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Von den erzählenden Bildern, die bestimmte Momente des antiken Mythus darstellen, sind schon oben die wichtigsten näher erwähnt worden, und was hier folgt, sind allgemeinere Wahrnehmungen und Nachträge.
Die ganze Gattung war eine im Abendland allverständliche, allbegehrte und doch dabei je nach den Gegenden nicht gleichmäßig repräsentiert. Der reiche Holländer, wenn er etwa ein Bild größeren Maßstabes wünschte und sich mit den Mythologien seines Abraham Bloemart u. a. nicht mehr begnügen mochte, fand wohl ohne Zweifel einen Rubens wünschbar; in Spanien aber, wo die mythologische Malerei so sehr neben der kirchlichen im Rückstand war, gab die Krone das deutlichste Signal zugunsten des Rubens mit der Bestellung für Torre de la Parada wie einst mit den Bestellungen bei Tizian. Italien dagegen besaß, womit es schon seit der Frührenaissance begonnen, eine gewaltig ausgedehnte mythologische Malerei, die von jeher auch das Fresko in ihren Dienst gezogen und hauptsächlich damit auch eine reiche Ausmündung in alle dekorative Kunst gewonnen hatte. Mit dem Ende des 16. Jahrhunderts, mit den Carracci und dann mit ihren Schülern, erhob sich die Kunst, neu gekräftigt, auch in der Darstellung der Mythologie, und was sie hier geleistet hat, bildet ungefähr eine Parallele zu Rubens, am Ende aber kulminiert alles wie in einem Wettstreit zwischen diesem und Guido Reni. Ein Wollen und Vollbringen, wie es Rubens im »Raub der Leukippiden« offenbart, lag allerdings völlig außerhalb von Guidos Wesen, und z. B. in der Galerie von Wien treten dessen vier Jahreszeiten neben den vier Stromgöttern des Rubens in Leben und Farbe erstaunlich zurück. Es könnte aber doch eine Zeit im Anzuge sein, da man die gesetzliche Schönheit von Guidos Komposition und – in den gründlicher behandelten Bildern – den Adel seiner Formen wieder mehr würdigen und da sich die gebührende Achtung für die bolognesischen und andere Eklektiker überhaupt von neuem einstellen wird.
Für die mythologische Malerei war Rubens auch als Landschaftsdichter noch besonders ausgestattet, mag auch die Ausführung der betreffenden Teile oft dem Lucas van Uden und dem Jan Wildens angehören. Da er wichtige Mythologien des Tizian, die zugleich Landschaftsbilder sind (auch solche in königlich spanischem Besitz, wie die Schuld der Calisto und Diana mit Actäon) schon früher gesehen haben muß, wird wohl ein allgemeiner Eindruck nicht ausgeblieben sein: aus diesem Zusammenklang von naher und ferner Baumwelt, quellendem Gewässer, sanft bewölkten Lüften mit dem herrlichsten Nackten, auch mit Purpur und Linnen, ist wohl ein Echo auf Rubens übergegangen. Nun aber beginnt er sogleich mit Tizian zu wetteifern in einer Szene, die von dessen und seiner Nachfolger Händen in einer ganzen Anzahl von Exemplaren vorhanden ist: dem Abschied des Adonis von der Venus. Als Bild von kleinen Figuren in einer Breitlandschaft (Uffizien) wurde das Thema schon erwähnt, und hier, um anwesende Nymphen, Putten und eine herbeischwebende Erinnys oder Neidgöttin vermehrt, hat es die wahre Einsamkeit des Lebewohls nicht, wohl aber in einer ganz anderen Redaktion. (Eigenhändig: Ermitage, Wiederholungen und Kopien in Dresden, Haag u. a. a. O.) Hier bleibt Venus nicht sitzen wie bei Tizian und in dem Bilde der Uffizien, sondern sie ist aufgesprungen und hängt sich mit beiden Armen an den Nacken des Jägers, während Kupido – der einzige hier anwesende Putto – sich ebenfalls an denselben klammert, um ihn zurückzuhalten.
Woher aber hätte Rubens die Anregung zur Amazonenschlacht empfangen sollen? Er kannte weder die Reliefs von Phigalia und Halicarnaß noch griechische Vasen, sondern höchstens römische Sarkophage, dann hie und da ein Werk der Renaissance und schwerlich eines der Goldenen Zeit, denn auffallenderweise wird (unseres Wissens) das Thema hier weder in Bildern noch Fresken noch Teppichentwürfen erwähnt Was Giulio Romano im Palazzo del Tè zu Mantua (Camera di Faetonte) als Amazonenschlacht gemalt hatte, ließ den Rubens wohl völlig unberührt., und so wie es nun im Gemälde von München auf alle Zeiten erledigt ist, gehört es in Gedanken, Formen und Farben dem Rubens ganz und allein.
