Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Vierter Band
Gustav Weil

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Die Abenteuer des Fischers Djaudar aus Kahirah und sein Zusammentreffen mit dem Abendländer Mahmud und dem Sultan Beibars.Diese aus einem herzoglich-gothaischen Manuskript übersetzte Erzählung ist mit der unter gleichem Namen schon gegebenen nur in Bezug auf das Zusammentreffen Djaudars mit den Abendländern übereinstimmend, sonst aber von derselben ganz verschieden.

Der Sultan Zaher Beibars, der wegen seiner Gerechtigkeitsliebe sowohl als wegen seiner anderen schönen Eigenschaften und besonders seiner Beredsamkeit in ganz Ägypten von Männern und Frauen, Vornehmen und Geringen geliebt und verehrt war, hatte einen Polizeipräfekten über Kahirah gesetzt, der alle seine Zeitgenossen an Klugheit und Schlauheit übertraf; er rastete weder bei Tag noch bei Nacht, sondern wachte unermüdlich über die Ruhe und Sicherheit Kahirahs: Keine Tugend blieb unbelohnt, kein Laster unbestraft.

Eines Tages, als er beim Sultan war, der von den höchsten Beamten des Reiches umgeben auf seinem Thron saß, traten fünf alte Männer mit langen Bärten, so weiß wie Baumwolle, in den Divan und baten um Gehör. »Wer hat euch Unrecht getan?« fragte der Polizeipräfekt. Da küßten sie die Erde vor ihm, und einer von ihnen sagte: »Wisse, edler Herr, wir haben eine ganz sonderbare Klage vorzutragen, die uns nötigt, zum erstenmal in unserem Leben vor Gericht zu stehen. Wir sind fünf Brüder und wohnen in einem Haus beisammen, in der Nähe des Elefantenteiches. Wir lebten früher in großem Wohlstand, aber nach und nach verließ uns das Glück, bis wir ganz arm waren. Eines Abends, als wir den letzten Bissen verzehrt hatten und den harten Entschluß fassen mußten, am folgenden Tag zu betteln, kam ein schöner Jüngling auf einem Maulesel vor unsere Tür geritten, übergab den Maulesel seinem Diener und stieg zu uns herauf. Er hatte einen grünen Kaftan an, rote seidene Beinkleider darunter, und einen Turban auf dem Haupt, wie ihn die Jemeniten zu umwinden pflegen. Nachdem wir ihn freundlich begrüßt und bewillkommt hatten, fragten wir ihn, womit wir ihm dienen könnten. Ich bin euer Nachbar, antwortete er, ich wohne jenseits des Elefantenteiches und möchte gern diesen Abend euer Gast sein. Wir antworteten ihm, er sei uns stets willkommen; aber diesen Abend hätten wir ihm gar nichts anzubieten, darum möchte er doch lieber morgen unser Gast sein. Da sagte er lächelnd: Nun, so seid ihr heute meine Gäste; bei Gott, ihr müßt mir nach Hause folgen! Wir gingen im Vertrauen auf Gott mit ihm, ohne ihn zu kennen. Er blieb vor einem großen Hause stehen und klopfte leise an die Tür; sie wurde sogleich geöffnet, und er hieß uns im Namen Gottes eintreten. Er führte uns in einen Saal, der mit den schönsten Diwanen und Teppichen ausgestattet war, und sagte: Betrachtet dieses Haus als das eurige und mich als einen eurer Diener. Wir küßten ihm Hände und Füße und sagten: Wir sind bereit, alle deine Wünsche zu erfüllen; gebiete uns nur, wenn du unser bedarfst. Er ging dann auf eine zur Rechten des Saales verschlossene Tür zu und rief: Freudendauer! Sogleich öffnete sich die Tür, und es trat eine indische Sklavin heraus mit schwarzen babylonischen Augen und schön gewölbten Augenbrauen, mit Wangen, auf deren jeder eine Rose blühte und sich darauf wie Korallen auf weißem Marmor ausnahmen; auf sie waren die Worte des Dichters anwendbar:

»Hätten Polytheisten sie gesehen, sie wäre vor allen anderen Götzen angebetet worden, und zeigte sie sich im Westen einem Mönch, er verließe sein Gebet im Osten und folgte ihr.«

Dieses wunderschöne Mädchen, deren Reize wir gar nicht zu schildern vermögen, sagte in einem süßen Ton zu dem Jüngling: Was befiehlt mein Herr? Der Jüngling antwortete: Bringe diesen Männern, meinen Gästen, etwas zu essen. Die Sklavin ging weg und kehrte bald wieder mit Hühnern, Reis, Backwerk und Braten, und lud uns zum Essen ein.

