Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Vierter Band
Gustav Weil

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Geschichte Alis, des Ägypters.

Man erzählt: Es lebte einst in Kahirah ein sehr reicher Kaufmann, der unzählbare Güter, Gold und Edelsteine besaß, auch hatte ihm Gott einen Sohn geschenkt, der ausgezeichnet war durch seine Schönheit, Liebenswürdigkeit und hübsche Gestalt, und den er im Koran und in allen möglichen Wissenschaften unterrichten ließ und zu seinem Geschäft verwendete. Als der Kaufmann einst sehr krank und dem Tod nahe war, ließ er seinen Sohn, welcher Ali hieß, rufen und sagte ihm: »Mein Sohn, diese Welt ist vergänglich, die zukünftige aber von ewiger Dauer, und kein Mensch entgeht dem Tod; da nun meine Todesstunde nahe ist, so höre, was ich dir anempfehle. Ich hinterlasse dir so viele Güter und Schätze, daß, wenn du auch jeden Tag fünfhundert Dinare ausgibst, du doch dabei nicht arm wirst; bleibe nur gottesfürchtig, befolge die Gesetze Gottes und befolge die Worte des Propheten, dem Gott gnädig sei; sei nur immer wohltätig und wähle dir gute und fromme Leute zu Freunden; sei nicht geizig und gehe nicht mit schlechten Menschen um. Sei mild gegen deine Diener und deine Frau und übrigen Verwandten; deine Frau stammt von großer Familie und ist nun schwanger, vielleicht wird dir Gott fromme Nachkommen schenken.« Nachdem er ihm noch manches weinend anempfohlen hatte, rief er: »Ich bete zu Gott, dem Herrn des Himmels und der Erde, daß er dir in jeder Not und Bedrängnis beistehe.« Als er diese Worte vollendet hatte, schöpfte er noch einmal Atem und verschied. Gott erbarme sich seiner! Ali war außerordentlich betrübt über den Tod seines Vaters, Er machte mit den Freunden seines Vaters, welche ihn zu trösten suchten, die Vorbereitungen zu dessen Beerdigung, ließ vierzig Tage lang für ihn beten und den Koran lesen, blieb stets zu Hause, um ihn zu betrauern, nur jeden Freitag ging er aus, um seines Vaters Grab zu besuchen. Nach vierzig Tagen kamen seine Bekannten, die jungen Kaufleute, zu ihm und sagten: »Was bedeutet diese lange Trauer? Warum vernachlässigst du so alle deine Geschäfte und deine Freunde? Das muß dich krank machen.« Sie redeten ihm dann so lange zu, bis er sich vom Teufel verführen ließ und einwilligte, mit ihnen auszugehen. Sie ließen ihn auf seinem Maultier reiten und begleiteten ihn in einen Garten, der einem von ihnen gehörte, und wohin der Eigentümer ein Frühstück bringen ließ. Sie brachten den ganzen Tag im Garten zu, aßen und tranken und belustigten sich, und jeder kehrte dann wieder in sein Haus zurück. Am folgenden Morgen kamen sie wieder und beredeten ihn, in einen anderen, noch schöneren Garten zu kommen. Er ritt mit ihnen, fand wieder ein Frühstück dort, und nachdem sie gegessen hatten, wurde berauschender Wein gebracht, Ali fragte: »Was ist das für ein Getränk?« Sie antworteten; »Es ist ein Getränk, das den Kummer verscheucht und das Herz erfreut.« Ali ließ sich überreden, den ganzen Tag mit ihnen zu trinken, und des Abends kehrte jeder wieder in seine Wohnung zurück. Als Ali nach Hause kam, überfiel ihn ein Schwindel. Seine Frau fragte ihn, was ihm fehle, und er sagte ihr. »Wir haben uns heute in einem Garten belustigt, wo ich mit meinen Freunden Wein trank; daher kommt mein Schwindel.« Seine Frau sagte ihm: »Mein Herr, hast du die Warnung deines Vaters vergessen? Hat er dir nicht verboten, mit leichtsinnigen Menschen umzugehen?« Er antwortete: »Diese jungen Kaufleute sind nicht leichtsinnig, es sind nur lustige junge Leute«, und fuhr fort, jeden Tag mit einem anderen zu gehen, bis sie ihm sagten: »Nun ist die Reihe an dir, uns zu bewirten.« Ali antwortete: »Ihr seid mir willkommen«, und ließ am folgenden Tag allerlei Speisen und Getränke herrichten, so wie es die übrigen getan, nahm Köche, Diener und Kaffeeschenker mit in einen Garten und brachte darin einen ganzen Monat mit seinen Freunden zu.

