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17.

Verwicklungen und Lösungen

An demselben Vormittag um elf Uhr ging der Rittmeister Schimmelmann nach dem Reitplatze.

Der Kopf war ihm noch gewaltig voll von den Eindrücken seines mißglückten Zauberfestes und er stackerte gar nicht so grimmig und bärbeißig über die Straße wie sonst, sondern hatte den Kopf traurig gesenkt und blickte starr vor sich hin auf die Pflastersteine.

Er hatte auch wahrlich alle Ursache, niedergeschlagen zu sein; denn bei ihm zu Hause sah es gar übel aus.

Die Alphonsine sprach kein Wort, war fortwährend in tiefe Gedanken versunken, und manchmal stahl sich auch eine stille Träne zwischen den dunklen Wimpern hervor und rollte wie eine verlorene Lebensfreude in ihren Schoß; die sonst so freundliche kleine Mama blickte kummervoll auf ihre Tochter und krankte an dem ihrem Gatten gegebenen Versprechen, über die unangenehme Sache zu schweigen; die drei anderen Schwestern zerbrachen sich die Köpfe darüber, was eigentlich los sei, und ärgerten sich, daß sie auf alle Fragen keine Antwort bekamen, und Pätel, der Bursche, war heute morgen gar nicht aufgestanden, weil er die furchtbarsten Leibschmerzen hatte.

Das war wahrhaftig Grund genug, daß der Rittmeister Schimmelmann ein gutes Teil von seiner gewohnten Tatkraft vermißte.

Dazu kam noch, daß ihm heute beim Frührapport der Wachtmeister Klinke die Geschichte vom Fähnrich von Klötersdorf erzählt hatte, wie er am späten Abend auf der Pappel vor der Lohmühle gesessen habe. Die ganze Stadt sprach davon; da es ihm nun aber dienstlich gemeldet war, so konnte er es doch unmöglich vertuschen, sondern mußte Notiz davon nehmen. Das ärgerte ihn ebenfalls, daß solche Geschichten bei seiner Schwadron vorkamen, auf deren sittliches Verhalten er so stolz war. Was sollte er aber jetzt machen, es blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Obersten den häßlichen Fall anzuzeigen; denn sonst wagte er noch, daß der Alte es auf anderem Wege erführe, und was sollte er dann wohl von ihm denken?

Als er nun so leidvoll und bedrückt die Straße hinunterknickerte, begegnete ihm der Premierleutnant von Kreidefleck, begrüßte ihn und reichte ihm dann mit einer Miene die Hand, als wenn er sagen wollte: Armer alter Mann, du dauerst mich... mein Beileid von ganzem Herzen. -

»Na ja«, dachte Schimmelmann beim Weitergehen; »soweit ist es nun gekommen... gestern gratulierten sie, heute bedauern sie mich... und das habe ich alles dem Padderow und dem Nasewitz zu verdanken... was kümmert sich der lange Kerl darum, wenn der andere unter meinen Fenstern steht... was hat er mir das zu erzählen ... wenn Padderow keinen Mut hat, ist das seine eigene Sache... Jeder muß für sich selber handeln und nicht einer des anderen Vormund sein wollen... aus der unbefugten Voreiligkeit ist das ganze Unglück entstanden...«

»Der arme alte Schimmelmann«, tönte da eine Stimme an sein Ohr.

»Wieso?« fragte ein Zweiter.

»Na, hast du denn nicht gehört von gestern abend? - Es ist nichts geworden, er hat sein großes Fest umsonst gegeben.«

Der Rittmeister warf einen verstohlenen Seitenblick nach der Richtung, woher die Stimmen gekommen waren, und sah zwei Bürger in einem Torweg stehen, die ihm mitleidig nachschauten.

»Die verfluchten Krämerseelen wissen es also auch schon«, zitterte eine Gänsehaut über des alten Mannes Körper; »ich bin bloßgestellt in der ganzen Stadt... nun bekommen meine Töchter erst recht keine Männer... es ist, um sich den Schnurrbart auszureißen.«

Als er bei dem offenen Reitplatz ankam, ritten die verschiedenen Abteilungen schon ganz lustig im Kreise herum, und der lange Nasewitz stand in der Mitte am Pfahl und beobachtete seine Rekruten.

»Da ist der verdammte Kerl«, fluchte Schimmelmann; »ich kann ihn gar nicht mehr sehen mit seinem niederträchtigen, knifflichen Gesicht.«

Dessenungeachtet betrat er den Platz, erwiderte kalt Nasewitzens dienstlichen Gruß und stellte sich, ohne weitere Notiz von ihm zu nehmen, auf die andere Seite des Pfahls, ungefähr fünf Schritte von ihm entfernt.

»Na, der macht ja ein gutes Gesicht«, grübelte der lange Leutnant; »heute will ich ihn lieber ungeschoren lassen, sonst bricht ein heiliges Donnerwetter über mich herein.«

So standen die beiden, sich gegenseitig den Rücken kehrend, eine ganze Weile, als der alte Graf Schwülenberg angehinkt kam, zu dem Schimmelmann großes Vertrauen hatte, weil er eine biedere, ehrliche Natur war.

»Na, Schwülenberg... was humpeln Sie denn?« fragte der Rittmeister, teils weil er den Drang nach Mitteilung fühlte, teils weil er seine Verstimmung so wenig wie möglich merken lassen wollte.