»Als wir uns gesättigt und Gott gedankt hatten, – fuhr der eine der Brüder in seiner Erzählung vor dem Polizeipräfekten fort – brachte uns das Mädchen ein goldenes Waschbecken und eine silberne Kanne, welche mit Rosenwasser gefüllt war, und als wir uns gewaschen hatten, brachte sie einen Bündel, welcher fünf Kleider enthielt, die wir anziehen mußten. Der Jüngling hieß uns dann auf die Diwane sitzen, die aber von so feinen Stoffen und so reich ausgeschmückt waren, daß wir sagten. Diese Diwane sind für Könige; es ziemt uns armen Leuten nicht, uns darauf niederzulassen. Aber der Jüngling blickte uns freundlich an und sagte: Nehmet nur Platz und verschwendet nicht so viele Worte. Er wendete sich dann einer anderen Tär zu und rief: Seelenlust! Sogleich trat eine griechische Sklavin aus einem Gemach, so blendend weiß, als käme sie gerade aus dem Paradies; auch sie war in ihrer Art so vollkommen schön, daß wir unmöglich alle ihre Reize schildern können: Am bewundernswertesten war aber ihr schlanker Wuchs, ihr Ebenmaß, ihre würdige und doch zierliche Haltung. Als sie vor dem Jüngling stand, sagte sie. Mein Herr, du hast uns heute lange das Vergnügen deiner Gesellschaft entzogen; wo bleibst du denn so lange? – Ich habe mich bei meinen Gästen hier aufgehalten, antwortete der Jüngling; bringe uns doch etwas zu trinken. Seelenlust entfernte sich einen Augenblick und kehrte dann mit zwei Sklavinnen wieder, welche goldene Kannen, silberne Becher, kristallene Gläser und chinesische Tassen brachten.

»Seelenlust füllte den Becher mit Wein, die Gläser mit allerlei wohlriechenden Blumen und die Tassen mit den ausgesuchtesten trockenen Früchten. Wir waren über diesen Luxus so erstaunt, daß wir uns auf die Finger bissen und dachten: Wachen oder träumen wir? – Hierauf wandte sich der Jüngling nach einer anderen Mir und rief. O Seligkeit! Da erschien ein Mädchen wie der Mond, mit leuchtender Stirne, zartroten Wangen, einem Blick, schneidender als das schärfste Schwert, und einem Wuchs, wie die Zweige des Ban; sie war wie eine Braut geschmückt und hatte eine indische Laute in der Hand. Was wünscht mein Herr? fragte sie den Jüngling. Setze dich antwortete er, und spiele meinen Gästen etwas vor! Da fing sie so schön zu spielen und zu singen an, daß wir glaubten, das ganze Haus müsse mit uns umhertanzen. Nach dieser rief der Jüngling noch vier andere Mädchen, deren jede ein anderes Musikinstrument mitbrachte, und so verging uns ein Abend bei Wein, Gesang und Musik, wie wir noch keinen erlebt hatten. Das Wunderbarste aber war: Als wir uns entfernen wollten, überreichte uns der Jüngling eine goldene und eine silberne Schüssel, mit den besten gekochten Speisen und Früchten für unsere Familie gefüllt, und lud uns auf den folgenden Abend wieder ein. Wir küßten ihm Hände und Füße, dankten für seine Gastfreundschaft und versprachen, wieder zu kommen. Am folgenden Abend nahmen wir die beiden Schüsseln unter das Oberkleid und begaben uns wieder in das Haus des reichen Jünglings. Er nahm uns so freundlich wie am vorigen Tage auf und bewirtete uns wieder auf dieselbe Weise und so folgten noch achtundfünfzig Tage, die wir nie vergessen werden, immer feinere Speisen, bessere Weine und schönere Mädchen, deren Schmuck mehr wert war, als alle Einkünfte Ägyptens. Der junge Mann entfaltete vor uns einen solchen Reichtum, daß wir zuletzt mißtrauisch wurden und dachten, so viel kann nur ein Dieb oder Zauberer besitzen, darum, edler Emir, sind wir hierhergekommen, um dich auf diesen Jüngling aufmerksam zu machen.«

Der Polizeipräfekt ließ sich des Jünglings Haus zeigen, und am folgenden Tag ließ er es von hundert Mamelucken umzingeln, trat mit einem Offizier hinein und forderte ihn auf, ihm zum Sultan, dem König Zaher Beibars, zu folgen. »Recht gern«, antwortete der Jüngling; er schloß seine Wohnung, steckte den Schlüssel ein und ging mit dem Polizeipräfekten hinaus. Unterwegs sagte ihm dieser: »Mache mich mit deinen Verhältnissen bekannt, und sage mir, wie du zu so unermeßlichen Reichtümern gelangt bist, ich werde dir dann vor dem Sultan beistehen.« – »Ich bedarf nur Gottes Beistand«, erwiderte der Jüngling, »ich will meine ganze Lebensgeschichte dem Sultan selbst mitteilen.« – Vor dem Sultan angelangt, begann er also:

