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Vom Metallherrscher.

Es war eine Wittwe, und die hatte eine sehr schöne Tochter. Die Mutter war ein demüthiges Weib, allein die Tochter war ein stolzes Mädchen. Es kamen viele Brautwerber, doch keiner war ihr recht, und je mehr sich die Bursche um sie bemühten, um desto hoffärtiger ward sie. Einst in einer hellen Nacht erwachte die Mutter, und da sie nicht gleich wieder einschlafen konnte, nahm sie den Rosenkranz von der Wand, und begann für das Heil ihrer Tochter zu beten, die ihr Sorgen machte. Die Tochter lag neben ihr und schlief. Die Mutter sah mit Wohlgefallen auf ihr schönes Kind; da lächelt die Tochter im Schlaf. »Was mag wohl dem Mädchen Schönes träumen, daß sie so lieblich lächelt!« denkt die Mutter, betet das Vaterunser zu Ende, hängt den Rosenkranz wieder auf, legt ihr Haupt neben das der Tochter und schläft ein. Des Morgens fragte sie die Tochter: »Aber Tochter, sag' mir, was hat Dir heut Nachts Schönes geträumt, daß Du im Schlaf lächeltest?« – »Was mir geträumt hat, Mutter? Ei mir träumte, es komme um mich ein Herr in kupfernem Wagen, und gebe mir einen Ring mit Steinlein, die wie die Sterne am Himmel funkelten. Und als ich in die Kirche kam, da schauten die Leute nur auf die Mutter Gottes und auf mich.« – »Ach Kind, was für hoffärtige Träume hast Du!« sagte die alte Mutter und schüttelte den Kopf; die Tochter aber ging singend an ihre Arbeit. Desselben Tags fuhr ein Bauernwagen in den Hof, und es kam ein in gutem Rufe stehender Dorfbursche, sie als Gattin zu Bauernbrot zu erbitten. Der Mutter gefiel der junge Bräutigam sehr, allein die stolze Tochter fertigte ihn ab, indem sie sprach: »Und wenn Du in kupfernem Wagen um mich kämst, und mir einen Ring gäbst, dessen Steinlein wie die Sterne am Himmel funkelten, ich würde dennoch nicht mit Dir ziehen!« Der Bräutigam empfahl sich auf diese hoffärtigen Worte, und fuhr traurig von dannen. Die Mutter aber tadelte die Tochter.

In der zweiten Nacht erwachte die Mutter wieder, nahm den Rosenkranz, und betete für das Heil ihrer Tochter noch inbrünstiger. Auf einmal lacht diese im Schlaf laut auf. »Was träumt doch dem Mädchen!« denkt die Mutter, betet noch ein Vaterunser, und hängt den Rosenkranz wieder an die Wand, kann jedoch lange nicht einschlafen. Des Morgens fragte sie die Tochter beim Ankleiden: »Aber Tochter, was hat Dir wieder Sonderbares geträumt? Du lachtest ja im Schlaf laut auf.« – »Was mir geträumt hat, Mutter? Ei mir träumte, es komme um mich ein Herr in silbernem Wagen und schenke mir ein goldenes Stirnband. Und als ich in die Kirche kam, da schauten die Leute nicht so sehr auf die Mutter Gottes, als auf mich.« »O was sprichst Du da, Kind! Was für hoffärtige Träume! Bete, Tochter, bete, daß Du nicht in Versuchung gerathest!« so tadelte sie die Mutter; allein die Tochter schlug die Thür zu und ging hinaus, um die Predigt der Mutter nicht anhören zu müssen. Desselben Tags fuhr ein Herrschaftswagen in den Hof, und es kamen Edelleute, sie als Gattin zu Herrenbrot zu erbitten. Die Mutter schätzte sich das für eine Ehre; die Tochter aber fertigte sie stolz ab, indem sie sprach: »Und wenn Ihr in silbernem Wagen um mich kämet, und mir ein goldenes Stirnband brachtet, ich würde dennoch nicht mit Euch zieh'n!« Die Brautwerber empfahlen sich; allein die Mutter schalt die Tochter und wehklagte: »Ach Tochter, laß ab vom Stolz! Der Stolz schmeckt nach der Hölle.« Die Tochter verlachte sie jedoch.

