Johann Karl Wezel
Herrmann und Ulrike / Band 1
Johann Karl Wezel

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Sechstes Kapitel.

Bewundernswürdig ist der Mann, der zuerst die Kunst erfand, seine Leidenschaften, Empfindungen und Urtheile so tief in den innersten Winkel seiner Seele zurückzudrängen, daß auch nicht eine Linie breit von ihnen durch Miene und Geberden hervorschlüpfte: aber dreimal, wo nicht mehrmal bewundernswürdiger ist der Tausendkünstler, der zuerst seine Gesichtsmuskeln zur Freundlichkeit anspannen und seine Worte zum Lobe stimmen konnte, wo sein Herz zürnte und misbilligte. Wer sollte glauben, daß die Gräfin bey so vielem innerlichen 115 Unwillen, bey so lebhaftem innerlichen Tadel, bey so starker Empfindung des Lächerlichen in dem Amour encagé, doch nach aufgehobner Tafel den Urheber desselben sogleich in ein Fenster ziehen, und ihm mit einer Freude, die fast bis zur Rührung stieg, für sein abentheuerliches Geschenk danken, und die Art, wie er ihr es machte, als schön, neu und interessant lobpreisen würde? – Ja, das that sie wirklich: sie küßte ihrem Gemahle einmal über das andre die Hand und versicherte ihn, daß sie den Knaben weder Tag noch Nacht von sich lassen werde, weil er sie beständig an die Dankbarkeit für ihres Gemahls Gnade erinnere. Jedes unter den Anwesenden, als man von der Sache näher unterrichtet war, hielt es für billig, dem Grafen, der ihnen so viele und schöne Essen vorgesezt hatte, ein Kompliment über seinen Vogelbauer zu machen, daß Michael Angelo durch seinen Bau an der Peterskirche nicht zur Hälfte so viel Lob und Bewundrung eingeärntet hat, als der Graf Ohlau mit seinem hölzernen Käfig. Die Gräfin gieng so weit, daß sie 116 dem Manne, der bey der Erbauung die Aufsicht geführt hatte, verbindlich die Hand drückte, seine Arbeit als ein Meisterstück der Baukunst erhob und ihn für seine Mühwaltung mit zehn Louisdoren beschenkte. Der Graf schwamm in Entzücken: er fühlte sich über sich selbst erhaben, wie ein Künstler, der ein Denkmal seines Talents, dauernder als Erz, unzerstörbar durch Regen, Feuer und Wasserfluthen, vollendet hat.

Natürlich mußte dieses Entzücken für den Knaben einnehmen, der es veranlaßte: der Graf befahl sogleich, ihn aufzusuchen und herbeyzubringen, und die Gräfin gieng in eigner Person nach ihm, um ihn wegen des Unfalles bey Tafel zu beruhigen. Ihre Bemühung kam zu spät: die kleine Baronesse Ulrike, die schon einigemal genannt worden ist, war sogleich nach der Mahlzeit mit ihrer gewöhnlichen Uebereilung hinausgerennt, um den Liebesgott zu finden, von dem sie, als er aus dem Käfig herausgenommen wurde, ein hübsches weißes Händchen gesehen hatte, das sie in dem Augenblicke herzlich gern in die ihrige zu legen, zu drücken, zu 117 liebkosen wünschte. Auch bildete sie sich ein, daß zu dem hübschen Händchen ein hübsches Gesichtchen gehören möchte, und eilte deswegen, ihre Neubegierde zu befriedigen, weil sie auch schon in ihrem siebenten Jahre eine große Liebhaberin von hübschen Mannsgesichtern war. Sie fand ihn auf dem nämlichen Platze schlafend, wo er sich im ersten Unwillen über seine beleidigte Ehre hingeworfen hatte. Er lag auf dem Fußboden in einer Ecke des Vorsaales, mit dem Kopfe auf einem hingeworfnen Stuhlküssen ruhend: die kleine runde Wange glühte, wie ein Abendroth, eine von den niedlichen Händchen war unter dem linken Backen verborgen, die andre lag auf dem rechten gekrümmten Knie. Die Baronesse ergriff sie, streichelte und drückte sie mit innigem Wohlgefallen an ihr Gesicht, gab der einladenden Wange einen herzhaften Kuß, kniete, trotz der Konsideration, in welcher sie eingekerkert war, vor ihm nieder und wiederholte, seine Hand in die ihrigen geschlossen, den Kuß so oft und lange, daß sie einige Zeit ganz auf dem Gesichte des Knaben liegen 118 blieb. In dieser Stellung überraschte sie Fräulein Hedwig, ihre seynsollende Guvernante, watschelte, wie eine Gans, die halb fliegt und halb geht, auf sie zu und riß sie mit solchem Ungestüm von dem Liebesgotte hinweg, daß sie zurückstürzte. Die Baronesse, die überhaupt aus einem sehr elastischen Stoffe geschaffen war, rafte sich sogleich auf; und kaum war sie wieder auf den Füssen, als schon die Guvernante in völliger Rüstung dastand, die Hände in die Seiten gestemmt: ihre schielenden Augen leuchteten unbeweglich, wie ein Paar Schneeballen, aus dem kirschbraunen aufgeschwollnen Gesichte hervor, und die breiten aufgeworfnen Lippen zogen sich, wie ein Puderbeutel, auf und zu, indem sie sprach. Fi! schämen Sie sich! fieng sie an. Sich da, wie ein schlechtes Mädchen, auf einen gemeinen Jungen zu legen und ihm ein gage d'amour zu geben!