»Höre, o mächtiger Sultan, als mein Vater in einem Alter von fünfundsechzig Jahren von einer gefährlichen Krankheit befallen wurde, sagte er zu meiner Mutter: Mutter Djaudars! – So nannte er nämlich meine Mutter, welche außer mir kein Kind gebar – wisse, daß ich dem Tod nahe bin (gepriesen sei der, welcher allein ewig lebt!) und aus dieser vergänglichen Welt scheide, um in eine bessere und ewigdauernde hinüberzuwandern. Ich danke Gott dafür, daß er mich bis zu meinem Tod gesund und rüstig erhalten und mir stets die Mittel gegeben, dich und meinen Sohn Djaudar zu ernähren. Meine Ersparnisse sind leider nicht groß, ich hinterlasse nur hundertundzehn Dinare an Geld; gib hundert Dinare meinem Sohne und zehn Dinare verwende für mein Leichengewand, für Begräbniskosten, Koranlesen und dergleichen. Mein Sohn soll mit den hundert Dinaren irgend einen Handel treiben, um nicht arm zu werden, denn wer in Ägypten kein Geld hat, wird auch für gar nichts geachtet; sollte er aber je arm werden, so treibe er das Fischerhandwerk, es wird ihm Segen bringen, er wird ein Fischernetz in einer Schachtel in meinem Schrank finden.«

»Drei Tage, nachdem er so zu meiner Mutter gesprochen«, – so erzählte der Jüngling – »nahm der Herr seine Seele zu sich; wir trauerten um ihn, beerdigten ihn, und meine Mutter befolgte alles, was er ihr anbefohlen hatte. Sobald ich aber im Besitz der hundert Dinare war, brachte ich einen Tag in Bulak und den anderen auf der Insel Rhoda bei Matrosen zu, arbeitete aber nichts, sondern ließ mir trotz der Warnungen meiner Mutter Ruhe und gute Kost wohl schmecken, so daß nach drei Monaten mir gar nichts mehr übrig blieb. Ich ging zu meiner Mutter und klagte ihr meine Armut und Not. Da sagte sie: Wie oft habe ich dich vor schlechter Gesellschaft gewarnt, du hast mir aber kein Gehör gegeben. – Niemand entgeht eben seinem Verhängnis, versetzte ich; doch was geschehen ist, ist geschehen, gib mir jetzt Geld, daß ich mir etwas zu essen kaufe. – Meine Armut ist nicht geringer als die deinige, erwiderte meine Mutter; ich habe nicht so viel, um ein Laibchen Brot, oder auch nur ein Senfkörnchen dafür zu kaufen, auch habe ich gar nichts in meinem Haus, darum befolge jetzt den Willen deines Vaters und werde Fischer. Ich öffnete die Schachtel, welche mir mein Vater hinterlassen, nahm das Netz heraus, sagte: Wir sind Gottes und kehren einst wieder zu ihm zurück, nahm Abschied von meiner Mutter und ging nach Altkahirah; dort bestieg ich einen Kahn, schiffte im Vertrauen auf Gott mit ausgeworfenem Netz umher, aber so oft ich es heraufzog, war es leer, obschon ich es an verschiedenen Plätzen versuchte, die selten ohne Fische sind. Ich wurde besonders wegen meiner armen Mutter sehr betrübt darüber und weinte mir fast die Augen aus dem Gesicht. Ich legte dann mein Netz zusammen und wollte es den Fischern verkaufen oder verpfänden, aber kein einziger wollte mir etwas dafür geben. Da ich mich noch nicht zum Betteln entschließen konnte, ging ich mit meinem Netz nach einem kleinen See, Karunssee genannt, der manchmal ganz seicht ist. Diesmal fand ich ihn aber bis herauf angefüllt, und er kochte und schäumte wie Wasser in einem über Feuer stehenden Topf. Da dachte ich, vielleicht bin ich hier glücklicher, als am Nil und warf mein Netz aus. Als ich es aber wieder heraufzog, war es mit Steinen und allerlei Unrat gefüllt. Ich reinigte es mit vieler Mühe und warf es wieder aus, fand aber gar nichts darin. Da dachte ich, jetzt versuche ich mein Glück noch einmal, und bringt mir mein Netz auch diesmal keinen Fisch, so gebe ich das Fischerhandwerk auf. Als ich aber das Netz zum dritten Male heraufzog, sprang ein Fisch darin herum, der über drei Pfund schwer war; ich legte das Netz zusammen, brachte den Fisch meiner Mutter und erzählte ihr, wie es mir am Nil so schlecht gegangen, wie ich hingegen am Karunssee ganz unverhofftes Glück hatte. So geht es, mein Sohn, sagte meine Mutter, der Lebensunterhalt wird den Menschen von Gott beschert; auch hat ein sehr weiser Mann gedichtet:

»O Mensch, der du deinen Lebensunterhalt in der Ferne suchst, laß ab von deinen Anstrengungen, denn du erhältst doch nur, was dir bestimmt ist. Die Glücksgüter wenden sich häufig dem zu, der sie gar nicht sucht, während sie den fliehen, der ihnen nachjagt.«

Darum, fuhr meine Mutter fort, darf der Mensch nie den Mut verlieren; Gott vergißt niemanden. Meine Mutter nahm mir dann den Fisch ab, reinigte ihn und ließ ihn braten, wir verzehrten ihn mit vielem Appetit und dankten Gott dafür. Am folgenden Morgen nahm ich wieder mein Netz auf die Schultern und wollte damit nach Bulak gehen, aber meine Mutter sagte mir: Geh lieber wieder an den See Karun, und solltest du auch nur einen Fisch dort fangen, das genügt uns ja, bis uns Gott auf sonst eine Weise hilft, oder uns den Tod sendet. Ich gehorchte meiner Mutter und ging nach dem See Karun und warf daselbst mein Netz aus. Als ich es heraufzog, war es wieder mit Steinen, Knochen und Scherben angefüllt; da dachte ich, welch ein schlimmes Geschick verfolgt mich, ich glaube, daß, wenn ich vom Wasser des Meeres trinken wollte, es sich in Feuer verwandeln, daß, wenn ich am Lauf der Sonne mich freute, sie auf einmal stille stehen, und daß, wenn ich stromabwärts segelte, das Wasser plötzlich seiner Quelle entgegenströmen würde. Ich saß nun eine Weile am Ufer des Sees, die Wange auf meine Hand gestützt, verzweiflungsvoll da, als auf einmal ein Abendländer auf einem Maultier zu mit geritten kam, das so leicht wie ein Spatz daherschoß; die Füße dieses Tieres waren zwar so stark wie die Pfeiler eines Tempels, aber dennoch schien es wie ein Vogel in der Luft zu schweben. Der Abendländer war sehr vornehm gekleidet und sah wie ein Emir aus. Friede sei mit meinem Herrn, dem Pilger!Ein Beiname, der vielen Muselmännern gegeben wird, auch wenn sie nie in Mekka waren. rief er mit zu, als er abgestiegen war. Ich antwortete ihm: Mit dir sei der Friede Gottes, sein Segen und seine Barmherzigkeit! Er fragte mich dann: Warum sitzest du so verzweifelt da? Ist dir jemand gestorben, oder ist eines deiner Schiffe untergegangen? – Keines von beiden, mein Herr Pilger, antwortet ich. Er fragte dann: Bist du nicht Djaudar, der Sohn des Fischers Omar aus Kahirah? Ich sah ihn erstaunt an und sagte: Ja. Er fragte mich dann nochmals, warum ich denn so niedergeschlagen aussehe? Ich klagte ihm meine und meiner Mutter Armut und die schlechte Aussicht, die mir die Fischerei gewährte. Als der Abendländer dies hörte, lachte er, nahm eine seidene Schnur, die, um recht stark zu werden, drei Tage in Kamelmilch eingeweicht war, aus dem Quersack, der auf seinem Maulesel lag, und sagte: Höre mir zu, Djaudar, deine Armut soll bald verschwinden; binde mich mit dieser Schnur und wirf mich in den See, breite dann dein Netz über mich aus, und streue etwas Weißes, das die Fische herbeilockt, hinein, komme ich mit dem Kopf zuerst aus dem Wasser, so wisse, daß ich tot bin, du beerdigst mich dann am Ufer des Sees, und führst mein Maultier auf den Bazar, hüte dich aber, darauf zu reiten, sonst ist es um dich geschehen. Du wirst auf dem Bazar einen erhöhten Punkt zu deiner Linken bemerken, dort sitzt in einem Laden ein Jude, der den größten Schnurrbart auf dem ganzen Bazar hat, nähere dich ihm, und lege deine Hand auf seinen Kopf, er wird sogleich aufstehen, dir den Maulesel abnehmen und einen goldenen Dinar schenken, nimm ihn und geh deines Weges; komme ich aber lebend aus dem See, so sollst du reichlich beschenkt werden. Als der Abendländer so gesprochen hatte, reichte er mir seine Schultern her, woraus ich sah, daß er nicht bloß scherzte, sondern wirklich gebunden sein wollte; ich tat seinen Willen und warf ihn an der Stelle, die er mir bezeichnete, in den See.

