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Brunhilds Helfahrt

Helreiþ Brunhildar

Zum Prosaeingang. »Den Helweg fahren« bedeutet sehr oft nur: sterben, dann auf den Scheiterhaufen gelegt werden oder ihn auch lebend freiwillig besteigen. Die ausführlichere Erzählung der Nornagest Saga versteht unter Brunhilds Helfahrt die zu Wagen bewirkte Hinschaffung ihrer Leiche nach dem Holzstoß. Der Weg führt an Felsenklippen vorbei, und bei diesen steht vor ihrer Höhle, in Felle gekleidet, schwarz von Antlitz, die Gypur, das Riesenweib, in der Hand einen langen Baumast. Mit diesem Aste, ruft sie Brunhilden an, wolle sie den Scheiterhaufen vermehren. Besser lebendig, fügt sie hinzu, wärest du verbrannt worden für deine Untat am berühmten Fafnerstöter. Da er mein Schützling war, will ich dich nun ansingen mit Racheworten, um dein Andenken allen, die sie vernehmen, noch verhaßter zu machen. – Die Tote steht ihr Antwort, worauf dann unser Lied fast unverändert angeführt wird. – In obiger Einleitung nun ist nicht die Hinführung der Leiche nach dem Holzstoß gemeint, sondern die Niederfahrt ins unterirdische Totenreich. Gemäß der Vorstellung, daß der Verstorbene die ihm beigegebenen Sklaven, Waffen und Geräte in das andere Dasein mitnehme, geschieht diese Fahrt durch Klüfte der Tiefe auf dem mitverbrannten Wagen.

Nach Brunhilds Tode wurden zwei Scheiterhaufen errichtet, der für Sigfrid zuerst angezündet, dann auch Brunhild verbrannt. Sie saß in einem mit prächtigen Decken belegten Wagen. Auf diesem Wagen, sagt man, sei sie gefahren durch eine Kluft, in der ein Riesenweib wohnte. Das Riesenweib rief ihr zu:

1

Durch mein felsengestütztes Steinhaus zu fahren,
Ist dir nicht gestattet. Decken zu sticken
Mit buntem Gebild, geziemte dir besser,
Als ins Nachtreich hinunter nachzulaufen
Dem Ehemann einer andern Gemahlin.

2

Zu 2. Statt Vallandi lies vâ alandi, Unheilernährerin, Wehgebärerin. – livarffust: behaftet mit der Sucht, sich abzuwenden, sich wegzuwerfen, das ist: sich freiwillig ums Leben zu bringen.

Du tückische Mutter von Missetaten,
Die im sündigen Haupte Selbstmord plante,
Was hoffst du zu holen in meinem Hause?
Gelüstet es dich, dein Lob zu hören?
So wisse, du wuschest von weichen Händen
Dir mehr denn einmal Männerblut ab.

Brunhild.

3

Fee der Felskluft, falsch ist dein Vorwurf!
Selbst wenn im Seekrieg mit ich gesegelt,
Für die Edlere, Bessere von uns beiden
Hielte man mich, wenn die Menschen meine
Und deine Denkart bedächtig mäßen.

Riesin.

4

Du wurdest der Welt zum ärgsten Unheil
Geboren, o Brunhild, Bothels Tochter,
Zum Untergange der Söhne Gibichs,
Zum gänzlichen Sturz ihres stolzen Stammes.

Brunhild.

5

Weib, von der Wahrheit weißt du gar nichts;
Rasch darum vom rollenden Wagen
Sei dir's gesagt, wie die Söhne Gibichs
Mich verlustig der Liebe machten,
Zum Treubruch trieben mittelst Betruges.

6

Der listige König Agnar ließ einst
Uns acht Schwestern Mitwalküren. die Schwanenhemde,
Die wir unter der Eiche abgelegt hatten,
Von dort entwenden. Ich zählte der Winter
Nicht mehr als zwölf, als ich, so gezwungen,
Mich eidlich verband dem jungen Gebieter. Ergänze: ihm als Walküre beizustehen auch gegen Odins Gebot.

7

Zu 7. Hlymdalr, Tal des Tobens, steht hier nicht als Gauname. Dalr bedeutet, besonders in der Zusammensetzung, nicht immer gerade Tal, sondern auch Flachland, Ebene, und auf möglichst ebenem Boden pflegten ja die Nordmänner die Stätten im voraus mit Haselruten abzustecken für ihre sogenannten Schlachten zwischen selten mehr als etlichen hundert beiderseits Kämpfenden. î hlym ritar, im Getöse der Schilde, steht geradezu für Schlacht z. B. Sturlunga S. VII 72,₄. – Hildi undir hialmi scheint den Namen Brunhild erklären zu sollen, denn der Maschenharnisch, die Brünne, gehört selbstverständlich zur Ausrüstung, wenn der Kopf den Helm deckt, und des letzteren Erwähnung ist hier nur des Stabreims wegen vorgezogen.

Wem ich bekannt war vom Felde der Kämpfe,
Dem hieß ich die »Hilde unter dem Helme.«

8

So schickt' ich zunächst hinunter ins Nachtreich
Zur Hel den Helmgunth, den alten Herrscher,
Und brachte Sieg dem jungen Bruder
Odas, dem Agnar. Drob zürnte mir Odin.

9

Zu 9. Das Original dieser Strophe ist als charakteristisches Beispiel des wortkargen Versstils, der gut die Hälfte ungesagt zu erraten gibt, schon im Vorwort besprochen.

Er ließ mich rings mit roten und weißen
Schilden umschließen im Schattenhaine,
In die Rüstung schnallen mit schnürenden Riemen
Und verurteilte mich, nicht aufzuwachen,
Bis die Brünne mir schlitzen, den Schlaf mir brechen
Der Kühne käme, der Furcht nicht kenne.

10

Die Holzverheererin ließ er lodern
Um meine nach Süden gelegene Saalburg.
Nur den Recken befugt' er zum Ritt durchs Feuer,
Der mir Fafners Feingold als Brautgut brächte.

11

Zu 11. dana bedeutet hier keineswegs Däne oder dänisch; vielmehr widerlegt diese Stelle die Behauptung Egilssons, daß von diesem Wort nur der genit. sing. in den Verbindungen danar-daegr und dögr, Todestag, Schicksalstag, danar-akr, Feld des Todes, Verhängnisses, danar-fé, erbenlos hinterlassenes Gut, vorkomme. Brunhild nennt den Sigfrid vikingr dana als den Helden, welcher, wie sein eigenes, auch ihr Todesgeschick verschuldet habe.

So kam in die Flur, die mein Pfleger beherrschte,
Auf Grani geritten der Goldschatzreiche,
Und vor allen anderen auserlesen
Erschien mir sogleich in der Schar der Begleiter
Mein Schicksalsheld.

12

Wir beide schliefen in einem Bette,
Doch ebenso keusch, als wären wir Kinder
Desselben Schoßes, und scheuten Umarmung,
Acht Nächte nebeneinander liegend.

13

Erst als mir Gudrun, die Gibichstochter,
Mit scheltenden Worten die Schande vorwarf,
Daß ich schlafend die Arme geschlungen um Sigfrid,
Erfuhr ich die Wahrheit. Den Falschen zu wählen,
War ich wider Willen bewogen worden.

14

Ob zwischen Mann und Gemahlin sonst auch
Der Zorn unverziehen endlose Zeit währt –
Verbunden auf ewig seien wir beide
Und versöhnt, o Sigfrid. Versinke, Schreckbild!


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