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Neuntes Kapitel.

»– Nun seht nun, wie ihr staunt!
Ich wollt' euch Liebes thun, Freund mit Euch seyn!«
Kaufmann von Venedig.

Das Erste, woran Alida bei diesem zweiten Ueberfall dachte, war die Flucht. Doch Furchtsamkeit war nicht ihre Schwäche; vielmehr hatte sie natürliche Festigkeit genug, einen forschenden Blick auf die Gestalt des Individuums zu werfen, das mit so wenig Umständen ihren Pavillon betrat, und nun reichte schon die Neugierde hin, sie zum Bleiben zu vermögen. Wir lassen es dahingestellt seyn, in wiefern die unbestimmte, aber sehr natürliche Erwartung, daß sie den Commandeur der Coquette abermals zu verabschieden habe, Einfluß auf ihre Entschlossenheit ausübte. Ob diese kühne Voraussetzung Entschuldigung verdiene, mag der Leser beurtheilen, nachdem wir ihm die Person des Unerwarteten werden vorgeführt haben.

Der Fremde stand in der Blüthe des lebenskräftigen Mannesalters. Er mochte höchstens zweiundzwanzig Jahre alt seyn, und man würde ihn für noch jünger gehalten haben, wären seine Züge nicht durch ein üppiges Braun etwas umschattet worden. Dieser Anflug hob seine natürliche, zwar nie blendend helle, aber klare und blühende Gesichtsfarbe noch mehr hervor. Einen seltsamen Kontrast mit den, fast bis zum Weiblichen zart gebogenen, schönen Augenbraunen und Wimpern bildete das glänzende Schwarz des vollen, seidenhaarigen Backenbarts, und verlieh den weichen Zügen dasjenige, was männlicher Schönheit nie fehlen darf – Kräftigkeit. Die Stirn war glatt und niedrig; die Nase eben so fein in den einzelnen Theilen, als kühn im Profil; die Lippen schwellend voll, und in ihren Wurf verrathend, daß ihr Besitzer zuweilen ein loser Schelm seyn könne, obgleich der Schnitt des Mundes, im Ganzen genommen, mehr auf Sentimentalität hinwies; diesem Munde entsprachen zwei glänzende Reihen völlig gleichgestalteter Zähne; das kleine, runde Kinn mit dem Grübchen im Mittelpunkte war so durchaus rein von allem Haarwuchs, daß man hatte denken sollen, die Natur habe ihren Schmuck schon am Backenbart erschöpft. Erwähnen wir nun noch des glänzenden, kohlschwarzen Augenpaars, dessen ausdrucksvolle Sprache der Eigner vollkommen in seiner Gewalt zu haben schien, so wird der Leser mit uns der Meinung seyn, daß der Mensch, welcher Alida's Einsamkeit so plötzlich störte, persönliche Reize genug besaß, um, unter anderen Umständen, der Einbildungskraft eines so sehr schönen, und das Schöne bewundernden Mädchens wie Alida, gefährlich werden zu können.

So außerordentlich die Vorzüge der Gestalt des Fremden waren, so einzig war sein Anzug. In Bezug auf Façon, glich derselbe dem des sogenannten Herrn Ruderpinne; nur bestand er aus Stoffen, die weit reicher, und, so weit das Aeußere ein Urtheil begründen kann, des Tragenden würdiger waren.

Die leichte Jacke bestand aus dickgewirktem, purpurfarbenem Seidenzeug, von indischer Arbeit, und war auf das Sorgfältigste einer mehr runden und gewandten als athletisch-breiten Gestalt angepaßt. Die weiten Pumphosen waren aus dichtem, weißen Baumwollenzeug, die Mütze scharlachner Sammt mit Gold gestickt, und der Gürtel bestand aus Seidenschnur von derselben glänzenden Farbe, in der Form eines Kabeltaues geflochten, mit zwei kleinen goldenen Ankern, die, an die Enden befestigt, als Troddeln von der Seite herabhingen.

