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Neuntes Kapitel.
Vorboten des Sturmes.

Während Eugenie und ihre Cousinen sich von der Politik fern hielten und in kindlicher Freude an allem Neuen nur den Eindrücken des Tages lebten, war Hortense in alle große Bewegungen der Zeit wohl eingeweiht.

In dem bescheidenen Hanse an der rue St. Jacques, dessen oberstes Stockwerk sie mit der Familie Roland bewohnte, gingen viel bedeutende Männer aus und ein und die in der Versammlung gehaltenen Reden, die Absichten und Pläne der Volksfreunde, wurden in Gegenwart der Damen mit leidenschaftlichem Interesse besprochen.

Erstaunt und fast erschrocken erfuhr Hortense hier, wie weit diese Pläne gingen und mit welcher Kühnheit eine gänzliche Änderung der Regierungsform in aller Stille vorbereitet wurde. Sie hörte von den Volksversammlungen im Palais Royal, von den geheimen Klubs, von all den verborgenen und doch so mächtigen Einflüssen, die von außen her die Nationalversammlung leiteten und insgeheim, aber sicher, festbestimmten Zielen entgegenführten.

Wie aber sollte Hortense, die den Hofkreisen fern stand, die von der hochmütigen Aristokratie schon schwere Demütigungen erfahren hatte, nicht eben so lebhaft für diese Ziele eintreten, als die schöne Frau, in deren Haus sie lebte und deren hinreißender Persönlichkeit schwer zu widerstehen war?

Zudem hatte das Leben von Manon Jeanne Roland, oder vielmehr ihr eigenartiges Wesen, viel Ähnlichkeit mit dem von Hortense Ribot. Auch sie hatte sich im Elternhause unverstanden und unbefriedigt gefühlt und die Heirat mit einem Mann, der den Nimbus, mit dem ihre jugendliche Phantasie ihn umkleidete, bald abstreifte, konnte das verborgene Sehnen ihres Herzens nach dem Ideal keineswegs befriedigen. Jetzt warf sie sich mit dem ganzen Feuer ihrer Seele auf die Sache der Freiheit und hauchte durch die Glut ihrer Hingebung auch dem alternden Gemahl und seinen in ihrem Hause verkehrenden Freunden einen Funken ihrer Begeisterung ein.

Hortense mußte im Hause des Manufakturinspektors viel äußere Annehmlichkeiten entbehren und hatte nicht die Bequemlichkeit, deren sie sich daheim erfreute. Rolands konnten nur eine Dienstmagd halten; das verwöhnte einzige Töchterchen der Ribots mußte der Hausfrau bei mancher ungewohnten Arbeit helfen und die Leckerbissen, mit denen zu Hause die Mama sie bewirtet, fehlten auf dem spartanisch einfachen Tisch gänzlich.

Dafür aber konnte sie mit der jungen Frau ihre Ansichten über Kunst und Litteratur austauschen, sie wurde von ihr zu neuen Studien, hauptsächlich der alten Klassiker angehalten; an den Abenden, die sie allein waren, lasen sie zusammen im Plato und Plutarch. Und wie interessant war es, wenn der Hausherr von Versailles herüberkam und seine Freunde mitbrachte! Er selber sagte zwar nicht viel, er hüllte sich in ein würdiges Schweigen, das mehr zu verdecken schien, als eigentlich der Fall war. Aber da war der junge Camille Desmoulin mit seinem schneidenden, sprudelnden Witz, der lebhafte Pétion, der schöne und beredte Dupont und der vornehm kühle Barnave! Ja, wohl hatte Moreau recht gehabt, als er von Geistesblitzen und Gedankenschlachten sprach, die in der Pariser Gesellschaft ausgefochten wurden. Er selbst beteiligte sich lebhaft dabei und war hier ein ganz anderer als daheim in Rennes. Am wenigsten geistvoll erschien den Damen noch der kleine, zierliche, mit stutzerhafter Eleganz gekleidete Advokat Robespierre. Er sprach langweilig und wiederholte immer dasselbe. Aber Frau Roland sagte, er meine es ernst und um seiner Grundsätze willen müsse man ihm seine schlechte Sprache und seinen widerlichen Vortrag verzeihen. In einer Gesellschaft von geistreichen Leuten könne man eine einzige Mittelmäßigkeit wohl mitlaufen lasten. Robespierre war nicht Mitglied der Versammlung, doch sagte man, daß er in den Klubs eine große Rolle spiele.

