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Philippine Demuth Bäurle.

Einleitung.

Nicht ohne Interesse wird der verehrte Leser dieses Buches die wundervollen Ereignisse bei einem Mädchen wahrnehmen, die – wie deren nachstehende Lebensgeschichte es beweisen wird – nicht in Aufregung ihres Gemüthes, auch nicht in Träumereien ihren Grund haben, sondern allein in Folge seines schwachen Nervensystems entstanden sind; vermöge dessen das Mädchen in ein periodisches Traumleben (Somnambulismus) versetzt wurde. In solchem magnetischen Zustande erhob sich jedesmal ihr Geist von der Erde in höhere Regionen, und war im Stande, Dinge zu sehen, die dem irdischen Auge verborgen bleiben! – Auf solche Weise werden dem geneigten Leser Scenen aus dem bisher unbekannten Geisterreiche jener Welten, die am gestirnten Himmel glänzen, vorgeführt.

Dieses Hellsehen beruht auf keinerlei Täuschung, oder gar Betrug; bewährte Männer treten als unverwerfliche Zeugen auf, und sollten diese nicht genügen, so stellet die Geschichte eine Menge Beispiele solcher Art dar, die keinem Zweifel unterworfen werden können.

Auf den Grund älterer Physiker hat in neuerer Zeit der Direktor des K. Lyceums und Professor der Physik, Dr. Weber in Dillingen (nachmaliger Domdechant zu Augsburg), in seiner zu Landshut (1816) erschienenen Schrift:

» Der thierische Magnetismus, oder die Geheimnisse des menschlichen Lebens«

im dritten Abschnitte auch ein Wort über den »Somnambulismus« gesprochen.

Wichtige und merkwürdige Notizen über Hellsehende hat Wesermann in seinem Werke:

» der Magnetismus und die allgemeine Weltsprache, Cölln 1822« zusammengestellt.

Wie sich Herr Professor Eschenmayer in Tübingen über den somnambülen Zustand dieser Person unterm 24. November 1832 und 2. Januar 1833 geäußert hat, wird den verehrten Lesern in dessen folgenden zwei Briefen mitgetheilt.

*

I.

»Es freut mich recht sehr, daß Sie mir von dem magnetischen Zustande, in welchem sich ihre Jungfer Tochter gegenwärtig befindet, Mehreres mittheilen. Ohne Zweifel ist dieser Zustand ein freiwilliger Somnambulismus mit Hellsehen; der sich nicht so selten bei Mädchen ereignet, die in ihrem Entwicklungsalter sind, das Sich-Versetzen in andere Regionen oder Planeten kommt manchmal bei solchen Personen vor. Besonders war dieß der Fall bei der Somnambüle R.....in St......, welche Herr Medizinalrath Schelling magnetisch behandelte. Alle diese Personen, welche in einen gewissen Grad von Hellsehen versezt sind, geben einen Führer oder Schutzgeist an, der sie von vielen Dingen unterrichte, die sie nicht von sich selbst wissen können.

Was ich Ihnen rate aus vielfältiger eigener Erfahrung, die ich an Somnambulen gemacht habe, ist Folgendes:

  1. Lassen Sie der Geschichte geradezu den Lauf, wie sie sich von selbst entwickelt; halten Sie das Hinzudringen aller unnützen Personen ab, welche gewöhnlich nur störend einwirken, und die Selbstheilung verzögern.
  2. Fragen Sie jedesmal die Somnaiubüle, wenn sie in das Hellsehen versezt ist, ob sie keine Mittel anzugeben wisse, welche ihr heilsam seyen? Diese Selbstverordnungen müssen alsdann genau befolgt werden, und führen sicher die Heilung herbei. Andere ärztliche Mittel sind gewöhnlich überflüssig.
  3. Protokollieren Sie alles genau, was sich in dem jedesmaligen somnambülen Zustande ereignet, und sorgen Sie dasür, daß dieser nicht durch unnütze Fragen unterbrochen wird, außer die Somnambüle habe erlaubt, daß man Fragen an sie machen könne.
  4. Sollte diese Person eine magnetische Behandlung vertragen, so wird sie ohne Zweifel auch denjenigen zu benennen wißen, der sie behandeln, und auch die Methode angeben, nach welcher die Behandlung geschehen soll. Diesem müßte aber zum Voraus gesagt werden, daß er weder Zeit noch Mühe sparen dürfe, um alles genau zu befolgen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß es viele Anstrengung kostet. Wer die Zeit nicht darauf wenden kann, unterlasse das ganze Geschäft; denn, ist es einmal angefangen, so kann es nicht unterbrochen werden, ohne den größten Nachtheil für die Kranke.

