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Fünfzehntes Kapitel.

Während die eben berichtete Unterhaltung zwischen Cecilia und Lady Glenalvon stattfand, saß Chillingly-Gordon allein mit Mivers in dem comfortablen Zimmer des cynischen alten Junggesellen. Gordon hatte mit seinem Vetter gefrühstückt, aber die Mahlzeit war lange vorüber und die beiden Männer hatten sich angelegentlich über Gegenstände unterhalten, welche den Jüngern lebhaft interessirten und auch für den Aeltern nicht ohne Interesse waren.

Chillingly-Gordon hatte sich in der sehr kurzen Zeit, seit er ins Unterhaus eingetreten war, eine jener zwar nicht sehr glänzenden, aber soliden Reputationen erworben, welche einem Manne ein sicheres Aufsteigen im Staatsdienst voraussagen. Er hatte keine der Gaben des geborenen Redners: keinen Enthusiasmus, keine 380 Phantasie, keine unvorsichtig leidenschaftlich feurigen Ausbrüche; aber er hatte alle Gaben eines ausgezeichnet sachgemäßen Redners: eine klare, metallreiche Stimme, eine den gebildeten Mann verkündende angemessene Gesticulation, die vielleicht etwas zu ruhig, aber darum nicht weniger würdig war, Schlagfertigkeit im Repliciren, Fleiß und Methode für vorbereitete Darlegungen von Principien oder Thatsachen. Aber sein Hauptverdienst in den Augen der Führer des Parlaments lag in dem gesunden Menschenverstand und dem praktischen Takt, welche ihn zu einem sichern Redner machten. Dieses Verdienst verdankte er zum großen Theil seinen häufigen Zusammenkünften mit Chillingly-Mivers. Dieser Herr erfreute sich, sei es infolge seiner gesellschaftlichen Eigenschaften, sei es infolge des Einflusses des »Londoner« auf die öffentliche Meinung, einer vertrauten Bekanntschaft mit den Führern aller Parteien und war ein in eminentem Sinne weltkluger Mann. »Nichts«, pflegte er zu sagen, »schadet einem jungen parlamentarischen Redner so sehr wie leidenschaftliche Meinungsäußerungen nach der einen oder der andern Richtung hin. Hüten Sie sich davor, geben Sie immer zu, daß sich für beide Seiten einer Frage viel sagen lasse. Wenn die Führer Ihrer eigenen Partei sich plötzlich zu einer extremen Ansicht bekennen, können Sie 381 mit ihnen oder gegen sie gehen, je nachdem es Ihnen am besten convenirt.«

»So hätten wir uns also, denke ich«, sagte Mivers, auf seinem Sopha zurückgelehnt und im Begriff, seine zweite Trabuco – er erlaubte sich nie mehr als zwei Cigarren zur Zeit – zu vollenden, »so ziemlich über den Ton geeinigt, den Sie heute Abend in Ihrer Rede anschlagen müssen. Es ist eine große Gelegenheit.«

»Das ist wahr; zum ersten Mal ist die Debatte so arrangirt, daß ich um zehn Uhr oder noch später zum Reden kommen werde. Das ist an und für sich ein großer Fortschritt; und ich habe einem Minister zu antworten, der glücklicherweise ein sehr geistloser Patron ist. Meinen Sie, daß ich einen Scherz, wenigstens einen Witz riskiren könnte?«

»Auf seine Kosten? Entschieden nicht. Wenn ihn auch sein Amt dazu nöthigt, diese Maßregel zu beantragen, so hat er sich bei der Berathung derselben im Cabinet keineswegs zu ihren Gunsten ausgesprochen, und wenn er auch, wie Sie sagen, geistlos ist, so ist doch gerade diese Art von Geistlosigkeit unerläßlich für die Bildung jedes respectablen Cabinets. Einen Scherz auf ihn, das wäre! Lernen Sie, daß milde Geistlosigkeit keine Scherze liebt, die auf ihre Kosten gemacht 382 werden. Thörichter Mann, ergreifen Sie die Gelegenheit, welche Ihr Tadel seiner Maßregel Ihnen bietet, machen Sie ihm ein Compliment! Und nun genug von Politik. Es thut nie gut, zu viel über das nachzudenken, was zu sagen man sich bereits entschlossen hat. Wenn man anfängt darüber zu brüten, so läuft man Gefahr, die Sache zu ernst zu nehmen und eine Indiscretion zu begehen. – Also Kenelm ist wieder da?«

»Ja, ich hörte es gestern Abend bei Whites von Travers.«

»Ist Travers Ihrer Bewerbung um die Hand der Erbin noch immer günstig gestimmt?«

»Ich glaube, mehr als je. Erfolg im Parlament gilt sehr viel bei einem Mann, der in der Mode ist und Respekt vor der Meinung der Clubs hat. Aber gestern Abend war er ungewöhnlich herzlich gegen mich. Unter uns gesagt, ich glaube, er fürchtet ein bischen, Kenelm könne noch jetzt mein Nebenbuhler werden. Ich schloß das aus einer Andeutung, die er in Betreff des unerwünschten Inhalts seiner Unterhaltung mit Sir Peter fallen ließ.«

