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Vorwort

Trotzdem Jacob Burckhardt im Jahre 1872, nach dem Rücktritt Leopold Rankes, die Nachfolgerschaft auf dem ersten Lehrstuhl der Geschichte in Deutschland angetragen worden, ist er seiner Universität und Vaterstadt treu geblieben. Hochschule und Heimatstadt! Denn sein Wirken in Basel blieb nicht auf geschichtliche und kunstgeschichtliche Vorlesungen beschränkt. Die Bürgerschaft war schon unter den akademischen Hörern Burckhardts immer stark vertreten. Er hat aber außerdem während fünf Jahrzehnten aus innerm Bedürfnis Anlaß genommen, zu der gebildeten Basler Bevölkerung in den gegebenen, ungesuchten Formen und Veranstaltungen von dem zu sprechen, was ihm in Geschichte, Kunst und Literatur wesentlich und groß erschien. Er hat damit bei seinen Mitbürgern das Verständnis, die Freude und die Verantwortung für die Welt der Schönheit und der geistigen Güter geweckt und gehegt, der er selbst sein Leben vorbehalten hatte. Aber was so umschrieben ist, nannte er in einfacher Weise: »Allgemeine Anregung zu geschichtlicher Betrachtung der Welt.«

Seine Tätigkeit an der Universität und in den öffentlichen Vorträgen hat er durchaus als Einheit betrachtet, ohne irgendwelchen Unterschied in Stoff, Form und Auffassung zu machen. Es war für ihn ein und dasselbe Amt, und er hat nach seinen eigenen Worten »dies Amt in seinem ganzen Umfange stets hochgehalten und daneben auf literarische Erfolge von Herzen gerne verzichtet.« Mit Burckhardt ist über diesen Verzicht nicht zu rechten. Doch das geistige Basel von 1860-1890 ist sich der reichen Humanität bewußt, die es seinem Geiste dankt, und Staunen und Dankbarkeit ist bei all denen heute noch nicht entschwunden, die den unvergänglichen Zauber von Burckhardts Wort, Kunst und Gesinnung in seinen Vorträgen erfahren durften.

Wie Nietzsche über Burckhardts Vorlesungen und Vorträge geurteilt hat, ist bekannt. Und derjenige, der in der Geistesgeschichte Basels und des deutschen Sprachgebietes aus manchen Gründen neben den beiden genannt wird, Carl Spitteler, hat aus eigenem Erlebnis vor einigen Jahren das Urteil Nietzsches in besonderer Beziehung auf die Vorträge bestätigt und ausgeführt: »Sollten Burckhardts öffentliche und Universitätsvorträge wirklich nicht veröffentlicht sein« fragt er in seinen Erinnerungen an Burckhardt (»Jakob Burckhardt und der Student«, Neue Zürcher Zeitung 1912, Nr. 184/6, 191/3), »dann erlaube ich mir, daran zu erinnern, daß es sich bei Burckhardts Vorträgen nicht bloß um die Wissenschaft der Geschichte handelt, sondern um viel mehr und namentlich um etwas ganz anderes, viel höheres, ganz unvergleichliches. Um was, das zu erklären oder auch nur ahnen zu lassen, dazu wäre eine ganze Abhandlung nötig. Ich muß mich hier mit dem Bekenntnis begnügen, daß ich den Verlust der kleinsten beiläufigen Seitenbemerkung Burckhardts für einen unersetzlichen Verlust halte.«

Die Wertschätzung nur dieser zwei Großen schon erweckt die Ahnung, daß es sich bei Burckhardts Vorträgen um etwas Hohes und Schönes, ja nach Form und Gehalt Dauerndes gehandelt hat und daß mit deren Veröffentlichung ein Schatz gehoben werden könne.

