Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das Heer der Paviane

Weit draußen in der Dschungel folgte Korak, mit Wunden bedeckt, der Spur der großen Paviane. Sorge und Erbitterung nagten ihm am Herzen, so oft er der jüngsten Ereignisse und der nächsten Zukunft gedachte. Die Paviane hatte er wider Erwarten weder in der Nähe ihres letzten großen Kampfplatzes noch in einem ihrer bekannten Reviere angetroffen, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als der deutlich erkennbaren Fährte weiter und immer weiter zu folgen. Seine zähe Ausdauer wurde auch belohnt, denn eines Tages holte er sie ein. Sie bewegten sich langsam, aber stetig in großen Scharen südwärts. Wie eine kleine Völkerwanderung hätte es einem vorkommen können, und dabei ist es erwiesen, daß derartige planmäßige Streifzüge bei den Pavianen von Zeit zu Zeit immer wiederkehren, wenn auch die eigentlichen Gründe dafür nur den Pavianen selber richtig bekannt sind. Beim Nahen des weißen Kriegers, der nicht einmal den Wind im Rücken gehabt hatte, machte die Pavianherde sofort Halt, zumal die Nachhutposten ihn rechtzeitig entdeckt und unverzüglich den Warnungsschrei nach vorn durch gegeben hatten. Alles brummte, murrte und plapperte; die Männchen liefen steifbeinig und unschlüssig im Kreise herum, während die Pavianmütter in den höchsten Tönen und in sichtlicher Bestürzung ihre Jungen in die Arme nahmen und sich mit ihnen hinter den schützenden Wall der Männerleiber zurückzogen.

Korak seinerseits verlangte sofort nach dem König. Dieser stolzierte langsam und bedächtig und ebenso steifbeinig wie seine männlichen Untertanen heran, da er den Fremdling an seiner Stimme wieder erkannt zu haben glaubte. Er wollte jedoch noch das bestätigende Urteil seiner Nase abwarten, ehe er sich dazu herbeiließ, ganz auf die Eindrücke, die Augen und Ohren ihm vermittelten, zu bauen. Korak blieb ruhig stehen und wartete ab, denn er wußte, daß jeder weitere Schritt den sofortigen Angriff der ganzen Herde verursacht oder mindestens den Anstoß zu einer panikartigen Flucht der Paviane gegeben hätte. Und beides wäre ihm jetzt nicht erwünscht gewesen. Wilde Tiere sind eben im Grunde sehr nervöse Geschöpfe, und es ist daher überaus leicht, sie durch irgendeine kleine Unvorsichtigkeit außer Rand und Band, ja oft zu durchaus unüberlegtem Handeln zu bringen.

Der Paviankönig kam also auf Korak zu und ging brummend, knurrend und schnüffelnd im Kreise um ihn herum. Immer enger und enger wurde der Kreis, und so nahm Korak schließlich das Wort.

Ich bin Korak, begann er. Ich habe neulich die Falle geöffnet, in der man dich gefangen hatte. Ich habe dich also vor den Tarmangani gerettet. Ich bin Korak, der »Töter«. Aber ich bin euer Freund.

Huh! grunzte der König. Ich weiß, daß du der Korak bist. Meine Ohren sagten mir es, daß du der Korak bist. Meine Augen sagten mir es auch, und jetzt hat es mir noch meine Nase bestätigt. Meine Nase wittert immer alles richtig. Ich bin dein Freund. Komm mit, wir wollen zusammen in den Wäldern jagen.

Korak kann jetzt nicht mit auf die Jagd gehen, gab der Affenmensch zurück. Die Gomangani haben meine Gefährtin geraubt. Sie haben sie gefesselt und halten sie in ihrem Dorfe gefangen. Korak war allein nicht stark genug, um sie zu befreien. Willst du mir jetzt mit deinem ganzen Stamm folgen und Koraks Meriem befreien helfen?

