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5.

Der Floh im Ohr

Als es eben sechs schlug auf dem Rathausturm, stand Nasewitz mitten auf der Straße vor dem Hause mit dem Kessel und rief hinauf:

»Padderow!«

Alsbald klang ein Fensterflügel und man konnte trotz der Dunkelheit doch einen Kopf unterscheiden.

»Seid Ihr es, Edler von Nasewitz?«

»So ist es, Gestrenger. - Die Ressource ruft!«

»Habt Dank für Eure Meldung... ich komme gleich.«

Das Fenster schloß sich wieder, bald darauf polterte ein klirrender Tritt die Treppe herunter und die durch den umgehangenen Mantel noch dicker scheinende Figur des Padderowers trat zu dem langen Nasewitz heran.

Sie reichten sich die Hand und dann schritten sie stolz und schweigend nebeneinander hin auf dem holperigen Straßenpflaster, der abendlichen Ressource zu.

Padderow war in Gedanken und Nasewitz war auch in Gedanken.

Letzterer arbeitete noch immer an seinem Plan.

»Hm, hm«, grübelte er; »gebe ich ihm Instruktionen und sage ihm, wie er sich benehmen soll? - Das ist eigentlich riskant... denn erstens ist Padderow ein schlechter Schauspieler und könnte leicht aus der Rolle fallen und sich verraten... dann stände das Gelingen des ganzen Planes auf dem Spiel... auch wäre es eine Möglichkeit, daß er mir selber hinter meine Schliche käme... und wenn nun gar der alte Schimmelmann heute abend nicht da wäre... nein, nein, es ist jedenfalls besser, wenn er keine Komödianterei zu treiben braucht, sondern wenn ich direkt auf die Natur wirke, wie es meine ursprüngliche Absicht war... ist Schimmelmann nicht da, dann schadet es nichts, und ist er da, dann erkläre ich ihm die Symptome, ohne daß Padderow eine Ahnung davon hat...«

Mittlerweile waren sie bei der Apotheke angekommen.

»Donnerwetter!« sagte Nasewitz. -

»Weshalb flucht Ihr, Burgherr von Knelling?«

»Ich weiß gar nicht, wie mir ist.«

»Wie ist Euch denn, würdiger Hidalgo?«

»Ich möchte gerade mal in die Apotheke gehen und einen Bittern trinken.«

»Der Gedanke ist nicht übel, das möchte ich eigentlich auch.«

Nasewitz stutzte.

»Nein«, sagte er dann; »tut das lieber nicht ... Ihr verderbt Euch den Groggeschmack zu heute abend ... und außerdem ist es Euch nicht gesund ...«

»Meint Ihr wirklich ... weshalb sollte es nicht?«

»Weil Ihr nie bei dem einen bleibt, sondern immer mehrere trinkt ... ich kenne das aus Erfahrung ...«

»Wenn ich Euch aber die Versicherung gäbe ...«

»Auf keinen Fall ... Ihr wißt, ich interessiere mich für Euer Wohl ...«

»Wenn ich Euch einen Schwur leistete, beim Bart des Propheten ...«

»Der Schwur paßt am allerwenigsten für Euch; denn der Prophet war ein Muselmann, und Ihr habt nicht das mindeste Talent zu einem Muselmann.«

Padderow ärgerte sich, und Nasewitz ging in die Apotheke und kaufte für sechs Pfennige pulverisierten Rhabarber.

»Äh!« machte er dann, als er wieder herauskam.

»War er gut?« interessierte sich der andere dafür.

»Burr«, schüttelte sich Nasewitz.

Dann gingen sie weiter der Ressource zu.

Wie wir bereits vorausgeschickt haben, befand sich das abendliche Vergnügungslokal für Militär und Zivil in den oberen Räumen des gelben Rathauses; auf der andern Seite hielt der wohlweise Magistrat seine Sitzungen, unter den Kolonnaden war die Hauptwache und die Wohnung des Restaurateurs Zieme, in welcher er auch noch eine Weinstube hielt, und neben dieser ein Material- und Essigladen derselben Firma. Auf dem unteren Flur stand gewöhnlich die Ratstabakswage, an welcher man sich die Knochen zerstieß, wenn man in Gedanken war. Eine breite, dunkle Treppe führte nach oben.

Treten wir mit von Padderow und von Nasewitz ein und werfen einen flüchtigen Blick auf die Lokalität.

Zuerst kommt man in ein großes, dreifenstriges, schmutziggelbes Zimmer, in dessen Mitte ein altes, fettiges Billard steht, über welchem eine schmierige Öllampe sich allabendlich damit beschäftigt, einen großen schwarzen Fleck gegen die Decke zu blaken.

Der Provisor und ein feiner Ackerbürgersohn sind bereits beschäftigt, mit mehr oder minder kühnen Körperverdrehungen die Bälle in die Ecklöcher zu stoßen, denn von französischen Billards hatte man in jener Zeit noch keine Ahnung.

Links vom Eingang stand ein schmales, schwarzes Sofa mit einem Tisch davor. Hier nahmen gewöhnlich diejenigen älteren Herren Platz, welche weder Abendbrot essen noch Karten spielen, sondern nur beim Glase Bier oder Grog die Zeit verplaudern wollten. Deshalb setzte sich auch hier der Rittmeister Schimmelmann her, um entweder dem Billardspiel zuzuschauen, oder sich auszuschimpfen wenn es jemand riskierte, sich in seine Nähe zu wagen. Das Sofa war bis jetzt aber noch leer.

Den übrigen Raum des großen unheimlichen Zimmers nahmen, außer einem mächtigen Ofen, mehrere Spieltische ein, welche trotz der frühen Stunde schon sämtlich besetzt waren, mit Offizieren und Zivilisten im traulich bunten Gemisch.

Da sah man den Schwadronschirurgus Mosse, einen kleinen Kerl, mit einer Brille und einer großen Warze auf der kleinen Nase; dann den Justizrat Schölplin, der stets eine goldene Dose und ein Glas Rotwein neben sich hatte und sich ein Ansehen gab, als wenn er Minister wäre; den Tierarzt Krahl, der so dicke Finger hatte, daß er die Karten nicht halten konnte; die Premierleutnants von Schädell und von Ströllpitz, die wir bereits kennengelernt haben; den Buchdrucker und Theaterrezensenten Kajob, der aussah, als wenn er die Weisheit mit Suppenlöffeln gegessen hätte; den süßlichen Assessor Glutstein, der sich immer erst die Hand abwischte, ehe er sie einem gab und dessen Frau manchmal nächtliche Serenaden gebracht wurden, die aber sonst durchaus weiter keinen Zweck hatten; und schließlich unter anderen noch den kleinen Schwadronsarzt Klaubert, welcher stets so freundlich dreinschaute, wie eine Schwalbe, wenn sie auf ihrem Nest sitzt.

Durch einen breiten Mauerausbruch blickt man in ein kleineres, schmaleres Zimmer, durch dessen ganze Länge ein mit Wachstuch beschlagener Tisch gestellt ist, an welchem Abendbrot gegessen, Grog getrunken und nachher geraucht und Unterhaltung gepflogen wird. Hier sitzen in der Regel die Leutnants, selten ein Zivilist unter ihnen.

Aus diesem Gemach führte eine Tür mit einem Glasfenster auf die Treppe, welche die Verbindung mit der Küche herstellt. An der langen Wand, dem Mauerausbruch gegenüber, steht die Schenke, auf der man verschieden geformte Gläser und diverse Sorten von Spirituosen in großen wespenähnlichen Flaschen bemerkt.

