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Der Garten zu Wörlitz.

W as für ein Zauber weilt auf dieser Stelle?
welch' holder Wahn schleicht in die Brust sich ein?
Sanft weht das Laub, harmonisch rauscht die Welle,
und süße Bilder wanken durch den Hain.

Wie hier im Thal, bewegt von leichten Schatten,
von klarer Fluth und Sonnenschein geküßt,
wie lieblich hier sich Lust und Ruhe gatten,
und selbst der Herbst die Fluren milder grüßt!

Schon schmilzt, wo dort des Tempels Säulen
glänzen, der Weide Grün zu leichtem gelbem Flor;
hier hebt sich noch mit frischen Farbenkränzen
der Eiche Laub in Jugendkraft hervor.

Am fernen Hügel, wo der See sich kräuselt,
glüht mancher Busch, von Purpur übermahlt,
indeß in blauer Luft die Pappel säuselt,
das schöne Haupt von Silberglanz umstrahlt.

Wie ist auf diesem zartbewegten Spiegel,
wo Phöbus mild in jeder Welle lacht,
die Fahrt so schön! Wir landen froh am Hügel,
und uns empfängt des Haines sanfte Nacht.

Platanen wölben am umschirmten Teiche
ein Schattendach für heißer Sonne Gluth;
sie neigen tief hinab die schönen Zweige,
und küssen sanft die still verklärte Fluth.

Welch Jubeln tönt von jenem Ufer wieder!
Ein muntres Völkchen legt mit heiterm Sinn
im hellen See die grauen Netze nieder,
und schwebt auf leichten Kähnen hier und hin.

Was sind sie hier, wo Lust und Freiheit wohnen,
wo süßer Friede unsre Stirn umkränzt,
die Freuden, die in Königsstädten thronen,
die stolze Pracht, die in Palästen glänzt?

Ein heit'rer Geist beseelet hier, und hebet
den todten Stoff zur Harmonie empor,
und aus dem stillen Zwang der Regel strebet
Natur mit freyer, schöner Kraft hervor.

Auch hier wohnt Kunst: oft keimt aus öden Steinen
ein kleiner Garten, wie durch Zaubermacht,
und, ungesehen dort dich auszuweinen,
winkt dir der Grotte heimlich stille Nacht.

Am schwanken Seil springt über feuchte Gründe
der Brücke Bogen leicht mit dir hinweg;
und unvermerkt, durch lockendes Gewinde,
führt heimlich dich ein unwirthbarer Steg.

Und immer tiefer senkt in stille Grüfte,
wohin ein dürftig Licht nur sparsam fällt,
der Pfad sich ein, und drängt sich durch die Klüfte,
die nur ein lock'res Band zusammen hält.

Bis, wo die Felsen sich in Büschen enden,
ein Gärtchen dich umfängt, wo sich das Licht,
umschirmt von steilen, moosbedeckten Wänden,
in milder Dämmerung schwermüthig bricht.

Hier fasset dich mit leisem Geisterwehen
ein stilles Grauen; dem getäuschten Sinn
scheint alles todt: du wirfst dich ungesehen
und traurig auf bemooste Steine hin.

O, fliehe nicht der sanften Trauer Stunden,
verschmähe nicht der Wehmuth ernste Lust!
Die Einsamkeit thaut Balsam auf die Wunden,
und jedes Herz schlägt sanfter in der Brust.

Oft bricht sich durch der Schwermuth düstern Schleyer
ein heil'ger Strahl, der Hoffnung göttlich Kind;
der Muth erwacht, die Herzen schlagen freyer,
die doch im Ahnden nur hienieden glücklich sind.



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