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Leichter und ernster Sinn.

Mirtha.

L ina, es sinket der Tag, verglimmend in heimlichen Schimmer;
   und dem verscheidenden tönt nirgends ein freundliches Lied.
Sieh, wie ein nebliges Meer umwallet die fernen Gebirge;
   sieh, wie in traurigen Duft dort die Ruine versinkt!

Lina.

Welch ein liebliches Licht! Komm, lass' uns den Gipfel ersteigen!
   Wie um das graue Gestein spielet der rosige Duft!
Ha! wie erquickt mich die Luft! Geliebte, es wanken die Berge,
   leicht von Nebel umwallt, oben in Feuer getaucht!

Mirtha,

Wie sind die Reben entstellt, der goldnen Trauben entladen!
   Wie ihr welkendes Laub traurig den Fuß mir umrauscht!
Und das stille Gehölz, wie säuseln im Winde die Blätter
   sterbend hernieder, wo oft Freude und Liebe sich barg!

Lina.

Weihte, du Liebe, sich nicht der Rebe reifende Kinder
   Bacchus, der freundliche Gott? gab uns den himmlischen Saft?
und der umschattende Busch – es küssen die schmeichelnden Lüftchen,
   wie mit dem Kreisel das Kind spielend, das Laub ihm hinweg.

Mirtha.

Sieh', wie weit sie hinweg den Schmuck des Armen entführen,
   scheidend noch schmeicheln, und dann ewig den Traurigen fliehn!
Ach! es wehet die Luft mit stiller tiefer Bedeutung,
   wehet und locket in's Herz manches wehmüthige Bild.

Lina.

Liebchen! es kehret der Lenz, es kehren die schmeichelnden Lüfte
   einst mit süßerem Kuß zu den Dryaden zurück.
Mich umwallet die Luft mit leichter schmeichelnder Hoffnung,
   wehet und lockt mir ins Herz manches erfreuliche Bild.

Mirtha.

Ach! das Alles vergeht: die Blumen, und Jugend und Liebe!
   Nur die Sehnsucht der Brust nach Unvergänglichem bleibt!
Geister, euch trennet die Zeit; verwandte Seelen – sie finden,
   waren sie einmal getrennt – leicht sich auf ewig nicht mehr!

Lina.

Ist denn der Wechsel nicht schön? Es finden auch Seelen sich wieder;
   eint sie nicht oft ein Moment, welcher den Himmel umschließt?
Ha! wie strahlet die Welt voll heit'rer freundlicher Bilder!
   Überall winkt uns Genuß, überall Jugend und Glück.

Mirtha.

Laß mich, ich neide dich nicht! Mit süßen unendlichen Qualen,
   hält mein liebender Sinn ewig das Eine nur fest.
Hin auf die Bühne der Welt zerstreue die Seele voll Liebe,
   während mein liebendes Herz innigst die Welt in sich zieht!



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