Mit dem Rücken gegen die Schenke gelehnt und nur höchst selten seinen Platz verlassend, steht der alte Zieme, der Vater des jungen Zieme, ein kleiner, dicker Mann mit einem langen, grauen Rock und einem kurzgeschorenen, weißhaarigen Kopf, welcher die auffallendste Ähnlichkeit mit der Physiognomie eines Meerschweinchens hat. Er spricht fast nie, sondern dreht sich nur ab und zu um, wenn er die Anwandlung empfindet, einen kleinen Kümmel zu pfeifen. Der junge Zieme, der vielleicht ebenso aussehen kann wie sein Vater, wenn er ebenso alt ist, geht hin und her und sieht nach Ordnung, und der blasse, verkommene Kellner lehnt elegisch an einem Türpfosten, den Kopf träumend zurückgelehnt und über dem Arm eine Serviette, die nach der nächsten Wäsche schmachtet.

Dcr lange Tisch in dem kleinen schmalen Zimmer ist auch schon ziemlich besetzt; obenan, mit dem Rücken gegen das Fenster, erblickt man den alten Grafen, ein dampfendes Glas Grog vor sich, eine lange, dampfende Pfeife im Munde und auf dem alten Gesicht eine tief nachdenkliche Miene.

Neben ihm sitzt der Premierleutnant von Ströllpitz, denselben Beschäftigungen hingegeben, mit kirschrotem Kopf und dienstlich ernster Miene, als wenn er über einen wichtigen Punkt der Packinstruktion nachdächte.

Diesen beiden reihen sich an der Premierleutnant von Kreidefleck, mit seinem abgeknabberten Schnurrbart und der freundlich boshaften Miene; der kleine Rührbrägen mit den kurzsichtig zugekniffenen Augen; der lange blasierte Sponeck, der anstatt des landesüblichen Grog eine halbe Flasche in den Gauen von Crossen gewachsenen Château-Lafitte schlürft; die Fähnriche von Klötersdorf und von Strammin, denen bei jedem Schluck des ungewohnten Grog die Augen übergehen und die zu jeder Bemerkung der Offiziere in verschämter Bewunderung lächeln; der Leutnant von Plinker, der auf der Lohmühle seine Pfeife stehen hat, und schließlich noch ein Leutnant von Drenkenberg, ein schwatzhafter, ältlicher, verlebter Herr, mit einer kleinen blonden Perücke und einem merkwürdig üppigen Schnurr- und Backenbart, dessen Fülle mit den weichlich schlaffen Zügen des blassen Angesichts im Widerstreit steht.

Die Offiziere waren bereits in lebhafter Unterhaltung, als Nasewitz und Padderow eintraten.

»Ich entbiete den Herren meinen Gruß«, sagte letzterer mit einer vornehm graziösen Handbewegung.

Die Offiziere nickten lächelnd, bis auf den alten Grafen, der nicht aufgepaßt hatte, und die beiden Fähnriche erhoben sich in dienstlich straffer Haltung und drückten auf diese Weise ihre Grüße aus.

»Ich bitte die jungen Waffengefährten, Platz zu behalten!« winkte von Padderow abermals, worauf die Fähnriche sich setzten, ihre Pfeifen wieder in den Mund nahmen und den Ausdruck der verschämten Bewunderung auf ihre Züge zurückriefen.

Der dicke Offizier wollte nun nach einem leeren Stuhl neben dem Premierleutnant von Ströllpitz gehen, doch Nasewitz, der unterdes von der unteren Ecke des Tisches aus nach dem schmalen schwarzen Sofa im Vorzimmer geäugelt hatte, hielt ihn von diesem Vorhaben ab.

»Laßt Eure ehrfurchtgebietende Gestalt an diesem Ende der gastlichen Tafel nieder«, sagte er; »der Plinker raucht so schlechten Tabak; das können Eure edlen Nerven nicht vertragen.«

Padderow willfahrte der wohlgefälligen Bitte seines langen Freundes und setzte sich dergestalt auf den ihm hingeschobenen Stuhl, daß er seine volle Vorderfront dem schwarzen Sofa im Vorzimmer zukehrte.

»Ein Glas Grog, Kellner; aber ein bißchen stramm ... und meine Pfeife!« gebot der dicke Offizier, nachdem er umständlich Platz genommen.

Der wehmütige Kellner erwachte aus seinem Traum, brachte die verlangte Rauchmaschine nebst brennendem Fidibus und schickte sich an, das Getränk aus der Küche zu holen.

»Pst! Wilhelm!« machte Nasewitz ganz leise.

Der Gerufene blickte sich um.

»Schütten Sie den Inhalt dieser Tüte in das Glas des Herrn von Padderow«, flüsterte der Offizier; »es ist Zucker ... Sie brauchen aber von Ihrem deshalb nicht zu sparen.«

»Schön!« wisperte der Kellner zurück; »die ganze Tüte voll soll ich also 'reinschütten?«

Die Blicke des Herrn von Nasewitz fielen jetzt zufällig auf den alten Zieme, der wie ein menschgewordenes Meerschweinchen vor der Schenke stand und stillvergnügt vor sich hinblickte.

»Nein ...« flog ein eigentümliches Lächeln um die schmalen Lippen des langen Offiziers; »ich werde eine Prise herausnehmen.«

Der Kellner pellte die Tüte auseinander, Nasewitz griff mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand hinein, dann huschte ersterer die Küchentreppe hinunter, und letzterer quetschte sich hinter dem Stuhl des Padderowers durch, um den Platz neben demselben einzunehmen.

»Guten Abend, guten Abend, alter Zieme!« drückte er mit dem rechten Arm den Nichtsahnenden plötzlich an sich, während die Linke unterdes die Prise Rhabarber in das kleine Kümmelgläschen fallen ließ, dessen Inhalt jener vor kurzem ausgetrunken.

»Nabend, Nabend, Herr Leutnant!« stöhnte der alte Zieme mit gepreßtem Atem.

»Immer noch frisch und munter, alter Zieme?«

»Danke, danke, Herr Leutnant.«

Dann setzte sich Nasewitz auf seinen Stuhl, und der alte Zieme stellte sich wieder gegen die Schenke und machte ein stillvergnügtes Gesicht.

»Na, Ihr kommt ja heute sehr spät«, wendete sich der verlebte Drenkenberg mit der kleinen blonden Perücke und dem üppigen Bart an Padderow; »habt wohl wieder Finanzoperationen gemacht; darin seid Ihr wirklich ein Meister, das muß Euch der Neid lassen ...«

Über das bärtige Gesicht des dicken Offiziers flog ein Schatten des Unbehagens, und der lange Nasewitz warf einen schnellen Blick nach dem schwarzen Sofa im Vorzimmer.

»Gut, daß Schimmelmann noch nicht da ist!« dachte er; »aber wenn er heute überhaupt nicht käme, das wäre fatal.«

Dann suchte er schnell die Unterhaltung von dem mißliebigen Thema abzubringen.

»Na, Drenkenberg, was macht die neue Fuchsstute?« redete er den welken Offizier an.

Dieser ging sofort mit der ihm eigentümlichen Schwatzhaftigkeit auf den neuen Gegenstand ein.

