

Die zuversichtliche, kecke Haltung des Freihändlers war verschwunden, und an ihre Stelle trat eine zage, verlegene Miene, wie man sie an dem Fremden nicht gewohnt war. Er schien nicht zu wissen, was er antworten sollte. Nach einer Pause, welche ausdrucksvoll genug den gänzlichen Wechsel seines Benehmens bezeichnete, antwortete er endlich:

»Ich bin ein Mensch, welcher sich bemüht, den Bedürfnissen des Lebens hülfreich entgegenzukommen, muß viel dabei aufs Spiel setzen, und mein Geschäft bringt es daher mit sich, Kundschaft bei denen zu suchen, die im Rufe stehen, freisinnig zu denken. Ich hoffe, Sie werden meine Freiheit aus Rücksicht auf den guten Beweggrund entschuldigen, und der Dame mit ihrer längeren Erfahrung beistehen, ein richtiges Urtheil über den Werth meiner Waaren zu fällen, und über die Billigkeit der Preise.«

Den Alderman setzte diese Sprache und das unterwürfige Wesen des Smugglers nicht weniger in Erstaunen, als den Capitän selbst. Statt, wie er erwartete, seine ganze Gewandtheit in Anspruch genommen zu finden, um des Seestreichers gewöhnliche rücksichtslose Vertraulichkeit zurückzuhalten, damit sein Verhältniß zum Meerdurchstreicher so sehr als möglich in Zweifel verhüllt bliebe, sah er zu seiner Verwunderung sich nicht bloß unterstützt, sondern durch den plötzlichen ungewöhnlichen Respekt, mit welchem der Fremde ihn behandelte, aller Mühe überhoben. Durch diese unerwartete Unterwürfigkeit kühn gemacht, vielleicht auch in seiner eigenen Achtung dadurch ein wenig gehoben, da der gute Mann, wie schlau er auch war, gleich anderen Leuten, die Ursache in seinem eigenen Werthe fand, nahm er nun eine barschere Stimme und die Miene eines Gönners an, was er wohl gegen Jemand, der ihm so oft Beweise gegeben, wie wenig ihm an Gönnerschaft gelegen war, unter anderen Umständen nicht gewagt hätte.

»Das nenn' ich zwar kaufmännische Betriebsamkeit, aber klug ist es immer nicht gehandelt, zumal von Einem, welcher den Werth des Credits kennen sollte,« sagte er, machte jedoch zu gleicher Zeit eine herablassende Geberde, welche Nachsicht mit dem verzeihlichen Fehler zu erkennen geben sollte. »Wir müssen es mit dem Irrthum nicht so streng nehmen, Capitän Ludlow, da, wie der junge Mann mit Recht zu seiner Vertheidigung anführt, Erwerb durch redlichen Handel eine lobenswerthe und heilsame Beschäftigung ist. – Jemand, welcher nicht aussieht, als wenn ihm die Gesetze unbekannt wären, sollte wissen, daß unsre tugendhafte Königin und ihre weisen Räthe entschieden haben, daß Mutter England fast Alles erzeugen könne, was ein Colonist verzehren kann, ja; und auch Alles verzehren, was ein Colonist erzeugen kann.«

»Ich schütze keine Unwissenheit der Gesetze vor, Sir, allein bei meinem anspruchslosen Geschäft leitet mich der ganz natürliche Trieb: die Sorge für meinen Unterhalt. Das Verhältniß zwischen uns Contrebandirern und den Behörden ist ein bloßes Hazardspiel: kommen wir mit heiler Haut durch die Spießruthen, so sind wir die Gewinnenden; verlieren wir, so finden die Diener der Krone ihre Rechnung dabei. Der Einsatz von beiden Seiten ist gleich, um so weniger also sollte man das Spiel als ein unehrliches verschreien. Nähmen die Beherrscher der Welt nur die unnöthigen Fesseln hinweg, womit sie den Handel belasten, so würde unser Gewerbe von selbst verschwinden, und mit dem Namen Freihändler würde man alsdann die reichsten und geachtetsten Häuser bezeichnen.«

Der Rathsherr pfiff gedehnt und vor sich hin, winkte den Anwesenden, Platz zu nehmen, und setzte seine eigne gedrängte Person in einen Armsessel, kreuzte die Beine mit einer selbstgefälligen Miene und nahm das Gespräch dann wieder auf.

»Das sind ganz allerliebste Ansichten, Herr M – hem – nun, was führen Sie denn für einen werthen Namen, mein geistreicher Ausleger der Handelsgesetze?«

»Man pflegt mich Seestreicher zu nennen, wenn man schonend den härteren Ausdruck umgehen will,« erwiederte Jener, und senkte demüthig den Kopf niederwärts.

»Allerliebste Ansichten, Herr Seestreicher! sie passen sich vortrefflich für einen Herrn, welcher von praktischen Auslegungen der Finanzgesetze lebt. Dies ist eine weise Welt, Herr Capitän, sie hat viele Leute aufzuweisen, deren Köpfe wie Waarenballen mit einem vollständigen Ideen-Sortiment ausgefüllt sind. Potz Fibeln und ABC-Bücher! da schicken mir eben Van Bummel, Schoenbroek und Van der Donck eine ganz nett geheftete Brochüre, in ächt Leydener-Holländisch geschrieben, worin bewiesen werden soll, daß der Handel nichts anderes sey, als ein Austausch von gleichgeltenden Dingen, wie's der Verfasser nennt, und daß die Nationen nichts weiter zu thun haben, als ihre Häfen Jedermann zu öffnen, um das tausendjährige Reich des Handels herbeizuführen.«

»Viele scharfsichtige Männer sind derselben Meinung,« bemerkte Ludlow, fest entschlossen, sich bei Allem, was vorfiel, nur als ruhiger Beobachter zu verhalten.