Die Baronesse. Ich hab ihn geküßt –

Fräulein Hedwig. O so schämen Sie sich und reden Sie nicht so pöbelhaft! Ein solches gemeines Wort in den Mund zu nehmen! Fi, Baronesse! 119

Die Baronesse. Alle Leute reden ja so. – Küssen! was –

Fräulein Hedwig. So hören Sie! Wiederholen Sie doch das garstige Wort nicht noch einmal! Haben Sie denn nicht Acht gegeben, wie ich mich über solche Unanständigkeiten ausdrücke? – Ich habe ihm ein preuve d'affection, ein gage d'amour gegeben: so muß man sprechen, wenn man honnett reden will. Die Lateiner nennen das vinculus amoris. Wenn Sie etwas gelernt hätten, brauchten Sie nicht sich so schlecht auszudrücken, wie ein gemeines Bürgermensch.

Ey! sagte die Baronesse mit dem natürlichsten Tone und hüpfte auf Einem Beine dazu; das läuft ja doch immer auf eins hinaus. – Der Junge ist allerliebst: ich hab ihn recht lieb.

Fräulein Hedwig. Reden Sie doch nicht so frey! Unser eins sagt von dergleichen Burschen: ich kann ihn wohl leiden.

Die Baronesse. Sehn Sie nur, wie er so artig daliegt! wie er die niedlichen Fingerchen auf dem Knie ausgestreckt hat! 120

Fräulein Hedwig. Ulrikchen! Wer wird denn von Knieen sprechen?

Die Baronesse. Wie soll ich denn sonst sagen?

Fräulein Hedwig. Gar nicht davon sprechen! Man muß nichts an einer Mannsperson nennen, was unter dem Kopfe ist.

Die Baronesse. Gefällt er Ihnen nicht?

Fräulein Hedwig. Ach, warum nicht gar gefallen? – Er ist mir nicht zuwider. – Er liegt da, wie der junge Prinz Adonis in des Grafen Kabinete. –

Die Baronesse hüpfte zu ihm hin und drückte ihm einen flüchtigen Kuß auf den Backen.

Lassen Sie das! sag' ich Ihnen, rief Fräulein Hedwig. Sie sind ja so frech, wie dort bey dem Homerus die Gräfin Lais.