Seinen Olymp schildert uns der Meister in der Galerie des Luxembourg (Bild der »Regierung der Königin«), und hier ist er den Fresken ähnlichen Inhaltes von Giulio in der Sala dell' Olimpo des Palazzo di Corte und in der Sala de' Giganta des Palazzo del Te zu Mantua bei mäßigerem Aufwand unendlich überlegen. Venezianisch wohlgefällig ist die Verteilung und Vertiefung in die Wolken und der warme Strom des Lichtes, und aus der eigensten Art des Rubens stammt der unbefangene Reichtum an schönen Gestalten; der Apoll ist der in rasche Bewegung versetzte vatikanische, unter den weiblichen Köpfen aber soll der allerschönste eine Duchesse de Guémenée vorstellen, ohne daß bezeugt wäre, welcher er sei.
Von einem sehr berühmten Thema der Renaissance, dem »Urteil des Paris«, gibt es unter anderem eine dem Raffael zugeschriebene reiche Komposition in einem Stiche des Marcanton, wo der vortrefflich entwickelte Haupthergang, was den Eindruck betrifft, doch völlig übertönt wird durch mehrere andere göttliche Gruppen auf den Wolken, am Flußstrande und seitwärts gegen einen Wald, und diese Gestalten alle sehen sich kaum nach Paris um. Erst Rubens entdeckt die Stille des Ida, das Visionäre des Vorganges, mögen auch als heimliche Verräter Satyrn im Wipfel eines Baumes lauschen und Erls etwas entfernt auf einem Gewölke. Unterschiede zwischen dem früheren Exemplar von Dresden (um 1625) und dem völlig eigenhändigen und vereinfachten der National Gallery (um 1636) wurden schon oben erwähnt; dort saß Paris nur träumend, während Merkur für ihn den Göttinnen Anweisung gab, hier aber erhebt er selber den Apfel als Richter; ferner sind jetzt nicht nur entbehrliche Putten weggelassen, sondern auch die Göttinnen etwas mehr voneinander, d. h. dem Baumdunkel ist etwas mehr Wirkung gegönnt. In beiden Bildern ist von den Göttinnen Venus die mittlere, und da sie im Profil gegeben ist, kann nur sie durch Paris von vorn gesehen werden, und damit ist auch ihr Sieg entschieden; alle drei aber, wenigstens in dem späteren Bilde, gehören zum Vollkommensten im Nackten, was von Rubens erhalten ist. Auch die Farben ihrer Gewänder sind zu beachten: der Mantel der vom Rücken gesehenen Juno ist Purpur mit Pelz; das Gewand, welches die von vorn gesehene Minerva anziehen will oder ausgezogen hat, ist Linnen; dem Mantel der Venus aber ist ein tiefes Blau verliehen.
Eine große Anzahl weiterer Mythologien des Rubens ist durch alle Galerien zerstreut, und in denjenigen Verzeichnissen seiner Werke, welche nach den Gegenständen verfaßt sind, kommen fast alle Themata dieser Art vor, welche der Renaissance vertraut gewesen waren. Und wenn außerdem noch in italienischen Freskenzyklen und in fortlaufenden Dichterillustrationen (in Stich oder in Holzschnitt) endlos viel vorkam, so würde vielleicht Rubens auch hier mit dem Gesamtschmuck von Torre de la Parada nicht allzu weit zurückstehen. Doch kommt es ja nicht auf die möglichst große Zahl der Darstellungen an, auch nicht auf die Priorität für diese oder jene Szene, sondern auf die ewige frische Originalität in Auffassung und Darstellung, welche wir bei Rubens überall anzutreffen gewohnt sind. Ist es zugleich sachlich etwas Neues oder Ungewohntes, desto erwünschter. Wir entsinnen uns nicht, bei einem Früheren den Moment gemalt gefunden zu haben, da die drei Töchter des Kekrops im Korbe das Kind Erichthonios entdecken, wie im Rubens der Galerie Liechtenstein. Darein aber muß man sich beim Bekannten und beim Unbekannten schicken, daß er nirgends im strengen Geist des klassischen Altertums zu erzählen, zu zeichnen und zu malen begehrt, sondern vor allem eine lebendige Erscheinung herzaubert, wie sie ihm und jetzt gemäß ist, und so kann es kommen, daß er auch Züge einfließen läßt, welche uns wie subjektive Heiterkeit erscheinen. Dahin gehört etwa (Galerie von Madrid) Juno, welche den Pfauenwagen und das Gefolge auf den Wolken warten läßt und den kleinen Herkules säugt, und jenes Werkstattbild (München), wo die bösen lykischen Bauern in Gegenwart der Latona sichtbarlich in Frösche verwandelt werden. In den reicheren Erzählungen bei Ovid liegt mancher schöne und edle mythische Anblick vorgedeutet, nur der Moment der Verwandlung selbst, in was es auch sei, kann durch die augenblickliche Mischung der Formen den Maler (welcher ja auch soll Mutatas dicere formas) leicht auf den Ausweg des Komischen hinausführen. Rubens aber kannte hier auch das Grauenvolle: in dem großen »Sturz der bösen Engel« (München) sind dieselben völlig menschliche Gestalten, deren Gesichter eben ins Tierische übergehen; sie waren schön und werden nun eben sichtbar gräßlich.