»Was erfindet ein witziger Kopf nicht, um Papier zu beschmieren! Der Handel, meine Herren, ist ein Rennpferd, und die Kaufleute sind die Jockey's, die es reiten. Der am schwersten Beladene verliert vielleicht, dafür aber hat die Natur auch nicht allen Menschen dieselben Dimensionen gegeben, und Kampfrichter sind daher eben so unentbehrlich für den Markt als für die Rennbahn. Besteigen Sie Ihren Wallach, – wenn Sie so glücklich sind, einen zu haben, den die herzlosen Schwarzen nicht so abgeritten haben, daß er in ein Wiesel zusammengeschmolzen ist – und reiten Sie an einem schönen Oktober-Tag nach der Haarlemer Ebne, so werden Sie sehen, auf welche Weise der Geschwindigkeits-Wetteifer von Statten geht. Die Spitzbuben von Reitern versetzen dem Pferde bald eins in die Rippen mit den Sporen, bald eins über die Ohren mit der Peitsche, und obgleich bei ihrem ersten Ansatz Alles ehrlich zugeht, was man vom Handel nicht immer sagen kann, so trägt doch nur Einer den Preis davon. Erreichen zwei Pferde das Ziel in einem und demselben Augenblick, so muß die Bahn noch einmal durchlaufen werden, bis der beste Renner der Sieger bleibt.«

»Wie kommt es denn, daß Männer von großem Scharfsinn so oft die Meinung aussprechen, der Handel blühe am meisten, wenn er am wenigsten mit Abgaben beschwert sey?«

»Wie kommt es, daß der eine Mensch geboren wird, Gesetze zu geben, und der andere sie zu verletzen? Läuft das Pferd nicht schneller, wenn es alle vier Füße frei hat, als wenn sie ihm gebunden sind? Im Handel hingegen ist es ganz was Anderes, mein Herr Seestreicher und mein Herr Capitän Cornelius Ludlow; da ist Jedermann sein eigner Jockey und, abgesehen von dem Beistand der Zollgesetze, nicht besser und nicht schlechter, als wie die Natur ihn zufällig gemacht hat. Fett oder mager, mit starken Knochen oder dünnen, muß er das Ziel zu erreichen suchen, so gut er kann. Darum machen Eure schwer in's Gewicht fallende Sandsäcke und Gürtel nöthig, um alles auszugleichen. Daß die Stute unter ihrer Last vielleicht erliegt, beweist noch immer nicht, daß sie mehr Wahrscheinlichkeit des Sieges hat, wenn man die Wucht der Reiter unausgeglichen läßt.«

»Um aber einmal aufzuhören,« setzte Ludlow hinzu, »figürlich zu sprechen, wenn der Handel nur in einem Austausch von gleichgeltenden Dingen besteht ....«

»Potz Bettelei und Zahlungseinstellung!« unterbrach ihn der Alderman, der in seinen Urtheilen weit mehr absprechend als höflich war. »Diese Sprache führen immer die Leute, welche alle mögliche Arten von Büchern gelesen haben, nur kein Hauptbuch. Hier habe ich Briefe von Zung und Schwatz in London, in denen der Netto-Gewinn einer kleinen Spekulation angegeben ist; die Güter waren auf der Brigg Damhirsch eingeschifft, die am 16. April ultimo wieder im Fluß eingelaufen ist. Die Geschichte der ganzen Verhandlung läßt sich in ein Kindermüffchen stecken. – Sie sind ein junger Mann, der zu schweigen versteht, Herr Capitän, und was Sie, Meister Seestreicher, betrifft, so schlägt der Handel ganz und gar nicht in Ihr Fach; – also, wie gesagt, hier sind die Posten, die erst vor vierzehn Tagen als Nota ausgeschrieben worden sind.«

Während der Alte so sprach, setzte er die Brille auf die Nase, zog das Papier aus der Tasche, rückte näher an's Licht; dann las er:

»Bezahlte Tratte von Sand, Ofen und Glas, für kleine Glaskugeln 3 Pfd. 2 Sch. 6 P.
Emballage und Kistchen " 1 " 10½ "
Einschiffungs-Spesen und Fracht " 11 " 4 "
Assekuranz, im Durchschnitt " 1 " 5 "
Fracht, Spesen und Gebühren des Mohawkser Commissionärs 10 " " "
dito dito dito der Verladung und des Verkaufs von Pelzen in England 7 " 2 " "
 
Summe der Kosten und Spesen, alles in englischem Gelde 20 " 19 " "
             
Die Nota<7i>, Verkauf der Pelze an Frost & Reich, ergibt dagegen netto 196 " 11 " 3 "
 
Saldo als Vortrag 175 " 12 " "

Ein schöner Austausch von gleichgeltenden Dingen, nicht wahr, Herr Cornelius? Muß für die Herren Zung und Schwatz, in deren Büchern ich mit dem Debet von 20 Pfund 19 Schilling und 1 ½ Pence aufgeführt bin, nicht wenig zufriedenstellend seyn. Wie viel die Kaiserin von Deutschland der Firma Frost und Reich für die Rauchwaaren bezahlt habe, geht freilich aus der Nota nicht hervor.«

»Eben so wenig ist daraus zu ersehen, ob die Mohawks für die Glaskugeln nicht mehr bezahlt haben, als was sie ursprünglich gegolten, noch ob sie für ihre Pelze mehr bekamen, als sie an dem Ort, wo die Thiere erlegt wurden, werth waren.«

Der Pelzhändler pfiff wieder, steckte seine Rechnung dabei in die Tasche und antwortete:

