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Siebentes Kapitel.
Bedenkliches Wetterleuchten.

Eine Theateraufführung in Privatkreisen gehört zu den amüsantesten Belustigungen junger Herren und Damen; das größte Vergnügen machen dabei die Proben. Der gesellschaftliche Zwang fällt bei der gemeinsamen Vorbereitung auf ein und dasselbe Ziel weg, man darf sich mehr gehen lassen als sonst, das Aufsagen der Rollen, das Spiel, die Verkleidung geben zu hundert Scherzen Anlaß und bringen die Menschen auf die lustigste Weise zusammen. Man kommt sich bei einer Theaterprobe näher als bei zehn andern Gesellschaften.

Heut sollte Generalprobe für die morgige Aufführung sein, und Eugenie und ihre Mutter trafen gerade die Anordnungen dazu. Die Bühne, mit dem aus großen Gewächshauspflanzen malerisch aufgebauten grünen Hain, war bereits aufgeschlagen, es handelte sich nur noch darum, wo und wie man die Lichteffekte am vorteilhaftesten anbringen könne.

»Du kommst wie gerufen!« rief die Gräfin ihrem eben eintretenden Sohn entgegen, »sieh einmal, ob diese grüne Laterne hinter der Palme den Eindruck des aufgehenden Mondes macht!«

»Der Mond geht nicht grün auf, sondern rot,« entgegnete Henri. »Ich wollte Dich aber bitten, Mama, den Ball aufzuschieben, morgen wird Achille Brissot beerdigt.«

»Das ist ja ein höchst unangenehmes Zusammentreffen,« erwiderte die Gräfin, »aber wir können den Ball nicht aufschieben. Morgen ist der letzte Tag vor den Fasten, wo das Tanzen erlaubt ist.«

»Ach wenn's nur das wäre!« rief Eugenie, »aber denke Dir, unsre Vorbereitungen und die Toiletten meiner Freundinnen! – und dann, wie oft ist das Fest schon aufgeschoben worden, – man wird ja zum Leutegespött!« Und lächelnd tänzelte sie auf ihren Bruder zu, die ersten Zeilen ihrer Rolle deklamierend:

»Mein Damon, seh ich Dich in Thränen?
Laß mich, mein teurer Freund, nicht wähnen,
Daß ich Dich irgendwie betrübt.«

Henri sprach in Erwiderung darauf in pathetischem Ton die Worte seiner Rolle:

»Nicht sollst Du meine Thronen sehen,
Du kannst mich, Doris, nicht verstehen,
Dein steinern Herz hat nie geliebt.«

Lachend faßte er seine Schwester dann um ihre schlanke Taille und tanzte mit ihr im Zimmer umher. Die Leichenfeier des armen Achille war vergessen und von einem Aufschieben des Balls nicht mehr die Rede.

Als dann freilich der Diener des Advokaten Moreau die Nachricht brachte, sein Herr lasse sich entschuldigen, er könne morgen abend nicht kommen, war es um Eugeniens gute Laune dahin.

»Alberner Mensch,« rief sie heftig, »er sollte froh sein, wenn man ihn einmal in der guten Gesellschaft mit ankommen läßt!«

»Das kommt davon, wenn man Volksredner und Demagogen einladet, ich sagte immer, wir müssen diesen Menschen fallen lassen, aber Du noch mehr als Henri, bestandest ja darauf, ihn einzuladen, Eugenie,« – sprach die Gräfin vorwurfsvoll.

»Man ist nun einmal gewöhnt, Viktor zur Familie zu rechnen, – aber, einmal und nicht wieder, Mama. Sofort soll Charles den Befehl erhalten, jedesmal, wenn Herr Moreau kommt, zu sagen, daß wir nicht zu Hause sind. Ein solcher Undank ist mir noch nicht vorgekommen,« sagte Eugenie und ihre Augen funkelten zornig.

»O zürne, Kind, nicht Ganymeden,
Und wenn ihm auch mit seinen Reden
Dein Herz zu rühren nicht gelingt,
Er ist von Amors Pfeil verwundet
Und nimmer seine Brust gesundet,
Bis dieser Schelm auch Dich bezwingt.«

flötete Henri.

