Sagen aus der Hanse
Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dat lütte Rümeken

»Dat lütte Rümeken« zu Hamburg ist das Heiligengeistfeld in St. Paull bis zur Grenze von Altona. Von ihm erzählt man sich folgende Geschichte:

Jedesmal, wenn der lebenslustige Graf Otto von Schauenburg, der zu Pinneberg residierte, auf seiner Vogtei Ottensen Recht gesprochen hatte, stärkte er sich im Hamburger Ratskeller. Einmal dehnte sich die Zecherei so lange aus, daß er die Stunde, da alle Stadttore fest verschlossen werden, verpaßte. Die Ratsherren aber wußten ihrem Ehrengast das Unglück so vergnüglich vorzustellen, daß er sich nicht weiter darum sorgte und der Einladung des Bürgermeisters, bis zum Morgen in seinem Haus Herberge zu nehmen, gern nachkam. Als nun der Graf dort angelangt, siehe da steht eine prächtige Tafel mit Speisen und herrlichsten Weinen zum Abendimbiß bereit, und die Frau Bürgermeisterin kredenzt dem hohen Gast den Goldpokal. Sie ließ es sich angelegen sein, den Grafen in fröhlicher Rede so zu vergnügen, daß er von all den guten Dingen sehr lustig wurde. Und als nun der reichliche Wein auch sein Bestes tat, da ist die schöne Bürgermeisterin mit lieblichen Worten den Grafen angegangen, daß er ihr doch das kleine Räumchen schenken möge, »dat lütte Rümeken« zwischen dem Millern-Tor und dem Bach, der zur Elbe läuft, weil die Hamburger Frauen gern im Stadtgebiet ihr Linnen bleichen wollten. Und da sie so artig bat und der Graf ein ritterlicher Herr war, der einer bittenden Frau, zumal wenn sie schön war, nichts abschlagen konnte, er auch nicht gewahr wurde, daß das gewünschte kleine Räumchen eigentlich ziemlich groß sei – so beschied er das Ansuchen günstig. Und da zufällig ein Notar anwesend war und gleich eine Abtretungsurkunde darüber abfassen konnte, unterschrieb der Graf Otto flugs und fröhlich den Brief und setzte sein Siegel dazu, worauf der Wein nach getanen Staatsgeschäften noch besser mundete, bis der Graf vom Bürgermeister und Notar, nicht ohne deren tätige Beihilfe, zu Bett geleitet wurde.

Andern Morgens, als er heimkehrend über das abgetretene »lütte Rümeken« ritt, verwunderte er sich sehr über dessen Umfang, aber er war ein edelmütiger Herr, der fröhliche Schwänke wohl leiden konnte, darum lachte er über die List seiner Gastfreunde, die er nun wohl verstand, und ließ die Sache gut sein. Und wenn er später, wie noch oft geschah, nach Hamburg zu Weine und Biere ritt, so nahm er sich besser in acht und verpaßte niemals wieder die Stunde des Torschlusses. Und hat der schönen Bürgermeisterin lächelnd gesagt: um das ganze Hamburger Linnenzeug zu bleichen, möchte sie wohl seine ganze Herrschaft Pinneberg für ein – lüttes Rümeken ansehen und ihm fördersamst abschwätzen.

 


 


 << zurück weiter >>