Die Baronesse hüpfte auf Einem Fuße den Saal hinunter und sang sich eins dazu: indessen stand ihre Guvernante, in stummer Betrachtung verloren, vor dem schlafenden Amor und wurde von einer unwillkührlichen Bewegung so hingerissen, daß sie sich zu ihm hinneigte und ihm ein förmliches gage d'amour gab. War ihr Kuß auch für Schlafende zu herbe, oder 121 drückte sie mit ihrem Rüssel den kleinen Heinrich zu sehr? – genug, er erhub seine Hand und gab ihr eine empfindliche Ohrfeige, welche die Göttin so sehr in den Harnisch jagte, daß sie die verbrecherische Hand ergrif und mit einigen derben Schlägen bestrafte. »Du ungezogner Bube!« sprach sie mit ärgerlichem Tone, und ihre dicke Pfote peitschte darauflos, wie eine Rackete den Federball. Die Baronesse war eben auf dem Rückwege in ihrem Tanze, als die Bestrafung des kleinen Heinrichs vor sich gieng: sogleich flog sie herbey, wie ein Ritter, der seine Geliebte von einem Drachen erlösen will, stieß das Fräulein zornig zurück und versezte ihr in der ersten Ueberraschung des Unwillens einige Hiebe auf den Arm. Ihre Guvernante, die ihre Hände zu allen Arten von Waffen gebrauchte, wozu sie nur die Natur gemacht hat, legte ihre Finger in die Form einer Habichtskralle und grub mit vier Nägeln eine vierfache Wunde in den Arm der Baronesse. In diesem Augenblicke des Scharmützels langte die Gräfin an, um ihren Liebling in das Zimmer 122 zu holen. Der Kleine, als er sie erblickte, sprang sogleich auf und lief ihr entgegen, die Baronesse desgleichen, nur Fräulein Hedwig, die durch den Stoß ihrer Gegnerin in eine sitzende Lage war versezt worden, konnte ihren dicken schwerfälligen Körper nicht von der Erde aufbringen: sie stemmte sich mit der Hand auf den Fußboden, und kaum hatte sie sich einige Zolle erhoben, so plumpte sie wieder mit allgemeinem Krachen in die vorige Lage zurück, daß die Fenster zitterten: die Scham vor der Gräfin machte ihre Bewegungen übereilt, und je mehr sie arbeitete emporzukommen, je erschöpfter und keuchender fiel sie wieder hin, bis endlich ein Bedienter herbeyeilte, um ihr emporzuhelfen: allein bey der Anwendung seiner Kräfte hatte er die Schwere der Maschine, die er aufziehen sollte, nicht genug berechnet: als sie beinahe schon stund, stürzte sie wieder mit einem lauten Schrey und zog ihren Helfer so unwiderstehlich mit sich nieder, daß er die Beine gen Himmel kehrte. Die Erderschütterung, die dieser doppelte Fall erregte, lockte die ganze Lackeyenschaft herbey, und unter allgemeinem Gelächter half man den 123 beiden Unglücklichen endlich wieder auf die Füsse. Gräfin und Baronesse kondolirten dem Fräulein sehr herzlich, allein sie konnte den Triumph der leztern so wenig ertragen, daß sie, ohne ein Wort zu hören, zur Thür hinaus auf ihr Zimmer watschelte.

Die Gräfin gieng, die beiden Kinder an der Hand, zur Gesellschaft zurück: versteht sich, daß Jedermann seinen Witz anstrengte, ihr wegen der Gruppe, in welcher sie hereintrat, etwas Schönes zu sagen! Nachdem sie so durch den Witz einer doppelten langen Reihe im eigentlichen Verstande Spitzruthen gegangen war, stellte sie ihrem Gemahle ihre beiden Begleiter zum Handkusse vor. Der Graf wollte anfangen, sich zu freuen, allein man präsentirte die Karten, und ein Jedes gieng an den Ort seiner Bestimmung.

Für die Baronesse war dies eine erwünschte Begebenheit. Sie wanderte mit ihrem Amor in ein Nebenzimmer und ließ ihre lustige Laune in vollem Strome über ihn ausbrechen. Unter den mannichfaltigen kindischen Neckereyen, 124 womit sie ihn überhäufte, und die er reichlich erwiederte, zog sie ihn besonders wegen seiner Pfeile auf. – »O du ganz erbärmlicher Amor!« rief sie und schlug die Hände zusammen; »willst die Leute mit Gänsespulen verwunden! Bist du nicht eine kleine Gans?« –

»Oh,« antwortete der verspottete Liebesgott und stellte sich mit einer tapfern Miene in Positur, »ich schieße alle Herzen im Leibe entzwey.«

»Schieß her!« foderte ihn die Baronesse auf und bot ihre Brust dar.