»Fast sollte man glauben, du hättest den Leydener Completen Kaufmann studirt, Sohn meines alten Freundes! Wenn der Wilde sich so wenig aus seinen Häuten und so viel aus meinen Glaskugeln macht, so wäre ich ein Narr, ihm aus dem Irrthum zu helfen; sonst sehen wir ihn noch eines Tages, wenn anders die Handelsbehörde es erlaubt, sein Kanot aus Baumrinde gegen ein gutes Schiff vertauschen, um sich seine Zierrathen selbst zu holen. Potz Seereisen und Spekulation! wer bürgt dafür, daß der Schurke dann für gut finden wird, nicht weiter zu gehen als London! in welchem Falle dem Mutterlande der Profit, den es aus dem Absatz nach Wien zieht, vor der Nase vorbeigeht, und der Mohawk sich für den Unterschied des Preises an beiden Märkten Pferd' und Wagen anschafft. Sie sehen also, daß ein Rennen nur dann ehrlich genannt werden kann, wenn die Pferde im gleichen Moment ablaufen und gleich schwer tragen; und bei dem allem gewinnt doch nur Einer. Eure Metaphysik ist nichts weiter als ein philosophisches Goldblättchen, was ein gewandter Raisonneur zu einer Fläche breitschlägt, die den größten amerikanischen See bedecken kann. Wer ein Pinsel ist, der glaubt nun gleich, die ganze Erde lasse sich in das köstliche Metall umwandeln, aber der schlichte praktische Mann behält den Werth des Metalls in guter gangbarer Münze in seiner Tasche.«

»Und doch hört man Sie klagen, daß das Parlament mit zu vielen Gesetzen den Handel nur hemme, und doch sprechen Sie von den zu Hause getroffenen Maaßregeln in einem Tone, der, entschuldigen Sie, einem Holländer mehr geziemen würde, als einem königlichen Unterthan.«

»Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß das Pferd ohne Reiter schneller läuft, als mit dem Packsattel auf dem Rücken! Wenn Sie gewinnen wollen, müssen Sie ihrem eigenen Jockey so wenig, und dem Ihres Gegners so viel Gewicht geben, als nur immer möglich ist. Ich beschwere mich über die Burgflecken-Männer, weil sie Gesetze für uns machen, und keine für sich selbst. So sage ich oft zu meinem würdigen Freund Alderman Schluck, daß Essen ein gutes Ding sey um zu leben, wer aber fresse, der solle sein Testament bereit halten.«

»Aus alle dem ziehe ich den Schluß, daß die Ansichten Ihres Leydener Correspondenten nicht die des Herrn Van Beverout sind.«

Der Alderman legte den Finger an die Nase und sah seine Gesellschafter einen Augenblick schweigend an.

»Diese Leydener,« fuhr er dann fort, »sind eine verschlagene Race. Hätten die Vereinigten Provinzen nur Grund, auf dem sie stehen könnten, so würden sie, wie der Weltweise, der mit seinem Hebel groß that, die Erde aus den Fugen rücken. Die verschmitzten Schelme denken, daß die Amsterdamer von Natur einen leichten Sitz haben, und wollen daher alle Anderen überreden ohne Sattel zu reiten. Ich werde die Brochüre landeinwärts zu den Indianern schicken, und etwas daran wenden, daß sie von einem Gelehrten in die Sprache der Mohawks übersetzt werde, damit der berühmte Häuptling Schendoh, nachdem die Missionarien ihn erst werden lesen gelehrt haben, richtige Grundsätze über gleichen Austauschwerth einsauge! Am Ende komme ich mit dem Geschenk den wackeren Geistlichen zu Hülfe, und bringe dadurch ihre gute Aussaat früher zur Reife.«

Der Alderman warf rechts und links Seitenblicke auf seine Zuhörer, faltete dann behaglich die Hände auf der Brust und saß schweigend da, wie Einer, der seine Beredsamkeit auf die Gemüther wirken läßt.

»Diese Ansichten sind nicht sehr günstig für das Gewerbe des ... des Herrn, der uns jetzt mit seiner Gesellschaft beehrt,« sagte Ludlow, indem er den eleganten Smuggler mit einem Auge ansah, welches zeigte, daß er nicht wußte, wie er den Fremden, dessen äußere Erscheinung so wenig mit seiner Beschäftigung im Einklange stand, eigentlich benennen sollte. »Wenn dem Handel Beschränkungen wesentlich nöthig sind, wahrlich, so bleibt dem gesetzverschmähenden Händler keine Entschuldigung übrig.«

»Ich bewundere Ihre Klugheit in der Praxis eben so sehr als die Richtigkeit Ihrer Meinungen in der Theorie, mein lieber Capitän,« erwiederte der Alderman. »Begegneten Sie der Brigantine dieses Menschen auf hoher See, so würde Ihre Pflicht es erheischen, sie zur Prise zu machen; jetzt, wo wir, so zu sagen, in häuslicher Zurückgezogenheit beisammensitzen, begnügen Sie sich damit, ihrem Geiste durch Kernsprüche Luft zu machen. Auch ich halte es für meine Pflicht, einige Worte über diesen Punkt zu sprechen, und ergreife die so günstige Gelegenheit unserer friedlichen Zusammenkunft, um einige Gedanken zu äußern, die mir die gegenwärtigen Umstände ganz natürlich eingeben.«

Myndert wendete sich nun gegen den Contrebande-Händler, und setzte seine Rede fort, so ziemlich mit dem Tone und der Haltung einer Magistratsperson, die einem Störer der öffentlichen Ruhe eine Strafpredigt hält.