»Nicht weiter!« rief Eugenie, halb lachend, halb ärgerlich. »Wenn Du so fortfährst, wird mir noch das ganze Spiel verdorben. Auch ist es jetzt höchste Zeit, daß Du Dich umkleidest, es ist heut Probe im Kostüm.«

Die Probe fiel zu allgemeiner Befriedigung aus, und sehr gelungen war auch die Aufführung am folgenden Abend. Zwar fiel die grüne Papierlaterne, die den Mond vorstellen sollte, zu ungelegener Zeit von ihrem Gestell hinter der Palme herunter, was die Illusion einigermaßen störte, doch Henri, der gerade als schmachtender Seladon vor seiner Schönen kniete, improvisierte schnell den Vers:

»Ob auch erlischt des Mondes Schein,
Mein Herz bleibt, Phillis, ewig Dein.«

So trug dieser kleine Unfall zur allgemeinen Belustigung bei. Und lustig war alles an diesem Abend, man merkte es den Leuten an, wie froh sie waren, den Ernst der Zeit vergessen und wieder einmal so recht von Herzen vergnügt sein zu dürfen. Eugenie war die reizendste Schäferin, die man sich denken kann, auch Jeanne spielte frisch und natürlich, nur Renée konnte sich die Rolle der schalkhaften Phillis nicht so recht aneignen, man merkte aus all ihren Bewegungen zu sehr das sich seiner Würde bewußte, vornehme Fräulein heraus.

Das Theaterkostüm stand den jungen Mädchen allerliebst, sie behielten es auch nach der Vorstellung beim Tanzen an und natürlich waren die schönen Schäferinnen die gefeiertsten Damen des Balls. Eugenie und Jeanne wenigstens waren es. Die erstere flog wie ein Schmetterling von einem Gast zum andern, neckte sich mit allen und hatte alle zum besten.

Die gutmütige Jeanne wandte ihre Gunst von Anfang an einem jungen Edelmann vom Lande zu, der heute seinen Eintritt in die Welt feierte und sich im Bewußtsein seiner Unbeholfenheit etwas unglücklich fühlte. Er war ihr Partner beim Menuett und sie flüsterte ihm die Touren zu, gab ihm einen leisen Stoß, wenn er eine Verbeugung zu machen hatte und nickte ihm mit ihrem rosenbekränzten Köpfchen den Takt zu, aus dem er beständig fiel. In den Pausen wußte sie ihn freundlich ins Gespräch zu ziehen, er mußte ihr von den Wäldern seiner Heimat, von seinem Schloß in Poitou erzählen, das dicht bei dem ihres Vaters lag, weshalb Jeanne sich besonders dafür interessierte.

Die frischen, lebensvollen Schilderungen des jungen Herrn von Beaujoilliers, der unter Jeannes belebendem Einfluß sich nach und nach zu einem liebenswürdigen Kavalier entpuppte, erweckten in Jeanne eine rechte Sehnsucht, jenes liebliche Land der Gehölze mit seinen grünen Thälern und patriarchalischen Sitten näher kennen zu lernen, und fast bereute sie, den Papa zu der Reise nach Versailles bewogen zu haben. Es wäre am Ende doch noch schöner gewesen, mit Herrn von Beaujoilliers und andern jungen Kavalieren in den Wäldern der Vendée zu jagen.

Die einzige in dem fröhlichen Kreis, der es nicht gegeben war, mit Leib und Seele in der allgemeinen Lustigkeit aufzugehen, war Renée. Es war etwas in ihrem Wesen, was die Herren abhielt, sich ihr so munter und ungezwungen wie den anderen Damen zu nähern, und was andererseits die jungen Mädchen hinderte, ihr ihre kleinen Geheimnisse mitzuteilen. Man merkte ihr an, daß sie die Späße, die gemacht wurden, fade und dies ganze fröhliche Treiben kindisch fand. Sie ärgerte sich selbst darüber, aber sie konnte es nicht hindern; – still trat sie von den andern weg in eine tiefe Fensternische. Warum mußte sie mitten in dieser lustigen Gesellschaft immer an Frau Brissots Stübchen denken und an den Toten mit dem glücklichen Gesicht?

