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An Cynthien.

D ie du die schattigen Wälder, die ruhigen Haine
liebst, in ein silbernes Licht Lüfte und Gegenden tauchst,
gern bey schweigenden Nächten in Seen dich spiegelst,
gern den luftigen Tanz stiller Dryaden bescheinst:

Tochter Latonens! geziemt es der Himmlischen einer,
Göttin unsterblicher Ruh' sterblichen Menschen zu seyn,
und des glücklichen Gleichmuths, der über die Stürme,
ewig in Frieden mit sich, seine Geweihten erhebt:

So gebührt dir die Weihe! – Aus heiligen Hainen
tönten dir, Cynthia! einst feiernde Hymnen empor.
Jungfrau'n weihten sich dir, die Flamme der Opfer
loderte prächtig und kühn von den Altären dir auf.

Jenes Jahrhundert schwand! – Es wandelt das Schicksal
ewig mit eisernem Fuß auch über Götter dahin –
Tempel versanken in Trümmer, es schwiegen die Sänger,
und aus bemoostem Gestein stieg keine Flamme mehr auf!

Unter nächtlichen, trüben Gestirnen geboren,
zeugte die folgende Zeit einst ein empfindsam Geschlecht;

seufzend nannten sie, Schwester des goldenen Phöbus,
voll unheiligen Wahns, Freundin, Vertrauteste, dich!

Wenn du die liebenden Blicke an deinen göttlichen
Bruder fesseltest, daß, himmlisch bestrahlt, dein Gesicht
freundlicher leuchtete, und von des Glanzes Beleuchtung
Lüfte und Seen und Hain schwammen im silbernen Schein:

Ach, da freute dein Schimmer sie nicht! – Ein böser
Genius waltete! Sie klagten und weinten zu dir.
Kältere sahen den Unfug. – Da wurde dein Name,
einst so innig geehrt, Spöttern und Thoren ein Ziel.

All des Wechsels nicht achtend, wandelst du Himmlische,
ruhiger Größe bewußt, immer die einsame Bahn.
Silbern umfaßte dein Licht die junge bräutliche Erde,
silbern umfaßt' es sie noch, die Myriaden gebar.

Freundin des Reinen, der gern deiner Strahlen sich freuet;
Feindin des Frevlers, dem, feig, lichtscheues Dunkel gefällt;
dreimal glückliche ist der, den friedlich, unter dir wandelnd,
über den Wechsel des Glücks innere Ruhe erhebt!



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