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Zirkassien

Die Zirkassierinnen, berühmt im ganzen Orient durch ihre blasse, stolze Schönheit, waren von je die Favoritinnen in den Harems der Reichen zu Konstantinopel, besonders im Serail des Sultans. Lieder der Rache gegen die türkischen Aufkäufer und gegen die herzlosen Eltern, die ihre Töchter für Geld hergeben, sind im Lande allgemein. Die Zirkassier sind grausam, leidenschaftlich, blutdürstig, und mit demselben Atemzug, mit dem sie von Liebe reden, reden sie auch vom Tod. Ihre Liebeslieder sind zugleich Lieder der Rache, der Eifersucht, des Todes.

siehe Bildunterschrift

Mädchen unter einem Baum (Ragini-Motiv).
Indien, 17. Jahrhundert

Die Flucht

Ja, wenn du willst, Geliebte, – komm!
Auf meinem Rappen mit der Blesse
Laß uns entfliehen deinen Eltern
Und deinen Brüdern, die nicht wollen,
Daß Liebe zwischen uns gedeiht.

Ich habe meinen Flintenlauf
Gereinigt, und drei Feuersteine
Hab ich zum Wechseln, und mein Degen
Steckt frisch geschärft in seiner Scheide,
Voll Ungeduld, daß ich ihn zieh.

Mein wundervolles Schwert aus Temruk,
Das du mir zum Geschenke machtest, –
Die feine Klinge glänzt im Schmucke
Der Goldeinlagen: dich zu schützen,
O Fatme, ist das Schwert bestimmt.

Mein Aug zielt sicher, meine Hand
Hat im geringsten nie gezittert,
Wo es den Feind zu treffen galt,
Und wenn uns deine Brüder folgen
Auf Pferden, schneller als der Wind,

Und wenn sie wirklich uns erreichen
Und mit Gewalt aus meinen Armen
Dich reißen wollen, – meine Flinte
Wird früher als die ihre dröhnen,
Und meine Klinge trifft zuerst.

Die Kugel meiner Flinte ist
Für dich bestimmt, für dich allein,
Du meine herrliche Geliebte,
Sie wird dein junges Herz durchbohren,
Du weißt ja: meine Hand zielt gut.

Und meine Klinge ist für mich,
Für mich allein, ich habe nimmer
Gezittert, wenn es galt zu treffen,
Und werde schnell die Stelle finden,
Wo in der Brust dein Bild mir lacht.

Was wäre uns ein Dasein nütze,
In dem wir Herzen nicht noch Lippen
Vereinen dürfen! Da das Leben
Uns feind ist, mögen unsre Seelen
Vereinen sich in süßem Tod.

Sie werden beide aufwärts steigen
Zu Allah, frei und voller Jauchzen,
Und Allah wird zu einer Seele
Vermählen sie in seinem Garten,
Wo alles glänzt von Sternengold!

Volkslied

* * *

Die Rache

Grausamer Mensch! Du hast es wohl gewußt,
Daß ich die schöne Aischa, deine Tochter,
So liebe wie sonst nichts auf dieser Erde, –
Du geiziger, herzloser Mensch, den ich
Zu meiner Schande Oheim nennen muß!

Du hast die Herrliche für ekles Geld
Verkauft an Händler, die sie auf dem Markte
Des Menschenfleisches nun verschachern werden,
Du hast die freie Tochter unsrer Berge
Als Sklavin in die rauhe Welt geschickt.

Nun wird sie einem Feinde unsrer Rasse
Zur Lust gereichen, einem wüsten Burschen
Mit feistem Bauch, darüberhin er kaum
Die eignen Füße sieht, und die Umarmung
Der Liebe bringt solch Scheusal kaum zustand.

Sie ist verkauft, die Schlanke, die so leicht
Wie eine Antilope unsrer Berge
Dahinschritt durch die sommerlichen Gluten,
Um sich zu baden in dem Tereck-Flusse,
Sie, deren glatter Leib dem Vollmond glich!

Sie, deren seidiges Haar aus feinstem Golde
Gemacht schien und dem Honig so genau
An Farbe glich, daß Bienen es umschwärmten,
Sie, deren rote Lippen hold erglänzten
Wie Blüten des Granatbaums in der Sonne.

O Fluch! Sie wird verkümmern und verderben,
Gleich einer jungen Pflanze, gleich so vielen
Unseligen Frauen, die verdorben sind,
Beraubt der Liebe und des Lichts zum Leben,
Hinter des Harems dichtem Gitterwerk.

Du aber sonnst dich schon in dem Gedanken,
Daß dermaleinst vielleicht der Padischah
Sie unter vielen Frauen wählen wird,
Damit sie dem Kalifen einen Erben
Beschere, den du Enkel nennen darfst.

In deinem dicken Gürtel birgst du das
Verfluchte Gold deines gemeinen Handels
Und kündest aller Welt nun deine Freude
Und kümmerst dich um Aischas Tränen nicht
Und nicht um meine qualenreichen Tränen.

Du hast das ekelhafte Gold gestohlen!
Du hast das Wundervollste uns entrissen,
Was es in unsern Bergen gab. Die Freiheit
Der eignen Tochter und des Neffen Liebe
Sind schmachtende Gefangne deiner Gier.

Die Freuden unsrer Kindheit, unsre Spiele
Am Fuß des Elburs, unsrer Jugend Lust,
Das Glück von gestern und die schöne Hoffnung
Auf morgen sind für immer nun begraben
In deines Gürtels widerwärtigem Gold.

Nimm deinen Hals in acht, mein lieber Ohm!
Denn einer von uns beiden ist zuviel.
Ich mag nicht ohne meine Liebe leben, –
Verteidige dich gut! Sonst wählt mein Schwert
Als Scheide sich dein hassenswertes Herz!

*

O Allah, Dank! Hier halte ich den Gurt,
Drin meine Liebe eingekerkert war.
Ein Pferd gesattelt! Und mit Windeseile
Den Sklavenhändlern nach! Mit diesem Golde
Und meinem Dolche mach ich Aischa frei!

Volkslied

 

 

Die Verse dieses Buches gehen auf französische Prosatexte zurück, die vor allem dem Werke von Adolphe Thalasso »Anthologie de l'amour asiatique« (Paris 1906) entnommen sind.

[Abbildungen:] Die Originale der Miniaturen befinden sich in der Islamischen Abteilung der staatlichen Museen, Berlin, und in der Sammlung Prof. Friedrich Sarre, Babelsberg.

 


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