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Sinfiötlis Ende

Sinfiötlalok

Sigmund, der Sohn Wölsungs, war König in Frankenland, wie zuvor berichtet. Sinfiötli war sein ältester Sohn, der zweite Helgi, der dritte Hamdir. Borghild, die Frau Sigmunds, hatte einen Bruder namens Gunnar. Dieser Gunnar und Borghilds Stiefsohn Sinfiötli bewarben sich um dasselbe Weib. Deswegen erschlug ihn Sinfiötli. Als dieser heimkehrte, wies ihn Borghild aus dem Hause fort. Sigmund indes bot ihr Geldsühne, und die mußte sie annehmen. Beim Gelage zu Gunnars Begängnis aber trug Borghild das Bier auf. Sie nahm ein Horn voll starken Giftes und brachte es dem Sinfiötli. Dieser schaute ins Horn, merkte, daß Gift darin sei, und sagte zu Sigmund: Das Getränk ist vergiftet. Sigmund nahm das Horn und trank es aus; denn er war, wie die Sage berichtet, von so harter Gesundheit, daß ihm Gift weder äußerlich noch innerlich zu schaden vermochte, während alle seine Söhne es nur äußerlich auf der Haut vertragen konnten. Borghild brachte dem Sinfiötli ein anderes Horn und hieß ihn trinken; doch wieder geschah dasselbe wie zuvor. Sie brachte ein drittes Horn, und mit Schmähworten, wenn er nicht tränke. Wie zuvor sprach er zu Sigmund. Der aber antwortete: Laß es eben durch den Bart seihen, mein Sohn. Sinfiötli trank und war auf der Stelle tot.

Sigmund trug ihn eine weite Strecke in seinen Armen bis an einen schmalen und langen Ford, wo er ein kleines Schiff und in demselben einen Mann traf. Der erbot sich, ihn überzusetzen. Als aber Sigmund die Leiche an Bord geschafft, da hatte das Fahrzeug seine volle Ladung, und der Ferge sagte dem Sigmund, er sollte nur weiter landein gehen längs dem Forde. Dann stieß der Mann mit dem Schiff ab und war verschwunden.

Längere Zeit hatte Sigmund sich aufgehalten in Dänemark, im Reiche der Borghild, seit er diese zur Gattin genommen. Nun aber fuhr er südwärts nach Frankenland in das Reich, welches ihm dort gehörte. Daselbst nahm er zur Gemahlin Hiördis, die Tochter Eylimis. Beider Sohn war Sigfrid. Sigmund fiel im Kampfe mit den Hundingsöhnen, worauf sich Hiördis mit Alf, dem Sohne des Königs Hialprek, vermählte. Sigmund und alle seine Söhne überragten weit alle übrigen Männer an Kraft und Wuchs, an Geist und jeder löblichen Eigenschaft. Sigfrid aber war auch unter seinen Brüdern der allervorzüglichste, und ihn nennen die alten Sagen überein den herrlichsten Mann und gewaltigsten der Heerkönige.

Anmerkung zu Sinfiötlis Ende

Das Lied, zu dem diese Einleitung gehörte, ist verloren. In dem Fergen, welcher Sinfiötlis Leiche an Bord nimmt, vermuten einige Erklärer den Odin. Ich kann weder dieser Meinung beipflichten noch der andern, daß hier an eine Bestattung, gleich der Balders, in brennend der Flut übergebenem Schiffe zu denken sei. Mir scheint, daß wir hier dem ägyptischen und griechischen Charonmythus auf germanischem Boden begegnen. Erstes Lied von Sigfrid dem Drachentöter Sigurdharquiđa Fafnisbana fyrsta eþr Gripis-Spâ (Gripers Weissagung.)

Griper hieß ein Sohn Eylimis, Bruder der Jördis. Er herrschte über viele Lande, war der weiseste aller Männer und kundig der Zukunft. Nach seinem Wohnsitz kam einst, allein ausgeritten, Sigfrid, leicht erkennbar an seiner Gestalt. Draußen vor der Halle traf er einen Mann namens Geiter. Den redete Sigfrid an und frug:

1

Wer wohnt als Gebieter in diesem Burgwall?
Wie nennen die Leute den König des Landes?

Geiter.

2

Griper heißt der Männerbeherrscher,
Der Land und Leute kräftig leitet.

Sigfrid.

3

Ist der weise Herrscher daheim im Lande
Und bereit, mit mir reden zu kommen?
Dem Fremdling frommt es, sich Rat zu erfragen.
Ich möchte den Griper sogleich begrüßen.

Geiter.