Die Gomangani haben viele, viele spitze Stöcke. Die werfen sie nach uns, und die Stöcke bohren sich meinen Affen in den Leib. Sie sind dann tot. Die Gomangani sind böse. Sie töten uns alle zusammen, wenn wir in ihr Dorf eindringen.

Die Tarmangani haben andere Stöcke. Die knallen laut und machen einen tot, auch wenn man noch weit entfernt ist, warf Korak ein. Weißt du, die Tarmangani hatten solche Stöcke, als Korak dich aus der schlimmen Falle befreite. Wäre Korak fortgerannt, würdest du jetzt als Gefangener bei den Tarmangani dein Leben fristen müssen.

Der Pavian kratzte sich am Kopf. Rings um ihn und den Affenmenschen hockten die männlichen Vertreter der Pavianherde. Sie hatten ihre Augen halb zusammengekniffen und folgten mit Spannung der Verhandlung; einer suchte dem andern einen besseren Platz abzuringen, damit ihm nichts entginge. Die weniger Neugierigen scharrten im Laub und in der moderigen weichen Walderde herum, um sich inzwischen ein paar leckere Würmer zu Gemüte zu führen, oder blickten starr und fast verständnislos bald auf ihren König, bald auf den fremden Mangani, wie er sich selbst genannt hatte, wiewohl er ihnen eigentlich viel mehr wie ein verhaßter Tarmangani vorkam. Der König ließ seine Blicke jetzt zu den Ältesten seiner Untertanen in der Runde herumschweifen. Es sah aus, als begehre er den Rat seiner Getreuen.

Wir sind zu schwach, brummte einer.

Die Paviane vom Hügelland wären da geeigneter, warf ein anderer ein. Sie sind viel, viel stärker. Unzählige gibt es, so viele wie Blätter im Walde. Und sie hassen die Gomangani nicht minder. Sie kämpfen für ihr Leben gern. Sie sind wild, sehr wild. Wir wollen sie fragen, ob sie sich uns anschließen. Wenn ja, dann können wir alle Gomangani in der Dschungel vernichten.

Korak konnte sie nicht davon überzeugen, daß es nicht nötig sei, noch die fremden Pavianstämme hinzuzuziehen. Gewiß, man wollte ihm gern helfen, aber bestand darauf, daß dazu erst ihre Blutsverwandten und Verbündeten aus dem Hügellande gewonnen werden müßten. Und so blieb denn Korak nichts anderes übrig, als sich in das Unvermeidliche zu fügen. Das einzige, was vorläufig in seiner Macht lag, war, sie zu möglichst großer Eile anzuspornen, und dies glückte wenigstens insofern, als sich der Paviankönig entschloß, mit ihm und zwölf der stärksten Pavianmänner nach dem Hügelland zu eilen und die anderen zurückzulassen.

Sowie die Paviane sich einmal mit dem Gedanken an eine derartig gewagte Unternehmung vertraut gemacht hatten, waren sie Feuer und Flamme. Die Abordnung rückte unverzüglich ab und kam überaus rasch vorwärts. Der Affenmensch hielt ohne irgendwelche Schwierigkeiten gleichen Schritt mit seinen gewandten Bundesgenossen. Solange man hoch in den Bäumen dahineilte, brachen Lärmen und lautes Geschrei nicht ab. Man wollte so erreichen, daß alle feindlichen Dschungeltiere, die den Weg kreuzten, gleich entsetzt davonstoben, denn die Paviane wußten aus Erfahrung, daß sie nie von einer bösartigen Dschungelkreatur belästigt wurden, so oft sie in großen Scharen die Wälder durchfluteten. Und durch den übermäßigen Lärm wurde jedenfalls der Eindruck erweckt, als sei eine ganze Pavianherde im Anmarsch. Wenn sie jedoch bei allzugroßer Entfernung zwischen den einzelnen Bäumen oder auf weiten Lichtungen zu ebener Erde vordringen mußten, bewegten sie sich leise und lautlos durch das Gras; denn Löwen oder Leoparden ließen sich natürlich nicht durch noch so lautes Geschrei und Geschnatter von einer Handvoll Paviane einschüchtern, sobald sie ihre geringe Zahl deutlich übersehen konnten.

