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I.

Es ist ein höchst angenehmes Gefühl, sich Persönlichkeit und Lebenslauf des Rubens zu vergegenwärtigen; man trifft schon an so vielen Stellen auf Glück und Güte wie kaum bei einem anderen von den großen Meistern, und er ist genau genug bekannt, um ein sicheres Urteil zu ermöglichen. Im Bewußtsein seines eigenen, edlen und mächtigen Wesens muß er einer der höchst bevorzugten Sterblichen gewesen sein. Unzulänglich ist alles Irdische, und Prüfungen sind auch über ihn ergangen; allein das große Gesamtergebnis seines Lebens strahlt derart auf alles einzelne zurück, daß die Laufbahn wie eine völlig normale erscheint. Sie hat nicht frühe abgebrochen wie bei Masaccio, Giorgione und Raffael, und anderseits ist ihr das schwache Alter erspart geblieben, und einiges vom Allergrößten gehört gerade den letzten Jahren an. Wohl haben Fördernisse aller Art diese Laufbahn von früh an begleitet, allein nicht jeder hätte sie zu benützen, Menschen und Umstände sich dienlich zu machen gewußt, wie Rubens, wahrscheinlich in aller Ruhe, getan hat.

Geboren war er (1577, zu Siegen) von einer vortrefflichen Mutter, an welcher er auch in der Folge offenbar sehr gehangen hat. Seine früheste Erziehung, jedenfalls jahrelang in Köln, muß eine günstige und wesentlich in den Händen dieser Mutter gewesen sein; der Pagendienst zu Antwerpen im vierzehnten, der Eintritt in eine Künstlerwerkstatt um das fünfzehnte, vielleicht erst um das siebzehnte Jahr sind Tatsachen, deren Wirkung nicht genauer zu beurteilen ist. Seinen definitiven Lehrer Otto Venius lernt man persönlich kennen aus dem etwas stark angefüllten Familienbilde des Louvre, welches denselben, an der Staffelei sitzend, von den Seinigen umgeben, vorstellt; als Schüler Italiens, und zwar als einen Verehrer Correggios, bezeichnet ihn das wichtige Bild einer Vermählung der hl. Katharina in der Galerie von Brüssel; einen ernsten religiösen Sinn, aber zugleich eine gewisse Kraftlosigkeit der Formen und Charaktere offenbaren dann besonders die Bilder im Museum von Antwerpen (Berufung des Matthäus, Zacchäus auf dem Baume usw.). Auf den Schüler aber wird Otto Venius auch als der ernste, achtbare, feingesittete Mann, der er war, Eindruck gemacht haben.

Er war Hofmaler des Bezwingers der südlichen Niederlande, des Alessandro Farnese, gewesen und in der Folge in den Dienst desjenigen Fürstenpaares gekommen, welches hier die Statthalterschaft führte: der Infantin Isabella Clara Eugenia (Tochter Philipps II.) und des Erzherzogs Albert (Sohn Maximilians II.). Und nun liest es sich so einfach: wie Otto Venius den Schüler den »Erzherzogen« vorstellte und diese den glänzenden jungen Mann dem Herzog von Mantua, Vincenzo Gonzaga, empfahlen (1600). In den acht Jahren aber, welche seither Rubens im mantuanischen Dienste zubrachte, konnte er nicht nur mit Aufträgen des Herzogs sich in Italien umsehen – besonders in Venedig und Rom, bei wiederholten und wahrscheinlich frei verlängerten Aufenthalten –, sondern er hat sogar (1603) als Kavalier eine Sendung an den spanischen Hof begleitet. Wenn auch dieser in jenen Jahren zu Valladolid residierte, so hat Rubens gewiß schon die Malereien von Madrid und dem Eskorial vollständig sehen können, darunter Machtschöpfungen Tizians, wie sie Italien nicht besaß.

In diesen acht Jahren ist Rubens wenigstens soweit Italiener geworden, daß das Italienische auf Lebenszeit für ihn die bevorzugte Briefsprache blieb. In der Kunst aber, so unermeßlich er zugelernt haben muß, tritt er sofort als innerlich unabhängiger Meister auf und wird eine aktive Kraft in Italien weit über alle anderen damaligen Fiamminghi hinaus. Er setzt sich sofort mit allen anderen namhaften Malern zu Tische, als wäre selbstverständlich auch für ihn gedeckt, und malt dieselben Aufgaben wie sie. Er hätte ganz wohl im Süden bleiben und der dortige Malerkönig werden können, wenn man ihm das Leben gelassen hätte. Mit Ausnahme des Fresko hat er alle Gattungen gepflegt, welche dem damaligen Italien geläufig waren. Neben den für Herzog Vincenzo gemalten Kopien nach anderen Meistern schuf er Altarwerke, auch große und gewaltige, z. B. für S. Croce in Gerusalemme zu Rom, und dieses noch im Auftrag des Erzherzogs Albert; dann das noch in imposanten Resten vorhandene Dreieinigkeitsbild mit der Familie Gonzaga (Bibliothek zu Mantua); die drei Bilder des Hochaltares der Chiesa nuova in Rom, frühe Machterklärungen seines grandiosen Heiligentypus, samt einer ebenfalls für diese Kirche bestimmten, nach Grenoble gelangten Glorie Gregors des Großen; für S. Ambrogio in Genua eine kolossale Beschneidung – und schon (um 1606) empfing er hier auch eine Bestellung für ein Altarbild der Wundertaten des hl. Ignatius, von welchem bei Anlaß der viel späteren Nachlieferung von Antwerpen aus die Rede sein wird. In Mailand Wir folgen hier, ohne entscheiden zu wollen, einer vorherrschenden Ansicht; nach andern wäre dies Abendmahl erst in Antwerpen gemalt worden., wo er unter anderem das Abendmahl des Lionardo zeichnete, schuf er selber für einen Altar das jetzt in der Brera vorhandene Abendmahl in lebensgroßen Gestalten, welches nicht wie jenes das »Unus vestrum«, sondern die Einsetzung des Sakramentes, und zwar bereits mit der vollendeten Macht seiner Komposition, schildert. Den Einzeldarstellungen des S. Sebastian, in welchen längst ganz Italien wetteiferte, stellte er denjenigen schön zusammensinkenden Sterbenden zwischen Engeln entgegen, den man in der Galerie Corsini sieht, vor allem aber den großen, einsamen, leuchtkräftigen Heiligen des Museums von Berlin. Den in einer Schlucht knienden S. Hieronymus, ein »eigenhändiges Prachtwerk«, besitzt die Galerie von Dresden (wo sich dasselbe in so merkwürdiger Weise zusammenfindet mit dem S. Hieronymus des van Dyck, einem ebenfalls frühen Bilde dieses erlauchten Schülers aus der Zeit, da er seinem Meister am stärksten glich, und dieses Bild stammt sogar aus dem Besitz des Meisters). – In der Büßerandacht hat Rubens schon während des Aufenthaltes in Italien ein Höchstes erreicht, als er den betenden S. Franziscus (Pal. Pitti) schuf. Unter seinen damaligen Mythologien findet sich bereits (Uffizien, einfarbig) eine Gruppe der drei Grazien, welches Thema er später so glänzend in mehreren Bildern variiert hat, dann aber jenes so überaus anmutige Gemälde der Galerie des Kapitols: Romulus und Remus mit der Wölfin, wo die letzten Töne der Palette von Antwerpen Abschied zu nehmen scheinen, um einem völlig freien Reiche von Licht und Farbe und einer rein beglückenden neuen Phantasie Raum zu geben. Der Allegorik seiner Zeit huldigt Rubens einstweilen in jenen Gegenständen (Dresden) des von einer Viktoria gekrönten Helden und des trunkenen Herkules: »Dort der Held, der über Wollust und Trunkenheit gesiegt hat, hier der Held, welcher beiden erliegt«, und mit den späteren Varianten, zumal des ersteren Themas, werden wir uns noch weiter zu beschäftigen haben. Endlich aber hätte Rubens sehr leicht eine besondere große Machtstellung einnehmen können durch seine Porträts, mit denen er in Genua einen so glänzenden Anfang machte. Nachdem noch die Manieristenzeit viele und tüchtige Bildnismaler hervorgebracht hatte, waren die nunmehrigen berühmten Italiener von einem merkwürdigen idealistischen Hochmut gegen die ganze Porträtmalerei befangen, trotz dem ernsten und dauernden Wunsch der angesehensten Leute, sich dargestellt zu sehen, und wie später van Dyck und Sustermans, so war jetzt Rubens in die Lücke getreten.

