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Zehntes Kapitel.

»Ach nein, gehässig ist es nicht von mir,
Daß ich des Vaters Kind zu seyn mich schäme,
Denn bin ich seines Blutes Tochter schon,
Bin ich's nicht seines Herzens.« –
Kaufmann von Venedig.

Kaum sah der Fremde sich allein, so gewann sein Gesicht einen ganz entgegengesetzten Ausdruck. Sein Blick, bisher kühn und leichtsinnig, ward mild und nachdenkend, indem er die verschiedenen zarten Gegenstände durchlief, welche der schönen Barbérie unterhaltende Beschäftigung gewährten. Er stand auf und berührte die Saiten der Laute; doch gleichsam über die Töne, die er selbst hervorgerufen, erschrocken, trat er, ein Bild der Furcht, zurück. Alle Erinnerung an den Zweck seines Besuches war offenbar verschwunden, oder vielmehr durch einen neuen, anziehenderen Gedanken aus seiner Seele verdrängt, und wenn Jemand seine Bewegung hätte beobachten können, so würde der wahre Grund, welcher den Fremden hierher geführt, der letzte gewesen seyn, auf den der Beobachtende gefallen wäre. Sein Wesen war so frei von jener Rohheit und Gemeinheit, die bei Leuten seiner Lebensbeschäftigung nur zu gewöhnlich ist, sein Aussehen war so mild, die Miene in seinen schönen Zügen so leutselig, daß man auf den Gedanken gerathen konnte, die Natur habe ihn so reichlich ausgestattet, damit er um so siegreicher täuschen könne. Gab es auch Augenblicke, wo er in seinem Betragen eine Verachtung der öffentlichen Meinung zeigte, so erschien dieß weniger natürlich als angenommen, und selbst in seinem Gespräch mit dem Alderman, wo er am meisten Neigung zeigte, bestehende gesellschaftliche Einrichtungen mit gesetzverachtender Wegwerfung zu behandeln, stand diese seine Laune in auffallendem, interessantem Widerspruch mit einer gewissen Zurückhaltung in seinem Betragen.

Aber bei alle dem würde man uns mit Recht einer Unwahrheit zeihen können, wollten wir behaupten, daß Alida de Barbérie keinen beunruhigenden Verdacht gegen den Gast ihres Oheims geschöpft hätte. Der verderbliche Einfluß, der sich geltend macht, wenn Menschen im Besitz der Gewalt sind, ohne für die Art der Ausübung derselben verantwortlich zu seyn, jene zu natürliche Gefühllosigkeit des Principals gegen die von ihm Abhängigen, waren Ursache, daß das englische Ministerium die meisten Ehrenstellen und einträglichen Aemter in den Colonien theils mit dürftigen, liederlichen Vornehmen besetzte, theils mit Solchen, welche zu Hause hohe politische Gönner besaßen. Besonders unglücklich war hierin die Provinz New-York. Ein Geschenk Karl's an seinen Bruder und Nachfolger, war sie ohne den Schutz jener Freibriefe und anderer Privilegien geblieben, welche den meisten Gouvernements in Amerika bewilligt worden waren. Das Verhältniß zur Krone war ein unmittelbares, und eine lange Zeit betrachtete man die Mehrzahl der Einwohner als gar nicht zu der Menschenrace ihrer Sieger, sondern zu einer weit niedrigern gehörend. Und so wenig nahm man es zu jener Zeit genau mit der dem Volk auf dieser Hemisphäre zu erweisenden Gerechtigkeit, daß die Raubzüge Drake's und Anderer gegen die wohlhabenden Bürger der südlicher gelegenen Gegenden kein Makel auf ihren Wappenschildern zurückgelassen zu haben scheinen, und unter Elisabeth wurden Ehren- und Gunstbezeugungen Männern zu Theil, die man heutzutage für Freibeuter erklären würde. Mit einem Wort, unter der einen oder anderen Gestalt zog sich jenes Gewebe von Gewalt und mit moralischen Sentenzen beschönigter Heuchelei, welches mit den Schenkungen Ferdinand's und Isabella's und den päpstlichen Bullen seinen Anfang genommen hatte, herab bis auf die Zeit, wo die Nachkommen jener arglosen tugendhaften Menschen, welche die Union zuerst bevölkerten, die Regierungsgewalt selbst ergriffen und der Welt verkündeten, was wahre politische Sittlichkeit sey, die man vor ihnen eben so wenig verstanden, als ausgeübt hatte. S. die Vorrede d. Verf.

