Berthold Auerbach
Das Landhaus am Rhein / Band III
Berthold Auerbach

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Zweites Capitel.

Dienstfertigkeit und Ehrerbietung zeigten sich in der Art, wie Sonnenkamp der Professorin die Hand reichte, als sie aus dem Wagen stieg, wie er sie nach dem Dampfschiff führte, ihr einen vor Zugluft geschützten und freien Ausblick gewährenden Platz suchte, wie er ihr alles zur Hand legte und nach ihren Wünschen fragte. Die Professorin sah zu ihrem Schrecken, daß sie ein Buch vergessen hatte, das sie mitnehmen wollte. Sie wich den Fragen Sonnenkamps aus, welches Buch es sei, denn sie konnte wohl voraussetzen, daß die Schriften des Mannes, den sie so sehr verehrte, Sonnenkamp nicht genehm seien; sie scherzte über sich selbst, daß sie noch bei einer Rheinfahrt am sonnenhellen Tage gerne ein Buch bei sich habe. Nun mußte sie ganz dem Ausblick und ihren Gedanken leben.

Sonnenkamp setzte sich neben sie und seine Stimme war in der That bewegt, als er sagte, daß er seine Kinder glücklich preise, ja fast beneide, daß eine solche Frau sich in ihren Jugendgeist einlebe.

Je mehr er sprach, je weicher wurde er; es lag ein Glanz in seinen Augen, als ob eine Thräne darin zerflossen wäre. Er wiederholte, er möge nicht von seiner Jugend sprechen, die sei öde und wüst, keine zarte Frauenhand habe je die Mienen seines Antlitzes geglättet. Endlich kam er, sich gewaltsam fassend, auf den Hauptpunkt.

»Man hat meinem Kinde eine Thatsache berichtet, die zu widerlegen ich unter meiner Würde halte. Sollten Sie, geehrte Frau, eine solche erfahren, so seien Sie im Voraus überzeugt, daß es eine von niedrigster Feindseligkeit ausgeheckte Lüge ist.«

Er sagte, er könne es nicht nennen, sonst müßte er hier auf dem Schiffe rasend werden. Seine zur Milde geschmeidigten Mienen wurden plötzlich wild, Furcht erregend. Die Professorin sagte nun, daß sie zunächst ihrer Jugendfreundin, der Oberin, einen Besuch mache, und bat, daß Herr Sonnenkamp Alles vermeiden möge, was seiner Tochter eine Beziehung zu ihr aufdrängen könne.

Sonnenkamp verabredete mit ihr, nicht mit auf die Insel zu gehen; er wollte im Gasthof am andern Ufer warten, bis die Professorin ihn rufen lasse . . .

Während das Schiff den Rhein hinabfuhr, pflügte ein stattlicher Landwirth in kleidsamer Tracht einen Acker auf der Klosterinsel. Die Kinder standen von Ferne und sahen dem Pflügen zu, als ob es ein Wunder wäre; sie wollten näher treten und schauten auf Manna, als ob diese es erlaube, Manna nickte und sie gingen auf dem Kiesweg an der Seite des Ackers dahin. Da grüßte der Pflügende, indem er den Hut abnahm; Manna erschrak. Ist das nicht Herr von Prancken?

Er pflügte ruhig weiter. Als er jetzt den Pflug wendete, schaute er zu ihr hin und lächelte; er war es.

»Das ist ein wunderschöner Bauernknecht,« sagte eines der Mädchen.

»Und er sieht so fein aus,« rief ein anderes.

»Und er hat einen Siegelring an der Hand,« rief ein drittes. »Wer weiß, ob das nicht ein verkleideter Ritter ist.«

Manna rief die Kinder, daß sie wieder mit ihr umkehrten. Sie ging in ihre Zelle, von der man den Acker überschauen konnte, vermied aber das Fenster. Es schmeichelte ihr, daß Prancken sich in ihrer Nähe hielt und so bescheiden und rücksichtsvoll war, sie nicht anzusprechen. Sie überlegte, ob sie das nicht der Oberin mittheilen müsse, aber sie fand, daß sie kein Recht habe, das Geheimniß des Herrn von Prancken zu lösen.

Sie ging nach dem Fenster und sah, wie er ruhig seine Arbeit vollführte, er erschien so rein und edel in dieser einfachen Thätigkeit. Ein Rosenstock stand auf ihrem Fenstersims, eine Spätrose war aufgeblüht; jetzt schaute Prancken auf, sie faßte die Rose, wollte sie abbrechen und als Zeichen der Erkennung ihm hinabwerfen, aber eben, als sie den Stiel faßte, trat eine dienende Schwester ein und meldete, daß ein Besuch gekommen sei, der Manna zu sprechen wünsche. Die Rose blieb am Stock.

Manna wendete sich und fühlte, wie verwirrt sie war. Dort ist ja Prancken, dort führt er den Pflug. Wie konnte er sich melden lassen? Oder ist Gräfin Bella angekommen? Schwankenden Schrittes ging sie hinab nach dem Sprechzimmer. Die Oberin stellte ihr eine Dame vor und sagte:

»Dies ist meine Freundin, Professorin Dournay, die Mutter vom Lehrer Deines Bruders.«


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