Sagen aus der Hanse
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Moder Dwarksch

In alten Zeiten lebte in dem Keller an der Ecke des Kohlmarkts eine wohlhabende Familie; die war fromm und gottesfürchtig, außer der Frau, die aller Bosheit voll und mächtig gewesen. Diese hat endlich nur noch in ihrem großen ledernen Lehnstuhl am Ofen gesessen und Tag und Nacht die Leute gequält und durch schändliche Reden geärgert. Es half auch nicht, daß man getreue Nachbarn, gute Freunde, den Beichtvater, ja die hochweisen Herren selber dazu gerufen: es hat sie keiner in ihrem Wesen ändern können. Nachdem sie nun ihren Mann unter die Erde, ihre Kinder aber zur Verzweiflung gebracht, hat sie auch daran glauben müssen und ist dahingefahren. Als aber am Abend nach dem Begräbnis die Haut verzehrt (das Leichenmahl gehalten) wird, ist der lederne Lehnstuhl auch wieder besetzt; Moder Dwarksch ist wieder da, treibt mit Schelten und Schimpfen die Gesellschaft wie Spreu auseinander und hat ihr Wesen vor wie nach, nur daß sie noch gelber und verschrumpelter und unheimlicher ausgesehn. Vergebens suchte man sie durch kluge Frauen, durch den Schäfer, durch den Wasenknecht, durch einen frommen Mönch zu bannen: sie saß nach wie vor in ihrem Lehnstuhl und wurde nur grimmiger.

Endlich ist ein Schneider aus Pommern eingewandert, der was konnte. Er sprach: wofern man ihm ein gut Stück Geld verehren wollte, sei er wohl im Stande, der Sache ein Ende zu machen. Als man ihm solches mit Freuden bewilligt, hat er der alten Hexe Leibgericht ausgekundschaftet, welches Speckpfannkuchen mit Schnittlauch gewesen; läßt alsbald deren zwölf der schönsten in der Herberge zum großen Christoffer backen und um Mitternacht auf einem neuen zinnernen Teller bereit halten. Dann versperrt er die Tür mit einem großen Hopfensack, in dessen Grund er die blanke Schüssel mit den Speckpfannkuchen setzt, und spricht seinen Spruch. Da ist Moder Dwarksch alsbald vom Lehnstuhl auf- und in den Hopfensack gefahren und über die Speckpfannkuchen hergefallen: der kluge Schneider aber schnürt den Sack zu und trägt ihn in die Grönauer Heide, wo er die Alte mit dem stärksten Zwange bannt.

Seitdem hat nun Moder Dwarksch ihr Wesen dort getrieben: den Leuten die Wege verrannt, den Sand aufgeblasen, falsche Lichter gezeigt, sie durch Notrufe und Geheul verstört und sich an die Wagen gehängt, daß sie nicht durchkommen konnten. Besonders aber hat sie alle, die Speisen bei sich geführt, verfolgt, und mit Speckpfannkuchen gar ist die Heide nicht zu passieren gewesen. Einer aber, der es um Mitternacht dennoch gewagt, ist anderen Tags mit umgedrehtem Genick aufgefunden.

 


 


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