»Das ist ein famoser Gaul, sage ich Euch«, belebte sich das dürre Gestell des alten Leutnants; »ein Gangwerk, wie ich es in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen habe, und verstehe doch ein Pferd zu beurteilen ... so kommt er vorne 'raus!« begleitete er seine Erzählung, mit entsprechenden Bewegungen der beiden Arme; »und so nimmt er den Schwanz dabei in die Höhe ... purr, purr, purr!«

Der alte Zieme glaubte die allgemeine Aufmerksamkeit der Zuhörer benutzen zu können, um sich unbemerkt einen kleinen Kümmel einzuschenken und denselben herunterzuschmeißen.

Wenn ihn aber jemand angesehen hätte, als er sich wieder umwendete, würde er bemerkt haben, daß er den linken Mundwinkel und den linken Nasenflügel emporzog, als wenn es nicht ganz nach seinem Geschmack gewesen wäre, und nachher dauerte es eine ganze Weile, ehe er wieder ein stillvergnügtes Gesicht machte.

Als Drenkenberg vorher die Töne: purr, purr, purr! ausgestoßen, war der alte Graf aus seinem Traum erwacht und hatte sich verwundert umgesehen.

»Donnerwetter ... das war gerade, als wenn hier ein Paar Rebhühner aufflögen«, sagte er.

Die beiden Fähnriche wußten nicht, ob sie über diese Bemerkung ihre dienstliche Bewunderung ausdrücken dürften, griffen daher in verlegener Ungewißheit zu ihren Gläsern, verschlückerten sich und wurden nachher ganz rot im Gesicht, weil sie den Reiz in der Luftröhre unterdrücken wollten, ohne zu husten. Der Premierleutnant von Ströllpitz stieß ein kurzes Gelächter aus, das von dem dienstlichen sich dadurch unterschied, daß es einen wiehernden Charakter hatte; Herr von Kreidefleck knabberte maliziös am Schnurrbart; Herr von Sponeck schlürfte einen Schluck Crossener Lafitte und wechselte mit dem Überschlag der Beine; Padderow sah sich ungeduldig nach seinem Grog um, und Nasewitz ließ einen Blick von dem alten Zieme nach dem schwarzen Sofa gleiten, das noch immer unbesetzt war.

Der lebhafte Geist des welken Drenkenberg ging sofort von dem vorigen Thema zu dem vom alten Grafen angeregten neuen über.

»Habe ich dir schon die Büchsflinte gezeigt, die mir mein Bruder, der Premierleutnant von den Garde-Kürassieren, geschickt hat?« wandte er sich an Schwülenberg; »das ist ein sauberes Ding; mit der Kugel links einen Rehbock ... paff ... mit dem Schrot rechts eine Doublette Rebhühner ... puff! – Aber es gehört natürlich ein Schütze dazu ... Jeder kann das nicht ... was unsereinen anbetrifft, so hat er schon manch Jährchen Übung hinter sich ...«

»Äh!« machte der alte Zieme gegen seinen Willen.

Sofort drehte sich Drenkenberg nach ihm um.

»Nicht wahr, Gevatter Zieme; da könnt Ihr auch ein Wort mitreden?« attackierte er nun diesen; »wißt Ihr noch, wie wir beim Oberförster Horn zur Jagd waren, wo ich die Schwalbe mit der Büchsenkugel schoß ... klatsch ... da lag sie ... was?«

»Ach, die ist ja vor Schreck 'runtergefallen«, wieherte Ströllpitz; »nachher ist sie wieder weitergeflogen.«

»Ich will doch mal wieder zur Möhrenstolz gehen«, sagte der alte Graf, der an der Unterhaltung gar keinen Anteil genommen hatte, sondern nur seinen eigenen Gedanken nachhing; »die Molly ist doch ein teufelmäßiges Frauenzimmer ... ich möchte bloß wissen, ob es meine Pfeife ist, die da steht, oder ob sie Plinkers ist ...«

»Ach ... das ist ja nicht wahr«, genierte sich der letztere; »wie werde ich denn da meine Pfeife stehen haben ...«

»Na ja ... dann ist es meine«, lächelte der alte Graf; »ich habe es ja gleich gesagt ... mir fehlt allerdings keine zu Hause ... aber wenn sie nicht Plinkers ist, dann muß es doch meine sein ... der Teufel mag nur wissen, welche ...«

Bei der Erwähnung der Möhrenstolz hatte Drenkenberg sofort wieder eine Frontveränderung vorgenommen.

»Ja, da hast du recht«, sagte er, indem die matten Augen einen schwachen Versuch zum Strahlen machten; »die Molly ist wirklich ein nettes Mädchen ... unsereiner versteht sich nämlich darauf, trotzdem man ein alter Kerl geworden ist ... aber die Versicherung kann ich Euch geben, Fähnrichs ... ich würde Euch noch 'was zu raten aufgeben. – Habt Ihr auch schon eine kleine Bekanntschaft angeknüpft ... he?«

Die beiden, eben aus dem Kadettenkorps entlassenen, noch gänzlich unschuldigen Jünglinge erröteten tief ob dieser verfänglichen Frage und senkten die Blicke auf ihren erkaltenden Grog hinab.

»Hier sind ja gar keine Mädchen, für die man sich interessieren könnte«, näselte der blasierte Sponeck; »ich möchte eigentlich ein paar Sardinen essen; aber die gibt's hier auch nicht.«

Drenkenberg sah die Fähnriche eine Weile an.

»Donnerwetter!« legte er dann wieder los; »ein königlich preußischer Fähnrich und noch keine Geliebte ... ne, so 'was ist noch nicht dagewesen, so lange Garnison in Hasenbalg liegt, unsereiner würde sich geschämt haben, wenn er solches Geständnis hätte machen müssen, nicht wahr, alter Graf?«

»Ich werde doch mal zu Hause nachsehen, ob mir eine fehlt«, brummelte dieser vor sich hin; »und wenn eine fehlt, dann steht sie natürlich da ... aber ich weiß dann immer noch nicht, welche ... es ist eine teufelmäßige Geschichte.« –

»Äh!« machte der alte Zieme wider seinen Willen.

In diesem Moment kam der Kellner mit einem dampfenden Glase Grog und stellte es vor den heute abend sehr schweigsamen Padderow.

Um Nasewitzens Mund spielte ein feines Lächeln, und seine Blicke prüften aufmerksam die goldbraune Flüssigkeit, welche sich vollkommen klar und ungetrübt erwies.

Padderow nahm den Löffel, rührte sorgfältig in dem Glase herum und sog dann mit seiner kurzen, schiefgebogenen Nase wohlgefällig den Duft ein.

»Schönes Grogchen!« nickte Herr von Kreidesteck; »geben Sie mir auch eins, Wilhelm!«

»Mir auch!« sagte der alte Graf, der gewöhnlich nachmachte, was ein anderer ihm vortat.

»Mir noch 'ne halbe Flasche Lafitte!« gähnte Sponeck, obgleich seine vorige noch dreiviertel voll war.

Der kleine Rührbrägen kniff die Augen zusammen und summte ein Liedchen vor sich hin. Padderow hatte unterdes den Löffel weggelegt, das Glas in die ritterliche Rechte genommen, mit seinen dicken Lippen eine Weile gepustet und sich dann zum ersten Schluck entschlossen.

Aber es wurde kein großer, wie es sonst seine Gewohnheit war, denn kaum hatte die Zunge gekostet, als er das Glas wieder absetzte und eine Grimasse schnitt.

»Es ist wohl zu heiß?« fragte Nasewitz.

»Schmeck' du und der Teufel!« schüttelte sich Padderow; »das Zeug ist nicht zu trinken.«

»Oh!« machte Kreidefleck; »der Grog ist doch sonst sehr gut.«

»Natürlich ist er das«, sagte Padderow; »aber hier muß 'ne Wanze rein'gefallen sein.«

In diesem Augenblick trat der Rittmeister Schimmelmann ins Vorzimmer, hing Mantel und Mütze an den Nagel und machte ein Gesicht, als wenn er alle Leute beißen wollte.