Die Historische und Antiquarische Gesellschaft zu Basel hat es deshalb als nobile officium betrachtet, den hundertsten Geburtstag Burckhardts in der Weise dauernd zu ehren, daß sie aus dessen Nachlaß einen Teil seiner Vorträge veröffentlicht, damit sie von neuem zeugen mögen von der Schönheit und Weite des Burckhardtschen Geistes. Die Gesellschaft erfüllt damit ihm gegenüber ihre besondere Dankbarkeit. Denn Burckhardt war während mehr als fünf Jahrzehnten Mitglied der erst getrennten und später zu einer einzigen vereinigten Gesellschaften, hat deren Sitzungen seit 1843 bis 1892 mit Vorträgen geschichtlichen und kunstgeschichtlichen Inhalts bereichert, dort die einen und die andern Kapitel seiner großen Werke zuerst vorgetragen, hat den Gesellschaftspublikationen Erstlingsschriften anvertraut, und als er sich 1887 von den öffentlichen Vorträgen zurückzog, noch während vier Jahren neun Mal die Gelegenheit willkommen geheißen, vor ihr zu sprechen. Seine Tätigkeit im Rahmen der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft hat er am 15. Dezember 1892 mit einem Vortrag über »Die Marienkrönung in der bildenden Kunst« beschlossen. Aber die Gesellschaft schuldet nicht nur für diese Vorträge und für die an Vorträge Dritter sich anschließenden glänzenden Improvisationen Burckhardts ihren nachhaltigen Dank. Sie fühlt sich ihm auch deshalb verpflichtet, weil gerade seine tätige Mitgliedschaft der Gesellschaft starke Sympathien in der Stadt erworben und seine Anregungen eine ganze Anzahl Historiker für seine hohe Auffassung der geschichtlichen Welt und die lebendige Mitarbeit an der Geschichtsforschung für immer gewonnen haben. Der Dank der Gesellschaft soll daher Ausdruck und Denkmal in dieser Veröffentlichung finden.

Wenn nicht Burckhardts Werke heute schon der ganzen gebildeten Welt angehörten, so möchte man diese Vorträge vorerst als eine Erinnerung für seine Basler Mitbürger auffassen. Aber sie sind doch ihrem ganzen Wesen nach so losgelöst vom Basler Boden, sind so universal nach ihrer Stoffauswahl, und ihre Form nimmt so stark an einer künstlerischen Allgemeingültigkeit Teil, daß sie sich ohne weiteres an einen Leserkreis wenden dürfen, den keine lokalen Grenzen bannen.

Jacob Burckhardt hat seine Vorträge an verschiedenen Orten, bei verschiedenen Gelegenheiten, doch wesentlich im Rahmen folgender Veranstaltungen und Gesellschaften gehalten: als akademische Vorlesung in der Universitätsaula im Basler Museum, als Teil eines regelmäßigen Winterzyklus von Vorträgen, veranstaltet von der Universität; als öffentlichen populären Vortrag im Bernoullianum; im Schoße der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft; schließlich gelegentlich im Verein junger Kaufleute. Seinen Aulavorträgen sind öffentliche geschichtliche, kunstgeschichtliche und literarische Vorträge vorausgegangen als Burckhardts eigene Veranstaltung und im Auftrage der akademischen Gesellschaft. Als Burckhardt in Zürich tätig war, hat er sich an den Vorträgen der Antiquarischen Gesellschaft und an den akademisch gehaltenen Rathausvorträgen beteiligt. Ueberdies stammen von ihm einige Gelegenheitsreden, wie die Rede an Schillers hundertjährigem Geburtstag, die Reden über »Dio Chrysostomus« und »Ueber das wissenschaftliche Verdienst der Griechen.«

