Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Vierter Band
Gustav Weil

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Der von Gott geliebte Neger.

Ferner wird erzählt im Namen Maleks, des Sohnes Dinars (Gottes Barmherzigkeit sei mit ihm!): Einst regnete es sehr lange in Baßrah nicht, wir beteten mehrmals um Regen, fanden aber keine Erhörung. Eines Abends begab ich mich wieder mit vielen meiner Freunde in die Moschee, wo die ganze Gemeinde mit allen Schulkindern das Gebet um Regen verrichtete, ohne daß jedoch sich ein Wölkchen am Himmel zeigte. Nach vollendetem Gebet, als die Gemeinde schon wieder die Moschee verlassen hatte, und nur ich und der Baumeister Thabet noch zurückblieben, trat ein Schwarzer in die Moschee; er hatte ein schönes Angesicht und eine hübsche Gestalt, und war in ein wollenes Tuch gehüllt, für das ich nicht zwei Drachmen gegeben hätte; er holte Wasser im Hof, wusch sich, betete das Abendgebet, hob dann sein Auge gen Himmel und sprach: »Mein Gott und Herr! Wie lange versagst du deinen Dienern noch, was in deiner Macht steht, ihnen zu gewähren? Sind denn die Schätze deines Reiches erschöpft? Bei deiner Liebe zu mir beschwöre ich dich, sende uns gleich einen labenden Regen!« Kaum hatte der Neger dieses Gebet vollendet, bildeten sich schwarze Wolken am Himmel und es regnete so stark, als fiele der Regen aus der Öffnung eines großen Wasserschlauches, so daß wir beim Heimgehen bis zu den Knieen im Wasser wateten. Voller Verwunderung über den Neger und sein Gebet näherte ich mich ihm und sagte ihm: »Schämst du dich nicht dessen, was du eben gesagt?« – »Wieso denn?« – »Du sagtest, zu Gott dich wendend: Bei deiner Liebe zu mir; woher weißt du denn, daß Gott dich liebt?« – »Laß mich! Wie kann ich an Gottes Liebe zweifeln? Wer war ich denn, daß er mich mit seiner Einheit bekannt machte, wenn es nicht aus Liebe geschah? Übrigens, wenn ich von Gottes Liebe spreche, so meine ich damit nur so viel, als mit den göttlichen Eigenschaften übereinstimmt, so wie ich mit meiner Liebe zu ihm auch wieder ganz andere Begriffe verbinde.« Ich bat ihn dann, ein wenig bei uns zu bleiben; aber er entgegnete, er sei ein Sklave und müsse seinem kleinen Herrn gehorchen. Als er aber wegging, folgte ich ihm mit Thabet in der Ferne, bis er in das Haus eines Sklavenhändlers ging. Es war Mitternacht, und die zweite Hälfte der Nacht wurde mir vor Ungeduld sehr lang. Sobald der Morgen anbrach, ging ich zum Sklavenhändler und fragte ihn, ob er einen Sklaven zu verkaufen habe? »Ich habe deren hundert«, antwortete er, und stellte mir sie einen nach dem anderen vor, ohne daß ich den Neger, welchen ich suchte, unter ihnen fand. Als er dann sagte, er habe keinen mehr, und wir weggehen wollten, sah ich in einem zerfallenen Zimmer hinter dem Haus den Neger beten. Ich kehrte wieder zum Sklavenhändler zurück und bat ihn, mir ihn zu verkaufen. Der Sklavenhändler sagte: »Mein Freund, dieser Sklave taugt nichts, der weint die ganze Nacht durch und schläft den ganzen Tag.« – »Eben darum«, versetzte ich, »will ich ihn kaufen.« Der Sklavenhändler ging und führte ihn halb schlafend herein und sagte: »Nimm ihn hin und gib mir dafür, was du willst, ich habe dir seine Fehler angezeigt.« Ich gab ihm zwanzig Dinare und fragte ihn nach dem Namen des Sklaven. Der Sklavenhändler sagte mir: »Er heißt Meimun.« Als ich ihn hierauf an der Hand faßte, um ihn nach Hause zu führen, fragte er mich: »Mein kleiner Herr, warum hast du mich gekauft? Bei Gott! Ich tauge nicht zum Dienst der Geschaffenen.« Ich antwortete: »Ich habe dich gekauft, weil ich dich selbst bedienen will, bei meinem Haupte!« – »Und warum dies?« – »Warst du nicht gestern bei uns in der Moschee?« – »Hast du mich gesehen?« – »Jawohl, und sogar gesprochen.« Da ging er in eine Moschee und rief nach dem Morgengebet: »Mein Gott und mein Herr! Der geheime Bund zwischen uns ist nun den Menschen bekannt, wie kann ich länger leben? Ich beschwöre dich, nimm mir sogleich meine Seele!« Er verbeugte sich hierauf und fiel hin. Ich wartete eine Weile, als er aber den Kopf nicht mehr in die Höhe hob, schüttelte ich ihn, aber vergebens, er war tot. (Gottes Erbarmen sei mit ihm!) Da streckte ich seine Hände und seine Füße und sah ein lächelndes Gesicht, das ganz weiß und leuchtend wie der Mond geworden. Dann kam ein Jüngling zur Tür herein und sagte: »Friede sei mit euch! Gott erhöhe eueren Lohn für das, was ihr unserem Freund Meimun erwiesen. Hier habt ihr ein Totengewand, zieht es ihm an.« Bei diesen Worten gab mir der Jüngling zwei Kleider, wie ich dergleichen nie auf Erden gesehen; wir zogen sie ihm an und beerdigten ihn an der Stelle, wo noch heute in trockenen Jahren sowohl als in anderen Notfällen gebetet wird.


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