»Und was hat Travers gegen den armen Kenelm? Er schien ihn doch früher so gern zu haben?«

»Ja, aber nicht als Schwiegersohn, nicht einmal 383 als ich noch keine Aussicht hatte, das zu werden. Und als Travers während seines Aufenthalts in Exmundham, nachdem Kenelm dort gewesen war, ich glaube, von Lady Chillingly erfuhr, daß Kenelm sich in ein anderes Mädchen, die ihm nachher einen Korb gegeben zu haben scheint, verliebt habe und sie heirathen wolle, und noch mehr, als er hörte, daß Kenelm später in Gesellschaft eines Burschen von geringer Herkunft, eines betrunkenen Raufbolds, des Sohnes eines Schmieds, auf dem Continent gereist sei, da können Sie sich wohl vorstellen, wie wenig einem so verständigen und feinen Manne wie Leopold Travers die Idee lächeln konnte, seine Tochter jemand zu geben, der so wenig Aussicht bot, ein angenehmer Schwiegersohn zu werden. Bah! ich fürchte mich nicht vor Kenelm. Beiläufig, hat Sir Peter Ihnen gesagt, ob Kenelm sich ganz wieder erholt hat? Als vor etwa achtzehn Monaten Sir Peter und Lady Chillingly von den Aerzten nach London gerufen wurden, war er dem Tode nahe.«

»Mein lieber Gordon, ich fürchte, Sie haben keine Hoffnung, Exmundham zu erben. Sir Peter sagt mir, sein wandernder Hercules sei so handfest wie je und von gleichmäßigerer Laune, schweigsamer und ernster, kurz, weniger sonderbar. Aber wenn Sie sagen, daß 384 Sie sich vor Kenelm's Nebenbuhlerschaft nicht fürchten, meinen Sie das nur in Bezug auf Cecilia Travers?«

»Ich fürchte ihn weder in dieser noch in irgend einer andern Beziehung, und was Exmundham anlangt, so kann er das nach Belieben vererben, und ich habe Ursache zu glauben, daß er mich nie zum Erben einsetzen würde. Wahrscheinlicher Pfarrer John oder des Pfarrers Sohn – oder warum nicht Sie? Ich denke oft, daß es für die Erreichung der unmittelbaren Ziele meines Ehrgeizes besser ist, wenn ich keinen Landbesitz habe, Landbesitz ist ein gefährlicher Sinnenbenebler.«

»Hm, darin liegt etwas Wahres. Aber die Furcht vor Land und Beneblung scheint doch Ihrer Bewerbung um die Hand von Cecilia Travers nicht entgegen zu stehen?«

»Ihr Vater hat alle Aussicht, so lange zu leben, bis ich es zufrieden sein werde, mich im Oberhause behaglich auszuruhen, und ich möchte kein landloser Pair sein.«

»Darin haben Sie Recht. Aber ich muß Ihnen doch sagen, daß es jetzt, nachdem Kenelm zurückgekehrt ist, Sir Peter's lebhaftester Wunsch ist, daß sein Sohn Ihr Nebenbuhler werden möge.«

385 »In Bezug auf Cecilia?«

»Vielleicht, gewiß aber in Bezug auf parlamentarischen Ruf. Der ältere Vertreter der Grafschaft beabsichtigt sich zurückzuziehen und Sir Peter ist dringend aufgefordert worden, seinem Sohne zu erlauben, sich als Candidaten aufstellen zu lassen, soviel ich höre, mit der sichern Aussicht auf Erfolg.«

»Was? Trotz seiner wunderbaren Rede bei Gelegenheit seiner Mündigkeitserklärung?«

»Bah! von der weiß man jetzt, daß sie nur ein schlechter Witz auf die neuen Ideen und ihre Organe, den ›Londoner‹ mit einbegriffen, gewesen ist. Aber wenn Kenelm ins Unterhaus kommt, so wird er nicht auf Ihrer Seite stehen, und wenn ich seine Fähigkeiten nicht gewaltig überschätze, wie ich es sehr wahrscheinlich thue, wird er ein nicht zu verachtender Nebenbuhler werden, außer daß er vielleicht einen Fehler hat, der in unseren Tagen hinreichen würde, ihn für das öffentliche Leben ungeeignet zu machen.«

»Und was ist dieser Fehler?«

»Verrath an dem Blut der Chillinglys. Wir leben aber in einer Zeit, wo einer in England nicht zu viel von einem Chillingly an sich haben kann. Ich fürchte, daß, wenn Kenelm sich in eine politische Abstraction verbeißt, nennen Sie sie, wie Sie wollen, sagen wir zum Beispiel Vaterlandsliebe, oder irgend eine andere solche altmodische Grille, ich fürchte sehr, daß er es in einem solchen Falle ernst meint.« 387


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