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Das hergestellte Eheglück

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Es war ein reicher Bauer, der ein einfältiges Weib hatte. Er lebte nicht lange, und als er starb, verblieb der Bäuerin sein ganzes Vermögen. Sie weinte Tag und Nacht um ihn, bis sie von ihrem bischen Verstand noch weniger behielt, als sie zuvor besessen. Trotzdem bewarb sich wieder ein Bauer um sie, und heirathete sie. Er dachte sich: »Hat sie auch nicht viel Verstand, so hat sie doch viel Geld!« Aber ihre Ehe war nicht glücklich; der Bauer hatte mit der Bäuerin keine Geduld.

Eines Tages fuhr er in den Wald; die Bäuerin blieb allein zu Hause. Es kam ein bettelnder Wanderbursch. Die Bäuerin gaffte ihn an und fragte: .»He, wo kommt Ihr denn her?« Der Wanderbursch merkte, daß sie einfältig sei. »Vom Himmel herunter.« – »I vom Himmel herunter!« verwunderte sich die Bäuerin. »Und warum denn?« – »Um Euch zu besuchen.« »I – was!« rief erfreut die Bäuerin. »Habt Ihr denn dort auch meinen seligen Mann gesehen? Es sind schon drei Jahre, daß er gestorben.« – »Freilich hab' ich ihn gesehen,« entgegnete der Wanderbursch. – »Was macht er denn dort?« – »Nichts macht er. Die Kleider, die er hatte, sind schon hin. Er geht fast nackt.« – »Und was ißt er denn dort?« – »Nichts ißt er. Er hat nichts zu essen.« – »Ich bitt' Euch, geht Ihr denn wieder in den Himmel zurück?« – »Versteht sich.« – »Wärt' Ihr nicht so gut, etwas für ihn mitzunehmen? Möcht' ihm gern was schicken. Sagt mir, was soll ich ihm schicken?« – »I nu Essen, Kleider und Geld!« meinte der Wanderbursch. Die Bäuerin holte fünf Pfund Butter, zwei Stück Käse, zwei Laib Brot, zwei Viertel Hirse, Hemden, Strümpfe, Hosen. Schuhe, Stock, Hut und vierzig Ducaten. und gab dies Alles dem Wanderburschen für ihren seligen Mann. Der Wanderbursch nahm's in Empfang, und ging seine Wege. Abends kam der Bauer aus dem Wald. Die Bäuerin erzählte ihm sogleich: »Lieber Mann, heut war ein Bote aus dem Himmel da, und brachte mir einen Gruß von meinem Seligen. Er sagte mir Alles, daß mein Seliger Noth leidet, und nackt geht, und keinen Bissen zu essen hat!« – »Hat Dir wieder Jemand was auf die Nase gebunden?« verlachte sie der Bauer. »Du hättest Deinem Seligen Etwas schicken sollen!« – »Hab's ja gethan!« rief voll Freude die Bäuerin. – »Was hast Du ihm denn geschickt?« – »Hab' ihm fünf Pfund Butter geschickt, zwei Stück Käse, zwei Laib Brot, zwei Viertel Hirse, Hemden, Strümpfe, Hosen, Schuhe, Rock, Hut und vierzig Ducaten.« Der Bauer gerieth in Wuth, griff zur Peitsche, und hieb die arme Bäuerin. Hierauf zählte er die Ducaten, die ihm noch übrig geblieben waren, und versteckte sie in einen Milchnapf. Die Bäuerin sah's. Sie fragte ihn: »Lieber Mann, was giebst Du denn in den Milchnapf?« – »Still!« entgegnete der Bauer. »Sieh nicht her! Das sind lauter Gespenster. Ich will sie in die Kammer tragen. Geh' ja nicht hinein, so lange sie drin sind!« – Sie fragte ihn weiter: »Für wen hebst Du sie denn auf?« – »Für den Nothfall,« war die Antwort.