Da aber überhaupt Malgeräte um ihn waren, wo er ging und stand, so hat auch das große europäische Reiterbildnis des 17. Jahrhunderts beginnen müssen bei jener ersten Reise des Rubens nach Spanien: er malte den Herzog von Lerma zu Roß, in einer Zeit, da vielleicht noch im ganzen Lande kein Maler lebte, der in dieser Gattung etwas Leidliches würde zustande gebracht haben. Außerdem entstand damals die Kopie nach Tizians Adam und Eva und die Reihe von Apostelköpfen, deren Kopien oder Wiederholungen man im Palazzo Rospigliosi zu Rom kennenlernt, und hier wenigstens konkurrierte Rubens in Charakter und Ausdruck mit einem sehr lebendigen Vermögen der spanischen Malerei.

Mantua jedoch, wohin er immer wieder zurückzukehren hatte, war vielleicht für ihn ein günstigeres Medium, als selbst Rom, Venedig oder Florenz gewesen sein würden, nicht erdrückend, aber weckend. Dort fand sich damals noch unberührt die weltberühmte Galerie des Hauses Gonzaga mit Hauptwerken der verschiedenen italienischen Schulen der goldenen Zeit; dort schaute noch frisch erhalten von Wänden und Gewölben des Palazzo di Corte und des Palazzo del Tè die Freskenwelt des Giulio Romano und seiner Gehilfen nieder, und in Gegenwart es phantasiereichen, schrankenlosen Schülers des Raffael mag Rubens darüber ins klare gekommen sein, wie weit seine Ziele und Mittel in der großen bewegten Erzählung von denjenigen des Giulio abwichen oder dereinst abweichen würden, denn noch hatte sich Rubens nach dieser Seite hin nicht geoffenbart. Immerhin war vielleicht Giulio – mit seiner enormen erzählenden Produktion weit über Mantua hinaus –, in allem genommen, sein wichtigster Vorgänger, und in seinen Schönheitsformen der Köpfe und der Leiber lebte noch Raffaelisches genug, um einen jüngeren fremden Meister irrezumachen. Allein eine innere Stimme mochte diesem schon deutlich sagen, daß er der reichere, der mächtigere, der Verwalter eines höheren Gleichgewichtes der Darstellung sein könne und werde. Diese materiell unerschöpfliche, künstlerisch so wenig gereinigte Erfindungsgabe des Giulio, dieser in monumentaler Malerei so besonders empfindliche Mangel an Ökonomie, diese gehäuften Figuren oft in ganz sichtbaren Parallelen, diese Wiederholungen in Körpermotiven und Gebärden, diese heftige und doch oft so hölzerne und gespreizte Bewegung, dies steife Sitzen und Lehnen, diese stillos gedrängten Wolkenschichten mit den Oberleibern von Gottheiten, ja auch das Konventionelle der olympischen und anderer Rossegespanne, so wild auch ihr Sprengen zu sein vorgibt – dies alles war Rubens gewiß von Anfang an zu beurteilen imstande, und schon das erste beste friesartig erzählende Fresko des Giulio verriet ihm dessen Gleichgültigkeit gegen alle reinere Harmonie.

Wie viele solche Abrechnungen mit der vergangenen italienischen Kunst mögen sich damals noch in seinem Innern vollzogen haben. So vor allem diejenige mit der Kunstwelt von Venedig, deren Kenntnis anderen damaligen Nordländern so wenig half. Von Tizian findet sich später bei Rubens kaum eine direkte, auf Sachen und Einzelformen bezügliche Reminiszenz, allein er hatte mit Tizians Augen sehen gelernt Von denjenigen Werken Tizians, die Rubens in Italien kennenlernte, möchte im ganzen die Madonna di casa Pesaro in den Frari zu Venedig den allergrößten Eindruck auf ihn gemacht haben. – Hier wird natürlich abgesehen von den späteren Kopien nach Tizian, wovon unten.. Die Werke des Tintoretto fand er noch in ihrer ganzen Masse vor und vielleicht viele davon noch ohne die Nachschwärzung in den Schatten, die sie jetzt teilweise ungenießbar macht; aber der unwahre zudringliche Zug und die Roheit vieler Kompositionen mögen ihm lästig erschienen sein. Weit die nächste Verwandtschaft hat er offenbar mit Paolo Veronese empfunden; hier näherten sich zwei Gemüter, und es hat schon Bilder gegeben, die zwischen beiden streitig sein konnten, wie z. B. eine nur kleine, aber reiche Anbetung der Könige, die der Verfasser in frühen kritiklosen Jahren gesehen und nie mehr ganz hat vergessen können.

Wenn dann Rubens nicht für den Herzog von Mantua, sondern für sich kopierte, in Farben oder in Zeichnung, geschah es auf die allerfreieste Weise und bisweilen so, als hätte er den vergangenen Meistern zu zeigen gewünscht, wie sie es eigentlich hätten anfangen sollen. Von den neun großen Bildern Mantegnas (damals in Mantua), die den Triumph Cäsars darstellen, wählte Rubens zwei Stücke und verschmolz sie zu einem ganzen (National Gallery); er setzte den Zug ins Sonnenlicht und gab ihm einen neuen Hintergrund von Ruinen und Landschaft mit einem ganzen Volk von Zuschauern; die Komposition aber mischte er mehrfach neu: den jugendlichen Kornak auf dem vordersten Elefanten machte er zu einem Mohren, und statt der mitgehenden Schafe vorn gab er einen Löwen und eine Löwin, die den Elefanten anknurren, wobei dieser zornig den Rüssel erhebt. Neben solchen Freiheiten wird man darüber zweifelhaft, wieweit seine berühmte Rotstiftzeichnung des »Kampfes um die Standarte« (Louvre) – unsere einzige Urkunde über jene Hauptgruppe aus Lionardos florentinischem Schlachtkarton – noch irgend genau zu nehmen sei. Über die Zwiesprache, die Rubens in der Sixtinischen Kapelle mit Michelangelo, zumal wegen des Weltgerichtes, geführt haben könnte, wird bei seiner Behandlung der »Letzten Dinge« zu reden sein. Den falschen Nachklang Michelangelos bei seinen Antwerpener Vorgängern hatte er schon vollständig überwunden.

