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Bruchstück eines Brunhildliedes

Brot af Brynhildarquiđu

1

Zu 1. Ob dies Gunther oder Hagen spricht, ist nicht sicher zu entscheiden.

Weswegen, Brunhild, brütest du Arges
Und hegst im Gemüte Mordgedanken?
Womit hat Sigfrid sich so versündigt,
Daß du den Tod des Tapferen forderst?

Brunhild.

2

Lüge nur war sein Liebesgelöbnis,
Sein Minneschwur – schwerer Meineid.
Die bewährende Tat bewies sich als Täuschung –
Seiner Treue vertraut' ich und wurde betrogen.

Hagen zu Gunther.

3

Zürnend schürte zu deinem Schaden
Brunhild dich an zu solchem Verbrechen.
Sie neidet der Gudrun den trefflichen Gatten,
Und dir, dem Gemahl, verweigert sie Minne.

4

Sie schmorten Wolfsaas, zerschnitten Vipern,
Auch Geierfleisch, und gaben's dem Gunthwurm.
Das war das Mittel der Morderpichten,
Den feigen Meuchler zu wölfischem Mute
Gegen den Starken aufzustacheln.

11

Zu 11. Nur hier, zwischen 4 und 5, hat diese Strophe ihren richtigen Platz.

Entseelt ward Sigfrid südwärts vom Rheine.
Ein Rabe da rief herunter vom Baume:
Ebenso falsch wird Atli färben
Die Schärfe des Schwertes mit Schwagerblute,
Ebenso mordend Meineid üben.

5

Vor dem Tor stand Gudrun, die Tochter Gibichs,
Und das war der Ausruf, mit dem sie anhub:
»Wo säumt nur Sigfrid, der sonst weit Erste?
Warum voran heut' reiten die Brüder?«

6

Zu 6. Hier ist, wie im Nibelungenliede, die Ermordung Sigfrids als draußen geschehen vorgestellt. In knappen Zügen wird angedeutet, daß seine Leiche hinter den zu Roß, also wohl von der Jagd, und nach 11,₃ harfn at meiđi, aus dem Walde zurückkehrenden Gibichsöhnen und ihrem Gefolge heimgetragen wird.

Da hatte nur Hagen das Herz zur Antwort:
»Mit dem Stahl ist erstochen der starke Sigfrid.
Gramvoll neigt sein Grauroß den Nacken
Nieder zur Bahre des toten Gebieters«.

7

Zu 7. Vgl. Anmerkung zu 9 und Anmerkung zu Sigqu. Fafnb. III, 11.

Brunhild sah's und brach in den Ruf aus:
»Euch gerettet sind Reich und Rüstzeug,
Nun ihr gefället den furchtbaren Recken.
In Sigfrids Besitz ging alles über,
Wenn ein wenig länger sein Leben gedauert.

8

Welcher Makel für euch, wenn er sich bemächtigt
Des Gibichenerbes und Gotenvolkes,
Und noch viermal ferner Vater geworden
Zum Schaden kämpfender Scharen geschickter
Gleich ihm des Sieges sicherer Söhne!«

9

Zu 9. Halbvers 5 ist wörtliche Wiederholung von 7,₃, Halbvers 6 Variation von 7,₄, mittelst Umstellung und Änderung von vapna in þegna. Schon der gänzliche Mangel der Stabreime verdächtigt die Verse als ungeschickte Glosse. Dagegen sind 7 und 8 unentbehrlich hinter 7,₄.

Aus vollem Halse noch einmal heute
Lachte sie laut, daß die Burg erbebte.

10

Ihr entgegnete Gudrun, die Gibichstochter:
»Rühme nicht noch die ruchlose Schandtat.
Den Verderber Sigfrids, Gunthern, verdammen
Zornige Götter, gezüchtigt zu werden;
Bitter zu büßen bekommt er die Bosheit.«

12

Nachdem sie gebechert bis zur Bettzeit
Und, berauscht vom Getränk, sich trotzig geredet,
Gingen sie schlafen, und bald geschlossen
Hatten die andern alle die Augen.

13

Nur Gunther wachte geraume Weile.
Auf und ab ohne Ruhe rannt' er
Und sprach mit sich selbst. Er entsann sich sorgend,
Was vor dem Heimritt vom Morde des Helden
Mit dem Adler der Rabe geredet hatte.

14

Es tagte kaum, als die Königstochter,
Brunhilde, die Heermaid, sich schon erhoben:
»Das Schlimmste geschah. Mein Entschluß ist gefaßt,
Und ob ihr mich lobt oder lästert, verhindern
Laß ich mich nicht, mein Leid zu klagen.«

15

Nach Weiberwankelmut klangen die Worte.
Stumm blieben alle. Nicht einer verstand es,
Daß sie unter Tränen dasselbe betraure,
Was sie gestern belacht und selber verlangt.

Brunhild.

16

Schauriges, Gunther, erschien mir im Traume:
Leichen im Saal – ich – tot auf dem Lager –
Du, König, bekümmert, in Ketten geschlossen,
Zu Roß umringt von feindlichen Reitern –
Die gesamte Sippe der Söhne Niblungs
Beraubt der Macht zu Rache des Meineids.

17

So gänzlich, Gunther, vergessen hast du's,
Daß ihr beid' in der Fußspur am Boden damals
Eurer Blut gemischt! Mit Mord belohnst du
Deinen vordersten Vormann in allen Gefahren!

18

Mit welcher Treue dir jungem Thronherrn
Der streitbare Held seine Schwüre gehalten,
Offenbarte deutlich ein Dienst ohne Beispiel:
Sein Herz widerriet's, doch er kam geritten,
Um dir zum Weibe – mich zu werben.

19

Zwischen uns zweien legt' er aufs Lager
Die mit goldenen Zeichen verzierte Klinge,
Der das Feuer gestählt die feine Schneide,
Und Gift gegütet Beim Schmieden z. B. mit Drachenblut gehärtet. das innere Eisen.

Nach der Erzählung dieses Liedes vom Tode Sigfrids ist die Vorstellung, daß man ihn draußen umgebracht. Andere wieder sagen, daß man ihn im Hause getötet, während er in seinem Bette geschlafen. Deutsche Männer indes berichten, daß man ihn draußen im Walde gemordet. Auch heißt es in dem alten Gudrunliede, Sigfrid sei mit den Gibichsöhnen zum Thing geritten und da erschlagen worden. Alle aber kommen darin überein, daß er mit Hinterlist, liegend und wehrlos, ermordet worden sei.


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