Des andern Morgens fuhr der Bauer abermals in den Wald. Es kam ein Töpfer mit Töpfen, die er auf den Markt trug, und hielt bei der Bäuerin, daß sie ihm einen Trunk reiche. »Seid Ihr der Nothfall?« fragte ihn die Bäuerin. Der Töpfer merkte, daß sie einfältig sei, und erwiederte: »Freilich bin ich der Nothfall.« – »Da bin ich froh,« rief die Bäuerin. »Mein Mann hat für Euch Gespenster aufgehoben. Ich darf nicht in die Kammer, so lange sie drin sind. Geht, geht, und nehmt sie Euch!« Der Töpfer ging, nahm den Milchnapf mit den Ducaten, schüttete die Ducaten in seinen Sack, warf den Sack über den Rücken und machte sich auf den Weg mit den Worten: »Für die Gespenster könnt Ihr alle die Töpfe behalten!« Die Bäuerin stellte die Töpfe in die Kammer, wo früher die Gespenster gewesen, und da sie nicht alle hineinbringen konnte, hing sie die übrigen auf den Latten des Zauns vor dem Hause auf. Als der Bauer bald nachher heimkehrte, und die Töpfe hangen sah, sprach er zu seinem Knecht, der ihn begleitete: »Da sieh einmal, was für Töpfe auf den Latten hangen! Gewiß hat mein Weib wieder ein Stückchen ausgeführt,« Er fuhr die Bäuerin an: »Bist Du von Sinnen?« – »I behüte!« entgegnete die Bäuerin. »Es war der Nothfall da, für den Du die Gespenster aufgehoben, und der hat die Gespenster fortgetragen und mir alle, alle die Töpfe dafür geschenkt. Bin recht froh, daß ich wieder in die Kammer kann!« Da begann sich der Bauer die Haare auszuraufen und erhob ein Zetergeschrei, daß er gerade um den Theil seiner Habe gekommen, der ihm das meiste Vergnügen gemacht, bis er endlich grimmig rief: »Nach welcher Seite ist der Schelm fort?« Die Bäuerin zeigte ihm den Weg; er schwang sich auf seinen Gaul und jagte nach. Jetzt näherte er sich dem Töpfer. Als dieser merkte, daß ihm der Bauer auf den Fersen sei, fing er geschwind einen Frosch, und deckte ihn mit der Mütze zu. Der Bauer ritt heran, und da der Töpfer ruhig dasaß, dachte er nicht, daß er der Töpfer sei, sondern fragte ihn, ob er Niemanden des Weges habe dahin eilen sehen. »Ja wohl!« sagte der Töpfer. »Dorthin ist er geeilt. Vermuthlich hat er Euch was gestohlen? Wartet, Ihr seid erschöpft: gebt mir Euer Pferd, ich kenn' ihn, ich werd' ihn bald haben; – haltet indessen die Mütze, daß mir der Vogel darunter nicht fortfliegt!« Der Bauer gab ihm sein Pferd, setzte sich und hielt die Mütze, während der Töpfer davonjagte. Der Bauer wartete, wartete lange, wartete in einem fort – der Mensch kam nicht zurück. »Was für einen Vogel muß er doch unter der Mütze haben?« dachte der Bauer, langte mit der Hand unter die Mütze, und faßte – den Frosch. »Potz Element!« rief er in die Höhe fahrend. »Jetzt geh'n mir die Augen auf. O der verwetterte Kerl und ich – Schafskopf! Die Ducaten dahin, und mein Gaul dazu, und ich – ich geb' ihm selbst noch den Gaul. Aber mir geschieht recht; recht geschieht mir! Mein Weib hab' ich gepeitscht – o ich verdiente eine noch zehnmal größere Portion Hiebe! Sag' mir künftig Niemand, daß sie einfältig ist; von heut' an lass ich mir's nicht nehmen, daß ich noch einfältiger, bin als sie!«

Und von dem Tag an wurde das Betragen des Bauers gegen die Bäuerin ganz anders. Er schalt sie nicht mehr ihrer Einfältigkeit wegen; zur Peitsche griff er um desto weniger, er hatte Geduld mit ihr, und regte sich ja einmal die alte Ungeduld in ihm, so erinnerte er sich nur an die Geschichte mit dem Töpfer: – kurz das Eheglück des Paares war hergestellt.


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