Wenig im Einklang mit diesem wunderbar ungewöhnlichen Anzuge war die Zugabe von Waffen; doch auch diese nicht von gemeinem Schlage, die kleinen Terzerole im Gürtel waren mit Gold ausgelegt, und aus den Falten des Oberkleides blitzte, vielleicht nicht zufällig, der reiche Griff eines asiatischen Dolches hervor.

»Lustig, Kamerad, lustig!« rief der Fremde, als er mit einem Sprunge die Mitte des kleinen Salons erreicht hatte, – und es war seltsam, zu bemerken, wie wenig die jugendliche sanfte Stimme mit dem rauhen Seemannsgruße in Einklang stand. – »Komm nur hervor, mein Biberfellhändler; hier ist einer, der Gold für deine Koffer bringt. Aha! da dieses Lichter-Trio nunmehr seine Dienste gethan hat, so wollen wir nur immer ein Paar davon auslöschen, damit es nicht Andere in den verbotenen Hafen lootse.«

»Mit Erlaubniß, Sir,« sprach die aus den umhüllenden Vorhängen hervortretende Herrin des Pavillons mit einer Miene der Unerschrockenheit, die durch das pochende Herz fast hörbar Lügen gestraft wurde; »da ich so unerwartet einen Gast zu bewirthen bekommen habe, so sind die Lichter durchaus nicht überflüssig.«

Das Auffahren und der offenbare Schreck, mit welchem der Eindringling einen Schritt zurücktrat, lieh Alida noch mehr Zuversicht, denn der Muth ist eine Eigenschaft, welche in einem Gegner in dem Maaße wächst, als sie im andern abnimmt. Wie das Mädchen jedoch die eine Hand des Fremden auf dem Pistol ruhen sah, wollte sie wieder fliehen, und ihre Entschlossenheit kehrte auch nicht eher zurück, als bis er die Hand sinken ließ. Ihre Furcht verwandelte sich jetzt in Neugierde, als er, mit sanftem lockendem Blick anmuthsvoll auf sie zutretend, die Worte sprach:

»Ist auch Alderman Van Beverout seiner Verabredung nicht getreu, so verzeiht man gern seinem Mangel an Pünktlichkeit, da er eine solche Stellvertreterin schickt. Hoffentlich kommt sie mit Vollmacht, den ganzen Handel abzuschließen.«

»Die Sache ist mir fremd, und ich habe kein Recht, Vorschläge zu machen, noch anzuhören. Meine Macht beschränkt sich auf den Wunsch, daß diese Dinge nicht in meinem Pavillon besprochen werden mögen; sie gehören weder zu meinen Angelegenheiten noch weiß ich sonst das Geringste davon.«

»Warum denn dies Signal?« fragte der Fremde, indem er ernst auf die Lichter hinwies, welche noch neben einander gerade dem Fenster gegenüber brannten. »Bei so delikaten Verhandlungen irre führen, ist äußerst unklug.«

»Ich weiß nicht, was Sie unter Signal verstehen, mein Herr. Diese Lichter brennen jeden Abend in meinem Zimmer, und die Lampe hier hat mein Onkel, der Alderman Van Beverout, zurückgelassen.«

Mit einem lebhaften Ausdruck, offenbar von einem neu angeregten Gedanken stark angezogen und so hastig und dicht vor Alida hintretend, daß diese einen Schritt zurückthat, rief der Fremde aus: »Ihr Onkel! Ihr Onkel! So habe ich die Fernberühmte, die mit Recht Gepriesene, vor mir; Barbérie, die Schöne!« fügte er hinzu, und zog die Mütze mit galantem Anstand, als wenn er jetzt erst ihr Geschlecht und ihre hohen Reize entdeckt hätte.