Zwei volle Tage durchquerte man schon die Dschungelwildnis, als sich eine lichte Ebene vor ihnen auftat. Man kam rasch und unversehrt durch diese Gefahrenzone und betrat bald das bewaldete Berggelände. Korak war nie bis hierhin vorgedrungen. Völlig neu war ihm der ganze Charakter dieser Landschaft, neu und eine willkommene Abwechslung nach dem Einerlei der fast überall dichtverwachsenen Dschungel. Allein, was sollte er sich an den Schönheiten dieser Berge und Hügel erfreuen! Dazu war jetzt keine Zeit, denn Meriem, seine Meriem war in Gefahr. Ehe er sie nicht aus ihren Fesseln befreit wieder in seinen Armen halten würde, hatte er nicht viel Sinn für solcherlei Genüsse.

Im unermeßlichen Bergwald ging es langsamer vorwärts. Die Paviane erhoben ab und zu ihre Stimme zu lautem, fast klagend-fragendem Geschrei, warteten dann eine Weile und horchten gespannt. Und endlich war es ihnen, als halle von weit drüben eine schwache Antwort herüber.

Man eilte unverzüglich in der Richtung weiter, aus der sich die vertrauten Töne bald deutlicher vernehmen ließen, so oft man in atemloser Stille ein paar Augenblicke verweilte, und vergaß nicht, immer wieder von neuem den Namensbrüdern vom Bergland sein Nahen anzukündigen. Korak merkte auch bald, daß die Bergpaviane in Massen herbeiströmten, aber als die Fremden dann mit einem Male auftauchten, war er von der Wucht und Größe dieser ersten Begegnung geradezu überwältigt.

Wie zu einer Riesenmauer türmten sich die großen Paviane vor seinen Augen übereinander, von der Erde bis hinauf in die höchsten Baumwipfel, einer über dem andern, daß man sich wundern mußte, woher sie den Mut zu einer derartigen Belastung der Bäume nahmen. Langsam wälzten sie sich mit unheimlich-klagendem Geschrei heran, und hinter ihnen folgten mehr und immer mehr, Mauer über Mauer, soweit Korak sehen konnte. Zu Tausenden kamen sie. Der Affenmensch konnte sich im Augenblick gar nichts anderes denken, als daß das Schicksal der kleinen Abordnung besiegelt sein mußte, sowie nur eine einzige unglückliche Bewegung oder mißverstandene Regung des kleinen Häufleins auch nur einen einzigen dieser Tausende zu Zorn oder jäher Angst reizte.

Doch es kam nicht soweit. Die beiden Könige schritten gemessen aufeinander zu. Ihre Haare sträubten sich ob der Wichtigkeit ihrer Begrüßung, die zunächst mit der üblichen Prüfung der beiderseitigen Persönlichkeiten begann. Die Nasen bestätigten alsbald, daß man sich nicht getäuscht hatte, und nachdem einer des anderen Rücken freundschaftlich gekratzt, nahm man die Verhandlungen auf. Koraks Freund erklärte sogleich, warum man gekommen sei, und dann erst zeigte sich Korak selbst, der bisher hinter einem dichten Busch abgewartet hatte, wie sich alles entwickelte. Anfangs fürchtete er, man würde ihn auf der Stelle in tausend Stücke reißen, ein solcher Lärm erhob sich. Den beiden Königen gelang es indessen ohne weiteres, die Menge zu beruhigen, und so konnte Korak sich getrost heranwagen. Die Bergpaviane rückten auch näher heran, und die vordersten konnten es nicht lassen, ihn mit ihrer Nase nach allen Regeln der Kunst zu prüfen. Als er gar in ihrer eigenen Sprache mit ihnen redete, waren sie über die Maßen entzückt und schnatterten durcheinander. Dann schwiegen sie und folgten mit Spannung seinem weiteren Bericht. Korak erzählte ihnen zunächst von Meriem und von dem gemeinsamen Dschungelleben mit ihr und daß sie beide mit dem ganzen großen Affenvolk vom kleinsten Manu bis zu den Affenriesen, den Mangani, eng befreundet seien.