Seine Zeitgenossen, die italienischen Maler, traf er in mächtiger Ausübung ihrer Kunst und mitten in einer großen Krisis an: dem Kampfe zwischen den weiterlebenden und zum Teil noch sehr hoch postierten Manieristen und den Eklektikern und Naturalisten. Von persönlichen Begegnungen erfährt man soviel als nichts, und wenn auch von den Carracci und ihrer eigentümlichen Verdolmetschung des Correggio unleugbar einiges auf Rubens übergegangen ist (eher als von ihrer Formenbehandlung), so wissen wir nicht einmal, ob er ihr damals in der Vollendung begriffenes römisches Hauptwerk, die Galeria Farnese, gesehen hat. Von Guido, dessen Lebenszeit (1575-1642) die seinige am Anfang und am Ende genau um zwei Jahre überragt, kannte er ohne Zweifel das große Fresko in der Cappella di S. Andrea bei S. Gregorio in Rom, mit dem Todesgang des Heiligen, während von all dem vielen, was jetzt für uns den Guido Reni kennzeichnet, ihm wenigstens in Italien noch nichts wird zu Gesichte gekommen sein, und ebenso verhält es sich mit Domenichino, von dem Rubens kaum mehr als das Fresko mit der Marter des hl. Andreas (ebendort) möchte gekannt haben.

Von ganz anderer Wucht war für ihn die Begegnung mit den Werken und dem Stil des Caravaggio (1569-1609), der in Rom schon die große Gärung gestiftet hatte, bevor Rubens hinkam, und nun während des ganzen italienischen Aufenthaltes des letzteren im Lande und auf den Inseln herumstrich, eine saturnische Natur:

– – – – – – Dir stieg der Jupiter
Hinab bei der Geburt, der helle Gott

während Rubens ganz gewiß zu den »hellgeborenen, heiteren Joviskindern« gehörte. Allein derselbe Rubens, der den Caravaggio vermutlich nie gesehen, hat sich zeitlebens und bei sehr entscheidenden Anlässen zur Hochachtung für ihn bekannt, und dies gehört sogar zu den merkwürdigsten Zügen seines Wesens. Seine kleine Kopie nach der berühmten (jetzt vatikanischen) Grabtragung des Caravaggio (Galerie Liechtenstein, ohne Zweifel in Rom gemalt) ändert zwar einige Farben in den Gewändern, möchte aber noch immer eine der genauesten Reproduktionen des Rubens nach fremdem Vorbilde sein. Und nun folgt, so bald nach der Heimkehr, die große Kreuzabnahme des Domes von Antwerpen, die wenigstens in den Kunstmitteln, schon in der Skala von bloßem Schwarzgrün, Schwarz, dumpfem Rot, hellem Weiß und Karnation auf dunkler Wolkennacht so deutlich an Caravaggio mahnt! Aber auch Seele und Ausdruck des mächtigen Lombarden sind hier dem Rubens nicht völlig fremd geblieben. Es lebt eine stille Verwandtschaft zwischen dieser Kreuzabnahme und dem großen Bilde des Caravaggio im Louvre: Die Apostel bei der Leiche der Maria, und Rubens kann dasselbe gesehen haben, sowohl als es noch auf einem Altar von Madonna della Scala in Rom stand, als auch nachdem es der Herzog von Mantua von dort gekauft hatte. Wer den Caravaggio nur von seinen wilden Seiten kennt, wird jeden Anklang dieser Art ablehnen, und ein strenger Beweis dafür ist natürlich nicht zu führen, allein es gibt weitere Proben der Sympathie. In der Galerie von Wien sieht man eines der mächtigsten Bilder Caravaggios, eine große reiche, stark bewegte Madonna del Rosario. Dieses wahrscheinlich für ein Dominikanerkloster in Italien bestimmt gewesene Werk war unter irgendwelchen uns unbekannten Umständen nach den Niederlanden gelangt und hier geschah nun das sonst Unerhörte, daß Maler einer Stadt sich zum Ankauf eines landesfremden Altargemäldes zusammentaten und dasselbe um 1800 Gulden erwarben, worauf sie es nach Sankt Paul in Antwerpen zu den dortigen Dominikanern stifteten, und dort ist es bis zum Ankauf unter Joseph II. geblieben. An der Spitze dieser Maler aber, neben Sammetbreughel, van Baalen, Coosemans u. a. m., stand Rubens, dem der Hauptantrieb zu diesem Entschluß ohne weiteres zuzuschreiben sein wird, und diesem Entschluß kann man eine gewisse Größe wohl nicht absprechen. So besaß nun die Andacht und die Kunst von Antwerpen an öffentlicher Stätte ein italienisches Werk, dem im Sinne jener Zeiten, die große Meisterhaftigkeit allgemein zuerkannt wurde, weniger wohl wegen der Madonna als wegen der grandiosen Heiligen Dominicus und Petrus Martyr, welche die vom andringenden Volk flehentlich begehrten Rosenkränze halten und auf die Mutter Gottes hinweisen. Oben geht schräg durch das Bild der bei Caravaggio auch sonst vorkommende große rote Vorhang, und nicht nur diesen hat Rubens öfter von ihm entlehnt, auch gewisse Züge der Anordnung in Gruppen scheinen hie und da bei ihm nachzuklingen. Und als er in seiner letzten Zeit für das von ihm verlangte Hochaltarbild von St. Peter in Köln die Kreuzigung des Apostels wählte, kehrte in ihm der frühe Eindruck wieder, den ein Hauptbild desselben Inhalts von Caravaggio wohl dreißig Jahre zuvor, im Besitz Giustiniani zu Rom, auf ihn gemacht hatte. (Letzteres Bild jetzt Ermitage, Petersburg.)

Auf die Rückkehr aus Italien (1609) folgte in Antwerpen zunächst tiefer Schmerz und längere Zurückgezogenheit; Rubens hatte die Mutter, um deren Krankheit willen er heimgeeilt war, nicht mehr lebend angetroffen. Sofort aber verketteten sich dann Glück und Verdienst, und er galt, was er wert war. Nicht von Protektionsstimmungen des Augenblickes, nicht vom Privatgeschmack der Reichen aus wurde er gehoben, sondern von mächtigen Korporationen aus ergingen an ihn die größten und feierlichsten Aufträge: diejenigen der Kreuzaufrichtung, der Kreuzabnahme, des majestätischen Altares des hl. Ildefons Laut neueren Forschungen wäre die wirkliche Ausführung oder wenigstens die Vollendung des Werkes erst beträchtlich später anzusetzen., und für den Ratssaal der Stadt Antwerpen malte er eine Anbetung der Könige, die unter all seinen Bildern dieses Inhaltes als das schönste gilt (Museum von Madrid). Die Erzherzoge, die ihn zum Hofmaler und Kämmerer ernannten, erließen ihm doch die Übersiedlung nach Brüssel, und nun fesselte sich der weit größte Herd der belgischen Malerei dauernd an Antwerpen. Sofort sammelten sich auch in großer Anzahl Schüler um ihn, und er erkannte die vorzüglichsten darunter und bildete daraus die unentbehrlichen Gehilfen. Gegen andere Kunstgenossen, die er alle so weit überschattete, hielt er das beste kollegiale Verhältnis inne, soweit ihm dieselben dies möglich machten. Der Reichtum, klug gehegt, begann sein Haus zu füllen; dazu kam eine glückliche Ehe mit Elisabeth Brant und anmutiger Kindersegen; eine neuerbaute, künstlerisch schöne Wohnung und reiche, schon von Italien her angesammelte Kunstschätze.

Es war die Stellung eines Königs, nur ohne Land und Leute, aber von großem gesellschaftlichem Glanz, und nun fehlte auch das Attentat, wenigstens die Absicht nicht: »Im Jahre 1622 suchte ein Mensch, der von einigen für irrsinnig gehalten wurde, den Rubens zu ermorden, so daß die Freunde des Meisters für nötig hielten, sich mit der Bitte um besondere Schutzmaßregeln an die Infantin zu wenden.« Von späteren Gefahren solcher Art, denen er in Italien schwerlich entgangen wäre, erfährt man nichts mehr.