Die Niederschriften der Vorträge finden sich, soweit deren erhalten sind, im Jacob Burckhardt-Archiv, das dem Staatsarchiv des Kantons Basel anvertraut ist. Sie waren entweder als solche überliefert oder von Burckhardt selbst seinen Vorlesungen eingeordnet worden. Von den etwa 170 nachweisbar gehaltenen Vorträgen sind zu Dreiviertel die Manuskripte erhalten. Davon ist jedoch der Großteil nur in mehr oder weniger ausführlichen Skizzen oder Uebersichtsblättern als letzte Form der Aufzeichnung überliefert, so daß im Hinblick auf die Vollendung der Ueberlieferung nur etwa fünfunddreißig Vorträge zur Auswahl und Veröffentlichung in Betracht fielen. Ueberdies hat eine ganze Reihe von Vorträgen ausführlichen Referaten gerufen, die zum Teil so vorzüglich und getreu sind, daß sich die Frage öfters erhoben hat, ob sie nicht in die Reihe der Vorträge aufgenommen werden sollten. Die Auswahl des Herausgebers hat sich schließlich auf 24 beschränkt. Maßgebend hiefür war einmal die äußere Ueberlieferung: relativ vollständiger, höchstens partienweise skizzierter Text, der gegebenenfalls durch ein Zeitungsreferat geprüft und ergänzt werden konnte. Weiterhin entschied dann die Schönheit der Form und die Bedeutung des Themas im allgemeinen wie in Hinsicht auf das besondere geschichtliche oder kunsthistorische Urteil Burckhardts. So wollen die Vorträge über Napoleon und Rembrandt durchaus und in erster Linie als Zeugnisse über den Verfasser gelten. Keineswegs konnte bei der Auswahl der Vorträge das Kriterium der Wissenschaftlichkeit an erster Stelle stehen, da Burckhardt selbst seine Vorträge nicht mit dem Anspruch auf höchste Wissenschaftlichkeit gehalten hat: »Sie haben nur«, das war seine Absicht, »jedesmal ihre Stunde ausfüllen sollen.« Schließlich konnte der Herausgeber auf die Aufnahme des einen und des andern Vortrages verzichten, wenn dessen Gehalt schon in irgend einer und zwar vollendeteren Form in eines der veröffentlichten Werke Burckhardts übergegangen war.

Das dergestalt Ausgewählte ist, abgesehen von den drei Gelegenheitsreden und einem Zürcher Rathausvortrag, durchweg als akademische Vorlesung in der Aula des Museums gehalten worden. Die Auswahl der Vorträge nach dem Lokal beruht nicht auf der Willkür des Herausgebers. Diese Beschränkung ergab sich von selbst.

Die öffentlichen akademischen Vorlesungen sind eine Veranstaltung der Universität. Sie wurden im Jahre 1856 zum Zwecke eingeführt, zwischen der Universität und der gebildeten Bürgerschaft stärkere geistige Beziehungen und Berührungsmöglichkeiten zu schaffen. Sie waren bis zum Jahre 1878 unentgeltlich; 1879 ist die Unentgeltlichkeit aufgehoben worden in der Absicht, der Universitäts-Bibliothek mehr Mittel zur Verfügung stellen zu können.

In den Dienst dieser doppelten Sache, die so ganz eigentlich seiner Auffassung vom Berufe eines akademischen Lehrers entsprach, hat sich Jacob Burckhardt seit dem Winter 1858/9 gestellt, hat treu bei ihr ausgeharrt, zwei bis vier Mal jeden Winter gesprochen, bis ihn das Alter im Jahre 1887 zum Verzicht nötigte. Der Vortrag über die Briefe der Madame de Sévigné, in dem die Persönlichkeit Burckhardts besonders stark hindurchschimmert, war sein Abschied vom Basler Publikum.