In der dritten Nacht schlief die Tochter neben der Mutter; allein die Mutter konnte vor Sorgen nicht einschlafen, und gab den Rosenkranz gar nicht aus der Hand. Da schlägt die Tochter im Schlaf ein helles Gelächter auf. »Gott,« ruft die Mutter ärgerlich, »was träumt dem unglücklichen Kinde wieder!« und betet, betet bis zum lichten Tage für das Heil ihrer Tochter. »Aber Tochter, was hat Dir heut Nacht wieder geträumt? Du schlugst ja im Schlaf ein helles Gelächter auf,« fragte sie die Tochter, als diese erwachte. – »Wollt Ihr mich wieder auszanken?« entgegnete die Tochter. »Sag' mir's, sag' mir's!« drang die Mutter in sie. – »Nun, mir träumte, sie kämen in goldenem Wagen um mich und brächten mir ein Gewand von lauter Golde. Und als ich in die Kirche kam, da schauten die Leute nur auf mich!« Die Mutter rang die Hände, die Tochter aber sprang aus dem Bette, nahm ihre Kleider und lief, sich außen anzukleiden, damit sie die Ermahnung der Mutter nicht anhören müßte. Desselben Tags fuhren drei Wagen in den Hof, ein kupferner, ein silberner und ein goldener. Vor den ersten waren zwei, vor den zweiten vier, vor den dritten gar acht stolze Rosse gespannt. Aus dem kupfernen und silbernen Wagen sprangen Edelknaben mit rothen Hosen und grünen Kappen und Dolmanen, Mit grünen Kappen und Dolmanen. Dolman, der ungarische Mannsrock. aus dem goldenen Wagen aber sprang ein schöner Herr in einem Gewand von lauter Golde. Alle gingen gerade in die Stube, und der junge Herr bat die Mutter um die Tochter. »Ei wenn wir nur solches Glückes würdig wären!« entschuldigte sich die Mutter; die Tochter aber dachte bei sich, als sie den Herrn erblickte: »Das ist ja derselbe, von dem mir träumte!« und begab sich hurtig in die Kammer, um den Strauß zu binden. Um den Strauß zu binden. Diese Sitte benutzt F. L. Čelakowsky in seinem »Nachhall böhmischer Volkslieder« zu dem neckischen Mädchenliede »die Sträuße,« das ich hier übersetzt gebe.

Kommt je ein Witwer, werbend
Um mich, ins Vaterhaus,
Dann bring' ich zum Geschenke
Ihm einen Blumenstrauß:
Aus Dornen und aus Nesseln.
Ei Witwer, rieche fein.
Und denke fleißig mein!

Doch kommt ein Jüngling, werbend
Um mich, ins Vaterhaus,
Dann bring' ich zum Geschenke,
Ihm einen Blumenstrauß:
Aus Nelken und aus Rosen.
Ei Holder, bin dir gut!
Da! Schmück' dir deinen Hut!
Als sie den Strauß gebunden und dem Bräutigam als Pfand gereicht hatte, bekam sie von ihm einen Ring mit Steinlein, die wie die Sterne am Himmel funkelten, ein goldenes Stirnband und ein Gewand von lauter Golde. Hurtig begab sie sich in die Kammer, um sich anzukleiden, und die Mutter, sorgenvoll, fragte den Bräutigam: »Und zu was für Brot erbittet Ihr meine Tochter?« – »Bei uns ist das Brot von Kupfer, von Silber und von Gold. Sie kann sich wählen, welches ihr beliebt!« erwiederte der Bräutigam. Die Mutter wunderte sich über alles das; doch die Tochter hatte keine Sorgen und fragte nach nichts. Als sie das goldene Gewand angelegt hatte, war sie überaus schön. Der Bräutigam faßte sie bei der Hand, und sie gingen sogleich zur Trauung, ohne daß die Tochter früher um den Segen der Mutter bat, ohne daß sie nach altherkömmlicher Sitte von dem Mädchenthume Abschied nahm. Ohne daß sie von dem Mädchenthume Abschied nahm. Diesen Abschied vom ledigen Stande pflegt die Braut in elegischen, rührenden Worten zu nehmen Die Mutter, angstgequält, stand an der Schwelle und betete für das Paar. Als die Trauung vorüber war, setzte sich die Braut mit dem Bräutigam in den goldenen Wagen, das Geleite in den silbernen und den kupfernen, und so fuhren sie von dannen, ohne daß die Tochter der Mutter Lebewohl sagte.