Verdrießlichkeit lag nicht in Alida's Charakter. Alle Gründe zur Angst, die sie sich geschaffen, waren vergessen; denn abgesehen davon, daß ihre Besorgnisse unwahrscheinlicher und ungewisser Art gewesen, konnte sie aus den Anspielungen des Fremden hinlänglich entnehmen, daß er von ihrem Onkel erwartet wurde. Wenn wir noch anführen, daß sein interessantes Gesicht und seine weiche Stimme zur Beschwichtigung ihrer Furcht das Ihrige beitrugen, so wird dadurch wahrscheinlich weder der Wahrheit, noch einem sehr natürlichen Gefühl Gewalt angethan. Mit Allem, was auf Handel Bezug hatte, gänzlich unbekannt, war sie gewohnt, dessen Geheimnisse anpreisen zu hören, als Dinge, welche die höchste Scharfsicht des menschlichen Verstandes in Anspruch nehmen. Daher fand sie nichts Außerordentliches darin, wenn die damit Beschäftigten ihre Verfahrungsweise der neidischen Beobachtung anderer Handeltreibenden zu verbergen suchten. Wie die meisten ihres Geschlechts, setzte sie ein unbedingtes Vertrauen in die Menschen, die ihr theuer waren: wie sehr also auch Vormund und Mündel durch Natur, Erziehung und Gewohnheit von einander verschieden waren, so hatte dieser Unterschied doch nie die gegenseitige Neigung vermindert, oder auch nur ihre Eintracht unterbrochen.

Der junge Matrose – denn daß er ein Matrose war, verrieth sein Anzug – konnte sich an den Zügen des Mädchens nicht satt sehen, und in seinem Blicke mischte sich offenbar rührender Tiefsinn mit dem Vergnügen. Endlich brach er nochmals in den Ausruf aus: »Dies also ist Barbérie, die Schöne!«

»Dies ist eine vertrauliche Sprache für einen Fremden,« erwiederte Alida erröthend, obgleich es dem scharfen schwarzen Auge, welches alle ihre Gedanken zu durchdringen schien, nicht geheim blieb, daß sie nicht im Unwillen sprach. »Die Partheilichkeit von Verwandten, verbunden mit meiner Herkunft, hat mir, ich gestehe es, diese Benennung zugezogen, die mir jedoch mehr scherzweise beigelegt wird, als aus der ernstlichen Meinung, daß ich sie verdiente. – Doch, es wird immer später, und dieser Besuch ist wenigstens ungewöhnlich; erlauben Sie mir, daß ich meinen Onkel« –

»O bleiben Sie,« fiel der Fremde ihr in's Wort. »Ach es ist lange, sehr lange, seit mir eine so sanfte, theure Freude zu Theil geworden! Das Leben ist voll von Geheimnissen, schöne Alida, scheinen auch die Ereignisse darin so gewöhnlich und alltäglich. Geheimnißvoll ist sein Anfang, sein Ende, geheimnißvoll sind seine Triebe, seine Neigungen und alle seine kämpfenden Leidenschaften. Nein, verlassen sie mich nicht. Ich komme von weitem Meere her, auf dem ich keine andere Gesellschaft hatte, als die rauhen, gemein-gesinnten Menschen; ach Deine Gegenwart ist Balsam für eine lechzende, verwundete Seele!«

Die rührende, schwermüthige Stimme des Sprechenden ergriff das Mädchen wo möglich noch stärker als seine Worte – sie zögerte. Freilich flüsterte ihr die Vernunft zu, daß Schicklichkeit, ja Klugheit von ihr verlangte, dem Onkel anzuzeigen, daß ein Fremder da sey; allein Klugheit und Schicklichkeit verlieren von ihrem Einfluß, wenn weibliche Neugierde, verbunden mit einem mächtigen Mitgefühl, ihnen gegenüberstehen. Ihr eigenes sprechendes Auge begegnete dem Blick der seinigen, welche mit der Gewalt des Bezauberns begabt zu seyn schienen, und während ihre Urtheilskraft sie belehrte, daß Gefahr vorhanden sey, nahmen die Sinne den sanften Seemann in ihren mächtigen Schutz.