Die Gomangani, die mir meine Meriem geraubt haben, fuhr er fort, sind auch eure Feinde. Sie töten euch. Die Paviane vom Tiefland sind nun nicht stark genug, um einen erfolgreichen Angriff gegen diese Feinde zu wagen. Sie haben mich aber wissen lassen, daß ihr viele, sehr viele seid und euch obendrein hervorragender Tapferkeit rühmen könnt. Sie sagten mir, daß ihr so viele seid wie die Grashalme in der Ebene oder die Blätter in den Wäldern, und daß Tantor, der Elefant, vor euch flüchtet, weil ihr tapfer und unerschrocken vorgeht. Sie sagten mir auch, daß ihr glücklich wäret, könntet ihr mit uns nach dem Dorf der Gomangani ziehen und dieses böse Volk bestrafen, während ich, Korak der »Töter«, meine Meriem befreie und in Sicherheit bringe.

Der König der Bergpaviane warf sich in die Brust und stolzierte noch einmal so selbstbewußt wie zuerst auf und ab. Viele seiner Gefolgsmänner machten es ihm auf der Stelle nach, denn man war geradezu hingerissen von den Worten des fremden Tarmangani, der sich selbst zu den Mangani rechnete und so geläufig die Affensprache zu gebrauchen wußte.

Ja, sprach einer, wir vom Bergland sind mächtige Kämpfer. Tantor fürchtet uns. Numa fürchtet uns. Sheeta fürchtet uns. Die Gomangani in diesen Bergen sind immer heilfroh, wenn sie unbehelligt davonkommen. Ich für meine Person will euch nach dem Dorf der Gomangani des Tieflandes begleiten. Ich bin der älteste Sohn des Königs, ich kann ganz allein alle Gomangani unten im Tiefland töten. Und er blies sich auf und stieg stolz hin und her, bis ihn einer seiner Kameraden am Rücken kratzte und Ruhe und Aufmerksamkeit für seine Worte heischte.

Ich bin Goob, begann dieser laut. Meine Zähne sind lang und scharf. Sie sind auch stark und haben schon manchem Gomangani böse mitgespielt. Die Schwester Sheetas habe ich ganz allein erschlagen. Goob wird mit euch ins Tiefland ziehen und so vielen Gomangani den Garaus machen, daß keiner von ihnen übrig bleibt, der die Toten zählen könnte. Auch er paradierte dann mit geschwellter Brust auf und ab und ließ sich von den Frauen und Kindern seines Stammes in seiner imponierenden Pose bewundern.

Korak blickte dem König scharf in die Augen.

Deine Männer sind sehr tapfer, meinte er. Aber der König ist doch allen an Mut und Unerschrockenheit weit überlegen.

Das zog. Der dichtbehaarte Herrscher der Bergpaviane fühlte sich geschmeichelt und das mit Recht, denn er stand offenbar in der Blüte seiner Kraft, sonst wäre er ja auch längst nicht mehr in »Amt und Würden« gewesen. Er erhob seine Stimme zu einem lauten, weithin hallenden Kampfruf, der in vielfachem Echo vom Walddom zurückgeworfen wurde. Die Pavianjugend klammerte sich zwar ängstlich an die zottigen Rücken ihrer Mütter, doch die männlichen Vertreter dieses Bergvolkes gaben sofort ihrer freudigen Zustimmung zu dem Entschluß ihres Königs in tollen Luftsprüngen und unheimlichem Beifallssturm Ausdruck.