Nasewitz wurde ängstlich zumute; das brummige Antlitz dort, und hier die empfindlichen Geschmacksnerven seines Freundes; das drohte seinen ganzen Plan umzuwerfen.

Im nächsten Moment war er aber wieder Herr der Lage.

»Was ist denn das, Wilhelm?« nahm er seinem Freunde das Glas fort, um es dem Kellner zurückzugeben; »bringen Sie einen andern Grog für Herrn von Padderow und mir auch einen.«

Dann raunte er ihm leise ins Ohr:

»Für Herrn von Padderow dasselbe Glas, bloß von neuem heißgemacht; verstanden?«

Über des Kellners bleiche Züge glitt ein wehmütiges Lächeln des Einverständnisses; dann verschwand er durch die Treppentür und kam nach wenigen Minuten mit zwei dampfenden Gläsern zurück.

Nasewitz nahm ihm sofort beide aus der Hand.

»Vortrefflich!« sagte er, zuerst den früheren Grog seines Freundes kostend und den Abscheu davor glücklich überwindend; »ausgezeichnet!« setzte er nachher hinzu, mit dem zweiten Glase die Lippen benetzend; »da, kostet jetzt einmal!« hielt er dann das erste dem Padderower hin.

Dieser tat vertrauensvoll einen kräftigen Schluck.

»Pfui!« schüttelte er sich aber gleich darauf; »das ist ja ganz dasselbe verfluchte Zeug.«

»Aber, ich begreife Euch nicht«, wunderte sich Nasewitz, ihm dasselbe Glas noch einmal hinreichend; »kostet doch meinen, ob Ihr einen Unterschied findet ... aber einen ordentlichen Zug.«

Padderow trank mit abermaligem Vertrauen das halbe Glas aus und schlug dann mit der Faust auf den Tisch.

»Na?« fragte Nasewitz; »schmeckt das anders oder ebenso?«

»Ebenso!« schudderte der dicke Offizier zusammen; »als wenn des Teufels Großmutter ihn gebraut hätte!«

»Das muß heute an Eurem Geschmack liegen«, stellte Nasewitz seinem Freunde dessen ursprünglichen Grog wieder hin, indem er sich das andere Glas nahm.

»Der Grog ist ja ausgezeichnet«, stimmten auch die anderen bei.

Der Padderower machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Sollte der Mistkäfer, der mir in den Hals geflogen ist, vielleicht eine Wanze gewesen sein?« wandte er sich dann an seinen Freund.

»Hm!« machte dieser; »unmöglich wäre es gerade nicht ... dann müßt Ihr mehr trinken, damit Ihr Euch den Geschmack wegspült.«

»Ich möchte lieber Rotwein trinken«, meinte Padderow.

»Der würde Euch ebenso schmecken, mannhafter Recke; ich rate Euch entschieden, mit dem Grog fortzufahren.«

»Mir wird schlimm danach ...«

»Einbildung, tapferer Ritter! ...«

»Nein, nein ... es wurmt mir so im Leibe herum ...«

»Äh!« machte der alte Zieme wider seinen Willen.

»Trinkt ruhig weiter«, stand Nasewitz, sein Glas mitnehmend, auf; »ich will mal ein bißchen zusehen, wie sie Billard spielen. – Auf Wiedersehen!«

»Adieu, Kind! ... Au!«

»Habe ich Euch getreten?«

»Nein ... es hat mich so gestochen.«

Nasewitz ging mit seinem Glase und seiner Pfeife in das Vorderzimmer.

Lassen wir die Offiziere am langen Tisch ihre Unterhaltung fortsetzen und folgen wir ihm.

Als der lange Leutnant die Schwelle überschritten hatte, hörte er, daß Schimmelmann bereits im besten Zuge war, an der ganzen Gesellschaft seine schlechte Laune auszulassen, indem er durchaus keine Rücksicht darauf nahm, ob er das Spiel störte oder nicht.

Am giftigsten war er aber auf den kleinen Doktor Klaubert, der bei seiner Schwadron stand.

»Sie lernen auch in Ihrem ganzen Leben nicht reiten«, grunzte er den friedlichen Whistspieler an; »die Kassiopeia ist ein wahres Lamm; aber sowie Trab kommandiert wird, torkeln Sie auf ihr 'rum, als wenn Sie betrunken wären ... sehen überhaupt d'rauf aus wie ein Affe auf dem Kamel ... werde Sie nächstens bei den Rekruten mitreiten lassen, wenn Se sich nicht bald mehr Mühe geben ...«

»Na, der ist ja heute in 'ner netten Laune!« dachte Nasewitz, während der kleine Doktor ein ganz freundliches Gesicht machte und eben das Trick gewann.

»Herr Rittmeister, wollen Sie nicht die Freundlichkeit haben, sich mal mit einem andern zu unterhalten«, knarrte der Justizrat Schölplin, nachdem er mit äußerster Vornehmheit eine Prise aus der goldenen Dose genommen; »Sie bringen dem Doktor Glück; das ist ja gar nicht mehr auszuhalten.«

Schimmelmann sah den Justizrat an, als wenn er ihn mit Haut und Haar vertilgen wollte und brummte etwas Unverständliches in den struppigen Bart; dann bestellte er sich ein Glas Grog und blickte sich nach einem neuen Opfer seiner schlechten Laune um.

Nasewitz benutzte geschickt diesen günstigen Augenblick und machte ihm eine höfliche Verbeugung, die jener aber nur durch ein Grunzen erwiderte.

»Guten Abend, Herr Rittmeister«, wiederholte der lange Offizier den Gruß.

»Nabend!« brummte Schimmelmann, seinen Untergebenen von Kopf zu Fuß messend, ob er nicht irgend etwas an ihm auszusetzen finden könnte.

Nasewitz machte ein drittes Kompliment und strahlte förmlich vor Vergnügen.

»Worüber freuen Sie sich denn eigentlich?« grunzte ihn Schimmelmann an.

»Wie befehlen der Herr Rittmeister?« fragte der Leutnant, als ob er nicht verstanden habe, indem er sich mit seiner Pfeife und seinem Grog auf einen der Stühle niederließ, die neben dem schwarzen Sofa standen.

Schimmelmann war anfangs ganz verdutzt über diese Dreistigkeit; dann sah er seinen Leutnant an, als wenn er ihm gern recht etwas Empfindliches antun möchte, das er aber augenblicklich noch nicht finden konnte.

»Recht hübsches Wetter heute abend!« wagte Nasewitz, in äußerster Liebenswürdigkeit, die Unterhaltung anzubahnen.

Die Pockennarben in des Rittmeisters Gesicht färbten sich immer dunkler vor Ärger.

»Wird morgen früh wahrscheinlich wieder hübsches Wetter sein«, sprach der lange Offizier weiter.

»Herr, was wollen Sie eigentlich!?« fuhr Schimmelmann ihn jetzt an.

Nasewitz nahm nicht die geringste Notiz von dem wachsenden Unmut seines Vorgesetzten, sondern rückte mit immer größerer Liebenswürdigkeit seinem Ziele näher.