»Sie erscheinen hier, Meister Seestreicher,« sagte er, »unter falscher Flagge – um mich eines Ihrem Gewerbe entlehnten Bildes zu bedienen. Ihrem Aeußeren nach sollte man sie für einen nützlichen Unterthan halten; nichtsdestoweniger aber stehen Sie im Verdacht, sich gewissen Praktiken hinzugeben, die nicht zu billigen sind. Ich will eben nicht sagen, daß sie unehrlich sind, nicht einmal, daß sie einem Mann von Credit nicht anstehen, denn hierüber sind die Meinungen der Menschen verschieden, aber mindestens tragen sie nichts dazu bei, die Kriege Ihrer Majestät zu einem glorreichen Ende zu führen, und ihren europäischen Ländern das Handelsmonopol zu sichern. Da nun aber die Königin nichts sehnlicher wünscht, als uns Colonisten durch besagtes Monopol die Mühe zu ersparen, bei Besorgung unserer eigenen Angelegenheiten uns außer ihren eigenen Zollhäusern noch anderswo umzusehen, so stehen Sie diesem sehnlichen Wunsche Ihrer Majestät geradezu im Wege. Dies ist, mild gesprochen, eine Unbescheidenheit, und es thut mir Leid, hinzufügen zu müssen, daß gewisse begleitende Umstände die Handlung noch culpöser machen.«

Der Alderman hielt einen Augenblick inne, um zu bemerken welche Wirkung seine Ermahnungsrede hervorbrächte, und am Blicke des Freihändlers abzumessen, wie weit er seine List noch treiben dürfe; als er aber zu seinem eigenen Erstaunen fand, daß dieser mit niedergeschlagenem Auge, gleich einem Menschen, der sich einen Verweis zu Herzen nimmt, dastand, so faßte er Muth fortzufahren:

»Meine Nichte, die ausschließlich diesen Theil meines Hauses bewohnt, ist zwar ihres Geschlechts und ihrer Minderjährigkeit halber nicht verantwortlich für ein Vergehen dieser Art. Aber warum bringen Sie gerade hierher verschiedentliche Waaren, deren Gebrauch nach dem hohen Belieben Ihrer Majestät den königlichen Unterthanen in den Colonien unbekannt bleiben soll? Wissen Sie nicht, daß diese Waaren von einer Fabrikation sind, welche von den geschickten Künstlern des mütterlichen Eilandes nicht nachgeahmt, nicht verstanden werden kann, und daß sie deswegen nicht zu dulden sind? Die Weiber, Meister Seestreicher, sind Geschöpfe, welche der Versuchung leicht unterliegen, und ihre Widerstandskräfte sind fast nie schwächer als bei den Lockungen von Gegenständen, die sich zum Herausputzen ihrer Personen eignen. Bei meiner Nichte, der Tochter des normannischen Etienne de Barbérie, kommt vielleicht noch eine angeerbte Schwäche hinzu, sintemal die Damen in Frankreich solchem Tand ergebener sind, als die in anderen Ländern. Uebrigens habe ich keinesweges vor, eine unbillige Strenge hierin zu üben: hat der alte Etienne seiner Tochter die Landes-Erbsünde der Putzsucht mitgetheilt, so hat er ihr nicht minder die Mittel hinterlassen, dafür zu zahlen. Wenn also meine Nichte Ihnen was schuldig geworden ist, so reichen Sie nur Ihre Rechnung ein. Dies bringt mich aber zum letzten und hauptsächlichsten Vergehen, das ich Ihnen zur Last lege.«

Myndert durchforschte hier abermals sorgfältig die Züge des Angeredeten, und fuhr dann dreist fort:

»Capital ist unstreitig die Grundlage, auf welcher ein Kaufmann das Gebäude seines Rufes aufführt; der Credit aber ist die Verzierung an der Vorderseite desselben. Jenes bildet den Eckstein, dieser die Pilaster und das Schnitzwerk, wodurch das Ganze ein gefälliges Aussehen gewinnt. Es trifft sich wohl auch bisweilen, daß hohes Alter die Grundlage untergräbt; alsdann sind es die Säulen, auf denen das Gebäude oder die Decke ruht, die dem Bewohner Schutz gewähren. Inzwischen ist es freilich sowohl für Käufer als Verkäufer eine mißliche Sache um einen Credit, der keine substantielle Basis hat. Dessenungeachtet aber bleibt es wahr, daß der Credit dem Reichen Sicherheit, dem Kaufmann von mäßigen Mitteln Thätigkeit und Ansehn, und selbst dem Armen ermuthigende Hoffnung gibt. Da nun der Credit ein so schätzbares Gut ist, mein lieber Herr Seestreicher, so sollte Niemand ihn ohne hinlänglichen Grund antasten, denn seine zarte Natur leidet keine rauhe Behandlung. Auf meinen Reisen in Holland, welches Reich ich mittelst der Trekschuits Die Boote auf den trägen Gewässern der holländischen Canäle werden von Pferden gezogen, daher der Name Trekschuits oder Zugboote. D. U. in allen Richtungen durchkreuzte, lernte ich als wiß- und lernbegieriger Jüngling schon, wie wichtig es sey, bei keiner Gelegenheit etwas zu thun, was dem Credit nachtheilig werden könnte, und da ein Ereigniß, welches sich damals zutrug, ein passendes Seitenstück liefert zu dem, was ich zu sagen habe, so will ich es beispielsweise erzählen. Die dasselbe begleitenden Umstände, mein lieber Capitän, zeigen die furchtbare Ungewißheit aller Dinge in diesem vergänglichen Leben, und warnen die Kräftigsten und Jugendlichsten, daß der stärkste Arm in seinem Stolze niedergemäht werden kann, gleich dem schwächsten Grashalm auf dem Felde. Das Banquier-Haus Van Gelt und Van Stopper in Amsterdam hatte ausgedehnte Geschäfte mit Papieren gemacht, die der Kaiser zur Fortsetzung des Krieges hatte ausgeben lassen. Es traf sich gerade zu jener Zeit, daß die Glücksgöttin die Türken, welche damals die Stadt Belgrad bedrängten, mit einigen Aussichten auf Erfolg begünstigte. Nun, meine Herren, hatte ein Halsstarriges und schlechtberatenes Wäscherweib eine hohe Terrasse im Mittelpunkt der Festung zum Trockenplatz für ihre Wäsche gewählt. Sie war bei Tagesanbruch eben mit Aufhängen ihrer Leinwand und Musseline beschäftigt, als die Muselmänner durch einen heftigen Angriff die Garnison aus ihrem Schlafe weckten. Einige Soldaten, deren Stellung so beschaffen war, daß sie retiriren konnten, erblickten auf der hohen Brustwehr die Bündel rother, grüner und gelber Zeuge, hielten sie für die Turbane so vieler Türken, und verbreiteten nun nahe und fern das Gerücht, daß ein zahlloser Haufe Ungläubiger, von einer großen Menge Sherifs mit grünen Turbanen Nur die Sherifs oder Verwandte des Propheten, welche den eigentlichen türkischen Adel bilden, haben das Recht, sich mit der Farbe ihres großen Ahnherrn, grün, zu bekleiden. D. U. angeführt, in das Herz der Festung eingedrungen sey, und sie zum Rückzuge gezwungen habe. Dies Gerücht hatte schon die Gestalt eines ausführlichen Schlachtberichts angenommen, als es Amsterdam erreichte, wo es natürlich auf die kaiserlichen Stocks sehr niederdrückend wirkte. Die Folge war, daß man an der Börse viel von dem Verlust sprach, welchen die Herren Van Gelt und Van Stopper wahrscheinlich erleiden würden. Gerade als das Hin- und Herrathen über diesen Gegenstand im vollen Gange war, riß sich der Affe eines Savoyarden von seinem Stricke los, und flüchtete sich in einen Obstladen, wenig Thüren von dem Hause der Banquiers. Gleich sammelten sich eine Menge Judenjungen um den Laden, um sich an den kuriosen Sprüngen des Thiers zu ergötzen. Als nun bedächtige Leute dies sahen, so hielten sie es für eine Demonstration der Kinder Israels gegen die Firma, und fingen an, für ihr Eigenthum besorgt zu werden. Die Tratten vermehrten sich, und die guten Banquiers, um ihre Solidität zu beweisen, verschmähten es, ihr Comptoir zur gewöhnlichen Stunde zu schließen. Die ganze Nacht hindurch ward ausgezahlt, und ehe die Sonne am nächsten Tag im Meridian stand, hatte sich Van Gelt in seinem Sommerhause am Utrechter Canal den Hals abgeschnitten, und Van Stopper saß mit seiner Pfeife zwischen ausgeleerten Geldkasten. Um 2 Uhr brachte die Post die Nachricht, daß der Feind zurückgeworfen und das Wäscherweib aufgeknüpft worden sey. – Warum die Frau baumeln mußte, habe ich mir übrigens nie recht erklären können, da sie doch ganz gewiß der unglücklichen Firma keinen Stüber schuldig war. Solche Ereignisse gehören zu den Warnungen des Lebens, meine Herren. Ich bin überzeugt, daß ich jetzt Leute anrede, welche die Nutzanwendung selbst machen können, daher schließe ich mit dem bloßen Rath an Alle, die mich hören, niemals ohne Ueberlegung von Handelssachen zu sprechen.«

Als Myndert seinen Sermon zu Ende gebracht hatte, schaute er abermals rings um sich her, um zu sehen, was für Wirkung seine Worte hervorgebracht, besonders aber um sich zu versichern, ob der Wechsel, den er auf die Nachsicht des Freihändlers ausgestellt, nicht noch immer mit Protest zurückgeschickt werden könnte. Er gab sich vergebliche Mühe, eine Ursache zu finden, warum der Fremde, der zwar nie roh war, aber doch selten viel auf seine Meinungen achtete, und in Geldangelegenheiten stets ein kavaliermäßiges Benehmen gegen ihn annahm, ihm gerade jetzt solche auffallende Ehrerbietung schenkte. Während der ganzen vorhergehenden Anrede hatte der junge Seemann von der Brigantine dieselbe Haltung bescheidener Aufmerksamkeit beibehalten, und wagte er es ja einmal, die Augen aufzuschlagen, so geschah es nur, indem er Alida mit Aengstlichkeit anblickte. Aber auch diese hatte ihrem beredsamen Onkel gedankenvoller als gewöhnlich zugehört, und die Blicke, welche der Contrebande-Händler von Zeit zu Zeit auf sie warf, erwiederte sie mit warmer Theilnahme; kurz, dem oberflächlichsten Beobachter ihres gegenseitigen Betragens konnte es nicht entgehen, daß Umstände ein Einverständniß zwischen ihnen hergestellt hatten, welches, wo nicht von der zärtlichsten, doch ganz unzweideutig von der vertraulichsten Beschaffenheit war. Der Bürger war freilich zu sehr mit seiner Selbstgefälligkeit über die gehaltvolle Rede, deren er sich eben entbunden hatte, beschäftigt, um dies Alles zu bemerken; um so schärfer aber waren Ludlow's Blicke; nach einer kleinen Pause sagte dieser:

»Da mein Geist nunmehr mit einem solchen Vorrath von Maximen über den Handel versehen ist, und ich also über den Sinn der Instruktionen, die ich von den Lords der Admiralität erhalte, nie im Zweifel zu seyn brauche, so erlauben Sie mir, die Aufmerksamkeit auf minder transcendentale Dinge zu lenken. Es bietet sich gegenwärtig die beste Gelegenheit dar, uns über das Schicksal des Schiffsgenossen zu erkundigen, den wir bei unserer letzten Seefahrt verloren haben; wir müssen dies nicht verabsäumen.«

