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Vierte Gruppe

95

Nur jene im Herzen hausende Hellsicht
Erkennt es klar, daß kläglicher keine
Der Krankheiten ist, die den Klugen betreffen,
Als der traurige Wahn, unerträglich wehvoll
Und nur scheltenswert sein Schicksal zu fühlen.

96

So schalt ich einst meines, als ich im Schilf saß
Und lechzend nach Lust, meines Liebchens harrte.
In der Brust schwoll die Brunst nach der bräutlichen Jungfrau,
Doch versagt blieb's der Sehnsucht, sie zu besitzen.

97

Im Bett erblickt' ich die viel umbuhlte,
Im Schlafe so schön wie der Schein der Sonne.
Selbst ein Fürstenlos, wenn zur Lebensgefährtin
Ich sie nicht bekäme, dünkte mir kärglich.

(Sie hatte gesagt:)

98

»Abends, Odin, fordere Einlaß,
Willst du die Minne der Maid gewinnen.
Ungeziemend sind Zärtlichkeiten,
Wenn in der Nähe Zeugen lauschen.«

99

Wie ungewiß sie mein Werben erwidert,
Erhörung hoffend schritt ich von hinnen.
Mir war schon zumut, als sei sie die Meine
Mit Herz und Gemüt zu minniger Lust.

100

Als ich wiederkam, da standen in Waffen
Und Windlichte tragend die Wächter bereit.
So wurde mit Fackeln von feindlichen Kerlen
Dem Wonnegewärt'gen der Weg gewiesen.

101

Als die Nacht sich neigte, naht' ich nochmals.
Die gesamte Sippschaft schlummerte sorglos;
Doch hatte sich leider mein keusches Liebchen
Einen bissigen Köter ans Bett gebunden.

102

Das merke dir: manches minnige Mädchen
Ist falschen Gemütes und foppt die Männer.
Das ward mir fürwahr weit mehr, als ich wünschte,
bei jener bedachtsamen Jungfrau deutlich.
Ich umschmeichelte sie. Doch jegliche Schmach nur
Tat sie mir an zu Tort und Täuschung,
Und nicht das geringste hab' ich erreicht.

103

103 und 104 sind wahrscheinlich aus der ersten Gruppe durch Versehen eines Abschreibers hierher geraten.

Der Herr des Hauses sei heitern Gemütes
Und gegen Gäste gütig und flink,
Mit der Sitte vertraut, von treuem Gedächtnis,
So redegewandt als reich an Wissen,
Doch Würdiges nur zu erwähnen geneigt.

104

Wer nur Albernes schwatzt, wie des Unklugen Art ist,
Den heißt man den faden faselnden Fant.


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