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Nachwort des Verlages

Raoul Auernheimers Studie über Franz Grillparzer, den Dichter Österreichs, wie er selber sein Werk bescheiden genannt hat, war die letzte literarische Arbeit seines Lebens, mit ihr hat er sein reiches und vielseitiges Schaffen abgeschlossen und sie gleichsam als Abschiedsgruß an sein Heimatland gerichtet.

Bei dem Werk, das in der Fremde entstand, haben Liebe und Heimweh Pate gestanden. Ohne die Schätze der österreichischen Bibliotheken auf diesem Spezialgebiet hat der Autor, nur mit einem geringen Bestand helfender Fachliteratur, seine Arbeit vollendet, in der Hauptsache angewiesen auf eigene Kenntnisse und eigenes inneres Erleben. Darum will sein Buch auch nirgends und in keiner Weise als literaturgeschichtliches Spezialwerk betrachtet und gewertet sein. Im Gegenteil, es entfernt sich bewußt von dieser Forschungsart, es beleuchtet mitunter sogar die Mängel und Lücken der so umfangreichen gelehrten Grillparzer-Literatur und sucht diese mit mancherlei Glück und den besten Absichten zu ergänzen. Durch den Umstand nämlich, daß alle größeren zusammenfassenden Arbeiten über Grillparzer Literaturwissenschaftler zu Autoren und eine dadurch bestimmte Zielsetzung hatten, stand dort immer nur der Dichter dominierend im Vordergrund, während Schicksal und psychologische Eigenart des Menschen Grillparzer in die zweite Reihe gerückt blieben. Die Leistung Raoul Auernheimers sollte nach des Autors Willen darin liegen, den umgekehrten Weg zu beschreiten und vom Menschen her den Dichter zu erklären, zu deuten und zu entwickeln. Daher ist seine Studie zu einer psychologischen Biographie geworden, die wohl nicht die letzten Ergebnisse der Literaturhistorie, aber die Errungenschaften und Erkenntnisse moderner psychologischer Forschung benützt und verwertet: Der Kenner und Gestalter seelischer Vorgänge, auch kompliziertester Art, als der sich Raoul Auernheimer in so vielen seiner Werke erwies, hat sich an diesem Gegenstand mit der erfahrenen Reife seiner hohen Lebensjahre zu bekunden gewußt. Der Kenner der Geschichte und der kulturellen Atmosphäre damaliger Zeit hat nach dem Lebensbild Metternichs auch dessen Parallel- und Gegengestalt, Grillparzer, in all den Zusammenhängen gesellschaftlicher, künstlerischer und politischer Natur zu zeigen unternommen, die für die Schaffens- und Daseinsjahre des großen Dramatikers bestimmend waren. Der erfahrene Bühnenautor weiß auch auf vielerlei bisher nicht oder zu wenig beachtete Eigentümlichkeiten der Schaffensweise Grillparzers aufmerksam zu machen und sie zu ergründen. Der graziöse Feuilletonist, dem das Gewicht schwerer wissenschaftlicher Diktion völlig fremd und abgelegen erscheint, ist bemüht, seine Gedanken und Erkenntnisse bei völliger Wahrung der inneren Wahrheit zu wirksamster Geltung zu komponieren.

So mag dieses Werk, das sich der Gruppe wertvoller, historisch-biographischer Belletristik zugesellen will, als schriftstellerische Leistung an sich, als Vertiefung der Erkenntnisse in manchen Stücken und als das Bekenntnis eines scharfsinnigen und vornehmen Künstlers seinen Weg zu jenen Kreisen des deutschsprachigen Leserpublikums antreten, an die es als Vermächtnis und Abschiedsgruß gerichtet ist.

September 1948
Ullstein Verlag Wien

 


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