Welchen Weg aber sowohl der inneren Entwicklung als der Macht nach außen, hatte Rubens innerhalb dieser Jahre schon zurückgelegt. Es war ein Ehrenziel frommer Stiftungen geworden, daß Hochaltäre, auch von Bettelordenskirchen und schon auch außerhalb von Antwerpen, einen leuchtenden Schmuck aus der Werkstatt des Rubens erhielten, und für die Jesuiten von Gent hatte er noch das furchtbare Martyrium des hl. Lievin und für Unser Frauen zu Mecheln den wunderbaren Fischzug ganz eigenhändig gemalt, sodann 1620 das Golgatha, das »Le coup de lance« heißt, mit van Dycks Hilfe für die Barfüßer von Antwerpen (im dortigen Museum). Für dieselbe Kirche entstand schon 1619 sein ergreifendstes Legendenbild: Die letzte Kommunion des hl. Franz; auf dem Hochaltar der Barfüßer von Brüssel aber prangte bereits seine erste große Himmelfahrt der Maria. Von Werkstatt und Kunstsammlung aus verbreitete sich ein Zauber bis in ferne Lande; bereitgehaltene Bilder des verschiedensten Inhaltes, auch teilweise Schülerwiederholungen, lockten die Kunstfreunde an, und schon 1616 unternahm Rubens für das ferne Neuburg an der Donau unter anderem das Große Jüngste Gericht und für Herzog Maximilian von Bayern die herrlichste von seinen Löwenjagden. (Beides in der Pinakothek zu München.) Auch die Teppichwirkerei jener Zeiten tat ihren größten Griff, indem sie ihn für ganze Zyklen mächtiger Kompositionen in ihren Dienst zog; für genuesische Edelleute entwarf er die sechs Geschichten des Decius, und schon 1618 befanden sich dieselben bei den Wirkern zu Brüssel in Arbeit. – Endlich läßt sich spätestens auf 1619 die Entstehung desjenigen Gemäldes feststellen, dem schon so manche den Vorzug vor allen Werken des Meisters überhaupt zuerkannt haben, weil es dessen wesentlichste Kräfte mit der herrlichsten Erscheinung verbunden zeigt: es ist die Perle der Pinakothek von München, die Amazonenschlacht.

Während aber mit dieser Tafel ein bewährter Hausfreund aus des Malers nächstem Umgang, van Geest, ein Werk erhielt, »wie kein Fürst ein solches von Rubens bekommen hat«, war das Zutrauen zu dessen unbedingter Schöpfungskraft schon nahe und ferne, man darf sagen, ins Fabelhafte gestiegen. Im damaligen Italien war es nichts Ungewohntes, daß die Ausmalung ganzer Kirchen des herrschenden Barockstiles, Gewölbe, Kuppeln, Wände, in Fresko, sogar samt der ganzen Dekoration, in irgendeinen großen Verding gegeben wurden; aber beträchtlich geht über dies hinaus der Vertrag, den Rubens am 20. März 1620 mit dem Jesuitenkollegium von Antwerpen abschloß. Er selber hatte schon beim Bau der betreffenden Kirche, Saint-Charles, Einfluß gehabt und bereits große Altargemälde für dieselbe übernommen und auch vollendet; jetzt verpflichtete er sich, zu 39 Gemälden des Gewölbes die Skizzen zu liefern und deren Ausführung durch seine Schüler zu leiten; dazu kamen 36 Gemälde an den Decken der Seitenschiffe und den darüber befindlichen Emporen Näheres, zum Teil hievon abweichend, in Waagen: Text zu dessen Rubens-Album, S. 16. Die drei großen, aus dem Brand geretteten Altarblätter, jetzt in der Galerie von Wien.. (Das meiste im vorigen Jahrhundert durch einen Brand zerstört und nur teilweise in Zeichnungen und Stichen erhalten.) – Im Jahre 1621 aber erschien Rubens in Paris bei der Königinwitwe Maria de' Medici und entwarf für einen großen Saal im Luxembourg die Skizzen zu einundzwanzig mächtigen Bildern, die in allegorisch-historischer Weise den Lebenslauf der Königin enthielten und bis 1625 zu Antwerpen in voller Größe ausgeführt wurden. Der Botschafter der Erzherzoge, de Vicq, hatte für dies Vorhaben den Rubens vorgeschlagen, und über die Häupter aller französischen und anderweitigen Maler hinaus hatten die Florentinerin und der gewaltige Niederländer ihr Bündnis geschlossen. Fortan gab es für den Ruhm dieser Werkstatt im Abendlande keine Grenzen mehr und für den Meister nur noch diejenigen inneren Schranken, welche er für gut fand, sich selber zu setzen.

Abgesehen von der Gicht seiner letzten Jahre, erscheint Rubens in seiner Kunst fortan nur noch beeinträchtigt durch seine diplomatische Tätigkeit. Erzherzog Albert, 1621 dem Tode nahe, hatte ihn der Gemahlin besonders empfohlen als den treuesten und einsichtigsten Diener, und Ambrogio Spinola, der als Feldherr in den Niederlanden etwas wissen konnte, sagte einst: Die Malerei sei noch das mindeste von den Verdiensten des Rubens. Nun findet sich, daß ein guter Teil dieser kostbaren späteren Lebenszeit, schon seit 1623, an politische Verhandlungen mit Agenten und Staatsmännern von Holland und England dahingegangen ist; zuerst geheim, dann mehr öffentlich; zum Teil im Auftrage der Infantin, später auch ausdrücklich im Namen der Krone Spaniens und des Ministers Olivarez; das beharrliche Ziel aber: Frieden für die südlichen Niederlande – war doch in der Tat ein solches, wozu der Sohn von Antwerpen sich vor Gott und der Welt bekennen konnte. Ortswechsel haben nun, wie bereits bemerkt worden, seine Tätigkeit als Maler nie gehindert, und diese mußte ja möglichst die diplomatische Verhandlung maskieren; es kommen indes lange Abwesenheiten vor: eine scheinbare Kunstreise nach Holland (1627), während der sogar sein junger Begleiter Sandrart nichts von der Diplomatie innewurde; ein achtmonatiger Aufenthalt in Madrid (Sommer 1628 bis Frühling 1629); eine daran geknüpfte Reise an den Hof Karls I. von England (5. Juni 1629 Ankunft in London; Rückkehr nach Antwerpen Anfang April 1630). Dies alles aber war nicht nur mit Standeserhöhungen, sondern mit künstlerischen Arbeiten an Ort und Stelle Damals in Madrid entstanden jene Kopien nach Tizian, von denen Palomino (Kap. 129) sagt, sie überträfen die Originale. Der Spanier, der hier zwischen dem Italiener und dem Niederländer das Urteil spricht, wird wohl einer allgemeineren Ansicht seiner Zeit, um 1700, den Ausdruck verliehen haben. – Beiläufig ist zu erwähnen, daß nach dem Aufenthalt des Rubens in England vielleicht 1630 eine abermalige Reise nach Madrid stattgefunden hat. und zum Teil kolossalen weiteren Aufträgen verbunden, die bald nachher eine gesteigerte Tätigkeit der Antwerpener Werkstatt nach sich zogen. Die letzten diplomatischen Bemühungen (1631-1632), darunter wichtige persönliche Konferenzen mit Friedrich Heinrich von Oranien, später auch mit einem dänischen Abgesandten, zogen dem Rubens die Gehässigkeit einer Clique von belgischen Großen zu, und mit dem Tode seiner Herrin, der Infantin (29. November 1633), wird er gerne auf alle weitere politische Tätigkeit verzichtet haben. Die Kunstgeschichte aber hat sich darein zu fügen, daß einer ihrer Allergrößten zugleich ein völlig luminöser Mensch gewesen ist, der schon durch sein bloßes Erscheinen Zutrauen und Verständnis hervorrief und dessen Bildung eine ganz universelle, zur Anknüpfung mit allen bedeutenden Leuten geeignete war. Auch sehr namhafte Diplomaten könnten sich ängstlich und feierlich vorgekommen sein neben diesem Maler. Von Begegnungen mit Künstlern auf diesen Reisen wird man immer den Verkehr mit dem noch jungen Velasquez in Madrid zu erwähnen haben, auch wenn vom Stile des Rubens, unter anderem in jener ganzen Reihe der Bildnisse des königlichen Hauses, wirklich so gar nichts auf den großen Spanier sollte übergegangen sein, wie man zu sagen pflegt. (Siehe unten!)

