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III.

Ein zweites Gefolge des königlichen Meisters waren seine Kupferstecher und auch mit ihnen muß sein Verhältnis künstlerisch und geschäftlich ein vortreffliches gewesen sein, und zwar ein völlig freies, denn daneben arbeiteten sie auch nach den übrigen namhaften Malern. Lukas Vorsterman, Paul Pontius, der besondere Vertraute Schelte van Bolswert, auch P. Soutman, Snyderhof haben dabei einen unvergänglichen Namen erreicht, der zahlreichen übrigen nicht zu gedenken. – Niederland, wo vielleicht die Stecherkunst ihren ersten Ursprung genommen, hatte dieselbe seit hundert Jahren auf das reichste gepflegt und nach Lukas von Leyden Kräfte wie Heinrich Goltzius und die Sadeler zu den Seinigen gezählt; Antwerpen aber war längst die Hauptstätte und der größte Verlag geworden für alle Arbeiten, vom großen Prachtstich bis auf die massenhafte Bücherillustration. Gerade die Maler des dortigen Manierismus hatten die weiteste Verbreitung in Stichen gefunden, deren Behandlung zum Teil auf der vollen Höhe des damaligen Könnens stand, auch gegenüber den italienischen Stechern, und so traf Rubens mit den Seinigen schon einen großen gebahnten Weg, eine große geschäftliche Tradition an.

Allerdings begann nun unter seiner Leitung ein neues Wollen und Vollbringen. Von welchen verschiedenen Provenienzen und Bildungsgraden aus die Stecher zu ihm kamen, sie mußten vor allem in seinem Sinne neu zeichnen lernen; ihr Grabstichel, ihre Radiernadel mußte weit auch über Goltzius hinaus, diejenige Welt von Modellierung der Formen, von Darstellung der Stoffe, von Abtönung der Lichter und der Schatten, der Nähe und der Ferne, endlich diejenige Haltung eines Ganzen wiedergeben lernen, welche die des Meisters in einer Welt von Szenen, und oft sehr reichen Szenen, war. Ohne eine beständige Aufsicht und Teilnahme von seiner Seite sind sie überhaupt nicht zu denken; dann aber hatten sie auch die volle Gewißheit, daß sie unter seiner Obhut weiter kamen, als sonst irgendwo möglich gewesen wäre, und auch einen genau gesicherten äußeren Vorteil an diesen zum Teil mächtig großen Blättern müssen sie gehabt haben. Gegen Nachstiche deckte Rubens selbst, als eigentlicher Unternehmer Über die sämtlichen Verlags- und Geschäftsverhältnisse muß auf das Urteil anderer verwiesen werden. – Die ganze Übersicht der Stecher des Rubens vgl. bei Woermann, Geschichte der Malerei, III, S. 440., die einzelnen Blätter durch königlich spanische, königlich französische, auch holländisch-staatische Privilegien, und dies lohnte sich der Mühe. Während nämlich die damaligen Stiche italienischer Maler den Eindruck machen, als wären sie wesentlich nur für andere Maler geschaffen, richtet sich Rubens an ein großes kaufendes Publikum im Okzident überhaupt, das für die Andacht und auch für das weltliche Kunstvergnügen lebhaft zugreift und aus dieser einen Quelle schon zum Beispiel mehr Altarbilder beziehen kann als aus ganz Italien zusammengenommen. Französische Nachstecher eilen bereits auf die niedlichste Weise dem späteren Geist der industriellen Protektion ihres Landes voran, indem sie vor der Behörde geltend zu machen suchen: bei der großen vorhandenen Kauflust für Stiche des Rubens (solange deren Nachbildung verboten sei) gehe sehr viel Geld aus dem Lande. Nun erhebt sich sogar die Frage: wer die größere Eile gehabt habe, ob die Käufer weit und breit oder Rubens selbst? Große und wichtige Stiche nämlich, trotz der Unterschrift »Rubens pinxit«, sind nicht nach den gemalten Bildern, sondern nach frühen anfänglichen Entwürfen gestochen, denen beim Malen noch sehr bedeutende und segensreiche Veränderungen, namentlich wichtige Vereinfachungen, bevorstanden, wovon z. B. die Auferweckung des Lazarus im Museum von Berlin, verglichen mit Bolswerts Stichen, ein sprechendes Beispiel statt aller sein mag. Jene Entwürfe können Farbenskizzen, aber auch Kartons gewesen sein, und in mehreren Fällen waren es erweislich Grisaillen, einfarbig in grauem oder braunem Ton von Rubens in Öl gemalt, deren noch eine Anzahl vorhanden ist. Außerdem ging Rubens auch mit längst vollendeten Gemälden, wenn es sich um den Stich handelte, öfter sehr frei um: von der Vierge au perroquet entstand ein Stich, der nur Mutter und Kind ohne Joseph, ohne den landschaftlichen Grund und den Papagei, mit bloß angedeuteter Architektur enthält, und hiermit entstand ein Muttergottesbild für jedes Haus, ohne die spezielle Intimität, die dem berühmten (1614 entstand denen) Gemälde des Museums von Antwerpen innewohnt.