Inmitten all der interessanten Persönlichkeiten, mit denen sie jetzt verkehrte, dachte Hortense mit einer Art Verachtung an die Gesellschaften der Aristokratie, nach denen sie sich so sehr gesehnt. Wieviel besser unterhielt sie sich hier! Es verlangte sie gar nicht mehr nach einem Ball im Hotel Marignan.

Freilich, den einen Aristokraten, mit dem ein sonderbarer Zufall sie wieder und wieder zusammenführte, den Grafen Henri, empfing sie ganz gern. Frau Roland hatte zwar große Augen gemacht, als er zum erstenmal mit Viktor Moreau erschienen war, doch einem von diesem bewährten Freund empfohlenen Adligen konnte man sein Haus nicht verschließen. Und Henri zeigte sich auch ihr bald als ein liebenswürdiger junger Mann, der, wenn auch in verwerflichen Vorurteilen befangen, doch harmlos und ungefährlich war. Von Politik konnte man freilich nicht mit ihm sprechen, aber der neueren Litteratur war er nicht unkundig und er plauderte ganz angenehm vom Hof und der Gesellschaft, wobei man so nebenher allerlei interessante Neuigkeiten erfuhr. Hortense aber konnte nicht vergessen, daß sie dem jungen Grafen das Leben hatte retten dürfen und jener Tag, den er in ihrem elterlichen Hause verlebt, wo er durch seine Liebenswürdigkeit alles hingerissen, des Vaters übertriebene Ängstlichkeit und der Mutter hausbackenes Wesen mit Humor ertragen hatte und ihr ein so angenehmer Gesellschafter gewesen war, stand noch lebhaft in ihrer Erinnerung. Bei so viel guten Eigenschaften konnte man dem Aristokraten seine vornehme Herkunft und seine hochmütigen Verwandten schon verzeihen.

»Es ist kein kleines Opfer zu Ihnen zu kommen,« sagte Henri, als er eines Sonntags nachmittags wieder einmal in Madame Rolands kleinem Salon der schönen Hortense gegenüber saß, »es ist hier in Paris schlimmer als in Rennes mit den Straßenaufläufen, man kann kaum mehr mit seinem Pferde durch die vielen Gruppen heftig gestikulierender, übelaussehender Männer dringen, und an jeder Straßenecke stolpert man über eine improvisierte Tribüne, auf der irgend ein schäbig gekleideter Redner das Volk über seine Rechte belehrt.«

»Sie besprechen alle die Beschlüsse der Nationalversammlung, das ganze Volk nimmt daran teil,« erklärte Hortense; »schlimmer sind noch die halb verhungerten Weiber und Kinder, die haufenweise in den Straßen herumziehen und den König und die Regierung laut anklagen, daß sie ihnen kein Brot geben.«

»Der König hat der Sache zu lange ihren Lauf gelassen; es ist gut, daß er sich endlich zu ernsten Maßregeln entschließt,« fuhr der junge Graf mit Eifer fort; »er sieht jetzt selber ein, daß es dieser wachsenden Aufregung gegenüber nötig ist, das Militär bereit zu halten, damit es die Regierung gegen die Aufrührer und selbst gegen die Versammlung schütze. Schon stehen königliche Truppen auf dem Marsfeld zu Sevres und St. Denis; ein neues, monarchisch gesinntes Ministerium ist ernannt und der verräterische Necker entlassen.«

»Was! Necker, der Freund des Volkes, entlassen und das Militär bereit, auf friedliche Bürger zu schießen!« rief Frau Roland, die, scheinbar ohne auf das Gespräch zu hören, an ihrem Schreibtisch saß. Rasch erhob sie sich und eilte hinaus.

»Hätten Sie es lieber nicht gesagt!« rief Hortense besorgt, »der Hitzkopf Camille Desmoulin und ein paar Abgeordnete sind drüben bei Herrn Roland.«

»Ich kann mir nicht denken, Hortense, daß unter einem Dach mit Ihnen der Verrat hausen könnte,« sagte Henri und blickte sie mit seinen schönen Augen innig an.

»Ich wenigstens werde Sie nie verraten,« erwiderte sie bewegt.