In seiner Werkstatt (1630) wiederum angelangt, genügte jetzt Rubens allmählich jenen ungeheuren übernommenen Verpflichtungen. Für Maria Medici begann er wenigstens einen neuen, in größtem Maßstab gemeinten Zyklus zur Verherrlichung ihres Gemahls Henri IV., bis der Sturz der Königin ihn hiervon entband; dagegen für die Decke des Festsaales von Whitehall – für die Folge von neun großen Allegorien, eine anfängliche Bestellung Don Philipps IV., die dann nach Loeches kam –, für den ganzen Schmuck des königlichen Jagdschlosses Torre de la Parada wurde, wie es scheint, vollständig Wort gehalten. Dazwischen aber entstanden noch herrliche Altarbilder, wie (1631) das überwiegend eigenhändige St.-Rochus-Bild für S. Martin zu Alost, von der Kirchengemeinde infolge einer überstandenen Pestilenz als Dankgelübde gestiftet, nach allgemeiner Aussage von rührender Macht, denn dem flandrischen Städtchen hatte der Meister hier etwas aus seiner tiefsten Empfindung gegönnt. Damals, beim Beginn seines letzten Jahrzehntes, war hohes Glück bei ihm eingekehrt: nach dem 1626 erfolgten Tode der Elisabeth Brant, nach einem vierjährigen Witwerstande, hatte er sich am 6. Dezember 1630 mit der noch nicht siebzehnjährigen Helena Fourment vermählt, deren reiche Schönheit und holden Ausdruck er in neunzehn bis jetzt bekannten Bildnissen (bisweilen im Geleite von Kindern beider Ehen) verewigt hat; diese Porträts aber allein schon würden einen Künstler hochberühmt machen, ungerechnet diejenigen Malereien für Kirchen und Paläste, in welchen den Hauptgestalten Helenens Züge verliehen sind. Diese erkennt man unter anderem auch in jenen mehreren Varianten des wunderbarsten Genrebildes, das von Rubens ausgegangen ist: des Liebesgartens, und ebenso in der prächtigen hl. Cäcilia des Museums von Berlin. Dazu gedenke man nachträglich noch des köstlich naiven Bildes der beiden Söhne aus erster Ehe (Galerie Liechtenstein in Wien, Wiederholung in Dresden), wahrscheinlich schon bald nach dem Tode ihrer Mutter gemalt, und sehe sich dann in der ganzen damaligen Künstlerwelt nach etwas Ähnlichem um.

Eine einzige, wenn auch sehr freie und ferne Parallele hat, vielleicht um dieselbe Zeit, Francesco Albani dargeboten Vgl. Passeri, Vite de' pittori etc. Ed. Roma 1772, p. 284, 285, 288., und zwar, ebenfalls in zweiter Ehe, mit der bildschönen Doralice Fioravanti, die ihm eine Anzahl ebenso schöner Kinder gebar. Mit ihnen lebte er in der guten Jahreszeit auf seinen kleinen Landhäusern bei Bologna, auf der Medola und der Querciola, die er nach römischen Erinnerungen scherzhaft sein Belvedere, sein Mondagone, seine Delizie Tiburtine nannte; er hatte Wasser herbeigeleitet und Fontänen und Becken angelegt, und dies und das reiche Grün, die prächtigen Bäume und die lichte Ferne wurden dann die Szenerie für seine Venus mit Amorinen, seine Diana mit Nymphen, seine bacchantischen Gelage usw., und hier dienten ihm Gattin und Kinder als lebendiges Studium. Es wollten nicht nennbare Porträts sein, wie bei Rubens, sondern nur freie Wiederklänge einer geliebten Wirklichkeit in einem neuen Sinne.

Rubens aber wurde, neben jenen intimen Schöpfungen, noch der wesentliche Urheber und Leiter einer riesigen Arbeit, gemischt aus barockem Prachtbau, Skulptur und Malerei: nämlich der durch Hauptstraßen und Plätze von Antwerpen verteilten Dekorationen des Introitus Ferdinandi, beim feierlichen Einzug des Kardinal-Infanten Ferdinand, Bruders Philipps IV. (17. April 1635), und diese vergänglichen Herrlichkeiten sind wenigstens dem Sachinhalt und allgemeinen Anblick nach gesichert durch eine Anzahl Ölskizzen von der Hand des Rubens und seines Schülers van Thulden und durch ein großes Kupferwerk. In den wichtigsten Partien half der bereits von Gicht heimgesuchte Meister noch gewaltig mit eigener Hand nach, und aus diesem Jahre stammt auch noch sein letztes Selbstporträt (Galerie von Wien). Damals kaufte er Schloß und Herrschaft Steen unweit Mecheln, und mit dem fortan häufigen Aufenthalt auf diesem Landsitz stimmt dann zusammen seine jetzige Vorliebe für das Landschaftsmalen, ja seine weit meisten Landschaften sind erst seither entstanden. Sollte hierbei etwa auch eine nunmehrige Vorliebe für Staffeleibilder mäßigen Umfanges mitgewirkt haben, so darf unsere Selbstsucht sogar seiner Gicht dankbar sein; denn eine ganz große aufgesparte Seite seiner Kraft ist nunmehr erst recht zur Äußerung gekommen, und welcher Maler würde uns den geheimnisvollen Klang der Rubens-Landschaft ersetzen? Ob schon früher oder erst jetzt, nicht ohne Eindrücke brabantischen Dorflebens, auch die berühmte Kermesse (Louvre) entstand, mag dahingestellt bleiben.

Außerdem aber brachten die letzten fünf Lebensjahre hochernste und herrliche Bilder, die wie eigentliche Kunstvermächtnisse anzuschauen sind. Das gewaltigste dramatische Vermögen sammelte sich noch einmal im »Kindermord« der Pinakothek von München und ganz besonders in der erschütternden »Kreuztragung« der Galerie von Brüssel (vollendet 1637); in dem Bild der »Wundmale des hl. Franciscus« (Museum von Köln) fand der Meister noch einmal einen höchsten Ausdruck der Mendikantenandacht; für den Hochaltar von St. Peter in Köln wählte er selbst, wie oben erwähnt, die Kreuzigung des Apostels und malte das ganze Bild noch eigenhändig. Daß er jedoch auch an seiner großen allegorisch-symbolischen Dichtungsweise noch nicht irre geworden war und daß ihm auch dabei noch die höchste Pracht und Fülle seiner Palette gehorchte, zeigt das wunderbare Bild des »Krieges« (1638, Pal. Pitti).