»Ich hab' die Nacht wieder verdammtes Reißen gehabt«, schnitt der alte Graf ein Gesicht; »dann geht es des Morgens immer ein bißchen lahm.«

»Gott sei Dank!« dachte Nasewitz; »nun hat er einen, mit dem er sprechen kann... nun wird er mich in Ruhe lassen.«

»Ja, ja, so geht's, knurrte Schimmelmann; »der eine hat's hier, der andere hat's da... es wird schon jedem sein Päckchen aufgepackt.«

»Das weiß der Teufel«, sagte der alte Graf.

»Der bemitleidet mich wenigstens nicht«, freute sich der Rittmeister; »entweder ist er zartfühlender als die anderen, oder er hat's vergessen... es ist mir aber beides gleich wohltätig.«

»Der Fähnrich steht da auch wieder in der Ecke und reckt keinem einzigen Kerl die Beine zurück«, blickte Schimmelmann auf den langen Klötersdorf, der in einiger Entfernung ebenso regungslos wie der Reitpfahl stand und über sein Unglück nachdachte.

Schwülenberg schien eine Geschichte einzufallen; denn ein mattes Lächeln glitt über seine gelben, kränklichen Züge.

»Wird auch in seinem ganzen Leben kein guter Soldat«, begann der Rittmeister sich allmählich einzuschimpfen, »im Dienst ist er teilnahmslos wie ein Klotz, aber sonst hat er es faustdick hinter den Ohren.«

»Ja, ja; das hat er wohl«, nickte der alte Graf.

»Treibt sich des Nachts auf der Straße herum...« wurde Schimmelmann immer knurriger.

»Ja, ja; das tut er wohl«, sagte der alte Graf.

»Also Sie kennen die Geschichte auch schon?«

»Nun natürlich... ich habe ihn ja selbst unter den Fenstern gesehen«, lächelte Schwülenberg, der augenblicklich an Strammin dachte, den er an jenem Abend am Nachtwächterhäuschen bemerkt, den er aber in seiner Zerstreutheit jetzt mit Klötersdorf verwechselte.

»Auf der Pappel?« brummte Schimmelmann.

»Ne... auf der Pappel nicht... ach so... ja, nun fällt mir die andere Geschichte ein... auf der Pappel saß auch einer... aber das war wohl der andere... oder war es doch... ich weiß, hol' mich der Teufel, nicht mehr, welcher es war.«

Der Rittmeister machte große Augen.

»Wovon reden Sie denn, Schwülenberg?« sagte er; »besinnen Sie sich doch 'mal... haben Sie denn zwei gesehen?«

»Heiliges Donnerwetter!« fluchte Nasewitz, der die ganze Unterhaltung anhörte, inwendig; »was wird der alte Mensch nun wieder für 'ne Quasselei vorbringen?«

»Na ja«, kratzte sich Schwülenberg den Kopf, daß ihm die Mütze ganz schief zu sitzen kam; »der eine... das war ja den Abend, wo ich auch bei der Baronin war... der saß allerdings auf der Pappel ... ich glaube, das war Klötersdorf...«

»Na ja«, nickte Schimmelmann...

»Oder war es Strammin?«

»Und wo haben Sie denn den andern gesehen?«

»Na... am alten Nachtwächterhäuschen.. bei Ihnen gerade gegenüber...«

»Was!!??« fuhr der Rittmeister auf.

»Da haben wir die Geschichte!« dachte Nasewitz; »es ist um verrückt zu werden!«

»Also, wer war es denn nun eigentlich, der auf der Pappel gesessen hat?« fragte der Rittmeister.

»Hm... es kann doch wohl Strammin gewesen sein...«

»Also hat Klötersdorf am Nachtwächterhäuschen gestanden?«

»Das ist schon möglich... vielleicht hat er aber auch auf der Pappel gesessen.«

»I, das ist ja aber ein toller Kerl!« brauste Schimmelmann auf; »mit dem darf man wirklich kein Federlesens mehr machen.«

In diesem Augenblick schlug es halb; die alten Abteilungen marschierten auf und führten ab, und die neuen kamen auf den Platz.

»-n Morgen, Herr Rittmeister; ich komme jetzt heran«, verabschiedete sich Schwülenberg von Schimmelmann.

»Was zu toll ist, das ist zu toll«, boste sich dieser; »und solchen Taugenichts muß ich bei meiner Schwadron haben... sitzt auf der Pappel vor der Lohmühle... und dann steht er wieder... i, da muß ja der lebendige Teufel d'reinschlagen!«

»Es ist jedenfalls am besten, ich drücke mich«, dachte Nasewitz; »der alte Graf hat da wieder 'ne nette Verwirrung angerichtet... der arme Klötersdorf sitzt nun noch mehr in der Patsche... mir brummt der Kopf... ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen...«

»Herr von Nasewitz«, rief da der alte Schimmelmann; »auf ein Wort, wenn ich bitten darf.«

»Da haben wir die Bescherung«, trat jener mit militärischer Begrüßung näher.