Sie drückte die heiße Stirn fest an die kühlen Fensterscheiben und blickte auf die mondbeschienene Straße hinaus. – Eine Menge Neugieriger hatte sich unten angesammelt; oder war es wieder ein Volksauflauf? Fast schien es so, denn die Leute sahen drohend und finster aus und dort ballte sogar ein düsterblickender Matrose die Hand nach dem Fenster empor, an dem Renée stand. Erschrocken fuhr sie zurück und eilte zu der Tante, um ihr zu sagen, was sie gesehn.

Doch die Gräfin lachte das ängstliche Mädchen aus und meinte, sie solle sich und den andern das Vergnügen nicht stören.

»Kennst Du die neuen Rundtänze, Kind?« fügte sie hinzu, »in meiner Jugend galten sie für unpassend, aber sie bringen Leben in die Gesellschaft. Komm, Henri, versucht mal mit Deiner Cousine!« Und Henri, dessen Aufgabe es war, sich heute der weniger gefeierten Damen anzunehmen, eilte gehorsam herbei.

Da flog ein Stein durch's Fenster, ein wilder Lärm scholl von unten herauf.

Hier Tanz, dort Tod! – »Achille Brissot, Deine Leichenfeier!« hörte man deutlich rufen, die Musik verstummte.

Ein Blick aus dem Fenster belehrte jetzt auch die andern, daß keine harmlose Neugier das Volk vor dem Hause versammelt hatte. Es waren lauter Bewaffnete, die unten bereit standen, sich auf das Haus und seine Gäste zu stürzen.

»Wir müssen ihnen mit dem Degen in der Hand entgegentreten!« riefen die jungen Edelleute.

»Sei's denn!« stimmte Henri zu, mutig zu seiner Waffe greifend, »wenn wir nur die Damen glücklich fortgeschafft hätten.«

»Bitte, beauftragen Sie mich damit,« sagte eine wohlklingende Stimme, und wie aus der Erde hervorgezaubert, stand mitten im Kreis der erschrockenen Damen und kampfbereiten Kavaliere der junge Advokat Moreau.

Sein bleiches ernstes Gesicht stach von den erhitzten, aufgeregten Physiognomien der Gäste ebenso sehr ab, wie sein schwarzer Anzug von deren bunten Festgewändern.

»Ah, Viktor, und zu unserm Balle wollten Sie nicht kommen!« rief Eugenie, ihn vorwurfsvoll ansehend.

»An Ihren Festen teilzunehmen habe ich keine Zeit, wenn aber die Herrschaften von irgend einer Gefahr bedroht sind, werden Sie mich immer an Ihrer Seite finden,« sagte Viktor mit einer tiefen Verbeugung.

Dann ordnete er mit großer Ruhe an, daß die Damen durch eine Hinterthür das Haus verlassen und durch den Garten in eine Seitenstraße gehen sollten, wo für die Fräulein von Villiers und einige andere, außerhalb der Stadt wohnende Damen, Sänften bereit standen. Die herrschaftlichen Wagen konnten nicht ohne Gefahr durch die Remise auf die Hauptstraße kommen. Einige dem Advokaten treuergebene Studenten gaben den Damen das Geleit. Die jungen Edelleute weigerten sich zu fliehen und das Haus der Wut des Volkes zu überlassen. Schon flogen wieder Steine durch das Fenster.

»Bringe Mama und Eugenie in Sicherheit, Viktor!« rief Henri, und stürzte mit gezücktem Degen an der Spitze seiner Freunde hinaus.

»Dieses Fest wäre besser unterblieben,« sagte Moreau ernst, »die Leute sind wütend darüber, daß Henri Marignan am Tage, wo der begraben wird, dem er den Todesstoß gegeben hat, sich mit seinen Standesgenossen vergnügt. Ich habe keine Macht mehr über die Menge, der Matrose, sie nennen ihn den roten Charles, führt die Leute von einem Exceß zum andern. Fast hätten sie mich gesteinigt, als ich eben zum Frieden sprechen wollte.«

»Sie sehen, Viktor, wie gefährlich es ist, sich zum Vertreter der Volksrechte zu machen,« sagte die Gräfin vorwurfsvoll.

»Schilt ihn jetzt nicht, Mama, wo er uns beschützen kann! O, welch ein Geschrei und Waffengeklirr da unten! Viktor, verlassen Sie uns nicht!« rief Eugenie und ergriff seinen Arm.