»Wenn Padderow des Morgens zuerst die Bahn hat, ist es regelmäßig gutes Wetter«, fuhr er fort; »aber wenn ich zuerst reiten lasse, ist es immer schlecht.«

Bei der Nennung des Namens, der nie einen guten Klang in seinen Ohren gehabt hatte, verfinsterten sich die Züge des alten Schimmelmann noch um ein ganz Bedeutendes, und er warf unwillkürlich einen bösen Blick nach dem kleinen Zimmer, in welchem ihm die volle Vorderansicht des dicken Offiziers zuteil wurde.

So sehr es auch seiner Natur widerstrebte, sich eine Unterhaltung aufdrängen zu lassen, so konnte er es auf der anderen Seite trotzdem nicht unterdrücken, seinem Ärger über Padderow ein Ventil zu öffnen.

»Der kehrt sich viel ans Wetter«, brummte er; »ob's gut ist oder schlecht, zu spät kommt er doch in den Dienst.«

Jetzt war es Nasewitz, der nicht anwortete, um den andern sich noch mehr entwickeln zu lassen.

»Nun muß man sich ein ganzes Jahr mit ihm 'rumärgern.« brummte Schimmelmann weiter; »denn eher versetzt ihn der Oberst nicht ... na ... vielleicht dauert's aber doch nicht so lange ... die Geschichte kann unmöglich so weiter gehen ...«

Hier unterbrach ihn Nasewitz durch einen tiefen Seufzer.

Der Rittmeister blickte ihn verwundert an.

»Was machen Sie denn nun wieder?« grunzte er ihn an; »jetzt sehen Sie ja ganz anders aus, wie vorhin!«

Der lange Offizier zuckte mit einer tragischen Gebärde die Achseln.

»Er tut Ihnen wohl leid?« fragte der Rittmeister.

»Furchtbar!« rief Nasewitz, mit einem so plötzlichen und heftigen Gefühlsausdruck, daß Schimmelmann unwillkürlich zurückschreckte.

»Dann sollten Sie ihn aber nicht fortwährend necken«, sagte er nach einer Pause. »Sie haben auch ein ganz Teil Schuld daran, daß Padderow sich so verbummelt hat.«

»Ich werde ihn niemals mehr necken«, wiegte Nasewitz langsam und ernst das blasse Haupt; »nie mehr, seitdem ich weiß ...«

»Seitdem Sie was wissen?«

»Und Sie, Herr Rittmeister«, fuhr der Offizier fort, ohne jene Frage zu beantworten; »Sie sollten doch ebenfalls etwas duldsamer gegen ihn sein, seitdem Sie wissen ...«

»Seitdem ich was weiß?« polterte Schimmelmann heraus.

»Der Mensch ist doch am Ende ein Mensch, Herr Rittmeister«, versuchte Nasewitz ein wehmütiges Lächeln.

»Herr, ich verstehe Sie nicht!«

»Und man war doch eher Mensch, ehe man Soldat wurde ...«

»Wollen Sie mir nun gefälligst sagen? ...«

»Selbst Sie, Herr Rittmeister, waren zuvor Mensch, ehe Sie Soldat wurden ...«

»Donnerwetter und kein Ende!«

»Deshalb sollten Sie sich auch zuweilen daran erinnern, daß Sie ein Herz in Ihrem Busen tragen ...«

»Halten Sie den Mund, Herr!« schrie Schimmelmann, dem sich förmlich die Haare sträubten, vor Ärger.

Nasewitz ließ sich aber dadurch nicht im mindesten irre machen.

»Und bedenken«, fuhr er, zu einem milden Ernst übergehend fort, »daß Sie doch eigentlich, wenn auch nicht direkt, so doch unzweifelhaft indirekt, die Veranlassung gegeben haben zu des armen Padderow Zerstreutheit und etwas unregelmäßiger Lebensweise ...«

»Nun wird's mir aber, hol' mich der Satan, zu arg!« schrie Schimmelmann mit wutheiserer Stimme; »ich soll die Veranlassung seiner Verbummelung sein!?«

»Ganz gewiß!« nickte Nasewitz; »denn ehe er bei Ihrer Schwadron stand, war es lange nicht so schlimm ...«

»Herr, Sie sind plötzlich verrückt geworden oder betrunken!« rief der Rittmeister, außer sich vor Wut; »gehen Sie nach Hause ... morgen werden wir uns weiter sprechen.«

Des Leutnants Züge nahmen plötzlich einen fast strahlenden Ausdruck an.

»Ach, das ist schön von Ihnen«, streichelte er leise Schimmelmanns Arm; »Sie wollen es sich überlegen ... Sie wollen Ihr Herz nicht mehr verschließen ... Sie wollen ihm wenigstens Hoffnung machen ...«

Da Schimmelmann nichts mehr zu sagen wußte, trommelte er vor Wut mit beiden Fäusten auf den Knien herum, und blickte seinen Quälgeist an, als wenn er ihn verschlingen wollte.

»Wie dankbar er Ihnen sein wird!« nickte Nasewitz ihm freundlich zu.

Der Rittmeister stieß einen hohlen Ton aus.

»Und sie vielleicht auch ...«

»Wer?!«

»Sie!«

»Ich?«

»Nein ... sie ...«

»Mich rührt der Schlag«, heulte Schimmelmann; »ich kann's nicht mehr aushalten ... uh ... hu ... ich kann es nicht verstehen ... wen meinen Sie denn, ins Drei Teufels Namen, wenn Sie mich nicht meinen?«

»Nun ...« machte Nasewitz, etwas verwundert, aber mit einer fast heiligen Unschuldsmiene ... »Ihr Fräulein Tochter.«

Jetzt schien den alten Schimmelmann wirklich der Schlag gerührt zu haben; denn er saß plötzlich, als wenn er versteinert wäre, und starrte seinen Leutnant mit weit aufgerissenen Augen und offenem Munde an.

»Nun ... wer sollte Ihnen denn sonst noch dankbar sein, als sie?« fragte Nasewitz mit glaubwürdigster Einfalt.

»Was haben Sie eben gesagt, Mensch?« fragte der Rittmeister nach einer geraumen Weile, mit leisem, fast verstorbenem Organ.

»Was ich gesagt habe?« wiederholte der Leutnant; »daß Ihr Fräulein Tochter Ihnen vielleicht auch dankbar sein wird, wenn Sie den armen Padderow nicht von jedem Annäherungsversuch zurückschrecken ... denn es ist doch möglich, daß sie seine stille Liebe bemerkt hat ... daß sie dieselbe vielleicht erwidert ...«

Schimmelmann blickte seinen Leutnant mit einem unbeschreiblich merkwürdigen Gesicht an; dann fuhr er sich durch das Haar, zupfte sich am Schnurrbart und drückte sich mit beiden Händen den Vorderkopf.

»Erzählen Sie mir die Geschichte noch mal!« sagte er dann mit gedämpftem Ton.

»Aber, Herr Rittmeister, sollten Sie denn das wirklich nicht bemerkt haben?« lächelte Nasewitz.

»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort ... keine Idee!«

»Diese stille ... fast anbetende Liebe wäre Ihnen entgangen?«

»Vollständig! – Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort; vollständig!«

»Er steht ja die ganze Nacht unter dem Fenster Ihrer Fräulein Tochter ...«

»Unter dem Fenster steht er ... na, so 'was lebt in der Welt nicht mehr!«

»Da ist es wohl verzeihlich, wenn er manchmal etwas zu spät in den Dienst kommt ...«

»Nein, das müßte er dennoch nicht tun! ...«

»Und wenn er zerstreut ist ...«

»Heiliger Ruppsack; was muß ich hören!«

»Wenn er durch Hoffnungslosigkeit fast bis zur Verzweiflung getrieben, sich zu betäuben sucht ... in Schulden gerät ...«

»Wissen Sie, lieber Nasewitz, mir tut das Gehirn weh«, sagte Schimmelmann, sich wieder den Vorderkopf drückend.