»Ein Gast, den mein Onkel erwartet,« sagte sie, »wird ja wohl Muße haben, sich nach den Entbehrungen und Beschwernissen einer so ermüdenden Reise auszuruhen. Die Thüre dieses Hauses ist den Ansprüchen der Gastfreiheit nie verschlossen gewesen.«

»Erregt irgend etwas an mir oder meinem Anzug Beunruhigung,« erwiederte der Fremde angelegentlich, »so sprechen Sie, daß ich es wegnehme. Diese Waffen – ja diese thörichten Waffen wären besser nicht da,« fügte er hinzu, und warf Pistolen und Dolch mit Unwillen zum Fenster hinaus unter das Strauchwerk; »ach, wenn Sie wüßten, wie wehe es mir thun würde, irgend Jemanden, am wenigsten einem Weibe, etwas zu Leide zu thun, so würden Sie mich nicht fürchten!«

»Ich fürchte Sie nicht,« erwiederte die Schöne mit Festigkeit. »Nur die falschen Darstellungen der Welt fürchte ich.«

»Welche Welt ist hier, die uns beunruhigen könnte! Ja Du lebst in dem Pavillon, schöne Alida, gleich einem vom Schicksal hochbegünstigten Kinde, über dessen glückliches und unverletzbares Leben ein wohlthätiger Genius wacht. Sieh, hier sind ja die niedlichen Dinge alle, welche deinem Geschlecht unschuldiges Vergnügen gewähren. Du berührst diese Laute, wenn Schwermuth Dich nachdenkend macht; diese Farben hier verspotten, verfinstern die Schönheit von Berg und Feld, von Baum und Blume, und aus den Büchern pflückst Du Gedanken rein und bilderreich, wie dein Geist fleckenlos und dein Wesen lieblich ist.«

Alida erstaunte bei seinen Worten, denn während er sprach, berührte der junge Seemann die verschiedenen Gegenstände, die er namhaft machte, mit einer trauernden Theilnahme, welche ausdrückte, wie sehr es ihn schmerze, daß das Schicksal ihm eine Lebensbeschäftigung angewiesen habe, die sich so wenig mit dem Gebrauche jener Gegenstände vertrug.

»Leute, die auf der See leben, pflegen in der Regel kein so lebendiges Gefühl für die Kleinigkeiten zu haben, womit Damen sich die Zeit vertreiben,« sagte das Mädchen, noch immer, trotz des besseren Entschlusses, zu gehen, im Zimmer weilend.

»Kennen Sie denn das rohe, geräuschvolle Treiben unseres Gewerbes?«

»Der Verwandten eines Kaufmanns von so ausgebreiteten Handelsverbindungen wie mein Onkel, kann das Leben der Seeleute unmöglich ganz unbekannt bleiben.«

»Ja wohl, hier ist ein Beweis davon,« versetzte der Fremde mit raschen Worten, welche die große Aufregbarkeit seines Innern bewiesen. »›Die Geschichte der amerikanischen Boucaniers‹ ist ein seltenes Buch in einer Damenbibliothek. Was für Interesse kann ein Gemüth, wie das der schönen Barbérie, in diesen Erzählungen blutiger Gewaltthaten finden?«

»In der That, keins!« erwiederte Alida, durch das wildaufgeregte Auge ihres Gefährten halbversucht, ihn selbst, trotz aller Beweise vom Gegentheil an ihm, für einen der Seewanderer zu halten, von denen er sprach. »Das Buch hat mir ein tapferer Seemann geliehen, welcher eben gerüstet ist, jene Räubereien zu unterdrücken. Beim Lesen so vieler ruchlosen Handlungen bestrebe ich mich, meinem Geist die Aufopferung derjenigen vorzuhalten, die ihr eigenes Leben in Gefahr setzen, um die Hülf- und Schuldlosen zu beschützen. – Mein Onkel wird zürnen, wenn ich länger zögere, ihn von Ihrer Gegenwart in Kenntniß zu setzen.«

»Einen einzigen Augenblick noch! Es ist so lange, so lange her, seit ich ein Heiligthum, wie dieses betrat! Hier ist Musik! dort der Rahmen zu der glänzenden Stickerei; – von diesen Fenstern blickst Du auf eine Landschaft, sanft wie dein eigenes Wesen, und kannst den Ocean dort immer bewundern, ohne seine Schrecknisse zu fürchten, oder von den roheren Auftritten darauf empört zu werden. Du mußt sehr glücklich seyn an diesem Orte!«

Als er sich herumwendete, sah er sich allein gelassen. – Betroffenheit malte sich stark auf seinen schönen Zügen, doch ehe er Zeit zum Nachdenken gewinnen konnte, ließ sich an der Thüre des Salons eine polternde Stimme hören.