Nun war es Alida nicht unbekannt, daß sowohl dem Grafen von Bellamont, als seinem sittenlosen Nachfolger, den die Leser aus den früheren Blättern dieser Geschichte bereits kennen, die Schuld zugeschrieben wurde, Thaten zur See begünstigt zu haben, die weit ruchloser waren, als Contrebande-Handel. Es muß daher nicht befremden, wenn wir noch hinzuzufügen haben, daß der oben berührte Verdacht gegen die Gesetzmäßigkeit der Handelsspekulationen ihres Onkels Alida nicht den Schmerz verursachte, den er einer so nahen Verwandten in unseren Tagen verursachen würde. Inzwischen darf auch nicht verschwiegen werden, daß ihr Verdacht weit hinter dem wirklichen Thatbestand zurückblieb; denn es konnte nicht leicht einen Seefahrer geben, welcher weniger von den Kennzeichen seines rohen Berufs an sich trug, als der war, dessen Bekanntschaft sie auf eine so unerwartete Weise gemacht hatte.

Vielleicht auch trug der mächtige Zauber der Stimme und der Gesichtszüge des so freigebig von der Natur Bedachten dazu bei, daß sie sich überreden ließ, wieder zu erscheinen. Mag dem nun seyn wie ihm wolle, es dauerte nicht lange, so trat sie in's Zimmer mit einem Blicke, in dem sich mehr Neugierde und Verwunderung als Unwille ausdrückte.

»Meine Nichte, Herr Seefahrer,« sagte der zuerst eintretende schlaue Alderman, »hat vernommen, daß Du aus der alten Welt kommst, und da hat denn die Frauennatur über alles Andere gesiegt. Sie würde es Dir nie vergeben, wenn irgend ein Mädchen in Manhattan etwas von Deinen Putzwaaren zu sehen bekäme, ehe sie ihr kritisches Urtheil darüber abgegeben hat.«

»Ich kann mir keinen partheiloseren, schöneren Richter wünschen,« erwiederte der Fremde, indem er galant und zwanglos, wie ein ächter Seemann, die Mütze zog. »Hier sind Seidenzeuge von den Webstühlen Toskana's, Lyoner Brokat, den jede Dame in der Lombardei, oder in Frankreich, beneiden würde; Bänder von allen erdenklichen Farben, und Spitzen, welche mit dem Netzwerk der reichsten flamländischen Kathedralkirche wetteifern.«

»Du bist in deinem Leben viel gereiset, Meister Seestreicher, und weißt von den Sitten der verschiedenen Länder mit Verstand zu reden,« sagte der Alderman. »Aber wie stehen die Preise dieser köstlichen Waaren? Du weißt, wie lange der Krieg schon dauert, und daß an ein baldiges Ende desselben noch gar nicht zu denken ist; auch hat diese deutsche Nachfolge zum Thron, so wie die Erdbeben, welche vor Kurzem das Land heimgesucht haben, große Schwankung der Preise hervorgebracht, so daß wir nachdenkliche Bürgersleute in unserm Handel vorsichtig seyn müssen. – Hast Du Dich, als Du jüngst in Holland warst, erkundigt, was die Wallache kosteten?«

»Man bietet die Thiere für nichts aus; – – Was den Werth meiner Waaren betrifft, so wißt Ihr, daß ich feste Preise habe; ich lasse bei'm Handel mit Freunden kein Feilschen zu.«