Korak trat dicht an den König heran und schrie ihm ins Ohr, der Marsch solle nun sofort beginnen. Er schritt darauf behend und in größter Eile voran. Zunächst konnte man noch im Walde bleiben, aber dann mußte wieder die Ebene gekreuzt werden, ehe die lange Dschungelwanderung bis zum Dorfe des Gomangani Kovudoo folgte. Der König blieb ihm unter fortgesetztem Gebell und Lärmen dicht auf den Fersen. Hinter ihm kamen die paar Paviane vom Tieflandstamm und dann die Tausende ihrer Verbündeten aus den Bergen, lauter wilde, sehnige Gestalten.

Am zweiten Tage war das Ziel erreicht. Es war am Nachmittag, die glühende Tropenhitze lastete schwer über dem Dorfe, es war alles still. Ganz langsam und vorsichtig schwangen sich die Pavianmassen näher und näher, und wenn auch Tausende und Abertausende ihre Füße regten, klang es doch nicht viel anders, als ob der Wind nur mit einem Male ein wenig stärker durch das Blättermeer der Dschungel rauschte. Korak und die beiden Könige waren an der Spitze und machten kurz vor dem Dorfe Halt, damit sich erst alle Nachzügler heranziehen konnten. Totenstille herrschte ringsum. Korak kroch wie eine Schlange noch ein Stück vorwärts und hatte bald den Baum erreicht, dessen Äste sich über den Palisadenzaun hinüberstreckten. Ein kurzer Blick nach rückwärts. Man kam ihm nach. Er hatte unterwegs allen immer wieder einschärfen lassen, daß nur die weiße Gefangene zu schonen sei.

Die Stunde hatte geschlagen. Er erhob sein Haupt zum Himmel und stieß einen einzigen unheimlichen Schrei aus. Das war das Signal zum Angriff.

Auf einen Schlag stürmten dreitausend zottige Paviane brüllend und bellend in das Dorf. Zu Tode erschrocken stürzten die Krieger aus ihren Hütten, Mütter mit ihren Kindern an der Hand und die Kleinsten auf dem Arm stoben von wildem Grauen gepackt durch das Tor auf der entgegengesetzten Seite davon und suchten ihr Heil in der Flucht. Kovudoo hatte noch genug Geistesgegenwart, die Krieger mit gellendem Kommando und ein paar kühnen Worten zur Besinnung zu bringen und sie in einem speergespickten Wall wenigstens zur Deckung des Rückzugs der hilflosen Weiber und Kinder um sich zu sammeln.

Korak war, wie auf dem Anmarsch, so auch jetzt der Führer. Unsagbare Bestürzung bemächtigte sich der Schwarzen, als sie nun gar noch diesen weißen Teufel an der Spitze des anstürmenden Pavianheeres gewahrten. Einen Augenblick hielten sie zwar noch stand und schleuderten ihre Speere blindlings den Eindringlingen entgegen, doch dann wandten sie sich und rasten in wilder Flucht davon, ehe sie auch nur einen Pfeil auf den Bogen gebracht hatten. Allein die Paviane ließen nicht mit sich spaßen. Sie stürzten ihnen nach. Allen voran aber jagte Korak, der »Töter«, wildgewaltig und voll Erbitterung. Doch am Dorftor schwenkte Korak ab und überließ die Verfolgung seinen Verbündeten, die unentwegt weiterstürmten. Der große Augenblick war nahe, und mit pochendem Herzen wandte er sich rasch nach der Hütte, in der Meriem neulich gefangen gehalten worden war. Sie war leer. Eine nach der anderen durchsuchte er in immer wachsender Unruhe, doch jedesmal gähnte ihm dieselbe grausame Leere entgegen. Meriem war nicht zu finden, sie war nicht mehr im Dorfe. Auch die Schwarzen hatten sie bestimmt nicht mitgeschleppt, denn er hatte vorhin ganz genau Ausschau gehalten und sie nicht unter den Flüchtenden entdeckt.