»Ich wollte Sie nur um eine Aufklärung ersuchen.«

»Bitte, Herr Rittmeister. -«

»Ich denke, Herr von Padderow hat unter meinen Fenstern gestanden?«

»Gewiß, Herr Rittmeister.«

»Und da erzählt mir eben Graf Schwülenberg, daß der Fähnrich von Klötersdorf oder der Fähnrich von Strammin ... jedenfalls einer von beiden... ebenfalls am Nachtwächterhäuschen gewesen sei... er habe ihn mit eigenen Augen gesehen... was soll ich davon denken?«

»Es war der Fähnrich von Strammin«, entgegnete Nasewitz schnell, ohne eigentlich recht zu wissen, welchen Zweck er dabei habe.

»Also, das wissen Sie auch?«

»Gewiß, Herr Rittmeister!«

»Und Klötersdorf saß also auf der Pappel?«

»Ganz recht... Klötersdorf saß auf der Pappel!«

»Das wissen Sie ebenfalls?«

»Gewiß, Herr Rittmeister!« »Und... wenn ich mir die Frage erlauben darf... aus welchem Grunde stand denn Strammin unter meinen Fenstern?«

Nasewitz geriet in die größte Verlegenheit.

»Wollen Sie nicht die Freundlichkeit haben, mir zu antworten?« drängte Schimmelmann.

»Der Fähnrich von Strammin... liebt Ihr Fräulein Tochter«, stieß der lange Leutnant in seiner Seelenangst heraus.

»Der liebt auch meine Tochter?« fragte der Alte, mit allen Zeichen des höchsten Erstaunens.

»Allerdings Herr Rittmeister... der liebt auch Ihr Fräulein Tochter.«

Schimmelmann blickte Nasewitz forschend an, aber dieser machte ein so glaubwürdig ehrliches Gesicht, daß bei jenem der Zweifel niedergedrückt wurde.

»Es ist die Möglichkeit!« dachte er; »nun liebt der auch meine Tochter... erst wollte sie gar keiner, und nun sind schon zwei da.«

»Haben die denn aber beide zusammengestanden?« fragte er dann weiter.

»Nein, Herr Rittmeister... sie haben sich abgewechselt... erst der eine und dann der andere...«

»Hm!« versank Schimmelmann wieder in Gedanken.

»Donnerwetter, habe ich wieder gelogen?« stöhnte Nasewitz in den Tiefen seiner Seele.

Der alte Rittmeister schien durch die neue Mitteilung, obgleich sie sich in seinem Geist noch nicht geklärt hatte, dennoch angenehm berührt... es war doch wenigstens ein Ersatz... und sein mißmutig gestimmtes Herz wurde ein wenig weicher und vertrauensvoller.

»Sagen Sie, lieber Nasewitz...« wandte er sich, nach längerem Zögern, wieder an seinen Offizier; »weshalb hat denn der Padderow eigentlich gestern abend nicht angehalten?«

»Er war zu schüchtern«, achselzuckte der Leutnant.

»Merkwürdig! - Und weshalb kommt denn der Strammin nicht herauf und gibt seinen Wunsch zu erkennen?«

»Auch zu schüchtern«, lächelte Nasewitz.

»Das weiß der Teufel, daß alle Menschen, die meine Tochter heiraten wollen, zu schüchtern sind!« brummte Schimmelmann.

»Manchmal wird es gern gesehen«, meinte der Leutnant.

»Sonderbarer Geschmack.«

Längere Pause. -

»Sagen Sie 'mal, lieber Nasewitz«, begann dann der Rittmeister wieder, weil er nun doch das Thema der Aufklärung berührt hatte; »weshalb hat aber der Padderow den Unsinn mit der Posaune gemacht?«

»Welchen Unsinn?« wunderte sich Nasewitz.

»Na... daß er sich da draußen auf den Flur setzte und tutete!«

»Er wollte Ihr Fräulein Tochter zum Piano begleiten... wie Sie es gewünscht hatten!«

»Wie ich es gewünscht hatte?«

»Gewiß, Herr Rittmeister.«

»Sprechen Sie jetzt gefälligst ernsthaft, lieber Nasewitz.«

»Ich spreche sehr ernsthaft... hatten Sie mir denn nicht gesagt, er solle sich erst an die dicke Trompete gewöhnen?«

Schimmelmann schlug voller Verwunderung die Hände zusammen.

»Sehen Sie wohl!« triumphierte Nasewitz.

»Mit der dicken Trompete meinte ich ja aber Alphonsinens Nase, die ihr angeschwollen war!«

Der andere sah ihn erstaunt an.

»Ja, das ist allerdings ein Mißverständnis«, sagte er; »und Padderow dachte, Sie hätten ihn eingeladen, damit er durch seine Kunst Ihr Fest verherrlichen sollte, das Sie gaben, weil...«

Hier stockte er und machte ein betrübt teilnehmendes Gesicht.

»Nun... weil?« fragte der Rittmeister.

»Weil Sie... Major geworden wären«, setzte der lange Offizier kleinlaut hinzu.

»Weil ich Major geworden wäre?« riß Schimmelmann die Augen auf.

»Nun gewiß; die ganze Stadt glaubte es ja.«

»Und wie kam die ganze Stadt darauf, das zu glauben?«

»Weil Sie einen Leibrock zum Ändern an den Schneider geschickt hatten... deshalb bildete man sich ein... Sie wären zu einem anderen Regiment gekommen.«

»Himmlische Gerechtigkeit... das war ja die Jacke für Pätel.. und deshalb soll ich also auch wohl das Fest gegeben haben?«

»Nun natürlich!«

»Das wird ja immer hübscher«, ärgerte sich der Rittmeister... »nun bin ich doppelt blamiert... ich habe das Fest einzig und allein gegeben, um Padderow Gelegenheit zum Anhalten zu bieten... und Sie haben verstanden, er sollte Posaune blasen... das hätte er ja aber außerdem noch tun können... «

»Ja... als ihm die Musik nun aber verunglückte... da war er noch schüchterner geworden...«

»Ist das eine Verworrenheit!«

»Eine furchtbare!« trocknete sich Nasewitz den Schweiß von der Stirn.

