John Brinckman
Vagel Grip
John Brinckman

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Bemerkungen
zur ersten Auflage des Vagel Grip.

Die vom Verfasser des Vagel Grip befolgte Orthographie stellt als Grundsatz auf, daß die betonten offenen Silben des plattdeutschen Dialekts lang gesprochen werden. Er ließ daher die, besten Falls willkürliche, phonetische Dehnung fort, auch da wo das Neuhochdeutsche sie hat. Demnach fiel, außer der Dehnung durch Verdoppelung des Stimmlauts, das dehnende e nach i, so wie das Dehnungszeichen h aus solchen offenen Sylben gänzlich weg. Statt Saat und Seel' schreibt er demnach Sat und Sel; statt ahn (ohne) und sehn oder gar seihn (sehen) hat er an und sen; statt Bier Bia und Sier (Bier Seide Seite) – Bir und Sir und statt Veh (Vieh) und SeeVe und Se, und glaubt dabei, daß der des Plattdeutschen nur einigermaßen kundige Leser sich nicht nur bald und leicht in diese Schreibweise hineinfinden, sondern daß selbige ihm auch angemessen und gerechtfertigt erscheinen werde, eben weil das Plattdeutsche ursprünglich eine solche Dehnung nicht kennt, und weil Niederdeutsch und Hochdeutsch, zwei wesentlich verschiedene Dialekte, sich gegenseitig Nichts aufdringen dürfen, wodurch ihr Wesen irgendwie Einbuße erleiden könnte. Von den specifisch niederdeutschen Diphthongen bezeichnet der Verfasser den Doppellaut, der z. B. in Poar (Paar) gehört wird, stets durch oa; wobei er bemerkt, daß er das Umstandswort goa (gar) ohne das auslautende r schreibt, um es von dem betreffenden Eigenschaftswort zu unterscheiden. Der eigenthümliche Diphthong, welchen man z. B. in naelen (saumselig zögern) hört, findet sich durchweg durch ae vertreten. Die Vorsylbe ver schrieb der V. mit ve, denn nach seiner Erfahrung hört man an ihr nie, wenigstens nicht in der meklenburgischen Mundart, das auslautende r; und die Vorsylbe be glaubte er aus ähnlichem Grunde durch bi geben zu müssen.

Die in dieser Sammlung befindlichen Lieder betitelt: Bim – bam – beie, Pöppedeiken, Doenken und dat Led vun dat Pack, 2. nahm der Herausgeber unmittelbar aus dem Munde des Volks und hat sie fast unverändert wiedergegeben. Das Lied Vagel Grip aber, welches der ganzen Sammlung den Namen giebt, wünscht er nicht so mißverstanden zu sehen, als sei, was er in der Fremde suchen ging und dort nicht fand, nachträglich von ihm in seiner Vaterstadt gefunden worden, oder überhaupt dort zu finden. Er ist nicht so blind, über das wirklich Solide, Gute und Liebenswürdige, welches es in letzterer, wie überall, ohne Zweifel geben wird, die »geklehmten« Hinterwände wo solche sich ihm zeigten, zu übersehen, – noch so eitel, ihre unterwühlte Brockfälligkeit aus affenmäßiger Vorliebe wegläugnen zu wollen. Namentlich giebt es dort eine, dem ganzen übrigen Mecklenburg graß in die Augen fallende »Versacktheit«, wenn man sich so ausdrücken darf, welche den Verfasser jedesmal tief verstimmte, wenn er bei gelegentlichen Besuchen seiner Vaterstadt sein Auge auf sie werfen und bemerken konnte, wie die garstigen »Klehmstaken« immer deutlicher zum Vorschein kamen. Er findet sich dann stets an die bekannte Fabel von der zur Theilung kommenden Auster erinnert. Neuerdings verheißt man ja, den alten Schaden in eine heroische Cur zu nehmen. Gott walte das! Aber um's Himmelswillen nur nicht similia similibus! Bei Alledem sind die beregten Strophen nicht aus einer gemachten Stimmung geflossen. Seine Freunde wissen, daß sie dem Autor wirklich vom Herzen kommen. Soll er aber ein vollgültiges Motiv für jene Verse anführen, so befindet er sich in gleicher Verlegenheit mit Oliver Goldsmith, den er hier für sich reden läßt, und der bei ähnlicher Veranlassung seinem Schwager Daniel Hobson gegenüber sich so ausspricht: Unaccountable, that he should still have an affection for a place, who never, when in it, received above common civility; who never brought any thing out of it except his brogue and his blunders. Surely, my affection is equally ridiculous with the Scotchman's, who refused to be cured of the itch, because it made him unco thoughtful of his whife and bonny Inverary.


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