»Freuen Sie sich denn aber nicht darüber, Herr Rittmeister?«

»Na, was werde ich mich denn nicht freuen«, ging der Alte bereits zu einem Schmunzeln über, das man selten an ihm wahrnahm; »jeder Vater verheiratet doch am Ende gern eine Tochter, namentlich wenn er mit vieren gesegnet ist ... ich kann es mir nur immer noch nicht recht denken ... gerade Padderow, von dem man sagt ... daran würde ich mich allerdings nicht stoßen ... und für das Mädchen ist es auch nicht so schlimm ... was man nicht kennt, das entbehrt man auch nicht ... vielleicht ist es auch gar nicht 'mal wahr ... nein, sagen Sie bloß, lieber, guter Nasewitz ... ist es denn die Menschenmöglichkeit? – Es will mir immer noch nicht in den alten Schädel, daß dieser dicke Padderow in meine ... nein, so etwas hätte ich mir nicht träumen lassen.«

»Aber, Herr Rittmeister; das sieht man doch auf den ersten Blick, daß der bis über die Ohren verliebt ist«, flüsterte der lange Leutnant; »beobachten Sie ihn doch einmal, wie still und in sich gekehrt er dasitzt ... wie er vor sich hinstarrt ... wie blaß er ist ...«

»Ja«, nickte Schimmelmann; »wenn man's weiß, kann man sich's wohl denken ... aber wenn man es nicht weiß ... dann würde ich gesagt haben, dem Padderow ist unwohl ...«

»Haben Sie gesehen, wie es eben in seinem Gesicht zuckte ...«

»Allerdings ... es scheint ihm was weh' zu tun ...«

»Das ist ja die Verzweiflung ... die gewaltsam unterdrückte Leidenschaft ...«

»Das ist die Möglichkeit!«

»Da! ... sahen Sie, wie er eben mit der Hand krampfhaft nach dem Herzen griff?«

»Ja freilich ... ich dachte nur, es wäre nach dem Bauch gewesen ...«

»Oh! ... die Entfernung täuscht ... und dann sank ihm auch gleich die schlaffe Hand herunter ... er leidet jetzt die schrecklichsten Seelenqualen ...«

»So? Wenn ich's nicht wüßte, würde ich sagen, er hätte Leibschmerzen.«

»Und dann trinkt er auch nicht ... sein Glas ist noch halb voll und er rührt es nicht an ... das ist doch gewiß auffallend ...«

»Ja; das ist freilich auffallend.«

»Ist der alte Zieme vielleicht auch verliebt?« fragte Schimmelmann, seine Beobachtungen weiter ausdehnend.

»Wieso, Herr Rittmeister?«

»Er faßt sich auch immer mit der Hand dahin und schneidet ganz wunderbare Gesichter dabei.« –

Nasewitz mußte unwillkürlich lächeln.

»Bei dem wird es wohl andere Ursachen haben«, sagte er; »bitte, sehen Sie jetzt aber nicht so viel nach Padderow; die Herren an den Spieltischen werden schon aufmerksam, und die Sache muß doch vorläufig wohl noch geheim gehalten werden ... es ist doch immer noch nicht gewiß, ob Gegenliebe bei Ihrer Fräulein Tochter vorhanden ist ...«

»Sagen Sie, bester Nasewitz«, legte ihm der Rittmeister vertraulich die Hand auf den Arm ... »in welche ist er denn eigentlich verliebt?«

Der lange Offizier geriet ein wenig in Verlegenheit, weil er erstens die Namen der vier Töchter nicht mit Zuverlässigkeit im Gedächtnis hatte, und weil er zweitens auch nicht wußte, welcher er das trügerische Glück angedeihen lassen sollte.

»Na?« drängte Schimmelmann.

»Die jüngste, Herr Rittmeister.«

»Die Melusine?«

Nasewitz nickte.

Das Schmunzeln verschwand plötzlich von des alten Rittmeisters Zügen und er schüttelte ernst und bedenklich den Kopf.

»Hm!« machte er; »das ist ein Unglück ...«

»Wieso?« fragte Nasewitz.

»Dann kann aus der Geschichte nichts werden ... so leid es mir tut ... ich wäre ja herzlich gern eine losgeworden ... weshalb verliebt er sich nun aber auch gerade in die jüngste?«

»Ja ... das finde ich eigentlich ganz natürlich«, meinte Nasewitz.

»Wenn Herr von Padderow Kreisrichter wäre ... und ich Apotheker ... dann hätten Sie freilich recht«, knurrte Schimmelmann etwas mißmutig ... »aber er ist Leutnant ... und ich bin Rittmeister ... vom soldatischen Standpunkt aus müssen wir die Heiligkeit und Unverletzlichkeit der Altersfolge aufrechterhalten ... der älteste Premierleutnant wird zuerst Rittmeister; dann kommt der zweite, dann der dritte, und zuletzt der vierte. Ganz ebenso ist es mit den Soldatentöchtern; erst heiratet die älteste, dann die zweite, dann die dritte, und zuletzt die vierte. – Der jüngsten aber zuerst die Haube aufzusetzen, das wäre eine schreiende Beleidigung und Ungerechtigkeit gegen die andern, eine Zurücksetzung, eine Übergehung ... ein übergangener Offizier muß den Abschied nehmen ... eine übergangene Tochter bleibt sitzen und wird 'ne alte Jungfer.«

»Aber, Herr Rittmeister«, wandte Nasewitz ein; »das ist doch unmöglich Ihr Ernst ...«

»Mein heiliger, unabänderlicher Wille«, sagte Schimmelmann fest; »es tut mir leid, aber es geht nicht anders!«

Dem langen Leutnant war das sehr unangenehm. – Die Sache hatte sich bis jetzt so hübsch angelassen ... Alles war fast über Erwarten geglückt und nun sollte der ganze Plan scheitern an dem Eigensinn des alten, eingefleischten Soldaten; das durfte auf keinen Fall sein ...

Nasewitz senkte nachdenkend den Kopf; dann hob er ihn schnell nach einem Weilchen wieder empor.

»Hm ... der arme Padderow«, sagte er; »vielleicht auch Fräulein Alphonsine ...«

Schimmelmann sah ihn leicht verwundert an.

»Melusine«, verbesserte er.

»Alphonsine«, wiederholte Nasewitz.

»Sie sagten doch aber erst Melusine ...«

»Bitte um Entschuldigung, ich sagte Alphonsine.«

Der Rittmeister fuhr sich mit beiden Zeigefingern in die Ohren und stellte Bohrversuche damit an.

»Sollte ich mich denn so verhört haben?« sagte er.

»Ohne Zweifel ... die Namen klingen alle so ähnlich ...«

»Das ist eine Idee von meiner Frau ... ich habe ihr gleich gesagt, das gibt einmal Konfusionen; aber sie wollte ja nicht hören ... drei endigen sich auf ›sine‹ und eine auf ›tine‹, die vierte ›sine‹ konnte sie nicht finden, sie hätte denn Apfelsine wählen müssen ... das ist doch kein christlicher Name für ein Mädchen ...«

»Na, sehen Sie wohl«, lächelte Nasewitz; »Sie sehen doch jetzt ein, daß Sie sich verhört haben?«

»Hm ... möglich ist es schon«, brummte der Rittmeister; »aber Sie sprachen doch auch von der Jüngsten ...«

»Bitte sehr, Sie sprachen von der Jüngsten ...«

»Ganz richtig; aber Sie gingen darauf ein und bestärkten mich in meinem Irrtum ...«

»Bitte sehr ... Sie waren es, der mich in meinem Irrtum bestärkte ... wenn der eigene Vater sich in der Reihenfolge seiner Töchter irrt ...«

»Das ist 'ne tolle Geschichte!« schmunzelte Schimmelmann wieder.