Endlich hat man, wenngleich nicht ohne Einwendungen, diesen letzten Jahren auch den Altar in der Schlußkapelle des Chorumganges von St. Jacques zu Antwerpen zugeteilt, jene Muttergottes mit Heiligen über der Grabstätte des großen Meisters. Nicht nur die Glut des Kolorits und die Pracht der Behandlung, sondern ein ganz persönliches Feuer gibt diesem letzten Gnadenbild eine höchste Weihe.

Rubens starb dreiundsechzigjährig am 30. Mai 1640. Wir übergehen, was sich in allen Büchern findet: sein kluges Testament, seinen Kunstnachlaß und dessen weitere Schicksale.

In seinem Leben gab es unendlich viel Beglückendes, vor allem die unabhängige Stellung, die viele Selbstbestimmung in seinem Schaffen, aber auch viel Glück für uns Spätgeborene. Man darf ohne Schrecken nicht daran denken, was geworden wäre, wenn Rubens unter dem Hochdruck Ludwig XIV. hätte aufwachsen und dessen Le Brun hätte werden müssen. Er konnte ja auch in Frankreich und ein paar Jahrzehnte später geboren werden, er, der Größte seit den großen Italienern und der einzige ganz Große, der Einzige, den die Natur vorrätig hatte.

Für die allgemeinen Tatsachen seines Wesens als Mensch verweisen wir gerne auf das, was durch andere längst ermittelt und zusammengestellt worden ist, vor allem auf die schönen Worte bei Waagen, über seinen heiteren lebensfrohen Sinn, den Adel der Gesinnung, das warme und innige Gefühl bei großen und kleinen Angelegenheiten, auch seine schon mit dem größten Unrecht bestrittene Uneigennützigkeit, seine hilfreiche Güte gegen andere Künstler.

Bei allem Reichtum führte er das mäßigste Leben, und dies und die beständige Weiterpflege seiner hohen Bildung und des dazu stimmenden edlen Umganges ist es, was Fromentin Les maîtres d'autrefois, p. 133. vortrefflich zusammenfaßt mit dem Ausdruck: L'hygiène fortifiante et saine de son génie. Und weiter, wie nichts ihn zu blenden vermochte: La fortune ne l'a pas plus gâté que les honneurs. Les femmes ne l'ont pas plus entamé que les princes ... C'était une âme sans orage, sans langueur, ni tourment, ni chimères. Endlich über seine Arbeit: er malte ruhig und zugleich begeistert, en combinant bien, en se décidant vite.

Am Pavillon seines Gartens sind jene berühmten Sprüche aus Juvenal (X, Vers 347 ff.) eingemeißelt, die zum Wohltuendsten aus der ganzen römischen Poesie gehören, von der Mens sana in corpore sano, von der wünschbaren Seelenstärke ohne Todesfurcht, Zornmut und Begierde und von den Göttern, die unser Heil besser ermessen, als wir es vermögen, und welchen der Mensch lieber ist als sich selbst.

Für das Verhältnis des großen Meisters zur Architektur kann hier wesentlich auf diejenige Forschung und Charakteristik verwiesen werden, die demselben durch C. Gurlitt Geschichte des Barockstiles, II, S. 20 ff. zuteil geworden ist. Hier nur einige Bemerkungen und, aus erst seither bekannter Quelle, ein sachlicher Nachtrag, Dinge, die später kaum mehr passend würden einzufügen sein.

Der lange Aufenthalt des Rubens in fürstlichen Umgebungen, wo vom Bauwesen beständig die Rede sein mochte, seine unvermeidliche Kenntnisnahme von dem in mächtigem neuem Aufschwung begriffenen Kirchenbau Italiens, sein naher Umgang mit vornehmen genuesischen Herren, die berühmte vollendete Paläste bereits besaßen, waren Fördernisse besonderer Art für einen Geist, dem alle Kunst der Formen schon ohnehin verwandt und verständlich war. Als er 1609 wieder in Antwerpen anlangte, gab es wohl in ganz Niederland niemanden, der so wie er als großer Herold der italienischen Baukunst hätte auftreten können und vielleicht wollen, nur daß jetzt auf ihm noch nähere Obliegenheiten ruhten. Immerhin wird er mannigfach zu Rate gezogen worden sein, und ohne seinen Beistand ist z. B. die Jesuitenkirche zu Antwerpen wohl nicht zustande gekommen; für die Überreste seiner Wohnung samt Garten ist auf Text und Illustrationen bei Gurlitt zu verweisen.

Auf einmal offenbart sich dann ein ganz unmittelbarer Wille der Einwirkung im großen: derselbe Mann, der für Antwerpen jenes mächtige Altarbild des Caravaggio sichert (S. 13), veröffentlicht 1622 seine »Palazzi de Genova«, Pläne, Durchschnitte und Aufrisse von einem Dutzend genuesischer Paläste ersten Ranges, meist von Strada nuova, darunter Meisterwerke des Galeazzo Alessi, aus dessen Nachlaß die betreffenden Zeichnungen stammen mochten. Das Werk erschien ohne allen Text, aber mit einer Folioseite Vorwort, aus dem die Absicht des Rubens völlig klar wird. Er will nicht Anregung geben für Bauten der Ausnahme, für Höfe und fürstliche Großresidenzen, sondern Typen mitteilen, als Vorbilder für das reiche moderne Europa des Nordens überhaupt, una opera meritoria verso il ben publico di tutte le Provincie oltramontane. Ob er damit irgendwo direkte Nachachtung gefunden hat, ist uns nicht bekannt; aber er war mit der Publikation als großer Herr aufgetreten, der die Mittel hat, das, was ihm das Schönste und Passendste scheint, laut zu proklamieren, und sein Zensor, ein Domherr von Antwerpen, nennt ihn nicht nur Belgicae nostrae Apelles, sondern betont auch noch das Vorbildliche, indem das Werk als »Paradigma« erscheine für alle Pfleger und Bewunderer der Baukunst ad nova et illustria operum miracula patranda.

Als Szenerie in seinen Gemälden gibt Rubens nicht mehr Bauliches mit, als der Gegenstand verlangt oder verträgt, zum Unterschied von Paolo Veronese, der die Erzählungen mit großen, meist symmetrischen Prachtarchitekturen einzufassen liebte. Was Rubens aber darstellt, hat die gehörige Opulenz und Macht der Erscheinung und wirkt in Licht und Farbe vortrefflich mit.

Wahrhaft vorherbestimmt erscheint es dann, daß an Rubens eine Aufgabe höchsten Ranges aus dem Gebiet der Augenblicksdekoration gelangte, für welch letztere der ganze Barocco so besonders geeignet und begeistert war. Architektur, improvisierte Skulptur und Malerei vereinigten sich damals in unbedenklichstem Eifer für die reichsten Anblicke von Katafalken (sogenannte Castra doloris), Triumphbogen, Phantasiehallen, Prachtbauten zur Ausstellung des Sakramentes bei der Vierzigstundenandacht, Theaterszenen usw. Alles oft wichtig genug, um die Abbildung im Kupferstich zu veranlassen, so daß wir über diese bald verschwundenen Dinge doch ziemlich gut unterrichtet sind. An Rubens fiel nun jene schon oben erwähnte und noch öfter zu erwähnende Ausschmückung der Stadt Antwerpen beim Einzug des Kardinal-Infanten, 1635, der Introitus Ferdinandi. Angeordnet, irgendwie künstlerisch angegeben ist hier alles von ihm, und selbst bei der Ausführung hat er noch an vielen Stellen selber Hand angelegt, und von den noch vorhandenen Ölskizzen zu mehreren einzelnen Anblicken, zumal zu Triumphbögen, sind einige anerkannt eigenhändig, auch war der Hauptgehilfe Theodor van Thulden sein sehr naher Schüler. Was nun die angewandte Bauformensprache betrifft, die vom Üppigsten und Glänzendsten der Spätrenaissance bis zur verwegensten Rustika reicht, so kann man ja darüber streiten, ob dies wirklich immer Architektur sei; wichtiger aber wäre es wohl, den Meister nochmals glücklich zu preisen, weil er innerhalb eines Stiles, in dem er doch geboren war, den prächtigsten Träumen ihren Aufflug ins Freie hat gönnen dürfen. Und so mochten denn auch die meisten sehr bewegten Statuen und Gruppen von Stukko vor und neben diese Architekturen hintreten oder oben frei in die Luft gestikulieren, so gehörten sie zum Ganzen; in den gemalten Historien und Allegorien der großen Hauptfelder aber (welche sonst bei solchen Anlässen oft leichtfertig behandelt wurden) glänzt Rubens hie und da in seiner vollsten Macht, und mehrerer dieser Bilder wird noch umständlicher zu gedenken sein. Das Ganze, wie man es aus dem Kupferstichwerk und den Skizzen kennenlernt, bleibt doch wohl die erstaunlichste Festdekoration des 17. Jahrhunderts.

