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Turkestan

Auch Turkestan besitzt keine geschriebene Literatur, die Lieder der Volkssänger sind zumeist kriegerisch, auch die Liebeslieder sprechen gern von der Freude am Krieg und holen ihre Bilder und Vergleiche am liebsten aus Kampf und Schlachtgetümmel.

Immer nur sie

Da dein hochmütig Herz dem Diamanten
An Härte gleicht, so zog ich in den Krieg,
Um zu vergessen, daß dein Lieben ganz
Erloschen ist und daß du mich verachtest.

Jedoch der Tod entflieht vor meinem Schatten,
Und jeder neue Sieg, den wir erringen,
Läßt tausend dunkle Tode mich erleiden,
Viel fürchterlicher als der Eine Tod.

In jeder neuen Schlacht läßt das Gefunkel
Der Schwerter, die sich kreuzen, deiner Augen
Verführerisches Glänzen neu erstehen
In meines Herzens unruhvoller Nacht.

Das Blut, das um mich her in Bächen rinnt,
Erinnert mich an die Granatbaumblüten,
Die, von der Röte frisch vergoßnen Blutes,
So zauberhaft auf deinen Lippen blühn.

Und wenn ich sehe, wie zwei todgeweihte
Feindliche Krieger wütend sich umschlingen,
So wird mir unversehens die Erinnrung
An die Liebkosung deiner Arme wach.

Und lauter als das schreckliche Gewieher
Der Pferde, die, bedeckt von Wunden, fliehn,
Viel mächtiger als das Geklirr der Schwerter
Und als das wilde Stöhnen Sterbender

Erbraust in meiner Brust dein hoher Name:
Er füllt das Herz mir an wie Donnerschlag
Und knechtet mich, daß ich an meiner Siege
Gewaltigstem mich nicht mehr freuen mag!

Volkslied

* * *

Eifersucht

Gott hat für alle Welt den Glanz der Sonne
Geschaffen, doch die Schönheit meiner blonden
Suleika und die Sonne ihrer Liebe
Schuf er für mich und nur für mich allein!

Ich rat euch nicht, mit euren kecken Augen
Die Grazie ihres Körpers zu liebkosen, –
Mein Dolch ist schnell zur Hand, um eure Augen
Furchtbar zu strafen für so frevles Spiel!

Ich rat euch nicht, mit euren kecken Lippen
Das kleinste Wort der Liebe ihr zu flüstern, –
Mein Dolch ist schnell zur Hand, um zu verhindern,
Daß eurer Lippen Echo zu ihr dringt.

Ich rat euch nicht, mit euren kecken Händen
Zu streifen ihre schimmernden Gewänder, –
Mein Dolch ist schnell zur Hand: mit eurem Herzblut
Wasch ich das Kleid der Liebsten wieder rein!

Volkslied

* * *

Geschosse

Alle Steine meiner Schleuder,
Alle Kugeln meiner Flinte
Treffen, was sie treffen sollen,
Sei es noch so weit entfernt.

Aber schneller als die Steine,
Als die Kugeln meiner Flinte
Sind die Pfeile, die enteilen
Deinem mörderischen Aug!

Feinde, die durch meine Steine
Und durch meine Kugeln sterben,
Haben keine Qual zu dulden,
Denn der Tod fällt sie sofort.

Doch mein armes Herz, getroffen
Von den fürchterlichen Pfeilen
Deiner großen Augen, leidet
Tausend martervolle Tode, –
Ohne daß es sterben kann.

Volkslied

* * *

Vergleich

Dein Angesicht, das sich in einem Tropfen
Hochroten Weines feurig widerspiegelt,
Gleicht meiner aufgewühlten Seele, die
Aus einem Tropfen heißen Blutes blickt.

Husseïn Baïkrani


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