In den Stichen tritt nun der große Kolorist ohne die Farben vor das Volk und gewinnt schon durch Komposition, Formen und Licht einen glänzenden und eigenen Ruhm. Und für diesen durfte er doch wahrlich eine lebendige Empfindung haben und namentlich den großen, stark belebten Szenen schon in ihrer frühen, vielleicht noch überreichen Gestalt die weiteste Verbreitung gönnen. Kenner seiner Malerei mochten ohnehin schon aus den Stichen oft Farben und ganze Farbenfolge erraten, wie er sie beabsichtigte oder bereits angewandt hatte. Daß er auch etwa an den Jahrmarkt dachte, zeigen die Holzschnitte des aus Deutschland nach Antwerpen eingewanderten Christoph Jegher, für den er unter anderem die köstliche »Ruhe auf der Flucht« eigens komponierte und noch in seinen spätesten Jahren eine besonders angeordnete Redaktion des »Liebesgartens« zeichnete, als der Ruhm – dieser ursprünglich sehr vertraut gemeinten – Szene durch alle Mauern gedrungen war. Sonst aber gingen die Großstiche ihren mächtigen Gang weiter, und für die Kenntnis der Gesamtschöpfung des Rubens sind sie in mehr als einer Beziehung nicht zu entbehren. Einzelne gewaltige Tierkämpfe z. B. möchten nur in den betreffenden Stichen vorhanden sein; die furchtbarste Eberjagd kennt man, soviel wir wissen, nur aus Soutmans Stiche; welche Höhe des Verständnisses aber die Schule auch in diesen Gegenständen erreicht hatte, zeigt vor allem das glorreiche Beispiel der Löwenjagd von München, da man Bolswerts herrlichen Stich mit dem altberühmten Original vergleichen kann. Landschaften waren längst eine der weltbekanntesten Äußerungen des Antwerpener Kunstgeistes in Malerei und Stich, und nun trat auch hier Rubens auf den Plan, und in ganz besonderen Stunden seiner Laufbahn, schon von Italien an, schuf er jene jetzt über Europa zerstreuten Bilder, vom einfachsten Anblick der Natur bis zum Hochphantastischen und zur meteorischen Katastrophe, deren weiter zu gedenken sein wird, und wiederum war es hauptsächlich Bolswert, der vieles von diesem Unvergänglichen durch eine Reihe von Meisterstichen der Welt verdolmetscht hat. Ohne eigene und tiefe Studien, namentlich des Waldes, unter der Leitung des Meisters, würde er dies nicht vermocht haben.

Endlich konnten unter besonderen Umständen sogar Stiche entstehen, welche die ihnen entsprechenden gemalten Bilder in der Wirkung übertreffen. Jene neun Allegorien vom Triumph des Glaubens für Don Philipp IV., so viele davon wir in der Grosvenor Gallery zu London und im Louvre gesehen haben, sehr groß in Öl, auf Tuch, von geringeren Schülern ausgeführt und zum Teil sehr mangelhaft erhalten, können neben den Stichen des Bolswert (wovon uns vier zu Gebote stehen) nicht aufkommen, denn diese erwecken geradezu ein höheres Gefühl der Darstellung. Rubens hatte in diese Kompositionen mehr von seinen besten Kräften hineingelegt, als der heutige Geschmack gerne zugeben wird; an der Ausführung in Teppichen, wozu sie bestimmt waren, mochte ihm wenig gelegen und die Aussicht darauf eine zweifelhafte sein, und indem nun statt der Teppiche die großen gemalten Tuchflächen nach dem fernen Spanien gingen, rettete er sich deren Andenken offenbar durch sorgfältige Zeichnungen oder Grisaillen, die seinem großen Stecher als Vorlage dienten, und diese Zeichnungen waren wohl eigenhändig.

Jene Franzosen aber, von welchen die Rede gewesen ist, waren einer richtigen Ahnung gefolgt, als sie sich rechtzeitig und reichlich mit Stichen nach feurigen Schöpfungen des Rubens versahen. Die Zeiten waren ja nicht so ferne, da sie in Stichen von weit höherer Vollendung und Eleganz, als diese Blätter von Antwerpen sind, nämlich in denjenigen eines Edelinck, Nanteuil, Audran usw., die kalten Gerichte eines Lebrun und Genossen, samt Poussin, vorgesetzt bekommen sollten.

Siehe Bildunterschrift

Der heilige Pipin und die heilige Bega.
Wien, Kunsthistorisches Museum


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