Die Erklärung, warum besonders die akademischen Vorlesungen Burckhardts in besonders gut gearbeitetem Manuskript überliefert sind, ist leicht zu geben. In den Vorträgen mehr populärer Art, oder, was für Burckhardt zutreffender ist, in der äußerlich weniger feierlichen und weniger anspruchsvollen Stätte des Bernoullianums durfte sich Burckhardt in stärkerem Maße seiner epischen Begabung und der Improvisation überlassen als etwa in der Aula, weil hier von vorneherein eine geistige Auslese des Basler Publikums zu erwarten war, wiewohl dasselbe sich größtenteils auch in Burckhardts Bernoullianumsvorträgen eingefunden hat. Denn Burckhardts Geist hat auch das Bernoullianum zur Aula gemacht. Die hier aber etwa gestattete Freiheit war in den akademischen Vorlesungen, im vornehmen, feierlichen Saal unwillkürlich nicht gegeben. Der Ort legte die sicherste Form und Beherrschung nahe. So mögen schon aus diesem einen Grund die Manuskripte der Aulavorträge ganz besonders sorgfältig ausgearbeitet worden sein, wiewohl sie nur als Grundlage zum Memorieren dienten.

Seit etwa dem Jahre 1881 mag ein anderer Anlaß für die Ausarbeitung des Manuskriptes mitgesprochen haben. Es steigert sich nämlich die Zahl der erhaltenen, ausgeführten Niederschriften bis zum Jahre 1887. Jacob Burckhardts »Briefe an einen Architekten« (Max Alioth), herausgegeben von Hans Trog, geben dafür hinreichenden Aufschluß. Wäre es nach dem Wunsche Burckhardts gegangen, so wäre er schon im Jahre 1881 gerne zum letzten Mal vor dem Publikum aufgetreten. So meint er gegenüber Alioth: »Die Sache wird bei wachsenden Jahren ganz unglaublich beschwerlich« (16. Februar 1881), und am 23. Dezember 1882 schreibt er: »Im Januar muß ich zweimal in der Aula auftreten, obschon mir jede Unterhaltung mit einem E. E. Publikum allgemach sehr fatal erscheint. Das taugt in meinem Alter gewiß nicht mehr. Es ist nicht die Mühe, was ich scheue, sondern das öffentliche Auftreten.« Und als dieser Winterzyklus 1882/3 vorbei war, da tat sich Burckhardt schon wieder die bestimmte Voraussicht auf: »Kläglicher Weise werde ich, wenn ich nächsten Winter noch lebe und gesund bin, statt nur zwei Mal, vier Mal auftreten« (12. März 1883). Diese Vorlesungen wurden ihm eine Last, warfen einen Schatten auf ganze vorausgehende Wochen und riefen einen Widerwillen, den er den Leuten gar nicht zeigen durfte (17. Februar und 8. Oktober 1884). Dieses Mißbehagen entlockte ihm dann am 17. November 1886 das ironisch-wehmütige Geständnis: »Gealterte Schauspieler, welche um des lieben Brotes willen bei stets abnehmendem Erfolg doch noch auf die Szene müssen, genießen mein tiefgefühltes Mitleid, da ich mich so ziemlich an ihre Stelle versetzen kann.« Endlich im Winter 1887 ist er »der heillosen Präokkupation, welche dieses Genre von Tätigkeit begleitet«, los geworden (16. November 1887). Der hohe Ernst für die Sache, die Achtung vor seinen Zuhörern ließ aber nicht zu, daß diese sich steigernde Präokkupation irgendwelche Spuren in seinen Vorträgen hinterlassen hätte.

Was Burckhardt ausgesprochenermaßen bewogen hat, auszuharren, das war die Rücksicht darauf, daß die Einnahmen aus den Vorträgen der Universitäts-Bibliothek vorbehalten waren. So äußert er sich zu Alioth am 23. Dezember 1882: »Weil aber die Einnahme des Kurses unserer armen öffentlichen Bibliothek zufällt, kann ich mich nicht entziehen.« Und im Winter 1883/4 will er weiter fahren, »weil mich eine Ehrenpflicht an die öffentliche Bibliothek zwingt« (12. März 1883). Solchem Verantwortungsgefühl gegenüber dem mächtigen Basler Depositum des Wissens verdanken wir also vornehmlich die Vorträge der achtziger Jahre, einen Ersatz seiner nicht geschriebenen Werke.