Als der Monat zu Ende war, bemerkte Ali, daß er all sein bares Geld ausgegeben hatte. Aber der verdammte Satan reizte ihn und stellte ihm vor, daß ihm noch viel anderes Vermögen übrig bleibe; er fuhr daher noch drei Jahr lang fort, so mit seinen Freunden zu leben, trotz der Warnungen seiner Frau und der Ermahnungen seines Vaters, und verkaufte nach und nach alle seine Juwelen, Häuser und Güter; zuletzt verkaufte er sogar das Haus, das er selbst bewohnte, und er mußte eine erbärmliche Wohnung in einem Hof mieten und da mit seiner Frau und seinem Sohn, den sie ihm inzwischen geboren, wohnen. Als ihm gar nichts mehr übrig blieb, sagte ihm seine Frau: »Ich habe dich immer gewarnt und an die Ermahnung deines Vaters erinnert, du hast mir aber kein Gehör geschenkt; wovon sollen wir nun leben? Geh einmal zu deinen Freunden und sieh, ob sie dir etwas schenken.« Ali machte sich auf, ging zu seinen Freunden, von einem zu dem anderen, aber alle kehrten ihm den Rücken und sagten ihm noch manches Unangenehme. Er kehrte bestürzt zu seiner Frau zurück und sagte ihr, es wolle ihm niemand etwas schenken. Die Frau ging hierauf zu einer ihrer Nachbarinnen, mit der sie befreundet war, und schilderte ihr weinend ihre Lage. Die Nachbarin nahm sie freundlich auf und schenkte ihr so viel, daß sie einen Monat davon leben konnte. Als sie damit zu Ali zurückkehrte, sagte er: »Da uns nun gar nichts mehr übrig bleibt, so will ich gehen, wohin mich Gott führt, vielleicht wird er uns helfen.« Er tröstete seine Frau und küßte sein Kind und verließ das Haus, ohne zu wissen, wohin er gehen wolle, und nahm den Weg nach Bulak. Hier fand er ein Schiff, das eben nach Damiet absegeln wollte, er bestieg es und fuhr nach Damiet. Als er ausstieg, begegnete er einem alten Freund seines Vaters, der ihn begrüßte und fragte, wo er hin wolle. Ali sagte: »Nach Bagdad.« Der Mann nahm ihn mit in sein Haus, bewirtete ihn, gab ihm Lebensmittel und einiges Geld, und brachte ihn auf ein Schiff, das nach Syrien fuhr.

Als er in Syrien anlangte und nicht wußte, wohin er sich wenden sollte, begegnete er einem Kaufmann, der ihn bemitleidete und ihn mit in sein Haus nahm. Ali blieb bei ihm, bis er eine Karawane fand, die nach Bagdad reiste; er schloß sich ihr an und Gott flößte einem der Kaufleute dieser Karawane Erbarmen für ihn ein, so daß er ihn während der Reise ernährte. Als die Karawane nur noch einen Tag von Bagdad entfernt war, wurde sie von Straßenräubern überfallen und ausgeplündert; nur wenige von der Karawane konnten durch die Flucht sich retten.

Ali setzte seine Reise nach Bagdad fort und kam bei Sonnenuntergang an, als gerade die Tore der Stadt geschlossen wurden. Er sagte zu den Torwächtern: »Laßt mich noch in die Stadt!« Sie ließen ihn hinein und fragten ihn, wer er sei, und wo er herkomme. Er antwortete: »Ich bin aus Kahirah und hatte viele Maulesel und Waren bei mir, die mir nachkommen sollten; ich bin vorausgereist, um einstweilen eine Wohnung zu mieten, wo ich mich mit meinen Waren niederlassen könnte; da kamen aber Straßenräuber und nahmen meine Maulesel mit den Waren, und ich konnte nur meine Person retten.«