»Sehr wahr, Herr Cornelius, der Patroon von Kinderhook ist kein Anker verbotenen Getränkes, nach welchem, wenn es in die See fällt, kein Mensch eine Frage thut. Ueberlassen Sie diese Sache nur meiner Behandlung, und halten Sie sich versichert, die Pächter des dritten Gutes in der Colonie sollen nicht lange vergeblich auf Nachrichten von ihrem Gutsherrn warten. Wenn Sie sich mit Meister Seestreicher eine Zeit lang in den andern Theil der Villa zu verfügen belieben, so will ich über jegliche, zum richtigen Verständnisse des Falles nöthige Thatsache gehörige Erkundigungen einziehen.«

Der Commandeur des königlichen Kreuzers und der jugendliche Befehlshaber der Brigg schienen Beide keinen sonderlichen Gefallen an dieser Aufforderung zu finden; denn eine Zusammenkunft unter vier Augen mußte den Einen wie den Andern etwas verlegen machen. Indessen war doch das Zaudern des Fremden am deutlichsten zu erkennen, da Ludlow vorher den ruhigen Entschluß gefaßt hatte, ein partheiloses Verhalten zu beobachten, bis ein gelegenerer Augenblick sich zeigen würde, seiner Pflicht als königlicher Beamter nachzukommen. Er wußte, oder glaubte es fest, daß die Wassernixe wieder in der Runden Bucht im Schatten des umgebenden Holzes verborgen liege, und da er das erste Mal zu seinem Nachtheil von den Smugglern war überlistet worden, so nahm er sich vor, jetzt mit mehr Umsicht zu Werke zu gehen, und zeitig genug nach seinem Schiffe zurückzukehren, um einen entscheidenden und, wie er hoffte, erfolgreichen Streich gegen die Brigg ausführen zu können. Diese Absicht bewog ihn, der Aufforderung des Aldermans Folge zu leisten; auch trugen die Sitten und die Sprache des Contrebande-Händlers zu diesem Entschlusse das Ihrige bei, da sie nicht die eines Freibeuters, sondern eines Gebildeten waren, und so einnehmend, daß sie selbst auf den Nebenbuhler ihren gewinnenden Einfluß nicht verfehlten. Demgemäß machte Letzterer eine ziemlich höfliche Verbeugung und erklärte sich bereit, sich mit dem Fremden wegzubegeben.

»Wir sind auf neutralem Grund und Boden beisammen, Meister Seestreicher,« sagte Ludlow zu seinem eleganten Gesellschafter, als sie gemeinschaftlich den Salon des Feenhofs verließen. »Wie verschieden auch die Zwecke sind, die wir verfolgen, so verhindert dies doch nicht, daß wir uns freundschaftlich über das unterhalten, was vorgegangen ist. Der Meerdurchstreicher genießt in seinem Fache einen Ruf, der ihn fast einem in besserem Dienste sich auszeichnenden Offizier an die Seite stellt. Ich werde seiner seemännischen Geschicklichkeit und seinem Rufe nie mein Zeugniß versagen, wie sehr ich auch bedauern muß, daß so schöne Eigenschaften keine glücklichere Richtung genommen haben.«

»Das heißt mit geziemendem Vorbehalt für die Rechte der Krone und gehörigem Respekt gegen die Lords des Schatzes gesprochen!« war des Seestreichers beißende Antwort, dessen früherer, und wie man wohl behaupten kann, natürlicher Freimuth in demselben Maaße zurückzukehren schien, als er sich von der Gegenwart des Stadtraths entfernte. »Wir folgen der Bahn, Capitän Ludlow, in die der Zufall unser Loos geworfen hat. Sie dienen einer Königin, die Sie nie gesehen haben, und einem Volk, welches Sie gebraucht, so lange es Ihrer bedarf, und Sie vernachläßigen wird, wenn seine Noth vorüber ist; ich, ich diene mir allein. Die Vernunft entscheide, wer von Beiden am klügsten handelt.«

»Ich bewundere diese Offenherzigkeit, Sir, und lebe der Hoffnung, daß wir uns besser mit einander verständigen werden, nun Sie die Trugkünste mit Ihrer meergrünen Dame bei Seite lassen. Die Posse ist übrigens gut gespielt worden, wenn Sie auch außer Oloff Van Staats und den aufgeklärten Geistern, die Sie mit sich auf dem Ocean herumführen, wenig Proselyten für ihre schwarze Kunst gewonnen haben.«

Der Freihändler erlaubte sich ein ironisches Lächeln und sagte:

»Auch wir haben unsere Gebieterin; nur verlangt sie keine Abgaben. Alles Gewonnene dient zur Bereicherung ihrer Unterthanen, und Alles, was sie weiß, theilt sie freudig zu deren Wohlfahrt mit. Wenn wir ihr gehorchen, so geschieht es, weil wir durch Erfahrung wissen, daß sie gerecht und weise ist. Ich hoffe, Königin Anna behandelt diejenigen nicht minder gütig, die Leib und Leben für ihre Sache auf's Spiel setzen.«

»Verschlägt es vielleicht der Politik ihrer Herrin nichts, zu entdecken, was aus dem Patroon geworden ist? Ist er auch, oder vielmehr war er auch mein Nebenbuhler in Beziehung auf einen theuren Gegenstand, so kann ich doch unmöglich einen Gast so mir nichts dir nichts mein Schiff verlassen sehen, ohne an seinem Schicksal Theil zu nehmen.«

»Sie unterscheiden ganz richtig,« erwiederte der Seestreicher mit einem noch vielsagenderen Lächeln; »wir waren Nebenbuhler, ist in der That der passendere Ausdruck. Was Herrn Van Staats anbelangt, so ist er ein tapferer Mann, wie wenig er auch von der Schifffahrtskunde verstehen mag. Wer so viel Muth an den Tag gelegt hat, kann beim Meerdurchstreicher auf Schutz gegen persönliche Beleidigung mit Zuverlässigkeit rechnen.«