Gerne würde ich mich selbst von der Beschaffenheit des Somnambulismus dieser Person überzeugen, aber meine Gesundheit, die seit einiger Zeit sehr wankend ist, erlaubt mir nicht, bei dieser Jahreszeit eine Reise zu unternehmen etc.«

*

II.

»Ich habe Ihre beiden letzten Briefe erhalten. Die Erscheinungen, welche besonders ihr zweiter Brief enthält, sind in mancher Hinsicht merkwürdig. Ueber die vielerlei Gerüchte, über die Sie sich beklagen, müssen Sie sich hinwegsetzen, weil der Unglaube und Unverstand der Menschen nicht zu ändern ist. Nur dann lassen sich solche Gerüchte vermeiden, wenn man unnützen Menschen den Zutritt verwehrt, und eine solche Person ohne Aufsehen behandelt. Bei meinen zwei Somnambülen, die ich hier magnetisirte, durfte Niemand als zwei Freunde und die Anverwandten zugegen seyn, und daher gelang es, daß beide Somnambülen ohne alle Störung auf den Tag hin gesund wurden, wie sie ihn gleich Anfangs vorher bestimmten. Uebergeht man diese Regel, so kommen häufig Störungen, welche die Sachen sehr verwickeln und in die Länge ziehen.

Man muß den Magnetismus als ein Heilmittel betrachten, und nicht als ein Werkzeug, um wunderbare Dinge damit erforschen zu wollen. Die Erscheinungen sind nicht wunderbar, sondern nur außergewöhnlich, weil sie im wachenden Menschen nicht vorkommen. Die Phänomene, von welchen Sie schreiben, habe ich größtentheils bei meinen Somnambulen auch wahrgenommen; am stärksten aber sah ich sie bei der Seherin in Weinsberg etc.«

Dem verehrten Publikum wird hiermit die von Vielen schon so lange sehnlichst erwartete Geschichte übergeben; sie ist ohne allen rednerischen Schmuck abgefaßt, und die Somnambule meistentheils selbst redend eingeführt, jedoch in derselben Sprache, wie sie stets in kindlicher Einfalt zu reden pflegte, damit nicht ihre Worte entstellt und unkenntlich gemacht werden möchten.

Das Bewußtsein, mit der Herausgabe dieses Buches dem Pflichtgefühle nachgekommen zu seyn:

die darin enthaltenen Offenbarungen der Welt nicht zu verheimlichen,

sezt den Herausgeber über den Unglauben und Unverstand, welchen es von Spöttern und Verächtern erfahren wird, hinweg; erbittet zum Schlusse dieselben, folgendes Gedicht (von Salis) zu beherzigen:

*

Noah's Taube.

(Eine Parabel.)

Eh' Noah seine Taube sandte,
Das Glaubensland, das unbekannte
Zu suchen, durch das weite Meer:
Versucht er es mit einem Raben
Von anerkannten Spähergaben,
Doch dessen Flug sank tief und schwer.
»Nun wenn es dem Verstand des alten
Erfahrnen Forschers nicht gelingt,
Sich in der Höhe zu erhalten,
Wo erst der Blick zum Ziele dringt:
So mag der kühne Falke fliegen,
Sein Auge blicket scharf und hell,
Er weiß, wie Schein und Ahnung trügen,
Sein Kopf ist der Erkenntnis Quell'.«
Hoch schwang sich der in engen Kreisen,
Verglich, bezweifelt, dachte frei;
Und kehret bald, um zu beweisen:
Land hoffen, wäre Schwärmerei.
Der Kranich ward nun angegangen,
Man hoffte auf sein Ahnungslicht;
Durch Wolken trieb ihn das Verlangen,
Jedoch Gewißheit bracht er nicht. –
Nun stieg die Noth, und Thränen flossen,
Der Schwache fing zu zweifeln an;
Da stieg bescheiden, doch entschlossen,
Ein Täubchen auf zur Himmelsbahn,
Es flog zu retten die Genossen
Von Noth und glaubenslosem Wahn,
Es prüft und forscht in düstern Tagen,
Und sah dann Land im Morgenroth,
Und jenen stillen Oelbaum ragen;
Der Zweige ewgen Friedens bot.
Die fromme Zeugin kehrte wieder,
Empfangen nun mit Jubelgruß,
Und legte still ihr Zweiglein nieder,
Mit Demuth an des Altars Fuß;
Der Falke, mit verbißnem Schnabel,
Von kaltem Wissensstolz gebläht,
Verhöhnt die Botschaft dreust als Fabel,
Der Kranich seufzt, der Rabe schmäht;
Doch Noah's Blick gebeut zu schweigen,
Und heißt das fromme Täubchen nah'n:
»Seht, Reine wählt der Herr zu Zeugen,
Und zeigt der Demuth seine Bahn;
Wollt ihr das Land des Glaubens schau'n,
So lernt Gehorsam und Vertrau'n

*

Geburt und Jugendjahre.