Es dauerte nicht lange, so kam des Abendländers Kopf in die Höhe, seine Zähne waren fest zusammengeschlossen und seine Augen erloschen. Ich zog ihn aus dem See und beerdigte ihn am Ufer desselben. Dann machte ich mich auf, nahm mein Netz auf den Rücken und den Zaum des Maulesels in die Hand und führte ihn zu dem Juden, den mir der Abendländer bezeichnet hatte, wofür ich einen Dinar erhielt. Ich ging vergnügt zu meiner Mutter, zeigte ihr meinen Dinar und erzählte ihr, auf welche Weise ich dieses Geld erworben hatte. Sie hörte mir mit Erstaunen zu, und bedauerte den Abendländer, der sich selbst in das Grab gestürzt. Am folgenden Morgen ging ich wieder mit meinem Netz an den See Karun und warf es zweimal aus, ohne etwas zu fangen. Eben wollte ich es zum drittenmal auswerfen, da kam wieder ein Abendländer in einem ebenso reichen Aufzug, wie der erste; sein Maultier hatte eine Decke von grüner Seide über dem Sattel, einen goldenen Zaum im Mund und eine Kette am Hals, an welcher die kostbarsten Edelsteine funkelten. Ich erschrak, als ich ihn sah, und glaubte, er werde den Tod seines Bruders an mir rächen wollen; er grüßte mich und fragte: Bist du Djaudar, der Sohn des Fischers Omar? – Bewahre Gott, mein Herr Pilger, antwortete ich; ich bin nicht Djaudar und weiß nichts von ihm. Kaum hatte ich ihm diese Antwort gegeben, stieg er von seinem Maultier ab, packte mich am Hals, daß ich glaubte, er reiße mir ihn herunter, sein Gesicht war rot, seine Augen sprühten Feuer und seine Lippen waren kohlschwarz. Sagst du mir nicht die Wahrheit, schrie er mich an, so bist du des Todes! Da rief ich: Gnade, mein Herr Pilger, ich bin Djaudar, der Sohn des Fischers Omar aus Kahirah. – Und warum, elender Mensch, sagte er, verleugnest du deinen Namen und deine Abkunft? Bei Gott! Hättest du noch einen Augenblick länger gezögert, mir die Wahrheit zu gestehen, du wärest schon bei den Toten. Doch sage mir jetzt, war nicht gestern ein Abendländer hier, der sich von dir binden und in den See werfen ließ? – Allerdings, mein Herr Pilger, antwortete ich, aber ich bin nicht an seinem Tod schuld, denn er hätte mich getötet, wenn ich nicht seinen Willen getan hätte. Als der Abendländer dies hörte, lächelte er, griff in den Quersack, der auf seinem Maultier lag, und holte eine Schnur hervor, gab sie mir und sagte: Verfahre mit mir wie mit meinem Bruder: Sterbe ich, so bringe auch mein Maultier dem Juden und er wird dir wieder einen Dinar geben. Ich dachte, diese Abendländer scheinen wahnsinnig zu sein, doch bleibt mir nichts übrig, als ihnen zu gehorchen; ich band daher auch diesem Hände und Füße und warf ihn in den See, aber auch er streckte bald einen toten Kopf aus dem Wasser, da warf ich mein Netz aus, zog ihn ans Ufer und beerdigte ihn, Dann brachte ich sein Maultier dem Juden, der mir wieder einen Dinar schenkte, worauf ich zu meiner Mutter zurückkehrte. Am dritten Tag; wollte ich an den Nil gehen, aber mein Füße trugen mich ganz unwillkürlich wieder an den See Karun. Ich warf mein Netz dreimal ins Wasser und zog es jedesmal leer herauf; da legte ich es zusammen und wollte weggehen, als wieder ein Abendländer auf einem Maulesel auf mich zuritt, mich freundlich grüßte und fragte, ob ich nicht der Fischer Djaudar wäre? Als ich seine Frage bejahte, fragte er mich, ob nicht seine beiden Brüder in diesem See ertrunken wären? Ich fing an zu zittern und blaß zu werden und wußte nicht, was ich antworten sollte. Als er meine Verlegenheit bemerkte, sagte er: Verhehle mir nur die Wahrheit nicht, dann hast du nichts von mir zu befürchten.