Schimmelmann überlegte wieder.

»Also, er liebt meine Tochter noch immer?« fragte er dann etwas freundlicher.

»Gewiß, Herr Rittmeister.«

»Und der Strammin auch?«

»Allerdings!«

»Nun soll ich wohl noch ein Zauberfest geben?« brummte Schimmelmann; »werde mich aber hüten... wenn die Herren auf keine andere Weise reden wollen, dann werde ich mir erlauben, mit ihnen zu reden.«

»Gott steh' mir bei!« stöhnte der gequälte Nasewitz.

»Und das noch am heutigen Tage«, setzte der Rittmeister hinzu.

Dem langen Leutnant wurde es schwarz vor den Augen.

»Na, das ist eine nette Geschichte«, dachte er; »Padderow will mich zwar nicht verraten, aber wenn ihm der Alte so plötzlich auf den Leib rückt, läßt er mich am Ende doch fallen, um sich selbst zu retten... und der Strammin, den ich unter einem ganz anderen Vorwande dorthin postiert habe... es ist zum Verzweifeln!«

»Und noch in dieser Stunde!« stieß Schimmelmann seinen Säbel auf die Erde.

»Herr Rittmeister«, keuchte Nasewitz in tausend Ängsten.

»Was wünschen Sie?«

»Tun Sie das nicht, Herr Rittmeister«, sprach der Leutnant mit benommenem Atem weiter; »es sieht doch immer nicht hübsch aus, wenn der Vater... die betreffenden Herren möchten denken, Sie könnten die Zeit nicht erwarten... bis Sie Ihre Töchter los wären ... und dadurch könnten sie stutzig werden... sich anders besinnen...«

»Hm, hm«, machte Schimmelmann; »das läßt sich allerdings hören... aber etwas muß doch geschehen...«

»Soll auch geschehen, Herr Rittmeister«, rang Nasewitz nach Rettung; »soll sogar viel geschehen... aber bitte... überlassen Sie mir die Vorbereitung!«

»Sie wollten sich der Mühe unterziehen?«

»Mit dem allergrößten Vergnügen, Herr Rittmeister... mit einem Eifer... einer Hingebung...«

»Wenn Sie nun aber wieder etwas mißverstehen... neues Durcheinander machen...«

»Wie können Sie das glauben, Herr Rittmeister; jetzt, da alles aufgeklärt ist... da ich von allem unterrichtet bin...«

»Sie müssen sogar die Mißverständnisse aufklären.«

»Gewiß... aber lassen Sie mir nur einige wenige Tage Zeit... dann wird alles zu Ihrer Zufriedenheit beendet werden.«

»Na; dann will ich es nochmal mit Ihnen versuchen...«

»Sie werden es gewiß nicht zu bereuen haben...«

Es schlug voll, der Dienst für die Schwadron des alten Schimmelmann war vorbei, die Abteilungen marschierten auf, saßen ab und verließen den Reitplatz.

»Ich werde also bald von Ihnen hören?« nickte der Eskadronschef.

»Ganz gewiß, Herr Rittmeister.«

»Guten Morgen, lieber Nasewitz!«

»Guten Morgen, Herr Rittmeister!«

»Na«, knurrte Schimmelmann, als er wieder nach Hause stackerte; »das wäre doch wieder ein kleines Pflaster auf die Wunde... ein geschickter Mensch ist der Nasewitz... diesmal wird er seine Sache wohl besser machen... die Leute haben mir also gratuliert und kondoliert, weil sie glaubten, ich sei Major geworden... das Mißverständnis ist mir immer noch lieber, als wenn meine Tochter in eine fragwürdige Lage gekommen wäre... Major werde ich doch nicht... und die Alphonsine kann doch nun noch Hausfrau werden... nun hat sie zwei für einen... da kann sie ja wählen, welcher ihr am besten gefällt... aber sagen tue ich diesmal meinen Frauenzimmern kein Wort von der Geschichte... die können ja nicht schweigen... und dann bricht ihnen immer gleich das Herz... also ein Schloß vor den Mund, bis wir Gewißheit haben... hm... das wäre nun alles soweit recht gut... bis auf den Klötersdorf... es ist mir unangenehm, aber ich kann nicht anders... ich muß ihn dem Obersten anzeigen... meine Pflicht erfordert es... will es aber noch bis morgen verschieben... heute ist mir der Kopf so voll von anderen Sachen.«

