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XIII.

Das erzählende Kniestück biblischer und weltlicher Art konnte insofern nicht die Gattung des Rubens sein, als seine besondere Macht, die Bewegung, wesentlich an der vollständigen Entwicklung der Leiblichkeit hängt. An Vorbildern, zumal venezianischen, hätte es ihm jedenfalls nicht gefehlt, und auch von Caravaggio muß er unbedingt Kniestücke gekannt haben, ja sein »Zinsgroschen« trifft mit einer dem Caravaggio zugeschriebenen Komposition nahe zusammen. Es ist schon an sich eine der meist geeigneten Aufgaben für das Kniestück: die Vorweisung einer Münze, ein Gespräch und dessen Reflex in den Zügen der Anwesenden, ja man darf behaupten, daß der so völlig ruhige, fast nur physiognomische Moment die Darstellung in vollständigen Figuren sogar ausschloß. Wir urteilen nach einer der vielen Kopien (Louvre), ohne sagen zu können, wo sich jetzt das eigenhändige Werk befindet, und schon hier ist die ganze Kunst und Weisheit des Rubens offenbar in der so einfach schönen Darstellung des Herganges mit Christus in vollem Lichte, und wir dürfen schließen, daß das Original auch in Bildung und Gebärde der Hände, auf die ja hier so vieles ankommt, ein Wunderwerk sein kann. Aus einer ähnlichen malerischen Inspiration, aber einer erhabeneren Welt, stammt eine »Verleihung des Amtes der Schlüssel« durch den verklärten, halbnackt gegebenen Christus (Stich). Von dem Christus mit der Ehebrecherin, jener von allen berühmten Venezianern gemalten Szene, soll es in England drei Darstellungen des Rubens geben, vermutlich ebenfalls in Kniefiguren. Noch einmal, wenngleich nicht eigentlich ein erzählendes Bild, muß hier auch der Christus mit den vier großen Sündern (Pinakothek von München) genannt werden, wegen der offenbaren Verwandtschaft in der malerischen Wirkungsweise. Sehr richtig empfand dagegen Rubens, daß ein großer Augenblick, wie derjenige in der Herberge von Emmaus, der damals öfter als Kniestück gemalt wurde, ganze Figuren verlange, sobald die innere Bewegung der Jünger zur vollständigen Äußerung durchdringen solle, und in seiner Komposition (dem bereits erwähnten Stich) lebt die volle Schönheit und Macht seines Gefühls. – Bilder, wie der Christ à la paille und der »Ungläubige Thomas« (beide im Museum von Antwerpen), für Grabdenkmäler bestimmt, hatten schon einen sehr mäßigen Umfang innezuhalten, während für Vollständigkeit des Ausdruckes doch die Lebensgröße erwünscht war, auch ließ sich der Moment schon im Kniestück mit voller Kraft erledigen. Im Bilde des Thomas ist dieser von nur zwei anderen Jüngern begleitet, auch wird hier nicht die Seitenwunde des Christus berührt wie z. B. bei Guercino, der das Hineinschieben der Finger in dieselbe so wörtlich nimmt; es genügt schon die Wunde der linken Hand. (Joh. 20, 24 ff.)

Das weltliche Kniestück ersten Ranges ist dann der menschensuchende Diogenes, den wir freilich nur nach dem zweifelhaften Exemplar des Louvre beurteilen können. (Eigenhändige Skizze: Frankfurt, Städelsches Museum.) Das Gefolge des Philosophen sind drei Weiber: eine Mutter mit Kind, eine andere mit Fruchtkorb, und zwischen ihnen die bekannte lachende Mohrin; vor Diogenes und seiner Laterne macht sich alles davon, und zweie klettern an einer Säule empor; in der Mitte eine hübsche Frau, die es etwa will darauf ankommen lassen, ob Diogenes in ihr das Menschliche erkenne. Alles Passive ist meisterlich zusammengedrängt und der Weise frei gehalten, wie es Jordaens nicht vermocht haben würde, den man schon für den Urheber gehalten hat. Dafür überließ Rubens dem Jordaens (und dem Theodor Rombouts unter anderen) das große Genrebild in Kniefiguren wie in Halb- und Ganzfiguren; das beste aber, was daran ist, stammt doch von der Anregung durch Rubens her.

Bei den Bildern des bacchischen Kreises, von denen weiterhin zu reden sein wird, kam es darauf an, ob ein vollständiger Eindruck schon mit dem Kniestück zu geben war, und Darstellungen in ganzen Figuren hatten allerdings den Vorteil, daß Putten, Panisken, Jagdhunde usw. mitlaufen konnten. Zum Schönsten aber gehören doch einige Kniestücke, und bisweilen sind auch diese reich an Bewegung, wenn ein moresker Pan eine prächtige nackte Tamburinspielerin liebkosen will, während ein Bacchant, rasch voranschreitend, die Flöte bläst oder der trunkene Silen von mehr oder weniger treuen Genossen geführt wird. Hier kommt es nur darauf an, ob man noch imstande ist, auf die Heiterkeit des Rubens einzugehen und ob das betreffende Bild der Eigenhändigkeit wenigstens noch nahesteht.


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