»Als ich dem Abendländer hierauf alles, wie es sich zugetragen hatte, erzählte, sagte er lachend: Bei dem, der Tag und Nacht, Luft und Wasser geschaffen, der die Toten belebt und Lebenden tötet! Hättest du einen meiner Brüder lebendig aus dem Wasser gezogen, so flöge jetzt dein Kopf von deinem Hals herunter. Er griff dann auch nach dem Quersack, zog eine rote seidene Schnur heraus und fuhr fort: Binde jetzt auch mir Hände und Füße und verfahre mit mir, wie mit meinen Brüdern, finde ich aber auch den Tod in diesem See, so hüte dich wohl, mein Maultier dem Juden zu bringen, sonst stirbst du, ohne daß irgend ein Mensch deinen Tod erfährt, sondern nimm es mit in dein Haus, es wird, sobald die Nacht heranbricht, jemand an die Tür klopfen und rufen: Djaudar, gib mir das Maultier des Abendländers Mahmud. Diesem Mann gibst du mein Maultier, er wird dir einen Beutel mit tausend Dinaren schenken. Lasse dir es dann wohl sein und gräme dich nicht über meinen und meiner Brüder Tod. Ich dachte, dieser ist noch der beste der drei Brüder, aber nicht minder wahnsinnig als sie. Ich nahm dann die Schnur in die Hand, band ihn und warf ihn in den See, und siehe da, er streckte nicht wie seine beiden Brüder den Kopf, sondern die Hände aus dem Wasser, und hatte in der rechten Hand einen roten und in der linken Hand einen schwarzen Fisch, und rief: Djaudar, deine Trommel hat geschlagen (dein Glücksstern ist aufgegangen), denn ich habe mein Ziel erreicht. Ich zog ihn schnell mit dem Netz ans Land, und er lief nach dem Maultier, zog eine rote korallene Büchse aus dem Quersack und steckte den roten Fisch hinein, dann eine schwarze, in welche er den schwarzen Fisch sperrte; beide Fische aber waren kaum in den Büchsen, als der eine zu einer roten und der andere zu einer schwarzen Flüssigkeit wurde. Wir sind und bleiben nun Freunde, sagte er, nachdem er die Büchsen wieder in den Quersack gesteckt hatte, hier hast du hundert Dinare für deine Mutter, bringe sie ihr schnell und kehre wieder hierher zurück. Als ich nach einigen Stunden wieder an den See kam, stieg der Abendländer auf sein Maultier und hieß mich hinter ihn sitzen, ich stieg auf und das Maultier flog wie ein Vogel mit uns nach dem Berg Mukattam. Hier angelangt, sagte mir der Abendländer: Wisse, Djaudar, daß ich nur durch dich zu meinem Ziel gelangen kann, darum darfst du mich nicht verlassen, du wirst gewiß Ansehen und Reichtümer erlangen. Als ich ihm versprach, bei ihm zu bleiben, so lange er meiner bedürfe, band er den Maulesel an, breitete einen Teppich auf die Erde und holte aus dem Quersack einige Speisen heraus. Nach der Mahlzeit bat ich ihn, mich doch über den Tod seiner beiden Brüder und über die zwei wunderbaren Fische, die er gefangen, ein wenig aufzuklären. Da hob er an: Wisse, Djaudar, mein Name ist Mahmud, ich bin aus der Stadt Tunis und hatte daselbst einen Lehrer, der mich in die geheimsten Künste der Zauberei einweihte. Als er ein Alter von dreihundert Jahren erreichte, schenkte er mir ein Buch, welchem tausend Geister unterworfen sind, und sagte mir: Bewahre dieses Buch wohl, denn es haben Könige, Priester und Zauberer mich darum beneidet, weil man durch es alle seine Wünsche befriedigen kann. Wenn du etwas brauchst, so rufe nur: Geflügelter Sandja! Er wird dir ein Geist erscheinen, der dir bringt, was du begehrst, und läge es im siebenten Meer hinter dem Berg Kaf. Ich freute mich sehr mit einem so wertvollen Geschenk, und zeigte in meiner Freude das Buch meinen Brüdern, den beiden Männern, die in dem See ertranken. Aber diese beneideten mich und trachteten danach, mich desselben zu berauben. Eines Tages, als ich das Buch in Anwesenheit meiner Brüder erproben wollte, rief ich: Geflügelter Sandja! Da stieg ein Rauch aus dem Buch gen Himmel, der sich nach und nach zusammenzog und eine ungeheure menschliche Gestalt bildete mit drei Flügeln, einen an jeder Seite und einen mitten auf dem Rücken. Dieses wunderbare Wesen sagte: Hier bin ich, was befiehlt mein Herr? – Ich möchte mit meinen Brüdern, antwortete ich, eine kleine Lustreise nach dem Korallenberg machen, bringe uns schnell dorthin! – Sehr gern, sagte er, breitete seine drei Flügel aus, nahm mich auf seinen Rückenflügel und meine beiden Brüder auf seine Seitenflügel, und setzte uns nach einem raschen Flug durch die Luft auf den Korallenberg. Hier angelangt, fragte ich Sandja, was wohl hinter diesem Berg läge? Er antwortete: Mein Herr, hinter diesem Berg liegt das Gazellental und die Insel des Königs Numan, des Amalekiten, welche der Ozean mit seinen Wellen umspült. – So führe uns in dieses Tal, sagte ich, und stieg abermals auf seinen Rücken, während meine beiden Brüder sich auf seine beiden Seitenflügel setzten. Sandja schwang seine Flügel und brachte uns in ein Tal, dessen Boden wie die allerfeinste Baumwolle aussah und reinsten Moschusduft verbreitete. Mitten durch das Tal schlängelte sich ein Bach, dessen Wasser frischer als Schnee und süßer als Honig war. An den Ufern dieses Baches blühten Lilien, Kamillen, Narzissen und Jasmine. Wir gingen das Ufer dieses Baches entlang spazieren, bis wir an einen ungeheuer großen Nußbaum kamen, der so groß war, daß er recht gut hundert Reiter in seinem Schatten aufnehmen konnte. Da sagte Sandja: Steiget auf diesen Baum, da könnt ihr auf die reizende Insel des Königs Numan herabsehen. Wir freuten uns, einen Blick auf diese so berühmte Insel werfen zu können, und kletterten auf den Nußbaum, bis die Insel in ihrer ganzen Länge und Breite mit allen ihren Städten und Dörfern, Bergen und Tälern, Wäldern und Gärten vor uns ausgedehnt lag. Als wir uns nach allen Seiten umgesehen hatten und wieder herabsteigen wollten, sahen wir, wie ein roter Fisch, so groß wie ein Kamel, aus dem Meer, das die Insel umgibt, in den Bach schwamm, der nicht weit unter dem Nußbaum sich ins Meer ergießt, und in unserer Nähe in der Gestalt einer schönen Jungfrau ans Land stieg. Sie näherte sich immer mehr dem Nußbaum, und mit jedem Schritt mußten wir ihre Reize mehr bewundern, Sie hatte babylonische Augen, über welche sich Augenbrauen wie ein Bogen wölbten. Ihre Stirne leuchtet wie der Mond, ihre Wangen schienen Rosen zu sein, ihre Lippen ein Labsal für jeden Kranken, ihre Haare, schwärzer als die Nacht und feiner als Seide, hingen bis auf die Erde herab. Ihr Anblick bezauberte uns so sehr, daß wir vor Entzücken beinahe vom Baum fielen.