»Na; das wird ja immer niedlicher«, dachte Nasewitz, als er sich ebenfalls vom Reitplatz entfernte; »wenn ich den alten Grafen gefragt hätte, was heute in der Vossischen Zeitung stand, die er zwei Stunden vor der Nase gehabt, so hätte er es ganz entschieden nicht gewußt... aber den unbedeutenden Strammin, den ich in dunkler Nacht in ein Schilderhaus stelle... den muß er bemerken... da muß er gerade vorbeigehen... so etwas von Pech gibt's in der ganzen Welt nicht mehr... und den anderen auf der Pappel sieht er natürlich auch... das wäre mir noch weniger unangenehm gewesen, obgleich er auch mein Schutzbefohlener ist... in seiner Drömelei verwechselt er aber meine beiden Fähnriche miteinander, und dadurch komme ich in eine Tinte, wie man sie gar nicht schöner wünschen kann. - Anstatt einer Lüge habe ich nun zwei auf dem Gewissen. - Anstatt eines Anbeters für seine Tochter habe ich dem alten Schimmelmann nun zwei aufgeschwindelt... ich dachte wenigstens, er würde seinen Mund halten; aber natürlich hat er es gleich der Alphonsine gesagt... armes gutes Mädchen... und wenn er nun nach Hause kommt, ist es natürlich sein erstes Geschäft, es der anderen auch noch zu sagen... er weiß aber gar nicht welche ... danach hat er in seiner Aufregung vergessen zu fragen... hätte ihm auch nicht viel genutzt, weil ich es selber nicht weiß... und in einigen Tagen soll ich die ganze Geschichte in Ordnung haben... dagegen ist eine Herkulesarbeit ein Kinderspiel... der eine zerhackt mich lieber in ganz kleine Stücke, als daß er heiratet... und der andere liebt vorläufig die Konditormamsell... wie soll ich denn den Menschen da heranbringen? - Na... einige Tage habe ich ja noch Zeit, und wenn mir dann unser grundgütiger Vater im Himmel nicht geholfen hat, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als ins Wasser zu springen... was gar nicht 'mal geht, weil die Hase zugefroren ist... auch wieder ein Pech, was nur ich haben kann... Donnerwetter nicht noch 'mal!« unterbrach er sich hier, weil er in seinen tiefen Gedanken an einen Menschen gerannt war.

»Ach du gerechter Himmel!« stöhnte der andere, der wohl ebenfalls geträumt haben mußte.

»Sie sind es, Herr Kajob?... Schwerenot, habe ich 'nen Puff bekommen!«

»Zu dienen, Herr Leutnant... ich glaube, mir ist 'ne Rippe entzwei.

»Die scheint mir in den Magen gedrungen zu sein... au!«

»Sie haben wohl gerade den Säbel vorgehalten... oh!«

»Nehmen Sie es nicht übel, lieber Herr Kajob...«

»Bitte... im Gegenteil, lieber Herr Leutnant...«

»Guten Morgen... auf frohes Wiedersehen.«

»Danke ganz ergebenst... gleichfalls!«

»Ach bitte, noch einen Augenblick...«

»Stehe zu Diensten...«

»Die Geschichte ist ja gar nicht wahr mit dem Rittmeister Schimmelmann...«

»Welche... welche?«

»Na... daß er gestern das Zauberfest gegeben hat, weil er zum Major befördert wäre...«

»I, was Sie sagen...«

»Kein wahres Wort daran... hat sich 'mal loslassen wollen; weiter gar nichts... reine, unverfälschte Menschenfreundlichkeit..«

»Hätte man das glauben sollen... oh... dieser sparsame Mann...«

»Na, adieu, Herr Kajob... empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin...!

»Danke ganz verbindlich... mir sehr angenehm gewesen!«

Damit drückten sich beide die Hände und gingen dann in verschiedenen Richtungen auseinander.

»Netter Mann, der Herr von Nasewitz«, hielt sich der Buchdrucker den schmerzenden Magen.

»Langweiliger Kerl, der Kajob«, dehnte sich der Leutnant; »aber nun steht die Berichtigung nächsten Sonnabend im Wochenblatt.. besser ist es auf keinen Fall unter die Leute zu bringen.«

Dann nahm er den vorhin unterbrochenen Gedankengang wieder auf.

»Wenn ich also nicht ins Wasser springen kann, was mache ich dann?« reflektierte er; »wenn ein paar so schwarze verleumderische Lügen ins Publikum und vor den Kommandeur kommen, dann ist meine soziale Stellung in Hasenbalg unmöglich... dann bleibt mir nichts anderes übrig, als den Abschied zu nehmen und zum Alten auf die Hufe zu gehen... da kann man nötigenfalls Hilfsschäfer werden... oder Kuhhirt... wenn Padderows stolzes Schuldengebäude bis dahin zusammenbricht, wandere ich vielleicht auch mit ihm nach Amerika aus... Arm in Arm mit ihm, so fordere ich mein Jahrhundert in die Schranken... untergehen können wir ja nicht... er gibt Konzerte auf der Baßtuba, und ich gehe mit dem Teller 'rum... in Amerika sind sie noch an nichts Besseres gewöhnt... namentlich unter den Indianern... wenn wir ihnen gefallen, schenken sie uns 'nen Schurz von Straußenfedern... und wenn wir ihnen mißfallen, fressen sie uns auf... Padderow wird in seinem eigenen Fett gebraten und ich in Butter... oder mit Bärenschmalz... und dann binden sie einen an den Pfahl und jeder schneidet sich ein Lieblingsstück ab... Padderow wird das beste Filet geben, während ich mich mehr zum Kotelette eigne...« »Guten Tag, Nasewitzchen«, unterbrach ihn da zum zweitenmal eine Stimme.