Mitleidig blickte er auf sie herab. Wie oft hatte dieses kleine Geschöpf ihn mit ihren Launen gequält, mit ihrem Stolze verletzt, als er noch in der Familie geweilt, dessen hochmütigstes, eigenwilligstes Glied sie war. Und doch hätte er gern alles gethan, um von diesem zarten Wesen jede Gefahr fern zu halten und sie gern mit seinem eigenen Leben beschützt.

Er konnte es nicht übers Herz bringen, sie jetzt zu verlassen; sorgsam führte er sie mit der Mutter in ein hinteres Zimmer und ordnete dann bei der Dienerschaft Verrammlung der vorderen Fenster und Bereithaltung von Betten für etwaige Verwundete an.

Und dies war nicht überflüssig, denn ohne Blutvergießen endete dieses traurige Nachspiel des Balls im Palais Marignan nicht.

Man brachte ein paar verwundete Edelleute ins Haus; die andern hatten sich, von den Angreifern verfolgt, vor der Überzahl zurückziehen müssen.

Nachdem alles vorüber war, wagte sich auch die städtische Polizei herbei und verhaftete einige Leute, die aus Neugier hinter dem Troß hergelaufen waren und am andern Morgen frei gelassen werden mußten. Die Haupträdelsführer entkamen, wie dies in solchen Fällen gewöhnlich geschieht.

So ward es bald wieder still in der Umgebung des Hotel Marignan, und friedlich, als wäre nichts geschehen, lag die mondbeglänzte Straße da. Aber bange Sorge und Unruhe herrschten im Innern des stattlichen Baues, denn der Sohn des Hauses war noch nicht zurückgekehrt. Tollkühn hatte man ihn sich mitten in das Gefecht stürzen sehen, einer der verwundeten Edelleute glaubte ihn zuletzt im Handgemenge mit dem roten Charles erblickt zu haben, dann war er verschwunden.

Selbst Viktor wurde jetzt ängstlich, denn mit dem roten Charles war nicht zu spaßen, und weinend willigte Eugenie ein, daß ihr Beschützer jetzt fortging, den Bruder zu suchen.

»Ich komme nicht ohne Henri, wenigstens nicht ohne Botschaft von ihm zurück,« sagte der treue Freund, als er das Haus verließ. Aber Stunde um Stunde verrann, die Nacht verging, er kam nicht wieder.

Die geängstigten Frauen waren eben, von der in Furcht und Sorgen durchwachten Nacht zu Tode erschöpft, in kurzen Schlummer versunken, da meldete man endlich – es mochte gegen zehn Uhr am andern Morgen sein – den Rechtsgelehrten an. Alles Ceremoniell vergessend, stürzten Mutter und Tochter ihm in Hauskleidern auf der Treppe entgegen. Gottlob! sein Gesicht trug einen ruhigen, wenn auch etwas verdrießlichen Ausdruck. Freilich, daß er Henri nicht mitbrachte, war wieder ein schlimmes Zeichen. Doch bald nahmen seine Worte jede Spur von Angst aus den besorgten Gemütern.

»Wissen Sie, wo Ihr Henri ist?« fragte er halb lachend, halb ärgerlich; »nachdem ich ihn die ganze Nacht hindurch gesucht und mich seinetwegen sogar in die Höhle des roten Charles gewagt habe, finde ich ihn im Schoße der Familie Ribot! Dort frühstückt er mit bestem Appetit Eier und Rostbeaf!«

»Der entsetzliche Mensch!« fuhr Eugenie auf.

»Seien Sie ihm nicht böse, mein Fräulein,« beschwichtigte sie Moreau, »Ihr Ritter ohne Furcht und Tadel ist nur um ein Haar dem Tode entronnen. Der rote Charles verfolgte ihn in das kleine Seitengäßchen, das auf die Mauer des Ribotschen Hofes mündet. Es war für Henri kein Entrinnen mehr, er lehnte sich, den gezückten Degen in der Hand, gegen die in einer tiefen Mauernische liegende schmale, eiserne Eingangspforte, um von diesem etwas geschützten Standpunkt aus so lange als möglich um sein Leben zu kämpfen. – Da giebt unerwartet diese schmale Pforte nach, er wird rasch hineingezogen, die Thür verschlossen und die Hiebe des Matrosen prallen an dem festen Eisen ab. Seine weiteren Versuche, die Pforte zu sprengen, sind vergeblich, denn gerade in diesem Augenblick zeigt sich endlich die Polizei, so daß der rote Charles auf seine eigene Rettung bedacht sein mußte.«

»Aber wer zog Henri zu der Pforte hinein, und warum ließ er uns noch keinen Bescheid sagen?« fragte Eugenie.