Er wird von Geiter zu hören begehren,
Wer ihn als Gast zu sprechen wünsche.

Sigfrid.

Der Sohn des Sigmund, Sigfrid, bin ich,
Und Jördis – das meld' ihm – ist meine Mutter.

4

So ging denn Geiter dem Griper melden,
Es stehe draußen ein stattlicher Fremdling
Und fordere Zwiesprach mit ihm, dem Fürsten.

5

Da trat aus der Halle heraus der Herrscher
Und hieß willkommen den Königssprossen.
»Längst harrt' ich, Sigfrid, deines Besuches!
Du, Geiter, nimm sein Roß, den Grani.«

6

Die redegewandten Recken hatten
Sich manches zu sagen und mehr zu fragen.

Sigfrid.

Weißt du's, so melde mir, Mutterbruder,
Welches Geschick ist mir beschieden?

Griper.

7

Du wirst, o Sigfrid, unter der Sonne
Der mächtigste werden von allen Männern
Und der edelgeborenen Helden bester,
Goldene Gaben gern verteilend,
Edel von Aussehn, in Worten weise,
Nimmer dagegen zu fliehen geneigt.

Sigfrid.

8

Laß mich ferner, o Fürst, erfahren,
Wenn du mein Schicksal wirklich schauest:
Was wird Gutes zuerst mir begegnen,
Nachdem ich geschieden aus deinem Hause?

Griper.

9

Deinen Vater zuvörderst rächst du
Und ahndest Eylimis ganzes Unglück.
Die hartgemuten Hundingssöhne
Wirst du töten, tapfer und siegreich.

Sigfrid.

10

Edler Oheim, da wir so innig
Worte wechseln, sage mir weislich:
Hast du Gesichte von Taten Sigfrids,
Deren Ruhm erreicht die Ränder des Himmels?

Griper.

11

Allein erlegst du den gleißenden Lintwurm,
Der da heillos haust auf der Gnitaheide.
Die beiden erschlägst du, den schlimmen Regin
Und den falschen Fafner. Unfehlbar weiß ich's.

Sigfrid.

12

Falls du recht hast, erring' ich wohl Reichtum
Als ein Meister im Männerkampfe.
Doch schärfe dein Schauen, schildere weiter,
Welchen Verlauf mein Lebenslos nimmt.

Griper.

13

Finden wirst du Fafners Lager
Und, Grani, den Hengst, mit dem Horte beladend,
Gediegene Schätze von dannen schaffen.
Dann wirst du reiten in Gibichs Reiche,
Sagenberühmt und reich an Segen.

Sigfrid.

14

Künde mir mehr in traulichem Kosen,
Fürst mit dem Fernblick, vom folgenden Schicksal.
Gast war ich Gibichs –: Wann ich gegangen,
Welchen Verlauf nimmt dann mein Leben?

Griper.

15

Schlafend harrt, in den Harnisch geschlossen,
Seit Helgi fiel, auf der Felsenhöhe
Die schöne Fürstin. Die Schärfe des Schwertes,
Das Fafnern erschlug, legst du schlitzend
An den Harnisch, und schnell ist er fortgeschnitten.

Sigfrid.

16

Gebrochen ist die Brünne, die Bräutliche redet,
Nachdem sie erwacht ist vom Wunderschlafe.
Was wird den Sigfrid die sinnige Jungfrau
Zum Heldenberufe Heilsames lehren?

Griper.

17

Sie rüstet dich aus mit den runischen Regeln.
Die jeder gern lernte, um glücklich zu leben;
Sie zeigt dir die Kräuter, Kranke zu heilen,
Und lehrt dich sprechen in allen Sprachen.

Sigfrid.

18

Die Erziehung gelang, ich lernt' all den Zauber,
Um wohl unterrichtet von dannen zu reiten:
Schärfe dein Schauen und schildere weiter,
Welchen Verlauf mein Lebenslos nimmt.

Griper.

19

In Heimers Haus wirst du kommen und heiter
Des Königs Gast sein. – Doch gänzlich erloschen
Sind nun die Gesichte von Sigfrids Zukunft.
Es wäre Frevel, frügest du weiter.

Sigfrid.

20

Du lässest verlauten leidvollen Ausspruch.
Weiter, o Fürst, noch reicht dein Fernblick.
Von Sorgen siehst du den Sigfrid betroffen
Und schwerer Trübsal. Deswegen schweigst du.

Griper.

21

Mir lag der Lenz deines Lebens, o Sigfrid,
Als leuchtendes Bild offenbar vor den Augen.
Man fabelt fälschlich von meinem Fernblick.
Ich bin kein Prophet. Was ich wußte, erfuhrst du.