»Guten Tag, lieber Kreidefleck.«

»Nun sagen Sie 'mal bloß... was ist denn das?« machte der Premierleutnant ein Gesicht wie ein kleiner Junge, dem seine Butterstulle ins Wasser gefallen ist; »der alte Schimmelmann ist ja nicht Major geworden.«

»Das haben Sie geglaubt?«

»Die ganze Stadt glaubt es ja... und nun namentlich, da er das Fest gab...«

»Gar kein Zusammenhang damit... reine Ente... er hat vielleicht 'was in der Lotterie gewonnen?«

»Was Sie sagen... da wären ja die Töchter gute Partien!«

»Nun natürlich!« nickte Nasewitz.

»Und ich hatte mich so darauf gefreut, die Schwadron zu bekommen«, paute der alte Premierleutnant.

»Gott, wie leid mir das tut!«

»Sie gutes Seelchen, Sie!«

»Adieu, liebes Kreidefleckchen... trösten Sie sich... lange kann es ja nicht mehr dauern.«

»Meinen Sie... na... da wollen wir noch ein bißchen Geduld haben.«

Dann gaben sie sich die Hände, und der Premierleutnant lief, in kurzem Träbchen und fröhlich in die Händchen klopfend, weiter.

»Wieder ein Bekehrter«, verfolgte auch Nasewitz seinen Weg; »wenn es weiter nichts wäre, als dies Gerücht zu dementieren... du lieber Gott, damit wollen wir bald genug fertig sein... aber die andere Geschichte... die andere Geschichte... und der arme Klötersdorf auch noch... allen Menschen soll ich helfen, und mir selber hilft keiner... ich will einmal zu Padderow hinaufgehen; mein Herz ist zu voll und sehnt sich nach Mitteilung.«

»Bum, bum, bum!« klopfte er auf die bekannte Art an die Tür.

»Herein!« rief es von innen mit rauher Kommandostimme.

»Zum zweitenmal guten Morgen, erlauchter Herr!«

»Ich entbiete Euch meinen Gegengruß, streitbarer Ritter!«

»Fühlt Ihr euch sehr angestrengt vom Blutverlust und dem wilden Kampf?«

»Der Padderower achtet der Wunden nimmer!«

»Und wie ist Euer kostbares Befinden sonst?«

»Danke... die Lippen sind mir noch etwas angeschwollen, und der eine Vorderzahn wackelt ein bißchen... was ist Euch denn aber ... Ihr seht so aufgeregt aus.«

»Da mag der Teufel nicht aufgeregt aussehen«, hing Nasewitz Mantel und Mütze an den Nagel und ließ sich selbst auf seinen gewohnten Platz am Ofen niedersinken.

»Wieso?« fragte Padderow.

»Die Geschichte wird immer verwickelter«, schlug der andere eines seiner langen Beine über das andere.

»Welche Geschichte, rätselhafter Jüngling?«

»Die mit Euch... und der Alphonsine«, entgegnete Nasewitz unwirsch... »ich habe eben den alten Schimmelmann auf dem Reitplatz gesprochen... da ist ein kolossales Mißverständnis vorgekommen...«

»Gott sei Dank!« seufzte Padderow; »dann bin ich wohl heraus?« »Im Gegenteil, Ihr seid wieder drin.«

»Wie das, ränkevoller Höfling?«

»Schimmelmann hatte sich die Heiratsgeschichte nicht aus dem Kopf geschlagen... Ihr liebt jetzt wieder die Alphonsine.«

»Herr Ritter, wahrt Eure Zunge!«

»Die Angelegenheit mit der dicken Trompete verhält sich auch ganz anders.«

»Wieso?«

»Mit der dicken Trompete meinte Schimmelmann ja Alphonsinens Nase.

»Auf der konnte ich aber doch nicht blasen lernen... oder sollte ich sie vielleicht pusten?«

»Nein... Ihr sollt Euch daran gewöhnen, meinte der Rittmeister, weil sie gerade bedeutend angeschwollen war, als er Eure Liebe zu ihr erfuhr... und ich dachte, Ihr solltet Euch an den Ton der Tuba gewöhnen... und Ihr vervollkommnetet das Mißverständnis, indem Ihr auf dem Dinge spieien lerntet...«

»Unseliger Gedanke!« sagte Padderow.

»Und das gestrige Fest hat er nicht gegeben, weil er Major geworden war«, fuhr Nasewitz fort; »sondern weil er Euch Gelegenheit geben wollte, Eure Schüchternheit zu überwinden und um Alphonsine anzuhalten... das wollte er damit sagen, als er äußerte, Ihr solltet loslegen und zeigen, was Ihr gelernt hättet... Ihr solltet Euch mit dem Mädchen verständigen...«

»Ich scheine mich schauderhaft lächerlich gemacht zu haben...« runzelte Padderow die hohe, vornehme Stirn.

»I, wenn weiter nichts wäre!« machte Nasewitz eine geringschätzende Bewegung; »das ließe sich noch halten... aber dem armen Mädchen ist das Herz gebrochen... sie sehnt sich nach Euch... sie härmt sich hin...«

Der dicke Offizier steckte die rechte Hand vorne in die Brust, wie Napoleon, wenn er großen Gedanken nachhing, und machte einige gewichtige Gänge durch das Zimmer.

»Es tut mir leid um das arme Kind«, sprach er dann düster vor sich hin; »aber der Padderower hat einen feierlichen Eid geschworen, niemals ein Frauensbild zum Altar zu führen... niemals mit roher Hand eine holde Blume zu entblättern.«

»Eure Mittel erlauben Euch das wohl nicht?« lächelte Nasewitz auf seine alte mephistophelische Art.