Die Torwächter luden Ali ein, die Nacht bei ihnen zuzubringen, bis er am folgenden Morgen eine Wohnung mieten würde. Ali suchte in seiner Tasche und fand noch einen Dinar von dem Geld, das ihm der Kaufmann in Damiet geschenkt; er gab ihn einem der Torwächter und sagte ihm: »Nimm diesen Dinar und kauf' dafür etwas zum Nachtessen.« Der Torwächter nahm das Geld, ging in die Stadt und kaufte Brot und gekochtes Fleisch, das sie miteinander verzehrten, dann legten sie sich schlafen, Am folgenden Morgen ging einer der Torwächter mit Ali zu einem Kaufmann und erzählte ihm, was Ali widerfahren. Der Kaufmann, der in seinem Laden war, ging mit Ali in sein Haus, gab ihm eines seiner Kleider, führte ihn ins Bad und ließ ihm in seiner Wohnung ein Frühstück reichen. Dann sagte er einem seiner Diener: »Gehe mit diesem Herrn und zeige ihm unsere Häuser und gib ihm die Schlüssel des Hauses, das ihm am besten gefällt.« Ali ging mit dem Diener und sah in einem Quartier drei neue verschlossene Häuser. Als er zwei derselben besehen hatte, fragte ihn der Diener, welches von beiden ihm am besten gefiele. Da sagte Ali: »Wem gehört denn dieses große dritte Haus?« – »Es gehört auch uns.« – »Warum öffnest du es nicht, daß ich es auch besehe?« – »Du hast nichts darin zu schaffen, denn es hat noch niemals jemand darin übernachtet, den man nicht den anderen Morgen tot gefunden hätte; wir öffnen nicht einmal die Tür, sondern steigen nur auf die Terrasse der benachbarten Häuser, da sehen wir die Leiche liegen und schaffen sie fort; darum läßt nun mein Herr dieses Haus leer stehen.« – »Öffne nur die Tür, daß ich es sehe; hier übernachte ich, und findet man mich tot, so habe ich Ruhe vor meinem Elend.« Der Diener öffnete das Haus, welches unvergleichlich schöner als die übrigen war, und Ali sagte ihm: »Ich will kein anderes als dieses.« Der Diener ging zu seinem Herrn und sagte ihm, der Fremde wolle kein anderes Haus als das große. Der Hausherr begab sich selbst zu Ali, um ihn von seinem Wunsch abzubringen. Als Ali aber darauf bestand und an alle Warnungen sich nicht kehrte, sagte der Hausherr: »Du mußt mir ein Zeugnis geben, daß, wenn dir ein Unglück im Haus begegnet, die Schuld nicht auf mich falle.« Ali willigte ein, und der Hausherr ließ einen Zeugen vom Gericht holen und ließ sich von Ali ein Zeugnis geben; dann überlieferte er ihm die Schlüssel des Hauses. Ali öffnete das Haus und der Hausherr schickte ihm ein Bett, das er auf eine Bank legte. Als er im Hof einen Brunnen mit einem Eimer sah, füllte er ihn, wusch sich und betete und setzte sich eine Weile. Da kam der Diener mit einer Lampe, einem Wachslicht und Waschbecken nebst einem Wasserkrug, und empfahl sich wieder. Ali zündete das Wachslicht an, aß zu Nacht und betete das Nachtgebet. Er dachte dann: Ich will lieber das Bett hinaufnehmen, als hier im Hof schlafen. Er ging eine Treppe hinauf und kam in einen großen Saal, dessen Decke vergoldet und dessen Boden und Wände von farbigem Marmor waren. Er legte hier sein Bett zurecht und las ein wenig im Koran. Auf einmal rief jemand: »Ali, Sohn Hasans, soll ich herunterkommen?« Er antwortete: »Wo ist das Gold?« In diesem Augenblicke strömte Gold von oben herunter, bis der ganze Saal voll war. Als der Goldregen aufhörte, sagte dieselbe Stimme: »Schenke mir nun meine Freiheit, daß ich weiterziehe, denn mein Dienst ist nun vollbracht.« Ali sagte: »Ich beschwöre dich bei dem erhabenen Gott, sage mir, was dies zu bedeuten hat?« Die Stimme antwortete: »Dieses Geld ist von frühester Zeit her dir bestimmt; so oft nun jemand dieses Haus betrat, sagten wir: Ali, sollen wir herunterkommen? Der Fremde fürchtete sich aber und schrie, da kamen wir herab und brachen ihm das Genick! Da wir nun dich fragten und du uns nach dem Gold fragtest, wußten wir, daß du der rechte Ali bist, dem das Gold gehört! Auch ist noch ein anderer Schatz für dich in der Provinz Jemen aufbewahrt. Nun schenke mir aber meine Freiheit, daß ich meines Weges gehe.« Ali schwor, er werde ihn nicht frei lassen, bis er ihm auch den Schatz von Jemen bringe. Als der Geist gehen wollte, rief Ali ihm nach: »Noch etwas fordere ich von dir: Bringe mir meine Frau und meine Kinder auf eine bequeme Weise hierher, so daß ihnen die Reise gar nicht beschwerlich falle.« Der Geist versprach, sie in drei Tagen mit großem Gefolge und Dienern in einem Tragsessel zu bringen, und ging fort. Ali suchte im Saal einen Platz, um das Gold zu verbergen. Da bemerkte er in einer Ecke des Saales einen Marmorstein mit einer Drehscheibe, und als er daran drehte, schob sich die Platte zurück, und er sah eine Tür, die in eine große Schatzkammer führte, welche mit neuen Säcken gefüllt war; er legte sein Gold in diese Säcke, schloß die Tür wieder, schob den Marmorstein wieder vor und setzte sich auf die Bank hinter der Tür.