Sigfrid.

22

Kein Staubgeborner versteht es besser,
Zu ergründen, was kommt, als König Griper.
Verbirg es nicht, was mir Böses bevorsteht,
Und was mein Geschick mir bescheidet an Schuld.

Griper.

23

Nicht Laster liegen in deinem Lose;
Vor solchen Sünden sei ohne Sorge.
Gewaltiger Schlachtheld, solange die Welt steht,
Wird dein Name nimmer vergessen.

Sigfrid.

24

Von dir zu scheiden, ohne mein Schicksal
Ganz zu kennen, ist bitterster Kummer.
Da du's vermagst, o Mutterbruder,
Zeige mir licht bis ans Ziel mein Leben,
Da doch Fügung alles unfehlbar feststellt.

Griper.

25

Fürstlicher Neffe, da du mich nötigst,
Soll dir, Sigfrid, alles gesagt sein.
Und daß ich nicht lüge, wirst du erleben.
Zeitig zu sterben, bist du bestimmt.

Sigfrid.

26

Hoher Gebieter, sei mir nicht böse,
Leite mich lieber mit löblichem Rat.
Was mich betreffen soll, sei es auch traurig,
Und was ich vollbringe, brenn' ich zu wissen.

Griper.

27

Eine schöngestaltige stolze Jungfrau
Wohnt beim Heimer. Brunhild heißt sie.
Sie ist von Geburt die Tochter Bothels
Und harten Herzens; doch Heimer erzieht sie.

Sigfrid.

28

Was schert es mich, ob schön die Jungfrau
Und herzenshart ist, die Heimer aufzieht?
Das mußt du mir, Griper, begreiflich machen,
Da du jedes Geschick so scharf vorhersiehst.

Griper.

29

Dies stolze Stiefkind Heimers stört dir
Den Lebensfrieden, die liebsten Freuden.
Du wirst zum Schlummer kein Auge schließen
Noch irgend denken an andere Dinge,
Der Männer Gesellschaft meiden und einzig
Die schöne Jungfrau zu schaun begehren.

Sigfrid.

30

Ein leidiges Los! Wie werd' ich's lindern?
Gib Auskunft, Oheim, du weißt ja alles.
Sprich, kann ich mir kaufen die Königstochter
Zu meiner Gemahlin mit Morgengaben?

Griper.

31

Hoch und teuer mit tausend Schwüren
Gelobt ihr einander ewige Liebe,
Unverbrüchliche Brautschaft und brecht sie dennoch.
Eine Nacht genügt dem Gaste Gibichs,
Heimers Godkind ganz zu vergessen.

Sigfrid.

32

Wie wäre das möglich, Mutterbruder?
Mit Flattersucht sollte mein Sinn befleckt sein?
Ich liebte die Maid von ganzem Gemüte
Und bräch' ihr dennoch beschworene Brautschaft?

Griper.

33

Anmerkung zu 33. Daß der Text diese Betörung durch den Liebestrank meint, macht die Übereinstimmung aller Versionen der Sage unzweifelhaft. Wenn auch dregr unzweifelhaft dritte Person von draga (ziehen, dahin bringen, daß usw.) wäre, und nicht, was auch möglich und hier wahrscheinlich, für dreggr als ein von dregg, Hefe, Würze, gebildetes Verbum stünde (vgl. bruggandi dauđans dreggjar, Todeswürze brauend, Gift mischend) –: die Fälle sind in der Edda nicht selten, in denen neben der eigentlichen Bedeutung eines Wortes die eines anderen, nahezu gleichlautenden mitspielt und sogar überwiegt.

Ja, tapferer Held, so täuschen dich andre.
Du büßest gramvoll die Listen Grimhilds.
Mit dem Zaubergetränke macht sie dich treulos
Nach der goldgelockten Tochter begehrlich.

Sigfrid.

34

Gäbe mir Gunther zur Gattin die Schwester,
Vermählte sich mir die minnige Gudrun,
So würd' ich wahrlich wohlbeweibt sein,
Quälte nur Meineid nicht mein Gemüt.

Griper.

35

Gründlich betören wird dich Grimhild,
Dich bitten, die Brautfahrt zu wagen zur Brunhild,
Um sie dem Gunther zur Gattin zu werben.
Du fügst dich vorschnell der Mutter des Fürsten.

Sigfrid.

36

Mißliche Taten, ich merk' es, geschehen,
Und seltsam unstet ist Sigfrids Gesinnung,
Wenn er launisch verlangt, daß die innigst Geliebte
Sich anderem Manne vermählen solle.