Padderow warf ihm einen vernichtenden Blick zu und setzte mit derselben Würde seine Promenade fort.

»Nun ja... ich weiß ja«, sagte der andere nach einer Weile; »ich bin von der Unmöglichkeit überzeugt, in dieser Beziehung ein Geschäft mit Euch zu machen... und darin liegt eben meine Verzweiflung ... ich sehe fortwährend das arme, todesblasse Mädchen ohnmächtig auf dem Stuhl liegen... ich höre fortwährend ihre leisen Seufzer, die mir das Herz zerreißen... ich sehe die trauernde Mutter... den alten bekümmerten Vater...«

Padderow wischte sich verstohlen eine Träne aus der dunklen Wimper.

»Mir zerreißt es ebenfalls die Seele«, sagte er; »aber ich kann nicht...«

Nasewitz blickte ihn voll an.

»Nein... ich kann nicht anders!« fuhr der dicke Offizier fort; »laß sie dahinwelken an ihrer hoffnungsvollen Liebe... ich kann nicht dafür, daß ich sie ihr eingeflößt habe... was sollte denn der arme Padderow machen, wenn er alle Mädchen beglücken wollte, die ihn geliebt und die ihn noch lieben...«

»Ja; das wäre allerdings eine schreckliche Verlegenheit für Euch«, sagte Nasewitz, mit demselben Ton wie vorhin.

»Und Ihr«, wandte sich Padderow dann an seinen Freund; »verzehret selber, was Ihr selber angerührt... ich kann Euch nicht helfen... macht Ihr mir aber neue Wirrungen... bringt Ihr mich noch einmal in ähnliche heikle Lage wie gestern abend, verhindert Ihr nicht, daß mir der alte Schimmelmann mit seiner Tochter auf den Hals kommt, dann nehmt mein ritterliches Wort, daß ich Euch den verräterischen Schädel spalte!« »Damit würdet Ihr mir sogar einen sehr großen Gefallen tun!« stand Nasewitz, von den Erinnyen gepeitscht, auf; »denn es liegt ja noch ein anderer Fall gegen mich vor; der alte Graf hat dem Rittmeister erzählt, daß er Strammin habe unter seinen Fenstern stehen sehen...«

»Wie ist denn der da hingekommen?« fragte Padderow.

»Ich habe ihn ja selber aufgestellt... weil Schimmelmann Euch die erste Nacht gesehen hatte... in Vertretung...«

»Was ist das?« fragte Padderow.

»Als Eurer Stellvertreter, edle Seele!«

»Nasewitzer, mir graut vor Euch!« sagte der dicke Offizier entrüstet. »Mir graut es ebenfalls vor mir...« lief nun auch der andere im Zimmer auf und ab; »und nun habe ich, um das Maß des Unheils voll zu machen, dem alten Schimmelmann noch gesagt, der Strammin habe dagestanden, weil er auch seine Tochter liebte... er habe sich mit Euch abgewechselt...«

»Also habt Ihr mich wieder hineingebracht?«

»Wieso?« ^

»Wenn ich mich mit Strammin abgewechselt habe, muß ich doch um sein Geheimnis ebenfalls wissen!«

»Wahrhaftig... daran hatte ich, noch gar nicht gedacht!«

»Bedenk' dein Ende, junger Held!« drohte ihm Padderow unheimlich mit dem rechten Zeigefinger; »wir stehen bald auf einer Stufe!«

»Und wenn Schimmelmann das zu Hause erzählt, dann wird noch eine Lilie geknickt«, fuhr Nasewitz sich mit beiden Händen durch die Haare; »dann wird noch ein Herz gebrochen... oder vielleicht auch drei... denn der Alte weiß ja nicht, welche Strammin liebt... und ich weiß es auch nicht... und Strammin noch weniger... und jede von den drei Schwestern wird sich natürlich einbilden, daß sie es sei... Herr Gott, bei dem Gedanken kann man wahnsinnig werden!«

»Ihr tut mir leid, Nasewitz«, wiegte Padderow düster den dicken Kopf.

»Ich danke Euch für Eure Teilnahme«, lief der andere immer heftiger auf und ab; »sie kann mir aber leider nichts helfen... ich muß mir selber helfen... ich muß... ich muß...« schlug er sich mit der flachen Hand vor die Stirn; »ist denn hier kein einziger Gedanke mehr in dem alten, törichten Schädel...«

Padderow folgte ihm mit trüben Blicken.

»Halt!« rief Nasewitz plötzlich; »ich hab's... ich muß sie aneinanderbringen... die sich heiraten sollen, die müssen zusammen...«

»Ich auch?« fragte der Dicke.