»Potz Verträge und Uebereinkünfte! Was, im Namen des strengen Worthaltens, hat Dich hierher geführt? Ist dies der Weg, unsere Geschäfte unter der Hülle der Verborgenheit zu halten, oder glaubst Du, die Königin wird mich zum Ritter schlagen, wenn sie erfährt, daß Du mein Handelscorrespondent bist?«

»Potz Laternen und falscher Zeugen!« gab der Andere, die Stimme des verblüfften Bürgers nachäffend, und auf die, noch immer an der angegebenen Stelle stehenden Lichter hinweisend, zurück. »Kann man in den Hafen einlaufen, ohne auf die Landmarken und Signale zu achten?«

»Das kommt vom Mondschein und der Sentimentalität! Wenn das Mädchen schlafen sollte, ist sie auf, guckt nach den Sternen hinauf und vereitelt kaufmännische Speculation. – Doch sey Du ganz ruhig, Herr Seestreicher, meine Nichte besitzt Discretion, und in Ermangelung eines bessern Unterpfandes für ihr Schweigen, hätten wir das der Notwendigkeit, da sie hier Niemand hat, den sie zum Vertrauten machen könnte, als ihren alten normannischen Lakaien und den Patroon von Kinderhook; die aber träumen Beide von ganz anderen Dingen, als wie man einen kleinen Handelsprofit mache.«

»Sey Du ganz ruhig, Aldermännchen,« erwiederte der Andere noch immer in spöttelndem Tone. »In Ermangelung eines anderen Unterpfandes haben wir das ihres Rufes, da der Onkel den seinigen nicht verlieren kann, ohne daß die Nichte einen Theil des Verlustes trage.«

»Wie so? was für Sünde ist's, wenn man im Handel und Verkehr einen kleinen Schritt weiter geht als die Gesetze? Diese Engländer sind eine Nation von Monopolisten, und nehmen keinen Anstand, uns hier auf den Colonien Hand und Fuß, Leib und Seele mit ihren Parlamentsakten zu knebeln. ›Treibt‹, lauten diese tyrannischen Decrete, ›treibt Handel mit uns, oder gar keinen‹! Bei der Ehre des besten Bürgermeisters von Amsterdam! sind sie doch selbst nicht mit so scrupulöser Ehrlichkeit in den Besitz der Provinz gekommen, und wir sollten so geduldig gehorchen?«

»Und das gereicht freilich einem Contrebandehändler zu nicht geringem Troste. Ganz richtig geurtheilt, mein vortrefflicher Alderman. Deine Logik bereitet in jedem Fall ein weiches Kissen, absonderlich aber, wenn das Wagstück nicht ohne sein Profitchen bleibt. Und nun, da wir über die lobenswerthe Moral unsers Handels so herrlich einverstanden sind, machen wir uns ohne Weiteres an den erlaubten, wenn auch nicht gesetzmäßigen Abschluß desselben. Hier,« fügte er hinzu, zog dabei eine Börse aus einer inwendigen Tasche seiner Jacke hervor, und warf sie nachlässig auf den Tisch; »hier ist Dein Gold. Achtzig helle Johannes ist kein schlechter Erlös für wenige Päcke Pelz, und der Geiz selbst muß zugeben, daß sechs Monat keine zu lange Frist für solchen Wuchergewinnst ist.«

»Ein wahrer See-Colibri ist Dein Bötchen, Du munterer Meerstreicher!« erwiederte Myndert, schmunzelnd und vor innerem Vergnügen bebend. »Sind es auch wirklich achtzig? Doch, sieh nicht erst nach in Deinen Notizen, ich will das Gold schon selber zählen, um Dir die Mühe zu ersparen. Ein Paar Fäßchen Jamaica, mit etwas Pulver und Blei, eine oder zwei Friesdecken, und dann und wann ein Pfennigwerth von Spielwerk für einen Häuptling – ja ja, Du verschmitztes Herrchen, daraus kannst Du in kurzer Zeit gelbes Metall machen. – Sag' an, wo hast Du den Tausch gemacht? an der französischen Küste?«

