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Der schwarze Knirps.

Es waren zwei Brüder; der eine war reich, der andere arm. Der arme Bruder sollte mit dem reichen in den Wald gehen, um Holz zu schlagen. Er kam in der Frühe zu ihm; doch der reiche Bruder schlief noch und wollte nicht aufstehen; er habe noch nicht ausgeschlafen. Sein Weib gab dem armen Schwager ein Stückchen Brot, und so ging Dieser allein in den Wald, und aß unterwegs davon. Als er davon gegessen, sagte er seufzend zu sich: »Ach Gott, wie wenig hab' ich da für den ganzen Tag!« – Im Walde angekommen, legte er das Ueberbleibsel auf einen Baumstamm, und schlug Holz. Endlich ward er müde, und ihn plagte großer Hunger. Er ging um das Restchen Brot, das er auf den Baumstamm gelegt; allein es war nicht mehr zu finden. Gleichwohl fiel ihm nicht bei, zu fluchen, sondern er sagte: »Gott hat's gegeben, Gott hat's genommen!«

Da kam ein unbekannter schwarzer Knirps, brachte ihm das vermißte Restchen und sprach: »Weil Du mit keinem Fluche an mich gedacht, so muß ich Dir's zurückgeben.« Dann redete er ihm zu, er möchte ihn doch in seinen Dienst nehmen; allein der arme Mann erwiderte: »Wie kann ich Dich in meinen Dienst nehmen, hab' ich doch selbst nichts zu essen!« Der schwarze Knirps aber ließ nicht ab zu bitten, und so willfahrte ihm zuletzt der Arme, und nahm ihn auf. Der kleine Bursche packte sogleich einen ganzen Baum, so daß sein Herr sich höchlich verwunderte, und trug in kurzer Zeit eine Menge Holz zusammen. Doch zu essen hatten sie nichts. Da sagte das Bürschlein: »Herr, ich will dreschen gehen.« Sein Herr war damit zufrieden. Das Bürschlein begab sich zu einem Bauer, und trug sich ihm zum Dresche an, indem es versprach, ihm alles Getreide allein zu dreschen. Der Bauer nahm es auf, und das Bürschlein drosch ihm alles Korn, Gerste und Weizen, warf aber alles auf einen Haufen. Der Bauer kam, um nachzusehen; er wetterte nicht wenig. Das Bürschlein jedoch entgegnete, er solle sich gedulden, sogleich werde alles in Ordnung sein; und nun begann's zu blasen, und jedes Körnlein begab sich auf seinen Haufen. Der Bauer fragte das Bürschlein hierauf, was es zum Lohne verlange; es antwortete: »Nur ein bischen Getreide!« Der Bauer erlaubte ihm, sich zu nehmen, soviel es ertragen könne. Das Bürschlein sagte, es wolle einen Sack holen gehen, um das Getreide hineinzuthun. Als es nach dem Sacke ging, sah es eine Magd, die Leinwand bleichte, und die rief eben: »Hol' der Teufel die Leinwand, ich leg' sie nicht zusammen!« – Das Bürschlein war gleich' dabei, nahm die Leinwand, und nähte sich einen ungeheuer großen Sack. In den Sack füllte es das Getreide, das es gedroschen, und da noch Raum im Sacke war, mußte ihm der Bauer auch noch das Getreide hineinschütten, das er auf dem Schüttboden hatte; denn das Bürschlein getraute sich, dies alles zu tragen. Der Bauer lachte über den Knirps, bis der Knirps wirklich all das Getreide auf den Rücken lud und forttrug. Jetzt ließ der Bauer seinen Hengst auf ihn los; der Hengst biß furchtbar, und der Bauer meinte, er werde ihn zausen, und der Knirps seine Last fallen lassen. Allein dieser packte den Hengst, schleuderte ihn auf den Rücken, und trug ihn auch fort. Nun ließ der Bauer seinen Stier los; der stieß gewaltig und bohrte mit den Hörnern. Allein der Knirps packte auch den Stier, und im Nu hatte er ihn auf dem Rücken. Endlich ließ der Bauer seinen Eber los und der war entsetzlich schlimm; er dachte, der Eber werde ihn zerfetzen und sicherlich zwingen, Alles fallen zu lassen. Allein der Knirps nahm auch den Eber und trug Alles seinem armen Herrn nach Hause. Nun hatten sie Getreide, Vieh hatten sie auch; aber Schmalz fehlte. Der kleine Bursche ging wieder aus; eben wog da eine Magd Butter. Es fiel ihr das Gewicht auf den Fuß und sie rief: »Hol' der Teufel die Butter!« Gleich war das Bürschlein dabei, nahm alle Butter, und trug sie seinem Herrn nach Hause, und so hatten sie auch Schmalz.

Allein der Bauer ging nun mit den Mägden den armen Mann seines Knechtes wegen zu verklagen. Er verfügte sich in's Schloß, stellte sich gehörig vor, und die Herren dort beschieden den Mann mit seinem Knechte, und fragten den Knecht, wie so er dem Bauer das Getreide, und den Mägden die Leinwand und die Butter habe nehmen können! Da versetzte der schwarze Knirps: »Der Bauer hatte mir erlaubt soviel Getreide zu nehmen, als ich zu tragen im Stande wäre; daß ich Alles trug, was ich nahm, ist klar, weil ich ihm seines bösen Willens wegen noch seinen Hengst, seinen Stier und seinen Eber forttrug. Was die Mägde anlangt, so riefen sie: »Hol' der Teufel die Leinwand! Hol' der Teufel die Butter! Der Teufel aber bin ich.« Und bei diesen Worten streckte er sich, und wurde immer größer und größer. Da liefen der Bauer und die Mägde davon, die Herren aber fielen vor Schrecken unter den Tisch. Erst als der schwarze Knirps verschwunden war, kamen sie wieder zur Besinnung, und wollten mit der verteufelten Sache nichts weiter zu schaffen haben.


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