Durch einen glücklichen Zufall ist uns noch eine weitere Kunde über den Baumeister und Dekorator zuteil geworden: es sind architektonische und ornamentale Skizzenblätter – neben wenigen Aufnahmen oder Erinnerungen aus Italien lauter eigene Ideen des Rubens, an dessen Urheberschaft wir ganz unmöglich zweifeln können; ein noch früher, wenn auch nicht mehr ganz gleichzeitiger Besitzer hat sie sorgsam in einen Folianten gesammelt, der gegenwärtig für Rußland, glücklicherweise für ein öffentliches Institut, angekauft ist. In der Ausführung reichen dieselben vom flüchtigsten Bleistiftblättchen bis zur ziemlich genauen, getuschten Federzeichnung; es ist, als ob noch in der Nähe des Rubens jemand dafür gesorgt hätte, daß auch die leichteste Improvisation dieser Wunderhand nicht verlorengehe. Grundrisse fehlen gänzlich; das Mitgeteilte sind lauter Motive des Anblickes: Pforten, Fenster, reiche Lukarnen, Wandbekleidungen verschiedener Art, Altäre, Kanzeln; von feineren Prachtarbeiten besonders Monstranzen; als große Architektur Halbansichten, auch bloße Teilansichten von Kirchenfassaden, Türmen und vorzüglich von Kuppeln. In Stil und Ausdrucksweise ist einiges wenige noch gotisch, z. B. durchsichtige obere Turmausgänge, sonst aber gehört alles, alle Füllung, Einfassung, Profilierung, Festonbildung usw., einer sehr besonderen Auffassung des Barocco an. Der Meister hat auch von gebrochenen und geschwungenen Giebeln und von Voluten aller Art den freiesten Gebrauch gemacht und die Bereicherung der Architektur mit plastischen Zutaten auf keine Weise gescheut. Das höchste Interesse erregen die Kuppelskizzen schon durch die reiche Verschiedenheit ihrer Bekleidungsformen, hauptsächlich jedoch durch diejenigen Züge, die ihnen gemeinsam erscheinen. Dies sind die äußerst schlanken Bildungen der Kalotten sowie die konkav eingezogenen Attiken, über welche die Kalotte noch vorragen kann, endlich das Vortreten der reich gebildeten Lanternen in die Luft, wobei man z. B. an die Lanterna über der Kuppel von S. Maria di Loreto zu Rom von Giacomo del Duca erinnert wird. Diesseits der Alpen war sonst in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts der Kuppelbau noch selten und blieb Italienern überlassen (Dom von Salzburg, Mausoleum von Graz usw.), die ihn keineswegs weit in die Höhe trieben. Rubens dagegen verrät eine höchste Ambition des Schlanken und seine oberen Ausgänge mahnen an die reichsten Formen von Schiffsmasten.

Die Altarskizzen, vom verschiedensten Grade des Reichtums, sind schon merkwürdig, insofern sie zeigen, wie Rubens seine eigenen Altargemälde eingefaßt und umgeben zu sehen wünschte.

Wie gerne möchte man sich die künstlerische Anlage und die künstlerische Bildung des Rubens nach ihren einzelnen Seiten zerlegen. Es ist aber dafür gesorgt, daß der Beschauer in der Regel auf einer Gesamtwoge dahingenommen und des Analysierens überhoben wird. Schon bei seiner frühen Jugend meldet sich umsonst, wie bei anderen großen Meistern der Vergangenheit, unsere beständige Frage, wo dieselben sich ihre Bildung und selbst ihre Gelehrsamkeit geholt haben mochten? Und nur das eine ist gewiß, daß es nicht beim jetzigen System von Schulen und Prüfungen geschehen ist. Fragt man aber nach dem Künstler, so bleibt die Überlieferung, z. B. über die Lehrmethode in der Werkstatt des Otto Venius, völlig aus, und während der acht Jahre in Italien wird man nur die freieste Aneignung aus Vergangenheit und Gegenwart der dortigen Malerei inne, ohne erweislichen Verkehr mit den italienischen Zeitgenossen. Vergebens fragt man auch, aus welcher Lehre bei ihm die Perspektivik der Darstellung stamme, sowohl die des Räumlichen als die des oft so gewaltig kühn bewegten Figürlichen. Und woher hat er noch später die Muster genommen zu so manchen schriftlichen Äußerungen lehrhafter Art? – Erweislich ist aus vorhandenen Studienblättern der verschiedensten Gattungen, daß er die Natur nie aus dem Gesichte verlor, wenn ihm gleich ein enormes Formengedächtnis zu Gebote stand, das seiner Phantasie gestattete, auch in flüchtigeren Bildern wahr und wirklich zu erscheinen. Auch im täglichen Leben müssen sich Augenblicke, die an anderen wirkungslos vorübergehen, ihm ungesucht eingeprägt haben, auf der Straße, an der Schelde, im Hause, in der feinen Gesellschaft, unter Geistlichen jeden Ranges, unter Großen.

Durch ihn wird nun der zweite große Welttag der Kunst von Niederland am Horizont emporgeführt. Dieses »Italien des Nordens« erhebt sich aus der manieristischen Verdunkelung und ergreift sein früheres Prinzipat wieder, und er war der Bannerträger. Sogleich von seiner Heimkehr aus Italien an, mit jenen großen und feierlichen Aufgaben, weiten sich seine gewaltigen Fähigkeiten wie selbstverständlich aus, und es war nicht mehr genau zu ahnen, was man fortan noch von ihm erwarten und verlangen könne. Von Schwankungen, von unsicheren Versuchen ist nirgends mehr die Rede; was er vermag – gleichviel, ob es unserem Geschmack entspreche oder nicht –, das vermag er sogleich vollständig. In ihm durchdringen sich der lebendige Erfinder ohnegleichen und der leuchtende Kolorist, und das sonnige Tageslicht, das er bevorzugt, entspricht ganz offenbar und glorreich seinem sonnigen Naturell. Daß er auch anderes konnte, zeigt die Alte mit dem Kohlenbecken in ihrer Grotte (Dresden), und wie schauerlich die düstere Glut des Höllenabgrundes gegeben werden könne, erfahren wir aus dem »Sturze der Verdammten« (München, Pinakothek) und aus dem »Kleinen Jüngsten Gericht« (ebenda), und zwar nur hier.