»Das glaube ich!« sprach er leise und küßte ihre Hand. Sie errötete tief und als er sie dann verließ, sagte er zu sich selbst: »Es ist besser, ich komme so bald nicht wieder.«

Herrn Rolands Gäste waren unmittelbar vor Henri eilenden Schrittes weggegangen. Als dieser eine halbe Stunde später sein Pferd, das er in einem benachbarten Stall untergebracht hatte, bestieg und heimwärts ritt, sah er am Palais Royal, einem großen, dem Herzog von Orleans gehörenden Bau, den dieser demokratische und sparsame Fürst an verschiedene Kaufleute und Restaurateure vermietet hatte, eine ungeheure Menschenmenge angesammelt. Auf einem Tische stand die schlanke und elegante Gestalt des jungen Litteraten Desmoulin, und Henri, der sein Pferd langsamer gehen ließ, hörte ihn mit lautschallender Stimme rufen:

»Bürger! es ist kein Augenblick zu verlieren, die Entlassung Neckers ist die Sturmglocke zur Bartholomäusnacht der Patrioten. Diesen Abend noch werden die königlichen Regimenter uns erwürgen, es bleibt uns keine Hilfe, als zu den Waffen zu greifen!«

Wilder Beifall lohnte dem Redner. Henri hätte ihn am liebsten von seinem Tisch herabgestoßen, was angesichts der Übermacht des Volkes ein höchst unsinniges Wagnis gewesen wäre. Es war besser, daß er seinem Pferde die Sporen gab, um den Kommandanten der bei Paris lagernden Truppen von dem Zusammenlauf zu benachrichtigen.

Dazu war es höchste Zeit, denn kurz darnach verließ das aufgeregte Volk das Palais Royal, wälzte sich dem Platze Ludwig XV. zu und griff die dort stationierten Soldaten, denen selbst das Blutvergießen untersagt war, mit Steinwürfen an.

Bald aber sprengte der von Henri benachrichtigte junge Prinz von Lambésc an der Spitze seines Regiments heran und vertrieb die Volksmassen; da brach die französische Garde aus der Kaserne aus und stellte sich offen auf die Seite der empörten Menge.

Boten auf Boten sandten die Befehlshaber der treugebliebenen Soldaten an den König mit der Bitte, den Aufstand energisch bekämpfen zu dürfen. Ludwig XVI. scheute jede schroffe Maßregel, er glaubte, das von ihm so warm geliebte Volk sei nur irregeleitet und werde durch seine Güte bald zur Einsicht kommen.

Aber ungezogenen Kindern und einem ungezügelten Volke gegenüber giebt es kein verderblicheres Vorgehen, als unzeitgemäße Güte.

Das Volk von Paris spottete der zarten Schonung, die man ihm angedeihen ließ, es erbrach mit den zwölfhundert desertierten Gardisten Zeughaus, Schuldgefängnis und die Magazine der Waffenschmiede, und als die erschreckten Bürger von Paris zu ihrem eigenen Schutz diese rebellischen Soldaten zu einer Stadtgarde sammelten, machten sie erst recht Gemeinschaft mit dem Volk und verlangten Waffen und immer wieder Waffen.

In der Nacht vom vierzehnten auf den fünfzehnten Juli wurde der König aus dem sanften Schlaf, den ein gutes Gewissen verleiht, mit der Schreckensbotschaft geweckt, daß das Volk die Bastille gestürmt und ihren Kommandanten mit fünf Offizieren, sowie den Vorsteher der Kaufmannschaft, der mit Auslieferung der Waffen gezögert hatte, auf grausame Weise ermordet habe.

»Das ist ja ein Aufstand!« rief der hohe Herr erschrocken.

»Es ist die Revolution!« erwiderte düster Herr von Lioncourt, der ihm die Nachricht überbracht hatte.

Diese ersten Vorboten der kommenden Schreckenszeit weckten auch das leichtherzigste Weltkind aus seinem Vergnügungstaumel auf und selbst das Vertrauen des Marquis in die gerechte Sache des Volkes wurde stark erschüttert. Er mißbilligte es ernstlich, daß der König, statt die verübten Verbrechen streng zu bestrafen, seine Truppen zurückzog, die Bürgerwehr bestätigte, den Minister Necker wieder einsetzte und sogar an dem Feste teilnahm, das die Pariser zu Ehren all dieser Errungenschaften feierten.

Mit besorgter Miene trat er eines Morgens zu seiner, am Frühstückstisch versammelten Familie:

»Es sieht schlimm aus im Lande«, sagte er traurig, »überall Blutvergießen, Aufstand und Verwirrung«.