Der Affenmensch kannte die Neigungen und Schwächen der Wilden viel zu genau, um sich über den wahren Sachverhalt mit allerhand Beschönigungen hinwegzutäuschen. Es gab nur eine Erklärung: Man hatte Meriem getötet und buchstäblich aufgefressen. Der Gedanke an dieses schreckliche Ende seiner Meriem wirkte schlimmer auf ihn als das rote Tuch auf einen Kampfstier in der Arena.

Er hörte aus der Ferne das Schreien und Bellen der Paviane, vermischt mit dem Gekreisch ihrer Opfer. Dahin, ja dahin mußte er auf der Stelle. Als er den Kampfplatz einigermaßen überblickte, sah er, daß die Paviane nicht mehr ganz auf der Höhe waren oder wenigstens erst einmal verschnaufen mußten. Die kampffähig gebliebenen Schwarzen hatten sich zusammengerottet und suchten mit ihren Knütteln die wenigen Paviane, die noch immer hartnäckig anliefen, zu verjagen. Und auf dieses kleine Häuflein stürzte sich Korak in tollkühnem Sprung hoch vom schwankenden Ast herab. Wie der Blitz sauste er hernieder. Er schien von allen bösen Geistern besessen und gewillt, mit diesen Kannibalen eines Kovudoo kurzen Prozeß zu machen. Wie ein verwundeter Löwe sprang er bald hierhin, bald dahin, seine Fäuste hieben nach links und nach rechts und teilten Schläge aus. Es war unvermeidlich, daß dieser wuchtige Einsatz seiner eigenen Person an sich schon dem Kampfe die entscheidende Wendung geben mußte. Allein die abergläubische Furcht der schwarzen Gegner blieb auch nicht ohne Einfluß. Für sie war dieser weiße Krieger, der Schulter an Schulter mit den großen Menschenaffen und mit diesen Pavianbestien kämpfte, ja, der wie ein Raubtier knurrte, brüllte, biß und sprang, kein Mensch mehr. Nein, das konnte nur ein Teufelsgeist aus den Tiefen der Dschungel sein, ein furchtbarer Waldgott, den sie beleidigt hatten, und der nun aus seinen Urwaldgründen über sie hereingebrochen war. Und eben deshalb leisteten auch die meisten nicht so zähen Widerstand, sie fühlten sich im Banne des göttlichen Wesens, dem ihre armseligen Menschenkräfte ohnehin nicht gewachsen sein konnten.

Wer konnte, suchte sich jetzt noch in wilder Flucht zu retten, und so war schließlich niemand mehr da. Korak beschloß, ein paar Minuten Atem zu holen, ehe er die Verfolgung von neuem aufnahm. Die Paviane schienen den Kampf satt zu haben, strömten im Umkreis zusammen und streckten sich erschöpft nieder.

Kovudoo sammelte seine zerstreuten Leute erst weit draußen in der Dschungel und stellte sogleich betrübende Verluste fest. Man war und blieb kopflos und untröstlich. Er hätte den Überlebenden sonst etwas bieten können: Sie ließen sich nicht dazu bewegen, länger in diesem Lande zu bleiben oder wenigstens vor der endgültigen Abwanderung noch einen Teil ihrer Habe aus dem Schreckensdorfe zu bergen. Alle bestanden vielmehr darauf, daß die Flucht unverzüglich fortzusetzen sei, bis man ganz und gar dem Bereich dieses Teufels entrückt wäre, der sie so oft und zuletzt so schwer heimgesucht hatte.

Korak ahnte freilich nicht, daß die Menschen, die er jetzt von Haus und Hof verjagt hatte, die einzigen gewesen waren, die ihm hätten auf Meriems Spur helfen können. Und doch hatte er sich hier selbst das schwache Band zerrissen, das bis zu seiner geliebten Dschungelgefährtin und deren gütigen Beschützern im Duar hinüberreichte; denn Meriem war kaum hundert Meilen von ihm entfernt, als dies tragische Urwaldschauspiel im Grunde so sehr zu ihrem und Koraks Ungunsten ausging.


 << zurück weiter >>