»Es ist gegen alle Vernunft, Herr Seestreicher, daß Du so halsstarrig bist. Ein weiser Kaufmann nimmt stets Rücksicht auf den Zustand des Marktes, und wer so geübt ist wie Du, muß wissen, daß ein behender Groschen sich rascher vermehrt, als ein langsamer Thaler. Wenn der Schnee soll kleben, muß man den Ball in beständigem Rollen halten! Leicht erworbenes Gut muß leicht wieder abgesetzt werden, und wer sich nicht erst lange besinnt loszuschlagen, hat bald ein Vermögen beisammen. Du kennst unser Yorker Sprüchwort: die ›ersten Gebote sind die besten‹.«

»Wem die Waare ansteht, der mag kaufen, und wer sein Geld lieber hat als feine Spitzen, reiche Seidenstoffe und schwere Brokate, der kann ja seine Geldsäcke unter seinem Kissen behalten. Es gibt Andere, welche mit Ungeduld warten, die Waaren anzusehen; die Kostbarkeiten an den Mindestbietenden zu verschleudern, dazu bin ich nicht den atlantischen Ocean herübergekommen mit einer Fracht, die kaum Ballast genug für meine Brigantine war.«

»Nein, Onkel,« sagte Alida mit einiger Zaghaftigkeit, »wir müssen die Güte der Sachen, welche der Herr mitbrachte, nicht nach Hörensagen beurtheilen. Wahrscheinlich ist er nicht an's Land gestiegen, ohne Proben von seinen Waaren mitzunehmen.«

»Potz Kundschaft und Correspondenz!« polterte Myndert, »wozu nützt ein alter Umgang, wenn ein Bischen Handeln ihm ein Ende machen kann. Doch hol' Deine Schätze hervor, Meister Starrsinn; ich stehe dafür, die Façons sind außer Mode, oder die Farben der Zeuge verdorben durch die gewöhnliche Nachläßigkeit Deiner unachtsamen Matrosen. Wir wollen wenigstens nicht so unhöflich seyn, Deine Waaren zu verwerfen, ohne sie gesehen zu haben.«

»Wie es euch gefällt,« erwiederte Jener. »Die Ballen befinden sich an dem gewohnten Ort im Werft, unter Aufsicht des ehrlichen Meister Ruderpinne; indessen wird es sich kaum der Mühe lohnen, hinzugehen, da sie so untergeordneter Qualität sind.«

»Ich gehe, ich gehe schon,« sagte der Alderman, indem er die Brille abnahm, und sich die Perüke zurechtrückte; – das hieße ja einen alten Correspondenten schlecht behandeln, wenn man sich weigerte, seine Proben in Augenschein zu nehmen. Du kommst wohl mit, Meister Seestreicher; ja, ja, das Kompliment, die Sachen anzusehen, wollen wir Dir schon machen, wenn auch der langwierige Krieg die Ueberfüllung des Markts mit Pelzen, die zu stark ausgefallene Ernte des vorigen Jahrs und die vollständige Stille in den Bergwerksdistrikten, allen Handel flatt darniedergeworfen haben. Ich will dennoch hingehen, sonst sagst Du, ich hätte Deinen Vortheil nicht berücksichtigt. Dein Meister Ruderpinne ist ein unbescheidener Bote, er hat mich heute so erschreckt, so – – ich wüßte nicht, daß ich mich mehr erschrocken hätte seit dem Bankerott von Van Halt, Balance und Diddle.« –

Mehr konnte man nicht hören, denn in seiner Eile, den Vortheil seines Gastes zu berücksichtigen, war der beharrliche Kaufmann schon zum Zimmer hinaus und in dem Vorzimmer des Pavillons, ehe er noch zur Hälfte ausgeredet hatte.

»Es wird sich für mich als Frauenzimmer nicht gut schicken, mitzugehen, da sich ohne Zweifel Seeleute und Andere bei den Waarenballen befinden werden,« sagte Alida, in deren Gesicht sich Zaudern und Neugierde gleich deutlich malten.