»Habt Ihr's gehört!« rief die Gräfin, die, von Henri und Eugenie gefolgt, aufgeregt und erschreckt ins Zimmer stürzte, »der neue Minister Foulon und sein Schwiegersohn sind unter den entsetzlichsten Qualen ermordet worden!«

»Ich sagte es ja, hinter den Freuden des Hoflebens lauert der Tod,« seufzte die Marquise.

»Berichte nicht die Einzelheiten jener Greuelthat«, bat der Marquis, besorgt auf seine Gattin blickend, die Schwester, die gerade von Foulons blutendem Herzen, das die Menge noch zuckend herausgerissen hatte, erzählen wollte.

Die Gräfin aber rief, die Hände ringend:

»Wir müssen fort von hier! Viele einflußreiche Personen, der Graf von Artois, die Minister Broglie und Breteuil, die Familie Polignac, sind schon mit den abziehenden Truppen ins Ausland gereist.«

»Ich glaube nicht, daß wir hier irgendwelche Gefahr laufen,« entgegnete der Marquis, »stehen wir doch unter dem Schutze von Regierung und Nationalversammlung. Aus beiden ist der Geist der Ordnung noch nicht gewichen.«

»Vom Geist der Ordnung hat man in der letzten Zeit wenig verspürt«, seufzte die Gräfin, »ach Kinder, warum sind wir hierhergekommen?«

»Um uns zu amüsieren!« sagte Eugenie, und alle lachten unwillkürlich.

»Und jetzt,« sagte Henri, die Hand an den Degen legend, »ist es unsere Pflicht, dem bedrängten Königshause beizustehen. Ich werde nicht zu denen gehören, die es in der Not verlassen.«

Er war sehr ernst geworden seit seinem letzten Besuch bei Hortense Ribot, wußte er doch, daß er sich jetzt auf immer von dem Mädchen lossagen mußte, das, wenn nicht selbst eine Verräterin, doch von Verrätern der guten Sache umgeben war.

Der Marquis billigte die Ansicht seines Neffen sehr, auch Renée sagte, daß sie sich nie entschließen würde, gerade jetzt ihre geliebte Königin zu verlassen und Jeanne meinte, das hiesige Klima bekäme der Mama doch vortrefflich.

Und darin hatte sie recht, die Marquise erholte sich sichtlich, obschon sie zuerst ungläubig gelächelt hatte, als der Pariser Arzt nach genauer Untersuchung behauptete, sie leide an Metallvergiftung. Doch schlugen seine Mittel an, und sorgsam überwachten Jeanne und Renée seither die Zubereitung aller von ihr genossenen Speisen. Dies nahm die stumme Margot freilich übel und mit gekränkter Miene begehrte sie ihre Entlassung.

Vergeblich stellte man der treuen Dienerin vor, daß man keinerlei Mißtrauen gegen sie hege und redete ihr freundlich zum Bleiben zu. Doch sie blieb fest und war eines Tages spurlos verschwunden.

Renée und Jeanne teilten sich jetzt in die Pflege der Mutter, die mit deren fortschreitender Genesung immer leichter wurde, auch hatten sie Zeit genug dazu, denn die Geselligkeit nahm sie in dieser schweren Zeit nicht mehr viel in Anspruch; nur Renée wurde zu Eugeniens geheimem Neid öfters zu der Königin und deren Schwägerin befohlen.

So wurde die Gräfin denn fürs erste mit ihren Reiseplänen überstimmt.

Der Marquis war sehr glücklich in Versailles bleiben zu können, denn die Sitzungen der Nationalversammlung wurden immer interessanter. Der freiheitsliebende Marquis von Lafayette wollte der neuen Verfassung eine Reihe von Gesetzen über die allgemeinen Menschenrechte zu Grund gelegt wissen; dies rief eine Fülle trefflicher Reden hervor, denen Herr von Villiers mit Begeisterung lauschte.

Am vierten August dauerte die Versammlung sogar die ganze Nacht hindurch. Ein Sturm der Opferfreudigkeit hatte wie ein Wirbelwind sämtliche Abgeordnete erfaßt und freiwillig verzichteten Adel und Geistlichkeit auf alle ihre Jahrhunderte alten Rechte.

Der Marquis war von dieser allgemeinen Begeisterung mitergriffen und ernstlich böse auf seinen Neffen, der behauptete, die einzelnen Abgeordneten seien nicht befugt, solch gewaltsame Änderungen zu treffen, durch die Adel und Geistlichkeit so schwer geschädigt würden. Er begrüßte freudig das Aufdämmern einer neuen Zeit und meinte, nun sei das Volk auf lange hinaus besänftigt und habe jetzt keinen Grund mehr zu einem Aufstand.

