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Drittes Kapitel.
Quiberon.

Aber verraten nicht diese langwallenden Haarqueues der jeunesse dorée in ihrem halbmilitärischen Kostüm unbewußt eine andere noch bedeutendere Tendenz? Die Republik, die ihre Guillotine verabscheut, liebt ihre Armee.

Und sie hat Ursache dazu. Denn sicherlich, wenn tapferes Kämpfen eine Art von Ehre ist, wie es dies, zu rechter Zeit, auch wirklich ist, und bei gewöhnlicheren Menschen sogar die höchste Ehre ist, dann war hier tapferes Streiten zu rechter Zeit, wenn überhaupt irgendwo. Diese Söhne der Republik erhoben sich in rasendem Zorn, ihr Vaterland zu befreien von Sklaverei und Kimmeria. Und haben sie es nicht gethan? Durch die Seealpen, durch die Schluchten der Pyrenäen, durch die Niederlande, nordwärts entlang dem Rheinthale, weithin ist Kimmeria zurückgeschleudert vom heiligen Mutterlande. Grimmig wie Feuer haben sie ihr trikolores Banner über den Boden all ihrer Feinde hingetragen; über steilen Höhen, über Kanonenbatterien hat es siegreich, zornbeflügelt geweht. Sie hat »1 100 000 Kämpfer auf den Beinen,« diese Republik, »in einem bestimmten Augenblick hatte sie,« oder glaubte zu haben, »1 700 000.« Toulongeon, III, c. 7; V, c. 10 (p. 194). Wie ein Ring von Blitzen, umgürten sie diese Armeen von Küste zu Küste, schießend und ça-ira singend. Die kimmerische Koalition der Despoten weicht zurück, von Staunen und seltsamer Furcht erfüllt.

Solch ein hochloderndes Feuer ist in diesen gallischen Republikanern, dem keine Koalition widerstehen kann! Nicht Wappenschilder vierfachen Adels, sondern ci-devant Sergeanten, die sich den Generalsrang aus den Kanonenschlünden holen mußten, ein Pichegru, ein Jourdan, ein Hoche, solche führen sie an. Sie haben Brot, sie haben Eisen, »mit Brot und Eisen kann man bis nach China kommen.« – Seht Pichegrus Soldaten, in diesem harten Winter, in ihrem zerlöcherten 451 und entblößten Zustande, in ihren »strohgeflochtenen Schuhen und Mänteln aus Bastmatten,« seht, wie sie Holland überziehen, wie ein Dämonenheer, und, da das Eis alle Wasser überbrückt hat, jubelnd von Sieg zu Sieg eilen. Die Schiffe im Texel werden von Husaren zu Pferde genommen, York ist geflohen, geflohen ist der Statthalter, glücklich, nach England entrinnen zu können und Holland fraternisieren zu lassen. 19. Januar 1795 ( Montgaillard, IV, 287-311). Solch ein gallisches Feuer, wie gesagt, lodert in diesem Volke, ähnlich dem Brande von Gras und trockenem Gesträuche, dem, so lange es währt, kein Sterblicher stand hält.

Und so wird es lodern und dahin eilen, alles versengend, und von Cadix bis nach Archangel wird der rasende, jetzt als Soldat gedrillte von einem »bewaffneten Soldaten der Demokratie« (das heißt jenem einsilbigen Artillerieoffizier) geführte Sansculottismus seinen Fuß unbarmherzig auf den Nacken seiner Feinde setzen, und sein Jauchzen und ihr Jammern wird die Welt erfüllen. – Ihr unbesonnenen verbündeten Könige, solch ein Feuer habt ihr entzündet, und habt kein eigenes Feuer, eure Streiter sind nur angetrieben durch Drillmeister, Gamaschendienst und die Fuchtel. Indessen, der Kampf hat begonnen und wird nicht enden vor zwanzig Jahren. So lange wird es über das Antlitz Europas hinlodern, dieses gallische Feuer, wechselnd in Farbe und Charakter, und alle Menschen sengen und peinigen, bis es alle Menschen herausfordert, bis es ein ander Feuer entzündet, nämlich teutonisches Feuer, und verschlungen wird, sozusagen in einem Tage. Denn es giebt ein Feuer, das dem Brennen von trockenem Gesträuche und Gras vergleichbar ist, schnell auflodernd, hoch aufflammend; und ein anderes Feuer, das wir vergleichen möchten mit dem Brennen von Kohle oder sogar von Anthracitkohle, schwer zu entzünden, aber dann kaum auszulöschen. Das rasche gallische Feuer ist nicht allein in Pichegrus bemerkbar, sondern in unzähligen Voltaires, Racines, Laplaces nicht minder; denn ein Mensch, ob er nun kämpft, singt oder denkt, wird dieselbe Art Mensch bleiben. Und dies gallische Feuer ist wunderbar gut zum Kochen von Eiern in jedem denkbaren Sinne. Das teutonische Anthracit dagegen, das wir in einem Luther, Leibnitz, Shakespeare bemerken, ist vorzuziehen zum Schmelzen von Metallen. Wie glücklich ist unser Europa, das beide Arten besitzt! –