Während er hier saß, kam der Diener des Kaufmanns und klopfte an die Tür des Hauses. Sobald Ali ihm öffnete, lief er nach Haus, um seinem Herrn zu sagen, daß der Fremde sich wohl befände. Sein Herr ging freudig in das Haus und nahm ein Frühstück mit, umarmte und küßte Ali und fragte: »Wie ist es dir gegangen?« – »Recht gut; ich habe oben im marmornen Saal geschlafen?« – »Hast du nichts gesehen und ist niemand zu dir gekommen?« – »Nein, ich habe im Koran gelesen, bis ich eingeschlafen bin, und bin dann bis diesen Morgen nicht mehr erwacht.« Der Kaufmann dankte Gott, ging in sein Haus und schickte All Diener und Sklavinnen und Divane, und ließ das Haus reinigen. Ali behielt drei Mamelucken, drei schwarze Sklaven und vier Sklavinnen zu seiner Bedienung, und schickte die übrigen zurück. Auch die übrigen Kaufleute machten ihm allerlei Geschenke, sowohl an wertvollen Gegenständen als an Kleidungsstücken, Speisen und Getränken, nahmen ihn mit sich auf den Bazar und fragten ihn, wann seine Waren ankommen würden, worauf er antwortete. nach drei Tagen. Als die drei Tage vorüber waren, kehrte der Diener des Schatzes, der Ali in der Nacht erschienen war, zurück und sagte ihm: Mache dich auf und gehe deiner Frau entgegen, die aus Ägypten angekommen und einen Teil des Schatzes aus Jemen mit sich führt, der deine Waren vorstellt.« Ali ging zu den Kaufleuten und sagte: »Kommt, wir wollen zur Stadt hinaus der Karawane entgegengehen; bringt auch eure Frauen mit, daß sie die meinige bewillkommen.«

Sie gingen zusammen in einen der Gärten vor der Stadt, und auf einmal sahen sie einen furchtbaren Staub; sie liefen, um zu sehen, wer komme, und entdeckten viele Maulesel mit Dienern, welche singend und tanzend herbeikamen. Der Führer der Karawane ging dann auf Ali zu und sagte: »Mein Herr, du bist lange vor uns angekommen, weil wir von Straßenräubern drei Tage aufgehalten wurden, vor denen wir uns verbergen mußten, bis sie Gott aus dem Weg schaffte.« Diese Männer und Maulesel und Pferde und Kamele der Karawane waren aber nichts als Genien in Menschen- und Tiergestalt. Die Kaufleute führten nun die Karawane in die Stadt, und die Frauen blieben zurück, um Alis Gattin zu begleiten. Die Männer bewunderten die vielen Waren, womit die Maulesel beladen waren, und die Frauen die prachtvolle Kleidung der Gattin Alis und ihrer Kinder und sagten: »So etwas besitzt der König von Bagdad nicht.« Sie zogen zusammen nach Alis Haus, wo alle Waren abgeladen wurden. Dann aßen und tranken sie miteinander bis nach Mittag, darauf zogen sie sich zurück und ein jeder beschenkte All nach seinem Rang und Vermögen, so daß sein ganzes Haus mit Sklaven und Sklavinnen, Zucker, allerlei Getreide und Schafen angefüllt wurde. Er entließ dann die Diener des Schatzes, für welche der Hauseigentümer ihm einen Platz einräumen wollte, sie gingen zur Stadt hinaus und flogen wieder nach ihrem Wohnort.