»Auch wird es nicht nöthig seyn,« erwiederte ihr Gesellschafter. »Ich habe von Allem, was Sie zu sehen wünschen, Proben bei der Hand. Aber warum so eilig? noch ist es früh am Abend, und der Alderman wird lange zu thun haben, ehe er sich entschließt, zu zahlen, was meine Leute ganz gewiß fordern werden. Nach einer langen Seereise wieder in der Atmosphäre eines Weibes athmen zu dürfen, ach, schöne Alida, dies Vergnügen können Sie nicht begreifen.«

Die schöne Barbérie, ohne zu wissen warum, trat ein paar Schritte zurück, und eben so unwillkührlich offenbarte sie ihre Furcht, indem sie halb unbewußt die Hand an die Klingelschnur legte.

»Bin ich denn in der That ein so furchterregendes Geschöpf, daß dich meine Gegenwart so sehr erschreckte?« fuhr der schmucke Seemann fort, und sein Lächeln dabei verrieth eben so viel Ironie, als der Ernst, der wieder in seinen Zügen lag, Schwermuth bekundete; »aber klingeln Sie, daß Ihre Bedienten kommen und die Furcht beschwichtigen, die Deinem Geschlecht, Herrliche, so natürlich ist, und deßwegen so viel Reize für das meinige hat. Soll ich vielleicht die Schnur ziehen? Diese niedliche Hand versagt ja den Dienst, so zittert sie.«

»Ich zweifle, daß Jemand es hören würde, denn es ist schon über die Stunde hinaus, wo die Leute noch Dienste zu verrichten haben. – Ich thue doch besser, wenn ich mitgehe, die Ballen zu untersuchen.«

Der Fremde in dem seltsamen Anzuge, der Alida so viel Unruhe verursachte, betrachtete sie einen Augenblick mit einer Art traurigen Bedauerns.

»So sind sie alle, bis zu viel Berührung mit einer kalten, verderbten Welt sie verändert,« sprach er, mehr vor sich hin flüsternd als laut. »Daß sie doch alle so blieben! Du bist eine sonderbare Mischung von weiblicher Schwäche und männlicher Entschlossenheit, schöne Barbérie; doch vertraue mir,« hier legte er, mit einem seine Aufrichtigkeit außer allen Zweifel setzenden Ernst, die Hand auf die Brust; »ehe irgend Jemand, der meinem Willen gehorcht, etwas sagt oder thut, was Dich verletzen, Dich beleidigen könnte, muß die Natur selbst sich ändern. Erschrick nicht, denn ich rufe Einem, der die Proben bringe, welche Sie zu sehen verlangen.«

Hier setzte er ein kleines silbernes Pfeifchen an die Lippen, und entlockte ihm ein leises Signal, während er Alida zuwinkte, die Wirkung ohne Zagen abzuwarten. Nach einer halben Minute ward ein Geknister unter den Blättern des Gesträuchs vernehmbar, sodann eine secundenlange Pause: als wenn sich Jemand umsähe, worauf ein dunkler schwerer Gegenstand zum Fenster hereinkam und bis in die Mitte des Zimmers fortrollte.

»Hier sind unsre Waaren und ich versichre Sie, ich werde mit Ihnen nicht auf dem Preise bestehen,« nahm der Meister Seefahrer wieder auf, während er den scheinbar von selbst hereingeflogenen kleinen Waarenballen aufband. – »Diese Waaren sind so viele Unterpfänder der zwischen uns bestehenden Neutralität; treten Sie also heran und suchen Sie ohne Furcht unter den Gegenständen; Sie finden gewiß welche, die Sie für das Wagniß belohnen.«

Der Ballen lag nunmehr geöffnet vor ihr, und da der Eigenthümer desselben ausnehmend gewandt schien, den Geschmack einer Dame zu treffen, so konnte Alida endlich nicht länger widerstehen. Im Verhältnis als die Durchsuchung vor sich ging, verlor sie allmählig alle Zurückhaltung, und der Besitzer dieser Schätze war noch nicht den dritten Theil der verschiedenen Pakete durchgegangen, so wetteiferten schon die Hände der Erbin mit den seinigen in wühlender Geschäftigkeit.

