Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Vierter Band
Gustav Weil

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Geschichte des Kaufmanns und der Diebe.

Einst reiste ein reicher Kaufmann mit vielen kostbaren Waren in ein großes Königreich, mietete sich daselbst eine anständige Wohnung, in der er sich mit seinen Waren niederließ, und viele Leute der Hauptstadt befreundeten sich mit ihm, weil er die kostbarsten Stoffe mitgebracht hatte. Bald war seine Ankunft aber einigen sehr gewandten Dieben, die schon viele andere reiche Leute bestohlen und sich sogar an des Königs Schatzkammer schon gewagt hatten, kein Geheimnis mehr. Eines Nachts versammelten sie sich an einem bestimmten Ort und unterhielten sich von diesem fremden Kaufmann, und beratschlagten, wie sie ihn berauben könnten, obschon seine Niederlage an einem sehr festen und wohlverwahrten Ort war. Da sagte einer von ihnen: »Seid nur ganz ruhig, ich übernehme dieses Geschäft ganz allein und werde euch bald dessen Erfolg ankündigen.« Die Diebe freuten sich und lobten ihren Gesellen, und wünschten ihm Glück zu seinem Unternehmen. Am folgenden Morgen kleidete er sich als Arzt und nahm eine niedliche Tasche mit allerlei Kräutern und Medikamenten und Pflastern auf den Rücken, und ein schönes medizinisches Buch unter den Arm, ging in die Nähe der Wohnung des Kaufmanns und ordnete seine Pulver und Salben auf Blätter und behielt das Buch unter seinem Arm. Bald kamen viele Leute, um seine Medikamente zu sehen, und er hatte für jeden ihn um Rat Fragenden eine Antwort bereit. Nachdem er sich auf diese Weise einen Ruf in der Stadt erworben, begab er sich zum Kaufmann, der eben seine Mittagsmahlzeit hielt, und fragte ihn, ob er eines Arzneimittels bedürfe. Der Kaufmann sagte, er brauche nichts; doch hieß er ihn sitzen und mit ihm essen. Der Dieb aß mit ihm und als er merkte, daß der Kaufmann ein Freund von guten Bissen war, sagte er zu ihm: »Da wir nun Freunde sind, darf ich dir einen wohlgemeinten Rat nicht vorenthalten; ich sehe, du bist ein starker Esser und schadest dadurch deinem Körper; wenn du nicht dafür sorgst, so gehst du bald dem Tod entgegen.« – »Wie«, sagte der Kaufmann, »kann mir das schaden? Ich esse ja schon lange so viel und befinde mich wohl dabei?« Der Dieb antwortete: »Der Nachteil wird sich erst später zeigen, drum nimm eine Arznei, die dich vor vielen Krankheiten schützen wird.« Der Kaufmann nahm dem Dieb eine ihm dargereichte Arznei ab und trank sie des Abends, obschon sie sehr bitter war. Am anderen Abend brachte ihm der Dieb wieder eine Arznei, noch bitterer als die erste; doch der Kaufmann ließ sich nicht vom schlechten Geschmack abschrecken. Als der Dieb nun sah, daß der Kaufmann ihm vertraute und alles trank, was er ihm überreichte, holte er am dritten Tag Gift und überreichte es dem Kaufmann, der noch in derselben Nacht daran starb. Der Dieb kam nun mit seinen Gesellen herbei und trug alles davon, was er besaß.

»Ich erzähle dir dies, o König«, sagte die Schöne, »damit du dich nicht betören läßt von Leuten, die dich hintergehen wollen.« Der König erwiderte: »Du hast recht, ich werde morgen wieder nicht zu meinen Vezieren gehen.« Als daher des Morgens die Leute wieder vergebens den König erwarteten, gingen sie zu Schimas und sagten ihm: »Du siehst, o weiser Herr, daß es der König immer schlimmer macht, drum geh und sage ihm, daß, wenn er sich nicht bessert, das Wohl des Reiches es erfordert, daß wir ihn des Thrones verlustig erklären. Wir werden morgen mit unseren Waffen vor dem Schloß erscheinen, und kommt er nicht heraus, so erstürmen wir es, bringen ihn um und ernennen einen anderen König; er mag dann nur sich selbst anklagen.« Schimas ging zum König und sagte ihm: »Was bewegt dich, gegen unsere Verträge zu handeln und so dir selbst zu schaden? Was verwandelt deine Klugheit in Torheit, deine Aufrichtigkeit in Lüge, deine Treue in Treulosigkeit? Warum folgst du meinem Rat nicht, wie dein Vater dir befohlen? Erwache doch, ehe das Unheil zu groß wird; wie willst du allen deinen Gegnern entkommen, die beschlossen haben, dich zu töten und einen anderen König zu ernennen? Verschmähe deine Untertanen nicht, denn wenn auch Steine noch so lange im Wasser liegen, springt doch Feuer heraus, wenn man sie aneinander reibt; befürchte, daß es dir gehe mit deinem Volk, wie dem Wolf in der folgenden Geschichte.« Und der Vezier erzählte:


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