»Mehr nordwärts, wo der Frost mein Unterhändler war. Deine Biber und Marder, ehrlicher Bürger, werden in den nächsten Feiertagen in der Gegenwart des Kaisers paradiren. Nun, was hat der Braganza da im Gesicht, daß Du ihn so genau besiehst?«

»Das Stück scheint nicht zu den allerschwersten zu gehören, doch glücklicherweise habe ich eine Goldwage bei der Hand.«

»Halt!« rief der Fremde, und legte die, nach der Sitte jenes Tages, in einen zarten, parfümirten Handschuh gehüllte Hand leicht auf den Arm des Andern. »Zwischen uns wird nichts gewogen, Sir! Das Stück ist für Deine Waaren eingenommen worden: schwer oder leicht, es muß passiren. Wir handeln unter Vertrauen, und dieses Knickern beleidigt mich. Noch ein solcher Zweifel an meiner Redlichkeit, und unsere Verbindung hat ein Ende.«

»Ein solches Unglück würde mir eben so, oder doch fast eben so leid thun, als Dir selbst,« versetzte Myndert, und erzwang ein gleichgültig seynsollendes Lachen, indem er die verdächtige Dublone wieder in die Börse hineingleiten ließ und somit den Zankapfel aus dem Wege räumte. »Wenn man im Handeln bei'm Wägen ein Bischen eigen ist, so dient das nur zur Befestigung der Freundschaft. Indessen wollen wir wegen einer Kleinigkeit die kostbare Zeit nicht verschwenden.« »Hast Du Waaren mitgebracht, die in der Kolonie Nachfrage finden?«

»Die Hülle und Fülle.«

»Und klug assortirt? Alle Kolonieen und Monopole! so ein heimlicher Handelsverkehr hat doch zwiefache Annehmlichkeiten. Ich höre nie die Anzeige von Deiner Ankunft, Herr Seestreicher, ohne daß mir das Herz vor Freude hüpft. Es hat sein doppeltes Vergnügen, die Gesetzgebung der Londoner weisen Perüken zu umgehen.«

»Und das größte darunter ist – ?«

»Nun ja, ein stattlicher Profit für das ausgelegte Kapital. So eine natürliche Freude will ich gar nicht läugnen; aber glaube mir, es liegt eine Art von gewerblichem Sieg darin, wenn es uns so gelingt, dem Eigennutz unsrer Beherrscher ein derbes Schnippchen zu schlagen. Was, haben unsre Mütter uns dazu in die Welt gesetzt, daß wir diesen Herren zum Werkzeug ihrer Bereicherung dienen sollen? – gebt mir eine gleichmäßige Gesetzgebung, das Recht, zu entscheiden, wiefern dies oder jenes Gesetz klug sey oder nicht, und dann werde ich, wie es sich für einen loyalen und gehorsamen Unterthanen geziemt« –

»Auch fortan mit Contrebande handeln!«

»Schon gut, viel Worte machen, vermehrt das Gold nicht. Kann man das Waarenverzeichniß zu sehen bekommen?«

»Hier ist's, Du magst es immerhin durchlesen. Aber, Alderman Van Beverout, eben wandelt mich eine Laune an, und Widerspruch, weißt Du wohl, dulden meine Launen nicht. Bei unserm Handelsabschluß sollte ein Zeuge zugegen seyn.«

»Alle Richter und Juries! Du vergissest wohl; Mensch, daß eine Galliote mitten durch die gebundenste Klausel dieser extragesetzmäßigen Contrakte, ohne weitere Umstände hindurchsegeln würde. Die Behörden nehmen bei dieser Art von Handel Zeugnisse entgegen, wie das Grab die Todten; alles zu verschlingen, und damit abgemacht.«