»Dieser Stoff ist aus dem lombardischen Gebiete,« sagte der Waarenverkäufer, innig vergnügt, daß es ihm gelungen war, zwischen seiner schönen Kundsmännin und sich ein so zutrauliches Vernehmen herzustellen. »Du siehst, er ist reich, voller Blumen und bunt, wie das Land, aus dem er stammt. Sollte man doch glauben, die Weinreben und das üppige Gepflanze jenes herrlichen Erdreichs sproßten aus diesem Erzeugniß des Webstuhls hervor – – Nicht doch! das Stück reicht hin für jede Toilette, sey sie immer so umfangreich; sieh, es ist endlos wie die Ebnen, wo der Seidenwurm, der kleine Schöpfer des Gespinnstes, gezogen wird. Vielen Damen in England habe ich von diesem Manufakt abgelassen, sie verschmähten es nicht, dem in ihrem Dienste so viel Wagenden ihre Kundschaft zu schenken.«

»Vielen, fürchte ich, gefallen diese Stoffe vorzüglich deßhalb, weil sie verboten sind.«

»Das wär' so unnatürlich nicht! Schau', diese Schachtel enthält Schmuck, aus dem Zahn des Elephanten geschnitten; der Künstler, der ihn machte, wohnt fern in den morgenländischen Reichen; sie verunzieren keiner Dame Bußtisch, und haben auch ihren moralischen Werth, denn sie erinnern die Besitzerin, daß es Länder gebe, wo ihre Geschlechtsgenossinnen minder glücklich sind. – – Aha! hier sind Spitzen aus Mecheln, nach einer von mir entworfenen Façon gearbeitet.«

»Ein treffliches Muster! es würde selbst Jemandem, der die Malerkunst gelernt hat, Ehre machen.«

»Solche Schnörkeleien waren eine Lieblingsbeschäftigung meiner Jugend,« erzählte der jugendliche Kauffahrer, indem er ein Stück reicher, hochfeiner Spitzen aufrollte, und mit innigem Wohlgefallen das Gewerbe und die Qualität betrachtete. – Ich hatte mit dem Verfertiger einen Vertrag geschlossen, nach welchem er mir so viel davon liefern mußte, daß wenn man das eine Ende an die Spitze des hohen Kirchthurms seiner Stadt befestige, das andere bis aufs Straßenpflaster herunterreiche; und dennoch ist, wie Sie sehen, nicht viel mehr davon übrig. Die Londoner Damen fanden die Spitzen nach ihrem Geschmack, da war es denn nicht leicht, selbst dieses Wenige für die Colonien aufzuheben.«

»Für eine Waare, die Sie ohne die Förmlichkeiten der Gesetze in der Welt herumzuführen beabsichtigen, finde ich das Maaß, das Sie wählten, etwas sonderbar!«

»Wir wollten die Reise unter der beschirmenden Gunst der Kirche antreten: sie zürnet Dem nicht leicht, der ihre Vorrechte achtet. Erlauben Sie also einem so Beschützten, diesen Rest für Sie zurück zu legen; Sie können Gebrauch davon machen, nicht wahr?«

»Ein so seltenes Fabrikat ist wohl sehr theuer?«

Die schöne Barbérie sprach diese Worte zaudernd, und als sie dabei ihr Auge langsam in die Höhe hob, begegnete sie den dunkel glänzenden ihres Gefährten, die fest auf sie gerichtet waren, und deutlich zu erkennen gaben, daß er sich des Uebergewichts, das er bei ihr gewann, bewußt sey. Das Mädchen erschrack, sie wußte selbst nicht worüber, und fügte hastig hinzu:

»Dieß schickt sich mehr für eine Hofdame als für ein Mädchen in den Colonien.«

»Noch hat Keine es getragen, für die es sich besser schickte; es mag hier liegen als Zugabe zu meinem Handel mit dem Alderman. –«

»Dies ist Atlas von Toscana, ein Land, wo die Natur sich in Extremen gefällt, und dessen Kaufleute einst Fürsten waren. Der Florentiner war eben so fein in der Ausführung seiner Stoffe, als glücklich in der Zeichnung seiner Muster, und dem Reichthum seines eigenen Klima's verdankte er die Ueppigkeit der Farben. Wie zart ist die Glanzfarbe dieses Stoffes! doch glauben Sie mir, sie wird übertroffen von dem rosigen Licht, das ich gar manchen Abend an dem Abhang der Appenninen spielen sah.«

»Sie haben also die Länder, mit deren Waaren Sie handeln, selber besucht?« sagte Alida. Der Atlas fiel ihr aus der Hand, denn anziehender als der seidene Stoff ward ihr nunmehr der Besitzer desselben.

»Das ist so meine Gewohnheit. Hier haben wir eine Kette, die in der Inselstadt gemacht ist. Nur eine Venezianer-Hand konnte solche feine, fast unsichtbare Glieder bilden. Ich habe eine Schnur fehlerloser Perlen für dieses Goldgewebe ausgeschlagen.«

»Das war nicht klug von einem, der, um zu verdienen, so viel auf's Spiel setzt wie Sie.«

»Ich wollte die Spielerei zu meinem eigenen Vergnügen behalten. Caprice ist zuweilen stärker als Durst nach Geldgewinnst, und diese Kette bleibt mein, bis ich sie der Dame schenke, die ich liebe.«

»Wenn man so thätig beschäftigt ist, findet man kaum Zeit, einen Gegenstand zu suchen, der des Geschenkes würdig wäre.«

»Ist Verdienst und Liebenswürdigkeit so etwas Seltenes bei den Frauen? Die schöne Barbérie würde von einer, den meisten Frauen so wichtigen Angelegenheit nicht so leichtsinnig sprechen, wäre sie nicht zahlreicher Eroberungen gewiß.«

»Sicherlich hat ihr Schiff unter anderen Ländern auch das Zauberland besucht, sonst würden Sie nicht Dinge zu wissen vorgeben, die keinem Anderen bekannt seyn können. – Was mögen diese schönen Straußfedern werth seyn?«

»Weiß und fleckenlos wie sie sind, kommen sie doch aus dem sonneverbrannten Afrika. Ein Maure verkaufte mir das Büschel insgeheim für einige Schläuche Lacrymä Christi, die er mit verschlossenen Augen schlürfte. Ich kaufte sie dem Menschen blos ab, weil ich Mitleid mit seinem Durste hatte; auf die Waare selbst setze ich keinen großen Werth. Sie mag gleicherweise bei Seite gelegt werden, als Mittel, die Liebe Deines Onkels für mich anzufachen.«

Alida wußte nicht wie sie diese Freigebigkeit ablehnen sollte, denn daß diese Zugaben am Ende nichts waren, als ein schlauer Vorwand, ihr ein Geschenk damit zu machen, war ein Verdacht, den sie nicht von sich abwehren konnte. Wenn nun aber dieser Verdacht sie auch behutsamer machte, und sie der kindischen Freude, so oft ihr etwas gefiel, keine Laute mehr gab, so war er doch keineswegs geeignet, ihr Vertrauen gegen den Kaufmann zu vermindern, oder ihre Bewunderung seines außergewöhnlichen, eigensinnigen Wesens herabzustimmen. Auf sein eben gemachtes zweites Anerbieten, die Straußfedern als eine Dreingabe dazulassen, erwiederte sie mit niedergeschlagenem Blicke etwas kalt:

»Mein Onkel wird sich sehr zu bedanken haben für Deine freigebige Gesinnung, obgleich es mir däucht, daß bei'm Handeln Gerechtigkeit nicht minder wünschenswerth ist, als Großmuth. – Das scheint eine interessante Zeichnung zu seyn; mit der Nadel gestickt?«

