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Das Bildnis.

W er hellt mit sanftem Tagesschein
des Lebens düstre Wüsteney'n?
Wem dank' ich's, daß nach trüber Nacht
der Freude Bild mir wieder lacht?

Dir, Götterfunken! dir, Genie!
dir beug' ich dankend meine Knie.
Ein Strahl von dir in Wüsteney'n
streut Blumen hin auf Fels und Stein.

Dein kühner Flug strebt himmelauf;
durch Sphären windet sich dein Lauf;
die Welten sinken unter dir,
du winkst – und neue gehn herfür.

Du füllst mit Gluth des Dichters Herz,
hebst seine Seele sonnenwärts;
voll Ahndung fliegt der trunkne Geist
die Bahnen, die dein Wink ihm weis't.

Du riefst aus todtem Holz hervor
den Zauberton, der durch das Ohr
mit Harmonie die Seele füllt,
Entzücken schafft, und Wunden stillt.

Daß, was der vollen Brust entfließt,
dem fernen Freund verständlich ist;
daß wir, getrennt, doch nah' uns sind:
Dies lehrtest du uns, Götterkind!

Mir zauberte, von dir belebt,
so wahr – des Urbilds Seele schwebt
um Auge, Stirne, Mund und Kinn –
der Künstler dieses Urbild hin.

Das ist im unwirthbaren Hain
dem Wand'rer, irrend und allein,
der erste Lichtstrahl, der erscheint,
was mir der liebe stumme Freund!

Mir schafft der Phantasieen Spiel,
beim Blick auf ihn, der Freuden viel;
in dämmernder Vergangenheit
glänzt sanft verblühte Seligkeit.

Es weicht die leise Dämmerung
beim Schimmer der Erinnerung:
– so sinkt, bestrahlt von Luna's Blick,
von Blumenau'n die Nacht zurück.

Verschwiegen, wie im Schattenreich,
stets liebevoll, sich immer gleich,
voll Reiz, der keinem Winter weicht:
– wer ist, der diesem Freunde gleicht?



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