»Und dann kenne ich auch Ihre Fräulein Töchter so wenig«, vollendete Nasewitz seinen Sieg; »man sieht sie fast nie ... in keiner Gesellschaft ... jeden Winter einmal auf dem Ball ... sie leben ja wie im Nonnenkloster ... und dann sehen sie sich auch alle so ähnlich ...«

»Da haben Sie ganz recht«, nickte der Rittmeister.

»Wer?«

»Sie!«

»Die Töchter?«

»Unsinn! – Das ist ja dieselbe Geschichte, wie vorhin mit Ihnen.«

»Ach so ... Sie meinten mich?«

»Nun, natürlich!«

»Die Sache ist also nun aufgeklärt.« –

Der Rittmeister blickte seinen Leutnant an.

»Hören Sie 'mal ... damit nicht wieder ein Mißverständnis entsteht«, sagte er; »Herr von Padderow liebt also die Al.. phon.. si..ne.. die älteste!«

»Al.. phon.. si.. ne die Älteste!« bestätigte Nasewitz.

»Na«, machte Schimmelmann zufrieden; »die Sache läßt sich schon eher hören ... aber wie will er sie denn heiraten ... er sitzt ja bis über die Ohren voll Schulden ...«

»Gott ... die jungen Leute warten ein bißchen«, meinte Nasewitz; »die Tante kann doch nicht ewig leben, und dann ist Padderow in guten Verhältnissen!«

»Hm!« machte der Rittmeister einverstanden.

Der lange Leutnant trank aus Zufriedenheit mit sich selber einen Schluck Grog.

»Sagen Sie 'mal«, fing der Alte nach einem Weilchen wieder an; »seit wann ist denn Padderow eigentlich so verliebt in die Al.. phon.. si.. ne..?«

»Ach ... das ist schon 'ne ganze Zeit!« nickte Nasewitz.

»Geht er auch am Tage vorbei, oder steht er bloß des Nachts?« fragte der Rittmeister mit einem eigentümlichen Lächeln.

»Oh ... er geht auch am Tage vorbei ... oft ... sehr oft ...«

»Hm!« machte der Alte vor sich hinschmunzelnd. –

Nasewitz steckte sich die ausgegangene Pfeife wieder an.

»Hören Sie 'mal ...« knurrte Schimmelmann da von neuem los; »dann will ich Ihnen aber 'mal was sagen ... worauf Sie den Padderow aufmerksam machen können ...«

»Sehr gern, Herr Rittmeister ...«

»Wenn er meine Al.. phon.. sine gern hat, dann muß er sich jetzt aber vor allen Dingen an die Trompete gewöhnen ...«

Nasewitz sah ihn verwundert an.

»An die Trompete?« wiederholte er.

»Ja ... an die dicke ... die kennt er noch nicht!« lächelte Schimmelmann.

Der lange Leutnant machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Was will er denn damit sagen?« reflektierte er; »an die dicke Trompete soll sich Padderow gewöhnen, wenn er die Alphonsine gern hat ... was meint er denn mit der dicken Trompete? – Wahrscheinlich die Baßtuba ... die kennt er noch nicht, sagte der Alte ... die kann er noch nicht, hat er wohl sagen wollen ... dieser Mensch spricht überall ein Deutsch zusammen ... wie soll denn Padderow dazu kommen, die Bußtuba blasen zu können? Und zu welchem Zweck? – Aha! Weil die Alphonsine musikalisch ist ... da soll er sie wahrscheinlich begleiten ... aber man begleitet doch ein Klavier nicht mit der Baßtuba ... diese alten Kavalleristen haben einen merkwürdigen Kunstgeschmack ... vielleicht hat er aber auch bloß damit ausdrücken wollen, daß Padderow sich ein bißchen musikalischen Sinn aneignen soll ... andere wie Blechinstrumente erkennt ja solch' alter Zentaur nicht an ... na, jedenfalls werden wir am richtigsten handeln, wenn wir den Auftrag wörtlich ausrichten ...«

»Also an die dicke Trompete soll sich Padderow gewöhnen?« fragte er dann noch einmal laut.

»Hm!« machte der Rittmeister, indem er sich beide Fäuste an die Nase hielt; »so dick.«

»Er meint wirklich die Tuba!« reflektierte Nasewitz; »die Sache hat ihre Richtigkeit.«

»Vier Wochen kann's noch dauern!« nickte Schimmelmann.

»Na«, dachte Nasewitz; »wenn er das Blasen meint, dann zweifle ich daran, daß Padderow es in so kurzer Zeit lernt ... aber wahrscheinlich meint er bloß, er soll sich an die Musik überhaupt gewöhnen ... das geht schon leichter zu machen ...«

Bald nachher sah Schimmelmann nach der Uhr.

»Es ist zehne durch«, sagte er; »das ist meine Stunde zum Schlafengehen; gute Nacht, lieber Nasewitz.«

Der Leutnant erwiderte den ersten Händedruck seines Vorgesetzten und half ihm dann den Mantel um.

» Gute Nacht, meine Herren!« wandte sich Schimmelmann dann an die ganze Gesellschaft.

»Gute Nacht, gute Nacht, Herr Rittmeister!«

»Gute Nacht, Doktorchen!« nickte dieser dann noch dem kleinen Klaubert zu, den er vorhin so ausgezankt hatte.

»Gute Nacht, Herr Rittmeister!« wunderte sich dieser, indem er so freundlich aussah, wie eine Schwalbe, die auf dem Nest sitzt.

Dann drückte Schimmelmann, den man noch niemals so guter Laune gesehen hatte, noch einmal seinem neuen Freunde die Hand, setzte die Mütze auf und stackerte knieknickrig aus dem Lokal.

»Das ist eine mordmäßige Geschichte!« schmunzelte er vor sich hin;» das hätte ich mir in meinem ganzen Leben nicht träumen lassen, daß dieser dicke Padderow noch einmal mein Schwiegersohn ... was wird die Alphonsine dazu sagen ... sie hat natürlich noch nichts gemerkt, deshalb muß man auch im höchsten Grade vorsichtig sein ... so etwas muß nicht vorher verraten werden ... da bringt man sie ja um die Überraschung ... es ist aber doch besser, sie setzt sich jetzt nicht so oft ans Fenster mit der Trompete ... es könnte dem Padderow wieder leid werden, und das wäre schade ... ich werde ihr sagen, es zög am Fenster, und das wäre gefährlich für ihren Zustand ... nein, es ist wirklich 'ne mordmäßige Geschichte ... dieser dicke Padderow... wenn nur die Geschichte mit seinen Schulden nicht zum Klappen kommt ... na, man muß die Leute ein bißchen zu trösten suchen ... sie verlieren ja ihr Geld nicht ... die alte Tante kann doch nicht ewig leben, wie dieser übrigens sehr angenehme Mensch, der Nasewitz, vorhin sehr richtig bemerkte ... kommt Zeit, kommt Rat ... der liebe Gott wird ja ein so gutes Werk nicht im Stich lassen.«

Unter diesem Selbstgespräch war er an seinem Hause angekommen, fand die ganze weibliche Familie oben schon schlafen gegangen, und folgte alsobald ihrem Beispiel. –

Lassen wir ihn sich in angenehme Träume wiegen und kehren wir noch einen Augenblick auf die Ressource zurück.

