Sagen aus der Hanse
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Henkersnot

In Bremen, sagt man, sei in den Hexenzeiten ein Tischler gewesen, der wohnte an der Hukpforte, und ein Schiffer, der von seinem Fahrzeug hinter der Mauer an dem Hause vorbei heimging, wunderte sich, am späten Abend noch Licht darin zu sehen. Er fand in der Fensterlade ein Astloch und als er durch dieses spähte, wurde er gewahr, wie der Tischler zwei dünne Stäbchen kreuzweise übereinander legte und sie mit einem kupfernen Nagel zusammenheftete. Dabei schaute er ab und zu in ein Buch, das auf dem Tische lag, und in dem er leise murmelnd las.

Am selben Abend hatte ein Ratsherr, der den Bau des Rondel auf dem Schwanengatt beaufsichtigte, das Unglück, daß ihm ein schon vorher entzündetes Auge auslief. Das vernahm der Schiffer und er reimte sich das so zusammen, daß der Tischler es mit seinem Schlag auf den Nagel ausgeschlagen habe. Und obwohl dieser behauptete, er habe nichts Unrechtes getan, sondern nur Tischlerwerk verrichtet und dabei seiner Gewohnheit nach ab und zu einen Vers in der Bibel gelesen, und man könne ja bei ihm Nachsuche halten, so würde man in seinem Hause nichts Arges finden. Das geschah auch und man fand wirklich das Gerät, in dem die Stäbchen mit dem Kupfernagel lagen, und außer der Bibel sonst kein Buch im Hause, aber man meinte, die dienstbaren Geister hätten das Buch umgewandelt und aus dem Höllenzwang eine Bibel gemacht. So wurde er als ein offenbarer Hexer, der unter Beschwörungen den Leuten mit einem kupferfarbenen Nagel die Augen ausschlug, zum Tode verurteilt.

Der Scharfrichter aber war krank und elend und sein Knecht verließ ihn, weil er auch den Meister für einen Teufelsbündner hielt. Und als dieser das Schwert erhob, ging es ganz wunderlich zu, denn er sah nicht nur einen Hals und Kopf vor sich, sondern sieben, und wußte nicht, welches der rechte sei, und schlug erbärmlich drauf los, so daß er den Kopf erst nach mehreren Schlägen abzubauen vermochte. Das Volk aber schrie aufgebracht gegen ihn und wäre er nicht ohnmächtig zu Boden gesunken, hätte man ihm gewiß was angetan.

 


 


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