»Natürlich... Ihr auch... alles durcheinander... ein Heidenwirrwarr muß es werden, vielleicht entsteht daraus am allerersten Ordnung... ich veranstalte Schlittenpartien...Tanzvergnügen... Liebhabertheater... alles Mögliche... dann müßte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich nicht dieser oder jener in die Schimmelmannschen Töchter verlieben sollte... namentlich, da der Alte in der Lotterie gewonnen hat. - Wer sie nachher heiratet, ob der Richtige oder Unrichtige, darauf kommt es so genau nicht an... dann hat man sich im schlimmsten Fall in der Person geirrt... morgen vormittag gehe ich zum Obersten und frage ihn um Erlaubnis, ob ich die betreffenden Vergnügungen vorbereiten darf... das müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich aus der Patsche nicht wieder herauskommen sollte!«

»Na, Gott gebe Euch seinen Segen!« nickte Padderow; »mir scheint es, Ihr spielt ein gewagtes Spiel, wobei Ihr noch mehr verlieren könnt.«

»Aber auch alles gewinnen!« leuchtete Nasewitz auf, indem er den Mantel umnahm und die Mütze aufsetzte; »nun lebt mir wohl, mein teurer Padderow; ich danke Euch... in Eurem Bankettsaal ist es mir licht in meinem Hirn geworden; ich werde Sorge tragen, daß es nicht wieder verlischt... gehabt Euch wohl!«

»Gott geleite Euch auf allen Euren Wegen!« bewegte Padderow ernst und sorgenvoll das Haupt.

Als der in hohem Grade aufgeregte Nasewitz unten über den Damm wollte, kam gerade der alte Graf Schwülenberg vom Reitplatz zurück.

»Hör 'mal... du...« hielt er den Eiligen an.

»Was willst du denn... ich habe keine Zeit.«

»Ich weiß gar nicht, weshalb ich nicht Premierleutnant geworden bin«, sagte Schwülenberg grämlich; »ist denn der Schimmelmann auch nicht Major geworden?«

»I, Gott bewahre... fällt ihm gar nicht ein!«

»Na, gestern sagten sie doch aber alle... und dann hat er doch auch das große Zauberfest gegeben...«

»Es war 'ne Ente... das Fest hat er bloß gegeben, weil er 'mal anderen eine Freude machen wollte... willst du nicht eine von seinen Töchtern heiraten?!«

»Ne«, schüttelte der alte Graf den Kopf; »ich heirate gar nicht ... ich habe zuviel Reißen in den Waden...«

»Na, das würde doch nichts schaden...«

»Nutzen aber auch nicht... und außerdem sind in unserer Familie so viel Kinder Mode... das ist mir unbequem... und teuer wird das nachher auch...«

»Ich glaube, der Alte hat in der Lotterie gewonnen...«

»Ne... ich will doch nicht... das macht mir viel zu viel Umständlichkeiten ... aber... was ich eigentlich sagen wollte...«

»Na, was wolllest du denn sagen?«

»Ja, richtig...dann brauche ich eigentlich auch keine Premierleutnants -Bowle zu geben.«

»Nein... wenn du nicht willst...^

»Wenn ich nur wüßte, ob ich den Wein bei Schleckmann schon bestellt hätte oder nicht... denn ich wollte doch Wein nehmen... das sieht anständiger aus als Punsch... wie?«

»Natürlich!«

»Na, denn adieu... das tut mir verdammt weh, wo mich der Köter gebissen hat... der kleine Klaubert muß mich manchmal verbinden. .. ne, über solch' Duell... Ihr beide kriegt gar nichts weg, und uns Sekundanten beißen die Hunde...«

»Still doch... nicht so laut!«

»Was ist denn los?«

»Wenn es jemand hört, kommen wir alle fünf noch auf die Festung.«

»Donnerwetter ... das wär 'ne teufelmäßige Geschichte... ne, dann wollen wir doch lieber nicht mehr davon reden... adieu, Nasewitz!«

»Adieu, alter Graf!«

»Mit dem ist auch kein Geschäft zu machen«, brummte der lange Leutnant mißmutig vor sich hin; »danh müssen wir andere Opfer suchen, oder den gnädigen Zufall schalten lassen.« – – –

Als der Rittmeister Schimmelmann nach Hause kam, guckte er erst 'mal in den Stall und dann in die Kammer, die daneben war.

»Na... oller Plöter!« rief er seinem Burschen zu, der noch im Bette lag.

»Zu Befehl, Herr Rittmeister!« tönte eine matte, klägliche Stimme.

»Es ist nicht so schlimm«, lächelte Schimmelmann, der den inneren Drang fühlte, seine verbesserte Gemütsstimmung wenigstens auf einen Menschen zu übertragen, der keine unglücklichen Folgerungen aus der Mitteilung ziehen konnte. »Ach ja, mir ist noch sehr schlimm, Herr Rittmeister!« stöhnte Pätel, als wenn er jeden Augenblick verscheiden wollte.

»Unsinn! – Aufgestanden! – Pferde gefuttert!... Oller Jammerhahn!« schimpfte Schimmelmann.

»Zu Befehl, Herr Rittmeister!« streckte Pätel gehorsam eines seiner dicken Beine aus dem ärmlichen Bett.

»Na... siehst du wohl!« schmunzelte der Alte; »man muß nie das Vertrauen auf den lieben Gott verlieren... der hilft immer, wenn es Zeit ist.«

»Zu Befehl, Herr Rittmeister!«

Dann stand Pätel vollends auf, und Schimmelmann stackerte ganz heimlich in seine torfduftende Stube, damit ihn niemand hören und besuchen sollte, zündete sich seine Lieblingspfeife an, setzte sich damit ans Fenster, das nach dem Hof hinausging, und amüsierte sich über die kleinen Sperlinge auf dem Mist, wie sie miteinander kokettierten und sich küßten und Mann und Frau zusammen spielten.


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