Wie oft hat man schon die wesentlichste Größe des Meisters zusammenfassend zu bezeichnen gesucht und ist über beteuernde Worte nicht weit hinausgekommen. Unter dem Einfluß einer gewaltigen Kraft fühlt sich jedermann, und die meisten empfinden sie als eine sympathische und ahnen dabei eine Persönlichkeit, deren Adel und Würde mit dieser Kraft eins war. Auch das Derbe und Wilde wird man einer solchen nicht bloß nachsehen, sondern es von ihr im ersten Augenblick erwarten, damit die Erscheinung eine vollständige sei. Der Umkreis dieser vollständigen Erscheinung aber ist hier ein ungeheurer und rührt an die äußersten Grenzen der Malerei. Der gewaltige Historienmaler würde erweislich von sich aus auch das Genre haben erledigen können, statt siebzehn Bilder der Brouwer für sein eigenes Vergnügen anzukaufen, und der vornehmen wie der volkstümlichen Welt hat er im »Liebesgarten« und in der »Kermesse« deutlich jeder das Ihrige gegeben; alle Tiermalerei gelangt durch ihn erst zur wahren, großartigen Freiheit; sein wunderbarer Verkehr mit der elementaren Natur redet aus etwa fünfzig Landschaften eine eigene Sprache, die sich auch neben Tizian noch hören läßt. In längst vorhandenen Aufgaben macht Rubens den Eindruck eines Gattungsgründers, weil für ihn alles vom Boden auf neu darstellbar ist, und wo er etwas von seinem eigensten Leben mitzugeben hat, ist er innerlich sehr ergriffen und über alle bloße Berechnung weit hinaus.

In der Darstellung des Ruhigen, des Seienden, hat er neben den sonstigen Großen nur sein eigenes gutes Recht und wird den Beschauer je nach Anlage und Stimmung hinreißen oder auch abstoßen; nur gleichgültig läßt er keinen. Delikate Leute nehmen an dem Blutreichtum seiner so glänzend gesunden Gestalten Anstoß, und sein Ideal braucht sonst niemandes Ideal zu sein und wir besitzen Edleres, Feineres, Seligeres, im Himmel und im Olymp und in der Erdenwelt einzelner anderer Meister. Daneben aber hat er seine eigene Weise der »Verherrlichung des Menschen in all seinen Kräften und Trieben«, sobald er an sein großes Hauptthema, das Momentane, kommt: hier rufen, und zwar in zahllosen Bildern, »das Feuer und die Wahrheit der leiblichen und geistigen Bewegung« jenes stets neue Erstaunen hervor, das man bei gar keinem Maler von ferne so empfindet. Seine Begeisterung und sein gewaltiges Vermögen für das »Geschehen«, im Gesamtmoment sowohl als in den Einzelgestalten, läßt ihn unbedenklich zugreifen, da wo die meisten übrigen sich würden besonnen und bedacht haben. War er allzu dienstfertig und nachgiebig? In allen Aufträgen und Wünschen, namentlich sobald sie ein Bewegtes voraussetzten, sah er sogleich das Darstellungsfähige, und dann war es ihm auch darstellungswürdig. Er brauchte nicht lange bei einem Thema auf eine mitklingende »Stimmung« zu warten, denn in seinem Innern ist ohnehin schon eine dauernde Stimmung vorhanden für jede, wenn auch noch so große religiöse oder profane Aufgabe, die seine Zeit und Bildungswelt ihm vorlegte. »Jeder nach seiner Begabung! Mein Talent ist derart, daß noch nie ein Werk, wie groß auch nach Quantität und Verschiedenheit des Darzustellenden, meinen Mut überstiegen hat« – so schrieb er 1621, als er im Begriffe stand, die Malereien für den großen Saal im Luxembourg zu übernehmen. Auch an dem scheinbar Unzugänglichsten ahnt er die darstellbare Seite und antwortet: Gebt es her! – Er will alles und muß alles, weil er alles kann. Das Pathos aber, das diese oft stürmisch bewegte Malerei begleitet, ist fast immer rein und tiefempfunden. Es wird indes heute von niemand verlangt, daß man die furchtbaren Visionen des Meisters von den »Letzten Dingen« teile oder mit ihm hinausjage in den Kampf mit den schrecklichsten Tieren der Wildnis.

Dazu diese Mittel und diese aufgesammelten Studien; diese Beweglichkeit seiner Gestalten, die der Beschauer einen Augenblick später verändert anzutreffen erwartet; diese untrügliche Mitherrschaft von Farbe, Ton und Licht; endlich diese ungeheure Arbeitskraft! – Das Schnellmalen, la furia del pennello, wie Bellori sagt, bei geringeren Meistern einer der sicheren Wege zum Verderben, hing bei ihm nicht an Flüchtigkeit, sondern an der gleichmäßigen Stärke und Reife der vorausgegangenen Gesamtvision. Man könnte auch einen Hauptunterschied zwischen ihm und allen anderen großen Malern darin finden, daß er am leichtesten Feuer zu fangen imstande war für jedes Thema, d. h. daß er die Fertigkeit hatte, viel mehr Themata gern zu malen, als dies andere gekonnt haben. Will man ihm diesen Vorteil mißgönnen, so sage man es; Mit- und Nachwelt möchten dabei nicht übel gefahren sein.

An persönlicher Machtstellung, an weiter Herrschaft über die Kunst, ist ihm im 17. Jahrhundert nur Bernini zu vergleichen. In Rom konnte ein Arpino nur möglichst alles andere, Eklektiker wie Naturalisten, durch gemeine Mittel unten halten, wobei er auch auf das Ausland zu drücken sich anschickte. Es muß dem vermeintlich so großen Kunstfreund Kardinal Richelieu beständig wieder aufgedeckt werden, daß er bei der letzten Bestellung der Königin Maria Medici, dem Zyklus der Taten Heinrichs IV., den »Rebens« durch diesen Arpino verdrängen wollte Er schreibt aus Susa, 22. April 1629, an die Königin: Madame, j'ai creu que Votre Majesté n'auroit pas désagréable que je lui dise que j'estime qu'il seroit à propos qu'elle fit peindre la galerie de son palais (nämlich die zweite) par Josepin (Arpino), jui ne désire que d'avoir l'honneur de la servir et d'entreprendre et parachever cet ouvrage pour le prix que Rebens a eu de l'autre galerie qu'il a peinte. Der Briefsteller hätte mindestens den Namen des Rubens orthographisch schreiben dürfen, der gegenwärtig der Welt wohl so angelegen sein möchte als der seinige.; freilich konvenierte es ihm inzwischen, die Königin zu stürzen und aus dem Lande zu treiben, womit die Unternehmung dahinfiel. Die späteren französischen Künstler aber, diejenigen Ludwigs XIV., sind ja bei aller Begabung nur dadurch in der Welt so hoch angesehen gewesen, daß der König und sein Colbert sie als eines der mannigfachsten Mittel von Druck und Blendung verwerteten, und am Ende hat es den größten Hofarchitekten doch nahe genug gestanden, beim Weiterbau des Louvre durch Bernini verdrängt zu werden. Diejenige Macht jedoch, wie sie Rubens ausübte, hat schon die echte Evidenz für sich und kann sich auch von den größten Höfen suchen lassen. Ihre Reklame liegt einzig nur in den Werken und braucht keine Literatur – auch keinen Aretino.

Die weitesttönenden Heroldsrufe, die den Ruhm des Rubens in die Lande trugen, waren schon die großen, gewaltig wirksamen Stiche nach seinen Kompositionen, neben denen jahrzehntelang keine andere Stecherwerkstatt in ganz Europa aufkommen konnte.

Siehe Bildunterschrift

Helene Fourment im Pelzgewand (Het Pelsken).
Wien, Kunsthistorisches Museum


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