»Ich schere mich nicht um die Behörden, und fühle kein Verlangen, mit ihnen was zu thun zu haben. Aber die Gegenwart der schönen Barbérie dient vielleicht dazu, Mißverständnisse zu verhindern, welche unser Verhältniß zu einem frühzeitigen Ende bringen könnten. Laß sie herbeirufen.«

»Das Mädchen versteht durchaus nichts von Handelsangelegenheiten, und sie könnte eine geringere Meinung von ihres Onkels Selbstständigkeit bekommen. Wenn Einer seinen Credit in seinem eigenen Hause nicht zu behaupten versteht, wie kann er welchen außerhalb erwarten!«

»Haben doch Viele Credit im Walde, die zu Hause keinen haben. Aber Du kennst meine Laune: keine Nichte, kein Handel.«

»Alida ist ein gehorsames, liebreiches Kind, ungern möchte ich sie vom Schlafe aufstören. Der Patroon von Kinderhook ist eben hier, ein Mann, der für die englische Gesetzgebung nicht mehr eingenommen ist wie ich selbst; der wird weniger abgeneigt seyn, einen ehrlichen Schilling in Gold verwandelt zu sehen. Ich gehe, ihn zu wecken; Niemand hat es noch übel genommen, wenn man ihm Antheil an einem gewinnbringenden Handel anbot.«

»Laß ihn nur fortschlafen. Ich handle nun einmal nicht mit Inhabern von Herrengütern und Schuldverschreibungen. Bring' Du die Dame herbei, denn es dürfte Manches geben, was ihrem zarten Geschmacke entspricht.«

»Aber potz Pflicht und die Zehngebote! Ihr, Herr Seestreicher, habt nie ein Kind unter Eurer Aufsicht gehabt, und könnt also nichts von der Schwere der Verantwortlichkeit wissen« –

»Keine Nichte, kein Handel;« unterbrach ihn der Contrebande-Verkäufer, steckte ruhig seine Faktura wieder in die Tasche, und machte Miene, vom Tische, wo er bereits Platz genommen hatte, wieder aufzustehen. »Die Dame weiß nun doch einmal, daß ich da bin; es wäre mithin sicherer für uns Beide, sie tiefer in's Geheimniß eindringen zu lassen.«

»Du bist so despotisch wie das englische Schifffahrtsgesetz! Ich höre das Mädchen noch in ihrem Zimmer auf- und abgehen, und sie soll herkommen. Aber es ist gerade nicht nöthig, daß wir Anspielung auf unsern längern Verkehr machen. Die Sache kann ja abgemacht werden, als wenn es sich zufällig gerade so getroffen hätte – als ein Nebenspiel in dem Hauptverkehr des Lebens.«

»Wie Du willst. Ich werde nicht viel sprechen, sondern mich auf wirkliches Geschäft beschränken. Behältst Du Dein Geheimniß für Dich, Bürger, so ist es sicher genug. Die Gegenwart der Dame aber wünsche ich, weil mir ahnet, daß unser Verhältniß in Gefahr schwebt.«

»Das Wort Ahnung hör' ich gar nicht gern,« brummte der Rathsherr, indem er das Licht, das er schon in der Hand hielt, bedächtig putzte; – wenn Du nur einen einzigen Brief verlierst, so träumt mir schon von den Geld- und sonstigen Strafen des Fiskus. – Bedenke, daß Du ein Kauffahrer bist, der sich nicht gern sehen läßt, weil seine Speculationen so gewandt sind.«

»Du hast meinen Beruf bis zum Buchstaben treu beschrieben. Wären alle Andere gleich gewandt, würde mein Handel bald aufhören. – Geh', bring' die Dame.«

Der Alderman, der es wahrscheinlich nothwendig fand, seiner Nichte zuerst einige Vorerinnerungen zu machen, und dem, wie es scheint, der beharrliche Charakter des Fremden zur Genüge bekannt war, zauderte nicht länger, that noch einen verdachtvollen Blick zu dem noch immer offenen Fenster hinaus und verließ das Zimmer.


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