»Fräulein Hortense Ribot wurde von dem nächtlichen Lärm aufgeweckt und beherzt, wie sie ist, begab sie sich auf den Hof, um durch die eiserne Pforte, die einen Durchblick auf diese Straße bietet, herauszusehen, was es hier gäbe. Sie kam gerade recht zur Rettung des Grafen.«

»Welche Fügung des Himmels!« rief die Gräfin, »aber lieber hätte ich eine andere Retterin für meinen Sohn gehabt, wie sind wir diesen Ribots jetzt verpflichtet!«

»Mama!« rief Eugenie vorwurfsvoll.

Moreau aber sagte spöttisch: »Irgend eine Vicomtesse oder Marquise wäre der Frau Gräfin wohl eine erwünschtere Retterin gewesen und Ribots hätten einer solchen auch gerne die Ehre gelassen; der Hausherr ist wenig davon erbaut, daß ein vom Volk Verfehmter sich in seinem Hause befindet, obschon er sonst eine Schwäche für den Adel hat. Er will Henri erst heut abend im Dunkeln ziehen lassen, damit man nicht merkt, wo er gewesen ist.«

»Feigling!« sagte die Gräfin leise, fügte aber sofort hinzu, daß sie der Familie Ribot in der That sehr verbunden für die Rettung ihres Sohnes sei.

»Das glaube ich, und ich gehe, es ihnen mitzuteilen,« sagte Viktor, sich erhebend.

»Ich gehe mit, ich muß Henri sehen und Hortense danken!« rief Eugenie, rasch aufspringend.

»Bleiben Sie lieber! Fräulein Hortense würde Sie schwerlich empfangen. Nach der Behandlung, die ihr von Ihnen zu teil wurde, kann ihr eine Begegnung mit Ihnen nur peinlich sein,« sagte Herr Moreau und empfahl sich.

»Unerträglich!« rief die Gräfin ärgerlich, »was muß man sich von diesem Menschen bieten lassen!«

»Ja, aber wir dürfen nicht vergessen, daß er uns in der Not beigestanden hat, und wie elend sah er aus! Man konnte ihm wohl ansehen, daß er die ganze Nacht nach unserem Henri gesucht hat.«

»Gottlob, daß der gerettet ist! Aber gleich morgen wird gepackt! Sobald als möglich verlassen wir diesen Ort, wo man seines Lebens nicht sicher ist und wo dieser tollkühne Henri sich und uns täglich in neue Streitigkeiten verwickelt.«

»Diesmal hatte er keine Schuld, Mama, Du erinnerst Dich, daß er uns bat, den Ball aufzuschieben.«

»Mag sein, aber wer hieß diesem wilden Jungen, mit dem Matrosen einen Zweikampf einzugehen und sich dann von Hortense Ribot das Leben retten zu lassen! Und dieser Moreau! Auch ihn werden wir nicht los, so lange wir hier sind, wir müssen fort!«

»Du bist ungerecht gegen beide, Mama! Hätte Hortense unseren Henri nicht durch jene Pforte eingelassen – man kann wirklich von ihm sagen, daß die enge Pforte ihm zum Heil ward, wie allen guten Christen! – so könnten wir jetzt seine Glieder auf der Straße zusammenfegen. Der gute Viktor aber steht immer als helfender Engel da, wenn wir in Verlegenheit sind, wir sind den beiden vielen Dank schuldig.«

»Und gerade, weil diese Dankesschuld mich drückt, will ich mit Euch fort, mein Kind. Die königliche Majestät und seine treue Garde zu Versailles sind wirksamere Stützen als Moreau und Fräulein Ribot.«

»Wir wollen nach Versailles! an den Hof! Mit tausend Freuden begleite ich Dich, Mama!« rief Eugenie und fiel jubelnd der Mutter um den Hals.


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