»Ich werfe mich nicht zum Hüter des Herrn Van Staats auf, allein als Befehlshaber des Schiffes, aus welchem mag ihn..... wie soll ich die Art seiner Entführung benennen? denn ich möchte nicht gern gerade jetzt einen vielleicht nicht angenehmen Ausdruck gebrauchen.«

»Sprechen Sie nur frei heraus, Sir, und fürchten Sie nicht zu beleidigen. Sind wir Leute von der Brigantine doch an so manche Beinamen gewöhnt, die minder geübten Ohren seltsam vorkommen würden. Wir brauchen es nicht erst jetzt zu erfahren, daß das Spitzbubenhandwerk, um in Ehren gehalten zu werden, zuvor von der Regierung bevollmächtigt seyn muß. Sie beliebten, Herr Capitän, von den Trugkünsten der Wassernixe zu sprechen; diejenigen, welche man in der Welt stündlich mit Ihnen spielt, scheinen Sie nicht zu rühren, und doch ist der einzige Unterschied der, daß sie nicht so angenehm und nicht halb so unschuldig sind.«

»Es ist eine alte Ausflucht, die Verbrechen der Einzelnen mit den Fehlern der Gesellschaft entschuldigen zu wollen.«

»Die Entschuldigung ist freilich mehr gerecht als neu. Abgedroschenheit und Wahrheit scheinen Schwestern zu seyn. Wir Leute aus der Brigantine müssen uns inzwischen schon mit dieser Apologie zu behelfen suchen, da wir es in der Aufklärung noch nicht dahin gebracht haben, die ganze Vortrefflichkeit der neuen Sittenlehre zu begreifen.«

»Wo ich nicht irre, so ist das Gebot, welches uns befiehlt, dem Kaiser zu geben was des Kaisers ist, nichts weniger als neu.«

»Ein Gebot, mein Herr, dem unsere neueren Cäsaren die allerausgedehnteste Auslegung gegeben haben. Ich bin ein schlechter Casuist, Sir, aber ich glaube, daß der loyale Commandeur der Coquette selbst sich ungern dazu verstehen würde, zur Vertheidigung dieser Sache alle Trugschlüsse geltend zu machen, die sich etwa dafür aufbringen ließen. Fangen wir, zum Beispiel, mit den Potentaten an, so bietet sich zunächst Seine Allerchristliche Majestät dar, welche entschlossen sind, sich zu Allerhöchsteigenem Gebrauch so viel von Ihres Nachbars Besitzthümern zuzueignen, als dem Ehrgeiz unter dem Namen Ruhm nur immer gelüsten können. Seine Katholische Majestät bedecken mit dem Mantel Allerhöchst ihrer Katholicität eine größere Menge von ausschweifenden Handlungen auf diesem westlichen Festlande hier, als selbst der Mantel christlicher Liebe zu verhüllen vermöchte; und unsre eigne Allergnädigste Souverainin, deren Tugenden in Prosa und in Versen gepriesen werden, läßt Ströme Blutes vergießen, um das kleine Eiland, das sie beherrscht, gleich dem Frosche in der Fabel, bis zu einer Ausdehnung anzuschwellen, welche die Natur ihm nun einmal versagt hat, und welche ihm einst den unglücklichen Tod bereiten wird, den der ehrgeizige Sumpfbewohner starb. Den Beutelschneider erwartet der Galgen, aber die unter königlichen Flaggen rauben, werden zu Rittern geschlagen. Der Mann, welcher durch gewinnbringende Industrie ein Vermögen sammelt, schämt sich seines Ursprungs; wenn aber Jemand Kirchen geplündert, Dörfer unter Contribution gesetzt, Hälse zu Tausenden abgeschnitten hat, um die Beute einer Gallion oder einer Militär-Kasse zu vertheilen, so sagt man, er hat sein Gold auf der Heerstraße des Ruhms erworben. Europa hat einen überwiegenden Grad der Civilisation erreicht, dies läßt sich nicht läugnen, allein ich wiederhole es, trotz der Abgebrauchtheit der Bemerkung, die Gesellschaft ist nicht eher berechtigt, die Handlungen von Individuen mit so herbem Tadel zu belegen, als bis sie selbst als Gesammtkörper mit besserem Beispiel vorleuchtet.«

»Wir werden über diese Gegenstände nie einerlei Urtheil fällen,« sagte Ludlow mit strenger Miene, wohl wissend, daß er die Welt auf seiner Seite habe. »Ein andermal, wenn wir mehr Muße haben, sprechen wir vielleicht ausführlicher davon, Sir. Werde ich jetzt mehr über Herrn Van Staats von Ihnen erfahren; oder wollen Sie, daß die Frage, was aus ihm geworden sey, von den Gerichten untersucht werde?«

»Der Patroon von Kinderhook ist ein kühner Enterer!« versetzte lachend der Freihändler. »Er hat die Residenz der meergrünen Dame mit einem coup de main genommen, und ruht auf seinen Lorbeeren. Wir Contrebandirer führen in unsrer Zurückgezogenheit ein lustigeres Leben, als man sich gewöhnlich vorstellt, und unsre Tischkameraden sind nie eilig, uns wieder zu verlassen.«

»Es kann leicht nothwendig werden, die Geheimnisse Eures lustigen Lebens einer nähern Prüfung zu unterwerfen – bis dahin sag' ich Ihnen Lebewohl.«

»Halt!« rief Jener munter, als Ludlow eben die Thür in die Hand nehmen wollte. »Kürzen wir, ich bitte Dich, die Zeit der Ungewißheit ab. Unsre Gebieterin gleicht dem Insekte, das die Farbe des Blatts annimmt, auf dem es wohnt. Sie haben sie in ihrem meergrünen Gewande kennen gelernt; dieses pflegt sie stets zu tragen, wenn sie die seichten Gewässer der amerikanischen Küste befährt; doch in den tieferen Meeren wetteifert ihr Mantel mit dem Blau des Oceans. Ich benachrichtige Sie hiermit, daß sich Symptome dieser Art gezeigt haben, und diese bezeichnen unwandelbar eine beabsichtigte Fahrt weit, weit vom Lande hinweg!«

