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III. Die Betrachtung der sechs Bedingtheiten

Die Betrachtung der sechs Bedingtheiten ist ohne systematischen Wert, ja sachlich deshalb bedenklich, weil Bedingen und Bedingtsein so rasch und unmerklich miteinander wechseln und das wesentlich Vorherrschende bisweilen kaum zu ermitteln ist, zumal in längstvergangenen Zeiten.

Allein diese Anordnung ist ein ganz geeignetes Gehäuse für eine Anzahl geschichtlicher Beobachtungen des verschiedensten Ranges und aus allen Zeiten, welche einen gewissen Wert der Betrachtung haben und doch sonst nicht unterzubringen wären. Sie ist – um ein anderes Bild zu brauchen – nur derjenige Stoß an das Wasserglas, der die Eiskristalle anschießen macht.

Die Geschichte ist ja überhaupt die unwissenschaftlichste aller Wissenschaften, nur daß sie viel Wissens würdiges überliefert. Scharfe Begriffsbestimmungen gehören in die Logik, aber nicht in sie, wo alles schwebend und in beständigen Übergängen und Mischungen existiert. Philosophische und historische Begriffe sind wesentlich verschiedener Art und verschiedenen Ursprungs; jene müssen so fest und geschlossen als möglich, diese so flüssig und offen als möglich gefaßt werden.

So mag denn gerade die systematische Harmlosigkeit diese Anordnung empfehlen. Gewährt doch der rasche Übergang von Zeit resp. Volk zu anderen Zeiten und Völkern wirkliche Parallelen, was die chronologisch verfahrende Geschichtsphilosophie nicht gewährt. Diese legt mehr Gewicht auf die Gegensätze zwischen den aufeinandergefolgten Zeiten und Völkern, wir mehr auf die Identitäten und Verwandtschaften; dort handelt es sich mehr um das Anderswerden, hier um das Ähnlichsein.

Weit auseinander entlegen zeigt sich dasselbe Phänomen bisweilen in befremdlich genauer Wiederholung wenigstens dem Kerne nach, wenn auch unter sehr verschiedenem Kostüm.

Gar nichts hat je nicht bedingt existiert oder bloß bedingend, und gleichzeitig herrscht in einer Beziehung das eine, in anderer Beziehung das andere vor und bestimmt das Leben; es handelt sich überall um ein bloßes a postiori, um das jedesmalige Vorherrschende.

Scheinbar die zweckmäßigste Anordnung wäre: 1. Kultur, bedingt von Staat, 2. Staat, bedingt von Kultur, 3. Kultur, bedingt von Religion, 4. Religion, bedingt von Kultur, 5. Staat, bedingt von Religion, 6. Religion, bedingt von Staat – wobei der Vorteil wäre, daß jedesmal die Sache ihren Umschlag in den Gegensatz mit sich hätte.

Allein größere Vorteile bietet diejenige Anordnung, welche je die beiden Bedingtheiten einer Potenz zusammenstellt, beginnend mit denjenigen der Kultur, worauf die des Staates und endlich die der Religion folgen. Es ist ein mehr chronologisches Verfahren, wobei – obwohl hierauf kein Gewicht zu legen ist – wenigstens en bloc das Frühere an den Anfang und das Spätere ans Ende kommt.

Gerne begnügen wir uns dabei mit der einfachen Versetzung und lassen das gleichzeitige doppelte Bedingtsein von X durch Y und Z aus dem Spiel. Wiederholungen aber sind bei unserem Thema – die Anordnung mag sein, welche sie will – unvermeidlich.


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