Philippine Demuth Bäurle wurde zu Weilheim im Jahre 1816 am 2. Juni, als an dem heiligen Pfingstfeste geboren. Sie war in ihrer Kindheit zwar immer etwas schwächlich, jedoch gerade nicht kränklich; in dem fünften und sechsten Jahre ihres Alters litt sie sehr stark an den Augen und wurde eine geraume Zeit, von dem Augenarzte Herrn Dr. Schrag, welcher gegenwärtig in Schorndorf lebt, behandelt, und mit Gottes Hilfe gut hergestellt.

In ihren Kinderjahren verrieth sie keine besonderen Anlagen; ihre Gaben im Lernen waren ganz mittelmäßig; Lesen und Schreiben begriff sie gut, zum Singen aber hatte sie nie ein Talent. – Gesellschafterinnen und Lustbarkeiten liebte sie nie vorzüglich, und hatte auch nie einen Hang zur Ausschweifung; aber für alles Religiöse bezeigte sie jederzeit eine besondere Vorliebe.

Nach zurückgelegten Schuljahren blieb sie stets im elterlichen Hause, und hatte auch in dieser Zeit nie eine immerwährende Gesellschafterin.

Jede Tanzbelustigung war ihr immer verhaßt. In ihrem dreizehnten Jahre schickte man sie einmal zu einem Hochzeitfeste, welches eine Stunde weit von hier begangen wurde. Man hatte dabei die Absicht, ihr ein kleines Vergnügen zu machen, aber ehe drei Stunden vergingen, so war sie schon wieder zurück. Als sie zu Hause kam, sagte sie:

»Man wollte mich auch zum Tanze aufmuntern, aber ich habe alles ausgeschlagen; ich muß es sagen, es hat mir davor geekelt, ich habe mich eigentlich in meiner Seele gefreut, als ich von dem Tumult weg war. Wie können doch die Menschen so toll seyn! Ich will Euch nur sagen, Ihr dürft mich weder hier noch auswärts zu keiner Hochzeit mehr schicken.«

Sie hat auch Wort gehalten, denn sie konnte bis auf diese Stunde zu keiner Hochzeit mehr gebracht werden.

Sie widmete sich den häuslichen Geschäften mit aller Treue und zeigte in allem sehr viele Gewandtheit. Ihre weiblichen Umstände entwickelten sich schon als sie 15 Jahre alt war.

Die öffentlichen Gottesdienste besuchte sie sehr fleißig, nach denselben blieb sie meistens zu Hause, und vertrieb sich die Zeit mit dem Lesen in geistlichen Büchern, die heilige Schrift, besonders das neue Testament und Joh. Arnds wahres Christentum waren ihr von allen andern besonders wichtig bis auf diese Stunde; was sie nicht recht fassen konnte, darüber verlangte sie belehrt zu werden.

Ehe der somnambüle Zustand bei ihr eintrat, klagte sie einige Zeit über Kraftlosigkeit in den Nerven, und über Schläfrigkeit; aber Niemanden wäre es beigefallen, daß ein Somnambulismus daraus hervorgehen würde.

Zu den Hauptzügen ihres Charakters gehört: daß sie stets ein besonderes Vergnügen darinnen fand, Arme und Nothleidende zu erquicken; daß sie niemals über einen Nebenmenschen lästerte, und allen Lügen gram und feind war. Dem Gebete wartete sie fleißig ab, mit dem Anfange ihres somnambülen Zustandes verdoppelte sie dasselbe, aber nur im Stillen; oft entfernte sie sich und suchte ein Plätzchen, wo sie sich verborgen glaubte, fiel auf ihre Knie nieder und betete zu Gott. Am allerliebsten war es ihr, wenn sie dieses ganz unbelauscht ausführen konnte, was sie auch jezt noch immer fortsezt. – Ihre Eltern fordert sie öfters auf, sie zu warnen und zu bestrafen, wenn sie sich im geringsten vergehe, es seye mit Worten oder mit Werken. Wegen Kleiderpracht hat sie ihre Eltern in ihrem ganzen Leben nicht angestrengt, noch weniger betrübt, obwohl sie eine große Freundin der Reinlichkeit ist.

Seitdem der somnambüle Zustand ganz bei ihr aufgehört hat, wird sie dem Körper nach zwar vollkommener, jedoch sind ihre Nerven noch immer sehr schwach, und häufig wird sie vor der gewöhnlichen Zeit vom Schlafe überfallen. Gesellschaften sind ihr noch jezt nicht besonders wichtig; am liebsten ist sie in dem Kreise der Ihrigen, Lustbarkeiten, bei welchen etwas Leichtsinniges oder Sündliches vorgehen könnte, fliehet sie ganz und gar.

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