»Die Arbeit hat gar manchen Tag gekostet; sie ist von der Hand einer Einsamen. Ich kaufte sie von einer Nonne in Frankreich, die jahrelange Mühe auf die Zeichnung verwendete; auch besteht der Werth nur in dieser. Die ergebene Tochter der Einsamkeit weinte, als sie sich von ihrer Arbeit trennte, denn ihr war sie, aus langer Gewohnheit, wie eine Gesellschafterin theuer geworden. Ja der Verlust einer Gesellschafterin würde derjenigen, welche im Getümmel der Welt lebt, weniger wahren Schmerz verursachen, als die Trennung von dem Erzeugniß ihrer Nadel jener milden Klosterbewohnerin.«

»Ist denn Ihrem Geschlecht der Zutritt zu jenen Oertern religiöser Zurückgezogenheit gestattet?« fragte Alida. »Ich selbst stamme zwar von einem Geschlecht, das dem Klosterleben wenig Achtung zollt, denn wir sind, wegen der Strenge des Königs Louis, Réfugiés; dessenungeachtet hörte ich nie meinen Vater diese Frauen einer solchen Nichtachtung ihres Gelübdes beschuldigen.«

»So wurde auch mir die Sache dargestellt, denn freilich, unmittelbarer Handelsverkehr mit den keuschen Schwestern ist den Männern verboten (hier umspielte, wie Alida zu bemerken glaubte, ein etwas freies Lächeln den schönen Mund des Sprechenden); – aber – – so ging das Gerücht. Was halten Sie von dem Verdienst der Frauen, die in solchen Anstalten einen Zufluchtsort gegen die Sorgen, vielleicht auch gegen die Sünden, der Welt suchen?«

»In der That, die Frage geht über mein Wissen hinaus. In diesem Lande pflegt man die Frauen nicht einzusperren, daher wir Amerikanerinnen wenig über den Gebrauch nachdenken.«

» Der Gebrauch ist nicht ohne seine Mißbräuche,« fuhr der Contrebande-Händler gedankenvoll fort; »doch hat er auch sein Gutes. Viele Schwache und Eitle würden in Klöstern glücklicher seyn, als in der Welt, den Verführungen und Thorheiten des Lebens preisgegeben. – Aha, hier ist auch Arbeit von englischen Händen. Kaum weiß ich wie der Artikel seinen Weg hierher gefunden, den Erzeugnissen ausländischer Webstühle Gesellschaft zu leisten. Meine Ballen enthalten in der Regel wenig von dem, was, wie sich der Haufe ausdrückt, vom Gesetze erlaubt ist. Sprechen Sie frei heraus, schöne Alida; theilen Sie die Vorurtheile gegen den Charakter von uns freien Händlern?«

»Ich nehme mir nicht heraus, über Anordnungen, welche außerhalb des Kreises weiblicher Kenntnisse und weiblicher Beschäftigung liegen, ein Urtheil abzugeben,« erwiederte, mit lobenswerther Zurückhaltung, das Mädchen. »Einige halten den Mißbrauch der Gewalt für eine Rechtfertigung, ihr Widerstand zu leisten; Andere hingegen sehen in jedem Bruch des Gesetzes eine Verletzung der Sittlichkeit.«

»Letzteres ist die Lehre Eurer Capitalisten und Eurer Männer, die ihr Schäfchen im Trocknen haben. Nachdem sie ihr Erworbenes hinter anerkannten gesetzlichen Befestigungen sicher verschanzt, predigen sie die Unverletzbarkeit derselben, weil ihr Eigennutz dabei betheiligt ist. Wir Streicher durch die Meere« –

Alida ward bei diesen letzten Worten von einem so plötzlichen Schreck ergriffen, daß Jener mitten inne hielt, und erst nach einer Pause fortfuhr:

»Sind meine Worte denn entsetzend, daß Sie bei ihrem Ton erblassen?«

»Ich hoffe, Sie bedienten sich ihrer nur aus Zufall, und dachten nicht an ihre furchtbare Bedeutung. Ich wollte nicht, daß es hieße – nein! es ist nur Zufall, der aus der Aehnlichkeit Ihrer Beschäftigung entsteht. Der Mann, dessen Name zum Sprüchwort geworden ist, kann nicht wie Sie aussehen.«

»Wie so, schöne Alida? Ich sehe aus, so ziemlich wie es dem Schicksal gefallen hat, mich aussehen zu lassen. Von welchem Menschen, von welchem Namen sprichst Du denn?«

»Es war nichts, nichts,« erwiederte die schöne Barbérie, und schaute dabei unwillkührlich die feinen, anmuthsvollen Züge des Fremden länger an, als Mädchen zu thun pflegen. »Fahren Sie mit Ihrer Erklärung fort; – hier, dies sind reiche Sammte.«

»Auch sie kommen aus Venedig; allein der Handel gleicht der Gunst der Glücksgöttin, und die Königin des Adriatischen Meeres ist bereits in tiefem Verfall. Was die Bereicherung des Feldbaues zur Folge hat, ist oft Grund des Sturzes einer Stadt. Die Lagunen füllen sich mit reichem, fruchtbarem Boden an, und der Kiel des Kauffahrers wird nicht mehr so oft dort gesehen, als ehemals. Nach einigen Jahrhunderten zieht vielleicht der Pflug seine Furchen über den Fleck, wo einst der Bucentaur geschwommen! Die Seefahrt nach dem entfernteren Indien hat dem Strom des Glückes eine andere Richtung gegeben, denn dieser stürzt sich stets dahin, wo sich ihm das weiteste und neueste Bett öffnet. Den Völkern könnten die schläfrigen Kanäle Venedigs zur Warnung dienen und die Pracht jener gesunkenen Stadt ihnen lehrreich werden, aber der Stolz mästet sich nun einmal bis ans Ende von seinen eigenen trägen Erinnerungen. – Wie gesagt, wir Wanderer geben uns wenig mit wurmstichigen Maximen ab; die Großen und Reichen haben sie zu Hause gemacht, und sorgen dafür, daß sie in der Welt ausposaunt werden, damit die Schwachen und Unglücklichen sich in noch festere Fesseln schlagen lassen.«

»Mir däucht, Sie treiben den Grundsatz weiter, als derjenige nöthig hat, der sich gegen das Herkommen kein größeres Vergehen zu Schulden kommen läßt, als Handel auf sein eigenes Risico. Solche Meinungen würden die Welt in Unordnung bringen.«

»Sagen Sie vielmehr, in Ordnung, denn sie würden Alles auf die Regel des Rechts zurückführen. Wann die Regierungen die natürliche Gerechtigkeit zu ihrer Grundlage, und die Hinwegräumung der Versuchungen zum Verbrechen, nicht die Hervorbringung derselben, zu ihrem Ziele wählen werden, und wann in dem Verein der Menschen die Verantwortlichkeit des Einzelnen gefühlt und anerkannt werden wird: ei nun, dann könnte die Wassernixe selbst noch ein Revenüe-Schiff, und ihr Besitzer ein Zollbeamter werden!«

Der schönen Barbérie fiel das Sammetzeug aus den Händen, und hastig aufspringend und alle ihre natürliche Festigkeit aufbietend, rief sie:

»Sprechen Sie deutlich; von wem bin ich im Begriff zu kaufen?«

»Von einem Auswurf der Gesellschaft; einem Menschen, den die öffentliche Meinung verurtheilt; einem Vogelfreien, dem verbrecherischen Wanderer des Oceans; von dem ruchlosen ›Streicher durch die Meere‹!« schrie eine Stimme zum offenen Fenster herein.

In der nächsten Minute stand Ludlow da. Alida that einen Schrei, verhüllte das Gesicht mit dem Gewande und stürzte aus dem Gemache.


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