In jener Begründung liegt mittelbar auch die Bestätigung ausgesprochen, daß der Name Burckhardts aufs engste mit den Aulavorträgen verwachsen war, und sein Erscheinen – er hat öfter gesprochen als jeder andere akademische Redner – die beste Empfehlung und Zugkraft für deren Besuch bildete. Daß dieser sich bei ihm bis zuletzt höchst zahlreich einstellte, mag ihm trotz der eigenen Bedenken als Beweis seiner ungebrochenen geistigen und darstellenden Kraft gegolten haben.

Burckhardt hat in seinen Vorträgen über politische, Kultur-, Kunst- und Literaturgeschichte gesprochen, also weite Gebiete der Geisteswissenschaften in universaler Weise behandelt. Davon gibt das am Schlusse folgende Verzeichnis seiner Vorträge einen erstaunlichen Begriff. Es läßt sich füglich fragen, ob es einen Zeitgenossen gegeben hat, der mit solcher Zuständigkeit und lebendigster Vertrautheit über Menschen und Dinge der Vergangenheit in solch vollendeter Form geredet hat.

Die ehemaligen Zuhörer Burckhardts sind darin einig, daß von seinen Vorträgen ein unerhörter Zauber ausging. Verschiedenes wirkte da zusammen. Vorweg schöpfte Burckhardt aus dem Vollen, aus einer langjährigen Vertrautheit mit den Dingen, die ihn in einer gesteigerten Stunde beschäftigen sollten. Und der erwählte Gegenstand war ihm nie, weder im Guten noch im Bösen, gleichgültig. Ueberall sprach schon seine eigene, so reiche Persönlichkeit mit. Die Art aber, wie Burckhardt einen Vorwurf gestaltete, war durchaus künstlerisch; darum ergab sich immer ein organisches Werk, zwanglos, scheinbar ohne Mühe und Absicht. Der Eindruck des Leichten mag daher stammen, daß Burckhardt einen Vortrag eigentlich nie an einem formulierten zwingenden Gedanken entwickelte, sondern im Grunde Bilder an Bilder, Vorstellungen an Vorstellungen reihte, die aus dem Gedanken ein Bild machten und dem Bilde Geist gaben. Dazu eignete ihm eine angeborene Kunst der Erzählung, die Meisterschaft in der knappen Charakteristik, die ständige Bereitschaft des Wortes, die Bildhaftigkeit des Ausdruckes, alles vereint durch eine ausgesprochen plastische Begabung.

Die Rede floß frei und ungebrochen dahin, mit nicht zu lauter, doch sonorer Stimme, im ganzen von gleichmäßiger Tonhöhe, innerhalb deren aber alle Schattierungen des Gefühls und des Gedankens möglich waren und angewandt wurden: Sympathie und Antipathie, Bewunderung, Satire und Ironie, Schmerz, Mitleid, leise Bewegung. Und alles beherrscht und durchtränkt von einer wahrhaft großen und humanen Persönlichkeit. Zu alledem kam das anspruchslose, doch eines gewissen Stiles nicht entbehrende Auftreten des Redners, in einem nicht zu hell erleuchteten, feierlichen Saal, der ohnehin schon den Hörern eine gewisse Zurückhaltung auferlegte, die dann das Wort Burckhardts vollends bannte. Eine respektvolle Stille hielt die vom Redner klug bemessene Stunde über an, eine Stille, die niemand, auch nicht lauter Beifall zu stören wagte. Aber trotz aller starken Hingabe an den Gegenstand des Abends durch den Vortragenden und trotz der willigen Hingabe der Hörer an den Vortrag hat es Burckhardt immer verstanden, das Publikum in Distanz zu halten.