Der drollichte Knabe ergriff einen von seinen gefiederten Pfeilen und warf ihn nach ihrem Herze! das unschädliche Geschoß blieb in der Garnirung ihres Kleides hängen: die Baronesse stellte sich tödtlich verwundet und sank rückwärts auf einen Sofa.

»Kann ich nicht treffen?« rief Amor und klatschte triumphirend in die Hände. –

O ihr guten Kinder! wüßtet ihr, welche Ungewitter die Liebe von diesem Augenblicke an über euch sammelt – ihr hättet nicht mit ihren Pfeilen gespielt.

125 »Ich will dich wieder lebendig machen,« sprach der siegende Liebesgott, hüpfte zu ihr hin und drückte auf den Mund seiner hingesunknen Psyche einen der lebhaftesten Küsse: mit ihm schlich ein geheimes Feuer in ihre Kinderseele, durch alle Nerven des kleinen Körpers schoß eine zitternde Flamme, ihr Herz schlug schneller, und alle ihre Sinnen schlummerten in ein minutenlanges Gefühl der sanftesten Behaglichkeit dahin.

Eben wollte der Dreiste die Lippen zurückziehn, als Fräulein Hedwig ins Zimmer trat. Sie rennte mit schwerfälligem Trabe nach dem Sofa hin, um sich zum zweitenmale unter einem schicklichen Vorwande für die Ohrfeige zu rächen: allein der Knabe war ganz mit Amors Unverschämtheit bewafnet: er trat zurück und drohte ihr, sie gleichfalls mit seinen Pfeilen zu erschießen. Die mürrische Guvernante war zum Spaß nicht aufgelegt und riß die Baronesse hinweg, mit der ernsten Vermahnung, sich nicht mehr mit einem so gemeinen Jungen einzulassen, weil sie sonst eben so verbrennen könte, wie die Königin Dido, da sie sich vom Grafen Aeneas umarmen ließ.

Die Vermahnung, so gut gemeint und so nöthig sie seyn konte, war auf einen schlechten Grund gebaut und that daher auch eine schlechte Wirkung: die Baronesse, die noch ganz Natur war, fühlte zwischen der Liebenswürdigkeit eines gemeinen und eines vornehmen Jungen keinen Unterschied, und so bald Fräulein Hedwig nur den Rücken wandte, wischte sie zum Zimmer hinaus, den gemeinen Jungen, der so wohlthuende Küsse gab, aufzusuchen. Die Alte, wenn sie ihre Abwesenheit inne wurde, sezte gleich mit allen Segeln hinter drein: Ulrike floh mit ihrem Liebesgotte aus einem Zimmer ins andre, wie ein Paar Tauben vom Geier verfolgt, und jedesmal retteten sie sich in eins, wo Gesellschaft war, und wo man sie also nicht ausschelten konte: so geschah diese Jagd einigemal während des Spiels.

Endlich rückte die Zeit des Balls heran: kaum war er eröfnet, so fand sich die Baronesse mit ihrem Amor auf dem Tanzplatze ein. Ihre Guvernante verwies ihr etlichemal diese unanständige Aufführung: allein 127 ihre Verweise hatten immer etwas so komisches bey sich, daß man sich nie entschließen konnte, sie für Ernst gelten zu lassen. Sie tanzten muthig mit einander fort, bis der Graf auf die Entweihung der Gesellschaft durch die Gegenwart eines so gemeinen Jungens aufmerksam wurde: er untersagte seiner Schwestertochter alles fernere Tanzen mit ihm auf das schärfste, und ließ ihm einen Platz anweisen, wo er zusehen und den er bey Vermeidung der höchsten Ungnade nicht verlassen sollte. Die Baronesse begleitete ihn in sein Exilium und wich ihm nicht von der Seite, so oft man sie auch von ihm hinwegrief und hinwegführte.