Sie fuhren und fuhren, bis sie zu einem Felsen gelangten, in den ein großes Loch ging, groß wie ein Stadtthor. In dieses Tbor lenkten plötzlich die Rosse. Als sie innen waren, kam ein furchtbares Erdbeben, so daß der Felsen hinter ihnen einstürzte. Sie befanden sich in der Dunkelheit. Die Braut erschrak heftig und fürchtete sich; doch der Bräutigam sprach zu ihr: »Fürchte Dich nicht und warte nur! Es wird schon hell, es wird schon schön werden.« Und jetzt kamen von allen Seiten Bergmännchen gelaufen mit rothen Hosen und grünen Kappen, brennende Fackeln in der Hand, und die begrüßten alle ihren Herrn, den Metallherrscher, und leuchteten ihm. Nun erst sah die hoffärtige Braut, wem sie gefolgt war, wen sie zum Gatten habe. Doch machte ihr das keinen Kummer. Aus dem finstern Felsen gelangten sie in ungeheuere Wälder und in Berge, die himmelhoch empor reichten; aber all die Fichten, Tannen, Buchen, all die Berge waren von Blei. Als sie die Berge hinter sich hatten, kam wieder ein Erdbeben, so daß alles hinter ihnen einstürzte. Aus den bleiernen Bergen gelangten sie auf eine schöne Ebene, wo alles prächtig strahlte, und inmitten der Ebene stand ein goldenes Schloß, mit Silber und Edelsteinen ausgelegt. In das Schloß führte der Metallherrscher seine Braut, und sagte ihr, daß dies alles auch ihr gehöre. Mit Freude und Verwunderung beschaute die junge Frau all den Reichthum; als sie alles ringsumher betrachtet hatte, war sie müde, und sah es gern, daß die Bergmännchen einen goldenen Tisch deckten. Sie fühlte Hunger. Sie setzte sich also zu Tische. Es wurden Speisen aus Kupfer aufgetragen, Speisen aus Silber und aus Gold. Alle aßen, doch die Braut konnte nicht davon genießen. Sie bat daher den Bräutigam um ein Stückchen Brot. »Gern, meine Holde!« sagte der Metallherrscher und sogleich befahl er den Bergmännchen, einen Laib kupfernen Brots zu bringen. Es lief eins, und brachte einen Laib kupfernen Brots; allein die Braut konnte nicht davon essen. Der Metallherrscher befahl einen Laib silbernen Brots zu bringen. Sie brachten einen Laib silbernen Brots; allein die Braut konnte nicht davon essen. Er befahl einen Laib goldenen Brots zu bringen; allein auch hiervon konnte die Braut nicht essen. »Gern würde ich Dir dienen, meine Holde; doch haben wir kein anderes Brot,« sagte der Metallherrscher. Da sah die Braut, daß es übel mit ihr stehe, und brach in Thränen aus; allein der Metallherrscher sprach zu ihr: »Es hilft nichts, daß Du weinst und wehklagst. Du hast gewußt, was für Brot Du erfreist. Wie Du gewählt, so hast Du's nun.« Und so wars und nicht anders. Was geschehen war, ließ sich nicht ungeschehen machen, die Braut mußte unter der Erde bleiben, und wird dort von Hunger gequält, weil sie nur nach Gold verlangte.

Nur an drei Tagen im Jahre ist ihr's gestattet, an's Sonnenlicht hinauszugehen, wenn nämlich der Metallherrscher die Pforten zu den Schätzen der Erde öffnet. Das ist an den drei Bitttagen. An den drei Bitttagen. Dies sind bei den Katholiken der Montag, Dienstag, und die Mittwoche in der Kreuzwoche, welche mit dem fünften Sonntag nach Ostern beginnt. An diesen Frühlingstagen werden feierliche Umzüge zur Erflehung eines gesegneten Jahres gehalten. Auch am Charfreitag sollen nach andern Märchen die Schätze der Erde offen stehen. S. die treffliche Dichtung: »der Schatz« von K. J. Erben in meinem »Rosmarinkranz,« Regensburg, Mainz 1855. Da läßt er sie hinaus, und sie bettelt um Brot.


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