Des Abend, als der Hauseigentümer sich entfernte, ging Ali in sein Harem, begrüßte seine Frau und fragte sie, wie es ihr seit seiner Abwesenheit gegangen. Sie sagte, sie habe viel gelitten an Hunger und Mangel an Kleidung, er fragte sie dann, wie sie hierher gekommen. Sie antwortete: »Ich schlief gestern Nacht bei meinen Kindern; auf einmal wurde ich mit ihnen wie ein Vogel in die Höhe gehoben; dann wurden wir wieder in ein Lager, wie die Beduinen haben, herabgelassen, da sahen wir zwei große Maulesel mit Tragsesseln beladen und von Führern und Dienern umgeben. Ich fragte: Wo sind wir und was gibt es hier? Die Führer antworteten: Wir sind die Diener Alis, Hasans Sohn, er schickt uns, um euch zu ihm nach Bagdad zu bringen. Ich fragte, ob der Weg dahin lang oder kurz wäre. Sie antworteten: Er ist kurz, er braucht nur diese Nacht dazu! Und, in der Tat! Bei Tagesanbruch waren wir hier.« Er fragte sie dann, wer ihr dies schöne Kleid gegeben. Sie antwortete: »Einer der Führer hat mir eine Kiste, die ein Maulesel trug, geöffnet und mir und den Kindern die Kleider daraus gegeben; er hat dann die Kiste wieder geschlossen und mir den Schlüssel überreicht.« Er fragte sie, ob sie die Kiste kenne, aus der er die Kleider genommen. Sie antwortete: »Recht gut«; und ging mit ihm in das Magazin, wo die Kisten waren, und zeigte sie. ihm Ali öffnete sie und fand darin viele Kleider nebst den Schlüsseln zu allen anderen Kisten; er nahm sie und öffnete auch die übrigen Kisten und bewunderte die Schätze, die sie enthielten. Es waren Perlen und Edelsteine dabei, wie sie kein König besitzt. Er schloß dann die Kisten wieder und ging mit seiner Frau in den Saal und zeigte ihr auch das Gold, das unter der Marmorplatte war. Sie fragte ihn erstaunt, woher er dies alles habe. Er erzählte ihr seine Geschichte von dem Tag an, wo er Kahirah verlassen, bis zu ihrem Wiedersehen. Da sagte sie: »Das alles hast du deinem Vater zu verdanken, der vor seinem Tod zu Gott betete, er möge dir aus jeder Not helfen. Nun, gelobt sei Gott, der dir mehr wiedergegeben, als du verloren hast! Ich beschwöre dich aber, ja nicht mehr mit leichtsinnigen Menschen umzugehen.« Ali beherzigte die Ermahnung seiner Gattin und betete zu Gott, daß er ihm keine schlechten Genossen mehr zuschicke, die ihn vom Gehorsam gegen ihn abziehen. Er richtete sich dann einen Laden ein, den er mit allerlei Juwelen ausfüllte, und lebte mit seiner Familie in Bagdad äußerst angenehm. Bald hörte der König von ihm und ließ ihn zu sich rufen. Ali ging ins Schloß, nahm vier goldene Schüsseln voll mit allerlei Edelsteinen mit und bot sie dem König als Geschenk an. Als der König diese Juwelen von unschätzbarem Wert sah, nahm er sie an, zeigte sie den Großen des Reiches und sagte: »Wie manche Könige haben schon um die Hand meiner Tochter geworben: Hat je einer mich so beschenkt? Darum habe ich beschlossen, diesem Kaufmann meine Tochter zu geben; was sagt ihr dazu?« Die Ratsherren sagten: »Tue, was dir gut dünkt!« Der König gab die Schüsseln einem Verschnittenen und ging damit zu seiner Frau, erzählte ihr, was er von All wußte, und erklärte ihr, daß er wünsche, seine Tochter mit ihm zu vermählen.