Plözlich verbreitete sich durch den ganzen Saal das Gerücht, daß ein Gärtnerpursche bey Anzündung der Lampen, womit der mittelste Gang des Gartens erleuchtet werden sollte, von der Leiter gefallen sey und das Bein gebrochen habe. Der Graf kehrte sogleich alle Anstalten vor, daß es nicht zu den Ohren der Gräfin gelangte, die mit ihrer gewöhnlichen Empfindlichkeit über den Gedanken, sie sey die 128 veranlassende Ursache seines Unglücks gewesen, die ganze übrige Zeit des Balles unmuthig und niedergeschlagen geworden wäre. Der Pursche war der Liebling der Baronesse, und kaum wußte sie seinen Unfall – weg war sie! In Einem Zuge die Treppe hinunter, über den Hof, in den Garten hinein, nach der Gärtnerwohnung zu! und diesen ziemlich langen Weg machte sie in dem ärgsten Regen, bey Donner und Blitz, in ihrem festlichsten Staate ohne die mindeste Bedeckung, daß ihr bey dem ersten Schritte in dem durchweichten leimichten Boden des Gartens die seidnen Schuhe stecken blieben: ohne sich dabey aufzuhalten, nahm sie beide in die Hand, und sezte ihre Reise in Strümpfen fort. Als sie bey dem Gärtner ankam, erfuhr sie von seinem kleinen Sohne, daß man den Purschen zu seiner Mutter in das Städtchen gebracht hatte: Jedermann war mit der durchs Donnerwetter verunglückten Illumination beschäftigt, und sie mußte den Knaben durch Geld bewegen, daß er sie mit einer Laterne zu dem Hause brachte, wo der Kranke lag. Sie machte sich in der nämlichen 129 Witterung und mit der nämlichen Bekleidung auf den Weg, erreichte die Wohnung und fand den Chirurgus mit dem Verbinden beschäftigt. Mit der angelegensten Sorgfalt that sie ihn Handreichung dabey, half den Fuß halten, sprach dem Purschen Trost ein, wenn ihn der Schmerz zuweilen übermannte, ermahnte den Wundarzt, leise zu verfahren, und hielt bey ihm aus, bis die ganze Verrichtung vorüber war. Bey dem Abschiede gab sie der Mutter einen Gulden – ihr ganzes gegenwärtiges Vermögen – mit dem Versprechen, die Wohlthat zu vergrößern, so bald es ihre Umstände zulassen würden. Die Alte, die es entbehren konnte, nahm ihr Geschenk mit vielen Komplimenten an, und weil sie der Baronesse zu komplimentenreich dankte, so wischte diese zum Hause hinaus, ehe noch jene ihren Dank geendigt hatte.

In dem Schlosse hatte sie Niemand als Fräulein Hedwig vermißt, die deswegen ängstlich alle Zimmer durchlaufen war, ohne zu errathen, wo sie seyn möchte, ob sie gleich eine Entlaufung um irgend eines andern 130 Bewegungsgrundes willen muthmaßte: denn solche Unbesonnenheiten waren ihr gewöhnlich. Sie konnte in keinem Winkel Ruhe finden, und war halb des Todes, als die Baronesse in zerrißner ungepuderter Frisur und schmuzigen Schuhen in der Gesellschaft auftrat. Mit einem freudigen »er ist verbunden« eilte sie zur Gräfin und erzählte ihr den ganzen Verlauf ihrer Expedition. Der Graf erblickte sie kaum, als er zu ihrer Guvernante voller Zorn gieng und ihr ihre Unachtsamkeit mit einem harten Verweise bezahlte, was sie eben so ängstlich befürchtet hatte: mit gleicher Entrüstung scholt er Ulriken über die Unanständigkeit, sich in so unsauberer Kleidung zu präsentiren, weidlich aus. Die Gräfin, welcher die Uebereilung der Baronesse im Herzen gefiel, küßte sie und sagte ihr freundlich: Du bist beständig ein solch gutherziges unbesonnenes Ding gewesen, und wirst es auch wohl bleiben. Geh auf dein Zimmer!

 


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