Die Jungfrau hatte kaum das Land betreten, da rief sie mit einer tief ins Herz dringenden Stimme: O Königssonne! Da kam ein grüner Fisch den Bach heraufgeschwommen, stieg in ihrer Nähe ans Land, warf seine Fischhülle ab, und es zeigte sich uns eine Jungfrau mit so feinen Gesichtszügen, so schlankem Wuchs und so zarten Hüften, daß wir die erste ganz vergaßen und ihr allein unsere Bewunderung und Liebe schenkten. Mein Herz ist mir heute so schwer, teure Königssonne, sagte die erste Jungfrau zur zweiten, daß ich mich in diesem lieblichen Tale ein wenig mit meinen Gespielinnen zerstreuen möchte. Sie rief dann: Augenperle! Und siehe da! Es kam ein gelber Fisch herangeschwommen, der, sobald er ans Ufer sprang, sich auch wieder in eine Jungfrau verwandelte, welche die beiden ersten noch an Schönheit übertraf; neben ihr mußte der Mond erbleichen und die Sonne schien eine ihrer Dienerinnen zu sein. Wer sie sah, mußte ausrufen: Hier ist die Schwester des frommen schönen Josef! Und so rief sie eine Jungfrau nach der anderen herbei, bis ihrer vierzehn beisammen waren, von denen immer die letzte die ersteren verdunkelte. Vor Liebe und Entzücken ganz außer mir, rief ich Sandja, und als er erschien und mich fragte, was ich befehle, sagte ich ihm: Da du doch über tausend abtrünnige Geister gebietest, so bemächtige dich dieser schönen Jungfrauen und trage sie in mein Haus, daß ich an ihren Reizen mich ergötze. – Ich gehorche deinem Befehl, sagte Sandja und verschwand. Aber er kehrte bald, blaß und zitternd wie ein schwaches Rohr beim Sturmwind, wieder und sagte: Wisse, mein Herr, ich wollte nach deinem Befehl mit meinen Geistern über die Mädchen herfallen, da schossen drei Lichtsäulen gegen mich heran, die mich zu verzehren drohten und denen ich nur mit der größten Mühe entkam. Ich sandte dann einige andere Geister gegen sie; aber sie kehrten alle mit verstörtem Angesicht zurück und erklärten, daß sie gegen diese Mädchen nichts vermögen. Ich sah nun den Jungfrauen zu, wie sie miteinander spielten und dann wieder ihr Fischgewand anzogen und nach ihrer Insel zurückschwammen. Als sie meinen Augen entschwunden waren, rief ich Sandja und befahl ihm, mich nach Tunis zu tragen. Er war aber noch so erschöpft von seinem Kampf gegen die Genien, welche die Mädchen beschützten, daß er mich bat, ihm noch einige Augenblicke der Ruhe zu gönnen. Da sagten meine Brüder: Nun, so laß auch uns indessen ein wenig unter diesem Baum schlafen, bis Sandja zur Reise gestärkt ist. Sie legten sich dann unter den Baum und stellten sich bald, als schliefen sie ein. Als ich dies sah, dachte ich: Nun kann auch ich ohne Furcht, daß mir mein Buch genommen werde, ein wenig schlafen. Sobald ich aber einschlief, standen meine Brüder auf, beschworen zwei Geister herbei und befahlen ihnen, das Buch, das in einem roten seidenen Beutel, an einer goldenen Kette befestigt, um meinem Hals hing, zu nehmen und es ihnen zu bringen.