Da die Königin sich gern in den Willen ihres Gatten fügte, ließ er am folgenden Morgen Ali und alle Kaufleute von Bagdad vor sich kommen; auch der Kadhi wurde gerufen und beauftragt, den Ehekontrakt zwischen der Prinzessin und Ali zu schreiben. Ali erhob sich aber und sagte: »Verzeihe, o König der Zeit, ich verdiene als Kaufmann nicht, des Königs Schwiegersohn zu werden.« Der König warf ihm aber das Ehrenkleid eines Veziers um, mit den Worten: »Ich ernenne dich zugleich zu meinem Vezier.« Da sagte Ali: »Höre nur ein Wort von mir; wenn du doch deine Tochter vermählen willst, so gib sie lieber meinem Sohn, der vierzehn Jahre alt ist.« Der König erwiderte: »Laß ihn sogleich holen!« Ali schickte jemanden nach seinem Sohn und als er erschien, verbeugte er sich vor dem König und blieb bescheiden stehen. Der König fand ihn noch schöner als seine Tochter, und fragte ihn nach seinem Namen. »Ich heiße Hasan«, antwortete der Jüngling. Der König befahl dem Kadhi, den Ehekontrakt zwischen seiner Tochter und Hasan zu schreiben. Man trennte sich dann wieder; Ali ritt mit dem Gefolge und den Insignien eines Veziers nach Hause, empfing die Glückwünsche aller Kaufleute und erzählte seiner Frau alles, was vorgefallen.

Am folgenden Tag ließ der König Festlichkeiten auf dreißig Tage anordnen, und als diese vorüber waren, feierte Hasan seinen Hochzeitstag und war entzückt über die Schönheit und Anmut der Prinzessin. Der König ließ dann noch zwei Schlösser neben dem seinigen bauen, eines für Ali und das andere für Hasan, so daß sie einander zu jeder Zeit besuchen konnten.

Einige Zeit nachher wurde der König sehr krank, da ließ er die Großen des Reiches versammeln und sagte: »Ich bin dem Tod nahe und wünsche daher, daß ihr bei meinem Leben noch einen anderen König wählet, damit ich ruhig sterbe.« Sie sagten einstimmig: »Wir wählen Hasan, deinen Schwiegersohn!« – »Wenn ihr das von Herzen und nicht bloß mir zu Gefallen sagt«, fuhr der König fort, »so erklärt es morgen im Beisein aller Emire, des Großkadhis und der Häupter der Truppen, und huldigt ihm in meiner Gegenwart.« Am folgenden Tage taten sie, was der König verlangte; dieser ließ Hasan rufen und eröffnete ihm, daß er zum Sultan gewählt worden. Hasan wollte, solange sein Vater lebte, nicht König werden; als aber Ali sich weigerte, die Regierung zu übernehmen, verbeugte er sich vor dem König, und dieser ließ ihm huldigen, trat ihm in einem Abdankungsschreiben die Regierung ab und ließ ihn auf den königlichen Thron sitzen. Drei Tage nach dieser Huldigungs-Zeremonie war der König dem Tod nahe; er ließ Hasan zu sich rufen, ermahnte ihn, nach dem Willen Gottes zu herrschen, empfahl ihm seine Tochter und starb. Ali zog ihm das Totengewand an, ließ ihn beerdigen und vierzig Tage für ihn den Koran lesen. Nach dieser Trauerzeit lebte Hasan höchst glücklich als ein milder und einsichtsvoller Regent. Sein Vater Ali war der Vezier seiner Rechten und ein anderer tugendhafter Mann der Vezier seiner Linken. Seine Gattin gebar ihm drei Söhne, welche ihm auf den Thron folgten, und auch seine Nachkommen lebten in den gesegnetsten Umständen, bis der Zerstörer aller Freuden sie heimsuchte. Gepriesen sei der, dessen Herrlichkeit ewig dauert!


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