An den Spieltischen unterhielt man sich noch über die ganz unerklärliche gute Laune des Rittmeisters Schimmelmann; aber an dem langen Tisch in der kleinen Stube war es schon etwas still geworden; nur der Leutnant von Drenkenberg erzählte immer eine Geschichte über die andere, jedoch ohne seine Zuhörer ordentlich zu fesseln.

»Kommst du mit nach Hause; ich bin müde?« fragte Nasewitz beim Eintreten in das kleine Zimmer.

»Ja«, antwortete Padderow mit einem schmerzlichen Dehnen des Körpers; »wir wollen gehen ... mir ist nicht ganz wohl ...«

»Wollt Ihr nicht Euren Grog erst austrinken?«

Der dicke Offizier schüttelte sich im heftigsten Unbehagen.

»Nein!« sagte er, mit einer merkwürdigen Entschiedenheit; »das tue ich auf keinen Fall.«

Dann stand er auf und reckte sich gerade.

»Schreiben Sie an, Wilhelm!« wandte er sich an den Kellner; »obgleich ich den verfluchten Grog eigentlich gar nicht zu bezahlen brauchte ... was geht mich das an, wenn er anderen schmeckt ... mir soll er schmecken ... und das hat er nicht getan. – Den Herren sei eine gute Nacht gewünscht!« sagte er dann mit seiner unnachahmlich graziösen Handbewegung ... »der Padderower entbietet Ihnen seinen Gruß!«

»Gute Nacht, gute Nacht!« riefen die Offiziere durcheinander.

Die beiden Fähnriche standen auf und wackelten hin und her, weil sie schon zu müde waren.

»Gute Nacht, meine Herren!« stand auch der alte Graf auf, der gewöhnlich alles nachahmte, was ein anderer ihm vortat.

Die übrigen brachen dann auch bald auf, weil sie Drenkenbergs Geschichten nicht mehr vertragen konnten. –

»Na!« blickte Padderow seinen Freund an, als beide auf der Straße waren; »du hast ja heute den ganzen Abend beim Alten gesessen ... hast wohl an deinem Plan gearbeitet ... wie!«

»Hm!« machte Nasewitz.

»Gut abgelaufen?« »Sehr!«

»Weiß du ... laß uns ein bißchen schneller gehen ... so lange ich saß, hatte es weniger zu sagen ... aber jetzt ...«

»Recht gern; mir ist es gleich.«

»Also du hast mit dem Alten über mich gesprochen?«

»Nun natürlich!«

»Sei still ... das geht dich gar nichts an!«

»Aber ich kann mich beruhigen?«

»Völlig!«

»Weißt du, laß uns noch ein bißchen schneller gehen ... Donnerwetter nicht nochmal!«

»Weshalb flucht Ihr denn so furchtbar, erlauchter Freund?«

Padderow antwortete nicht, sondern biß die Zähne zusammen und setzte seine kleinen dicken Beine so schnell, daß Nasewitz Mühe hatte, an seiner Seite zu bleiben.

»Eine Instruktion habe ich Euch aber zu geben«, sagte der letztere.

»Welche denn? - Beeilt Euch etwas!«

»Ihr sollt Euch an die Baßtuba gewöhnen.«

»An was für ein Ding?« preßte Padderow, der jetzt ganz andere Absichten zu haben schien, ängstlich hervor.

»An die Baßtuba!« wiederholte Nasewitz; »an die große dicke Trompete, aus der die brummigen Töne kommen.«

»Macht keinen Unsinn«, ächzte Padderow; »ich bin jetzt durchaus nicht zum Scherzen aufgelegt ... können wir nicht noch ein bißchen schneller gehen?«

»Es ist mein heiliger Ernst, Blume der Ritterschaft«, trabte Nasewitz neben ihm her; »Ihr werdet dadurch dem Alten äußerst wohlgefällig erscheinen ...«

»Wenn ich mich ... Donnerwetter ... an die dicke Trompete ... gewöhne?«

»So ist es, mannhafter Ritter!«

»Wie soll ich denn das aber ... schneller doch ... wie soll ich denn das aber machen?«

»Das kann ich Euch nicht sagen ... das überlasse ich Eurem eigenen Scharfsinn ...«

»Da soll der Teufel ... au ... d'raus klug werden ... äh ...«

Unter diesem Gespräch waren die beiden Freunde vor ihren Wohnungen angelangt.

»Wollen wir noch ein bißchen auf- und niedergeben?« fragte Nasewitz, des anderen Arm in den seinen ziehend; »es ist so schöne reine Luft.«

»Gott soll mich bewahren!« machte sich Padderow von ihm los; »ich habe die höchste Eile ... gute Nacht ... Edler von ... Schockschwerenot! ...«

Damit machte er einen gewaltigen Satz über den tiefeingeschnittenen Rinnstein, fuhr sofort mit dem Hausschlüssel ins Loch und drehte zweimal herum.

»Vergeßt nicht die Baßtuba!« rief Nasewitz ihm noch nach.

»Danke... werd's besorgen!« stöhnte Padderow; dann fiel die Tür hinter ihm zu und man hörte ihn nur noch in rasender Hast die Treppe hinaufpoltern.

»Er steckt nicht einmal Licht an«, lächelte Nasewitz, noch eine Weile nach den Fenstern schauend; »es ist ein putziger Kerl.«

Dann ging er über die Straße und verschwand in der Veste Knelling.

»Die Saat wäre gesäet«, sprach er beim Entkleiden vor sich hin; »die Intrigue geschürzt ... Padderow ist für den Augenblick gerettet ... Zeit gewonnen, Alles gewonnen ... Schimmelmann wird die Gläubiger beruhigen ... das ist die Hauptsache ... wenn er nun aber dahinterkommt, daß die Liebesgeschichte nicht wahr ist ... Donnerwetter, das war doch wohl ein Leichtsinn von mir? ... Ach was ... es kann ihm ja wieder leid geworden sein ... außerdem haben wir ja immer Zeit, bis die Tante stirbt ... eher könnte ja doch nichts daraus werden ... vielleicht will ihn auch die Alphonsine gar nicht ... na, und wenn alle Stränge reißen, dann muß er sie heiraten ... wenn ich ihn aus der Patsche gezogen habe, dann wird er mich doch nicht darin sitzen lassen ... eine Gefälligkeit ist am Ende der andern wert ... ach, dummes Zeug ... zerbrechen wir uns nicht vorher unnütz den Kopf ... angefangen haben wir; der liebe Gott wird schon weiter sorgen.

In diesem Moment erhellten sich drüben neben dem Kessel die Fenster.

»Padderow!« schrie Nasewitz, einen Flügel öffnend, hinüber.

»Was wollt Ihr denn noch?« fragte Padderow, dasselbe tuend.

»Ist Euch noch immer schlecht?«

»Nein ... jetzt ist mir besser!«

»Das freut mich!«

»Mich auch!«

»Kann ich mir lebhaft denken!«

»Ich noch lebhafter!«

»Gute Nacht also, ruhet sanft!«

»Ihr ebenfalls, würdiger Nasewitz.«

Dann schlossen sich die beiden Fenster fast gleichzeitig und es wurde dunkel in der Veste Knelling sowie in dem Hause, wo der Kessel vor der Türe hängt.


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