Alles vereinigt, verstehen wir es, wenn der Biograph Burckhardts, Hans Trog, die Wirkung der Vorträge dahin zusammenfaßt: »Mit seinen öffentlichen Vorträgen hat sich Burckhardt im buchstäblichen Sinne des Wortes in die Herzen des ganzen, für geistige Dinge sich interessierenden Basler Publikums hineingesprochen.«

Burckhardt hat seine Vortragstätigkeit sehr ernst genommen. Die angezogenen Briefstellen bestätigen es. Es ging den einzelnen Vorträgen immer eine ebenso umfassende wie sorgfältige Vorbereitung voraus: Quellenstudium, Gruppierung des Stoffes unter bestimmte Gesichtspunkte, Disposition des Vortrages auf Uebersichtsblättern, die entweder selbst schon als Grundlage des Memorierens dienten, oder denen gar eine volle Niederschrift des Vortrages vorausging, die der ohne irgendwelche Notizen gehaltenen Rede als Vorbereitung diente. In seinem freien, prächtigen Vortrage war dann freilich von dieser Mühe nichts mehr zu merken, das Kunstwerk stand da wie aus einem Guß, und nur ein bewußt hörendes Ohr und suchendes Auge vermochte noch die stillen rhetorischen Berechnungen zu erkennen, die Burckhardt nicht ganz fremd waren.

Welch ernste Angelegenheit ihm die Vorträge waren, verrät ein bezeichnender Zug. Die meisten seiner Vortragsmanuskripte tragen über dem Eingang drei Sternchen * * *. Sie hatten, wie aus einzelnen Manuskripten hervorgeht, einen Sinn, der auch der Wunsch dieser Veröffentlichung sei:

Quod bonum felix faustumque sit.

Ueber die Editionsgrundsätze ist nur zu sagen, daß der Wortlaut der Manuskripte peinlich geschont worden ist; wo wegen der Skizzierung einzelner Partien Wortergänzungen nötig geworden, haben sie sich auf das allernotwendigste beschränkt. Im allgemeinen, doch nicht ganz ohne Ausnahme, hat der Herausgeber auf die Berichtigung von Daten und materiellen Angaben, soweit diese durch die Auflösung von Galerien oder durch die neuere Forschung geboten gewesen wäre, verzichtet. Der wissenschaftlich Interessierte weiß sich ja nötigenfalls zu helfen, und wer sich nur dem Genuß der Vorträge hingibt, den bekümmert ein etwa möglicher Irrtum oder eine wissenschaftliche Ueberholung Burckhardts im einzelnen nicht groß. Alles wesentliche über die textkritische Ueberlieferung und Behandlung der einzelnen Vorträge findet man in den Einleitungen zu den einzelnen Vorträgen. Die Anmerkungen selbst geben fast ausschließlich eigene Notizen Burckhardts wieder. Sie durften nicht beiseite gelassen werden, wenn Burckhardts Vorträge auch für die Forschung in Betracht kommen sollten.

Zum Schluß hat der Herausgeber die angenehme Pflicht, denen seinen lebhaften Dank auszusprechen, die ihn irgendwie bei der Arbeit gefördert haben. Der Dank gilt vor allen Herrn Professor Dr. Felix Stähelin in Basel, der die Vorträge über griechische Geschichte und Kunst genauer textlicher Nachprüfung und Korrektur unterworfen hat, den Herren Professor Dr. F. Rintelen und Dr. R. Riggenbach in Basel, deren Rat der Herausgeber in verschiedenen Fragen einholen durfte, den Herren Redaktor Dr. F. Baur in Basel und Redaktor Dr. Hans Trog in Zürich, denen die ausgezeichneten Referate in der Allgemeinen Schweizer Zeitung zu verdanken sind, und die den Herausgeber durch mannigfache Auskunft verpflichtet haben. Herrn Dr. Hans Trog schuldet der Herausgeber besondern Dank für die gütig erteilte Erlaubnis, das von jenem zusammengestellte Verzeichnis der Vorträge im Basler Jahrbuch von 1898 am Schlusse abdrucken zu dürfen.

Basel, den 21. Mai 1918
E. Dürr



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