Griper.

37

Du selber, o Held, nebst Gunther und Hagen,
Ihr schwört euch heilige Schwägereide.
Zur Werbfahrt wechselt ihr Wuchs und Gestaltung,
Der König und du. Wahrheit künd' ich.

Sigfrid.

38

Was zwingt uns dazu? Zu welchem Zweck denn
Wechseln wir Wuchs und Gestalt zur Werbfahrt?
Dem folgt gewiß noch fernere Falschheit
Von grausamer Art! Sag's offen, Griper.

Griper.

39

Dieselbe Seele, dieselbe Denkart
Bewahrst du weiter und wechselst mit Gunther
Antlitz allein und leibliches Aussehen.
Dir selber so, der du Gunthers Gesicht hast,
Verpflichtest du bräutlich das Pflegkind Heimers,
Und alle täuscht ihr mit eurem Tausche.

Sigfrid.

40

Mir schaudert davor, ein Bescholtner zu werden!
Den Ruf eines ruchlosen Ränkeschmiedes
Trüge mir ein dies treulose Trugspiel!
Ich will nicht ein Weib, das ich liebend bewundert,
Eine fürstliche Frau, so frevelhaft foppen!

Griper.

41

Ihr zur Seite gebettet, das Beilager feiernd,
Schläfst du so keusch, o Schlachtenkönig,
Als wäre die Maid deine leibliche Mutter.
Deswegen wird, solange die Welt steht,
Dein ruhmvoller Name nimmer vergessen.

42

Gemeinsam halten die Hochzeitsmahle
Im Saale Gibichs Gunther und Sigfrid;
Denn wann von der Werbfahrt ihr wiederkehrtet,
Nahmt ihr rasch auch zurück die rechten Gestalten
Zum unveränderten eigenen Sinn.

Sigfrid.

43

Verkünde mir eins noch: Wird König Gunther
Ein würdiges Weib sich erworben haben,
Nachdem drei Nächte neben Sigfrid
Die Braut im Bett lag? Beispiellos wär' es.

44

Mir deucht, unerschwinglich sei Schwägerfreundschaft
Nach solchem Greuel. Was meinst du, Griper?
Kann dem Gunther und mir, dem Gatten der Schwester,
Noch Minneglück blühn aus solcher Vermählung?

Griper.

45

Du gedenkst der Schwüre und schweigst getreulich,
Beglückend und glücklich als Gudruns Gatte.
Doch mittels Fälschung dem Falschen verbunden
Errät sich Brunhild und brütet Rache.

Sigfrid.

46

Was könnte sühnend die Frau besänft'gen,
Die wir so treulos betrogen haben?
Ich schwur ihr Eide, – um sie zu beschwindeln,
Und Weh statt Wonne erwarb sie von mir.

Griper.

47

Sie sagt dem Gunther, du habest vergessen,
Was du damals schwurst, als überschwenglich,
Und von ganzer Seele der Gibichserbe
Vertraut auf die Keuschheit seines Vertreters.

Sigfrid.

48

Kann sie das, o Griper, mit Grund behaupten?
Ist's nur Verdächtigung, oder verdien' ich's?
Oder lügt die Erlauchte, sich selbst verlästernd?
Gib ehrlich Antwort, Oheim Griper.

Griper.

49

Aus Zorn und Schmerz verschmähter Liebe
Wird das stolze Weib viel Weh dir stiften,
Ob du selbst auch sonst an ihr nicht gesündigt,
Als Ihr den Gunther zum Gatten ihr auftrogt.

Sigfrid.

50

Sprich, wird den Gunther, den Hagen, den Gunthwurm
Ihr Gerede reizen zu Rachewerken,
Und werden die Schwäger am Schwestergatten
Die Schwerter röten? Verschweig's nicht, Griper.

Griper.

51

In Gudruns Brust wird Grimm entbrennen;
Denn seit dem Verbrechen ihrer Brüder
Ist ihr alle Lust am Leben verloren.
So grauses Geschick verschuldete Grimhild.

52

Doch was dich auch treffe, ein stolzer Trost bleibt:
Dein Lebenslos war ein auserlesnes.
Das Mannheitsmuster hat Mutter Erde
In dir geboren, und keinen Bessern
Wird die Sonne sehn als dich, o Sigfrid.

Sigfrid.

53

Ich scheide mit Dank und erdulde mein Schicksal.
Du hast nur erfüllt, was ich selbst gefordert.
Du hättest gewiß erwünschtere Dinge
Mir vorgedeutet, wofern du gedurft.


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