Doch dem sei nun, wie es will, ersichtlich triumphiert die 452 Republik. Im Frühling des Jahres sieht sich die Stadt Mainz wieder belagert, wird wieder ihren Herrn wechseln; sagte nicht Merlin der Thionviller »mit wildem Bart und Blick,« es würde nicht zum letztenmal sein, daß man ihn hier sähe? Der Elektor von Mainz richtet an seine Brüder Potentaten die angemessene Frage: wäre es nicht ratsam, über Frieden zu unterhandeln? Ja, antwortet ihm mancher aus dem Grunde seines Herzens. Aber andererseits zögert Österreich, refüsiert schließlich, durch Pitts Subsidien ermutigt. Was Pitt betrifft, so mag zögern wer immer, er suspendiert seine Habeas-Corpus-Akte, suspendiert seine Barzahlungen und bleibt unbeugsam; – trotz der Widerwärtigkeiten draußen, trotz der Hindernisse zu Hause, trotz schottischer Nationalkonvente und englischer Volksfreunde, die er vor Gericht stellen, hängen oder auch unter Jubel freigesprochen sehen muß. Ja, ein magerer unbeugsamer Mann ist dieser Pitt. Die Majestät von Spanien macht, wie wir voraussagten, Friede, auch die Majestät von Preußen und es kommt zu einem Vertrag von Basel. 5. April 1795 ( Montgaillard, IV, 319). Vertrag mit verfluchten Anarchisten und Königsmördern! Ach, was sonst? Man kann diese Anarchie nicht hängen, man muß wohl oder übel sich mit ihr vertragen.

Ebenso ist es General Hoche gelungen, sogar die Vendée zu pacifizieren. Der Schurke Rossignol und seine »höllischen Kolonnen« sind verschwunden; durch Festigkeit und Gerechtigkeit, durch Klugheit und Eifer hat General Hoche das Werk vollbracht. Mit »beweglichen«, nicht höllischen Kolonnen, indem er das Land umzingelte, den sich Unterwerfenden verzieh, die Widersetzlichen niederhieb, so hat er Glied um Glied die Revolte bezwungen. La Rochejacquelin, der letzte der Edelleute, fiel in der Schlacht, Stofflet selbst hat Frieden gemacht, Georges Cadrudal ist zurück nach der Bretagne unter seinen Chouans. Das fürchterliche Krebsgeschwür der Vendée scheint wahrhaftig ausgeschnitten. Es hat, wie in runder Summe berechnet wird, das Leben von einem hunderttausend Mitmenschen gekostet; dazu Noyaden, Verbrennungen durch die höllische Kolonne, die aller Berechnung spotten. Die ist der Krieg der Vendée. Histoire de la Guerre de la Vendée par M. le Comte de Vauban. Mémoires de Madame de la Rochejacquelin, etc.

Ja, in einigen Monaten lodert er noch einmal auf, aber 453 nur einmal noch, – angefacht von Pitt, von unserm Ci-devant Puisaye von Calvados und andern. Im Monat Juli 1795 werden englische Schiffe auf der Rhede von Quiberon vor Anker gehen, werden ritterliche Ci-devants, freiwillige zum Desertieren bereite Kriegsgefangene, Gewehre, Proklamationen, Kleiderkisten, Royalisten und Bargeld ans Land setzen. Worauf man auch auf republikanischer Seite schnell zu den Waffen eilen wird, versteckter mitternächtlicher Marsch über den Strand von Quiberon und Erstürmen des Fort Penthièvre erfolgen wird. Der Kriegsdonner wird sich mischen mit dem Brüllen des nachtdunkeln Weltmeeres, und ein Morgenlicht dämmern, wie man es selten gesehen. Die Gelandeten werden in ihre Boote zurückgeworfen oder in die sie verschlingenden Wogen, unter Verderben und Geheule; in einem Wort, Ci-devant Puisaye wird hier so gänzlich erfolglos sein, als er's war in Calvados, als er vom Schlosse Vernon wegreiten mußte ohne Stiefel. Deux Amis, XIV, 94-106. Puisaye, Mémoires III-VII.

Wieder denn hat es das Leben manch eines braven Mannes gekostet. Unter diesen beklagt die ganze Welt den tapfern Sohn Sombreuils. Unglückliche Familie! Der Vater und der jüngere Sohn kamen auf die Guillotine, die heroische Tochter schmachtet, ins Elend geraten, dahin, verbirgt ihre Leiden vor der Geschichte. Der ältere Sohn geht hier zu Grunde, wird als ein Emigrant vom Kriegsgericht verurteilt und erschossen, selbst Hoche kann ihn nicht retten. Wenn alle Kriege, bürgerliche und andere, Mißverständnisse sind, welch ein Ding muß rechtes Verständnis sein!

 


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