Aber das Volk suchte nicht nach Gründen; es hatte seine Macht gefühlt und war nicht gewillt, sie so bald wieder in die Hände der Regierung zurückzugeben. Die Abstimmung darüber, ob der König die Beschlüsse der Versammlung bedingt oder unbedingt zu bestätigen habe, rief eine abermalige Aufregung hervor, und erschrocken über diese neuen drohenden Anzeichen ließ der König sein bewährtes Dragonerregiment zum Schutze seines Hofs in Versailles einrücken. –

Endlich gab es wieder einmal ein rechtes, glänzendes Hoffest. Der große Schauspielsaal des Schlosses zu Versailles, der sich nur bei feierlichen Gelegenheiten aufthat, wurde einer froherregten Gesellschaft geöffnet. Der König bewirtete darin die Offiziere des neueingetroffenen Regiments, samt denen seiner treuen Garde, und der ganze Hof nahm an diesem Festmahl teil.

Mit den andern Herren und Damen des königlichen Gefolges blickten Eugenie, Jeanne und Renée aus den erhöhten Logenplätzen auf den prachtvoll dekorierten Saal und die reich gedeckte Tafel herab.

Alles war im höchsten Staat und in der heitersten Stimmung. Da unten saßen sie ja, die schmucken Helden, die ihren König und seine Anhänger beschützen sollten, in ihren Augen flammte Mut und Kampfeslust, jeden Augenblick ertönte ein »Hoch dem König!« das sich brausend bis in den Schloßhof hinaus fortsetzte, wo Tausende dort versammelter Menschen es jubelnd wiederholten.

Und jetzt tritt der Hof ein – das rührendste Bild einer glücklichen Familie – der König mit seinem freundlich-milden Gesicht, die schöne Königin, den Prinzen auf dem Arm, das Töchterlein an der Seite, die holde Elisabeth und die übrigen Damen des königlichen Hauses.

Bei den rauschenden Klängen der Musik donnert das Lied:

»O Richard, o mein König!
Die ganze Welt verläßt Dich!«

durch den Saal, dann ertönt in jauchzendem Trompetengeschmetter der Oriflammenmarsch. Die Hand am Schwert erhebt sich die lange Reihe der kriegerischen Gäste und ruft in feierlichem Ton:

»Wir schwören, wir schwören bei unserer Ehre, zu leben und zu sterben für den Thron. Der König hoch immer und ewig, der König über alles!« Da ergreift eine allgemeine Begeisterung die Menge, wie durch Zauberschlag ist alles mit weißen Schleifen geschmückt; wer von den Damen eine solche hat, wirft sie auf die tapfern Krieger herab, die sich zu Ehren des Königs damit schmücken.

Jeanne errötete, die ihre ist gerade auf Herrn von Beaujoilliers gefallen. Sie hatte gehört, daß er bei Hof unter der Ehrengarde des Königs sei, ihn aber noch nicht gesehen. Er blickte freudig zu ihr empor und hatte bald den Weg an ihre Seite gefunden; auch sonst findet sich unter den anwesenden Kavalieren so mancher alte Bekannte. Freudig begrüßt man sich, scherzt und lacht zusammen, die Schranken der Etikette sind gehoben, man fühlt sich eins in Liebe und Begeisterung für das herrliche Königspaar, das sich mit ungezwungener Freundlichkeit unter die Anwesenden mischt und sicher ist im Gefühl ihrer Treue.

Beglückt kehrten die jungen Mädchen mit den Ihrigen von diesem Fest nach Haus.

»Es wird das erste von vielen andern sein!« rief Eugenie vergnügt, »wo so viel lustige Offiziere sind, geht die Unterhaltung niemals aus!«

»Sagen wir lieber, Kind, wo so viel treue Herzen für den König schlagen, braucht man vor keiner kommenden Gefahr bange zu sein,« sagte der Marquis vorwurfsvoll.

»Darf man denn nicht einmal an das eigene Vergnügen denken, und muß man alles auf die leidige Politik beziehen?« schmollte Eugenie.

Armes Kind, der leidigen Politik konnte damals keiner entgehen und jedes harmlose Vergnügen wurde dem Hof und seinen Anhängern vergällt!

Das Fest in Versailles rief einen Sturm der Entrüstung im Volke hervor und die Freunde des Umsturzes benutzten dies zu neuen Aufhetzungen der Menge.


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