»Lassen Sie sich was sagen, mein Herr Seestreicher! Dieses zum Bestenhaben mag ganz gut seyn, so lange Sie im Stande sind, es durchzusetzen. Allein bedenken Sie wohl, daß wenn der unbefugte Kaufmann, sobald er entdeckt und ergriffen wird, durch bloße Confiscirung seiner Waaren büßt, die Gesetze den – Seelenverkäufer mit körperlicher Züchtigung, bisweilen mit dem – Tode bestrafen. Und vergessen Sie nicht, daß die Gränzlinie, welche das Schwärzen vom Seeraub trennt, leicht überschritten, eine Rückkehr aber unmöglich ist.«

»Für diesen großmüthigen Rath danke ich Dir in meiner Gebieterin Namen,« erwiederte der ausgelassene Seemann, sich mit einem Ernst verbeugend, welcher seinen Spott mehr schärfte als verbarg. »Ihre Coquette reicht weit mit ihren langen Armen, und ist behende genug auf dem Wasser, Capitän Ludlow; mag sie indessen so launisch, so eigensinnig, so tückisch, ja und auch so mächtig seyn, als sie will, so wird sie das Weib in der Brigantine allen ihren Künsten gewachsen finden, allen ihren Drohungen aber weit überlegen!«

Mit dieser prophetischen Warnung von Seiten des königlichen Offiziers, und kaltblütigen Antwort von Seiten des Contrebande-Händlers trennten sich Beide. Der Letztere nahm ein Buch zur Hand und warf sich mit täuschender Gleichgültigkeit in einen Stuhl, während der Erstere mit unverholener Eilfertigkeit das Haus verließ.

Mittlerweile dauerte die Unterredung zwischen dem Alderman und seiner Nichte noch immer fort. Es verstrich eine Minute nach der andern, ohne daß eine Einladung, nach dem Pavillon zu kommen, an den eleganten jugendlichen Seemann ergangen wäre. Eine geraume Zeit saß er einsam da und las, bis er seiner Aufmerksamkeit nicht mehr Herr blieb; offenbar erwartete er ein Zeichen, daß seine Gegenwart im Feenhof verlangt werde. Während dieser unruhigen Augenblicke zeugte das Aussehen des Freihändlers weniger von Ungeduld als von Trauer, und wie er endlich den Tritt eines sich Nähernden hörte, konnte er die mächtige Gemüthsaufregung nicht mehr verbergen. Die Dienerin Alida's trat ein, überreichte ihm ein Stückchen Papier, und zog sich wieder zurück. Gierig las er folgende, mit Bleistift hastig hingeworfene Zeilen:

»Ich bin allen seinen Fragen ausgewichen, und er ist mehr als halb für den Glauben an Zauberei gewonnen. Der Augenblick, die Wahrheit zu bekennen, ist noch nicht gekommen; er ist noch nicht in der rechten Stimmung, sie zu hören, da ihn die Ungewißheit, welche Folgen das Erscheinen der Brigg an der Küste und so nahe an seinem eignen Landhause nach sich ziehen könne, in nicht geringe Unruhe versetzt. Seyen Sie aber versichert, er soll und wird Ansprüche anerkennen, die ich geltend zu machen weiß, und die er, sollte es mir dennoch nicht gelingen, nicht zurückzuweisen wagen wird, wenn der gefürchtete Meerdurchstreicher sie ihm vorhält. Kommen Sie zu mir, sobald Sie seinen Fuß im Corridor hören.«

Der letzteren Aufforderung ward bald nachgekommen. Der Alderman trat zur einen Thüre herein, während der flinke Flüchtling zur andern hinausschlüpfte, und statt seiner Gäste fand der bedächtig um sich schauende Bürger leere Wände. Dieser Umstand muß jedoch nach der Gleichgültigkeit, mit welcher er Notiz davon nahm, unsern Alten wenig befremdet und ihm gar nicht leid gethan haben.

»Potz Ausflüchte und Weiberschliche!« waren Mynbert's mehr gedachte als wirklich ausgesprochene Worte. »Die Schelmin macht wie ein Fuchs auf seiner Fährte kehrt. Ein auf seinen Ruf haltender Kaufmann ist leichter einer falschen Faktura zu überführen, als diese neunzehnjährige Hexe einer unklugen Handlung! In ihrem Auge ist so viel vom alten Etienne und seinem normännischen Feuer, daß man es nicht gern zum Aeußersten kommen läßt. Van Staats, dachte ich, werde seine Gelegenheit benützt haben, aber, sieh da! wie ich seinen Namen nenne, macht das Mädchen ein Gesicht wie eine Nonne. Das muß man gestehen, ein Cupido ist der Patroon nicht, sonst müßte eine Woche zur See Zeit genug für ihn gewesen seyn, selbst das Herz einer Seejungfer zu gewinnen. – Ja ja! – und was sind das nicht wieder für neue Beunruhigungen, die mir die Rückkehr des Meerdurchstreichers macht! und mit dem überspannten Begriffe von Dienstpflicht, die der junge Ludlow sich bildet, ist vollends nichts anzufangen. Ei was! wir müssen ja doch einmal alle sterben; früher oder später muß zu handeln aufgehört werden; am besten, man macht sich daran, die Bücher des Lebens zu schließen. Ich muß ernstlich daran denken, die Schluß-Bilanz zu ziehen; wäre nur die Totalsumme ein bischen günstiger, gern thäte ich's morgen schon!«


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