Die beiden Geister zogen mir die Kette vom Hals und trugen meine Brüder nach Tunis, aber verschwanden dann mit dem Buch, so daß meine Brüder ausriefen: Wehe uns, nun haben wir gar nichts für unseren Verrat an unserem Bruder, und kein Geist wird ihn mehr in seine Heimat zurücktragen. Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!

Das ist's, was meine Brüder angeht. Was aber mich betrifft, so schlief ich noch eine Weile fort, und als ich erwachte und nach meinem Buch griff, fand ich es nicht mehr. Ich rief dreimal Sandja; aber er erschien nicht. Da ich auch meine Brüder nicht mehr sah, so zweifelte ich nicht, daß sie mir das Buch gestohlen, und rief: Wir sind Gottes und kehren einst zu ihm zurück. Was Gott will, das geschieht, und was unser Herr nicht will, das geschieht nicht! Dann dachte ich: Hätten sie mir nur das Buch in Tunis gestohlen, wäre ich doch wenigstens in meiner Heimat gewesen! Aber jetzt? Was fange ich in diesem fremden Land an? Doch machte ich mich auf und ging im Vertrauen auf den einzigen Gott dem Bache nach, bis ich an einen sehr hohen, schwarzen Berg kam, aus welchem dieser Bach entsprang. Ich ging nun drei Tage am Fuße des Berges fort, der überall sich so steil erhob, daß ich ihn unmöglich besteigen konnte. Am vierten Tag erst entdeckte ich einen schmalen Pfad, der auf den Berg führte, und ich entschloß mich, ihn zu betreten, denn ich dachte: Wohnte nicht jemand auf diesem Berg, so würde kein Weg hinauf führen. Ich hatte mich auch nicht getäuscht, denn als ich ein paar Stunden lang gestiegen war, kam ich vor ein Kloster, das eine eiserne Mauer mit einer messingenen Pforte umgab. Ich klopfte leise an, und sogleich rief mir jemand zu: Willkommen! Sei ohne Furcht, du wirst dein Ziel erreichen und deine Feinde zuschanden machen. Ein kohlschwarzer Sklave öffnete mir dann die Tür und hieß mich hereintreten. Dieser Sklave sah aber so schauerlich aus, daß ich mich fürchtete, ihm zu folgen. Da er merkte, daß ich ihm nicht traute, ging er ins Kloster zurück, kam aber bald wieder und sagte mir: Mein Herr, der Besitzer des Klosters, sendet mich zu dir, um dir zu sagen, daß, wenn du der Abendländer Mahmud aus Tunis bist, du ihm höchst willkommen seist; bist du aber auch ein anderer und bedarfst seiner, dann kannst du auch auf seinen Beistand zählen. Ich antwortete: Ich bin der Abendländer Mahmud, und folgte ihm ins Innere des Klosters in ein reich ausgestattetes Gemach, wo auf einem seidenen Divan ein alter Mann saß mit einem grauen Bart, der bis zu den Füßen herabhing; er sah aber trotz seines hohen Alters doch noch so rüstig wie ein reißender Löwe aus, und seine Stimme hatte noch die Kraft des Donners. Ich küßte ihm die Hand und grüßte ihn ehrfurchtsvoll; er erwiderte meinen Gruß und befahl dem Sklaven, mir einige Speisen zu bringen. Als der Sklave ein Tischchen mit den schmackhaftesten Speisen beladen vor mich stellte, sagte mir der Alte: Ich weiß, daß du mehrere Tage nichts gegessen hast, darum labe dich an diesen Speisen. Während des Essens fuhr er dann fort: Ich weiß deine ganze Geschichte, ehe du sie mir erzählst; deine Brüder haben dich um dein Buch gebracht; du aber denkst mehr an die schönen Mädchen, die du im Gazellental gesehen, als an den Verlust deines Buches. Wisse, Mahmud, diese Mädchen, welche ein Leckerbissen für Sultane und Kaiser wären, haben bisher alle Menschen und Genien, die bei ihrem Vater Numan, dem Herrn der Rabeninsel, um sie warben, abgewiesen, denn sie folgen in allem dem Rat des Priesters Ansarut, der bei ihrem Vater im höchsten Ansehen steht. Ansarut ist ein sehr berühmter Arzt und Zauberer, welcher drei Tage bei den Genien und drei Tage bei dem König Numan zuzubringen pflegt. Eines Tages, als er von den Genien zurückkehrte, trat ihm Numan bestürzt entgegen und sagte ihm, alle seine Töchter lägen krank darnieder, er möchte sie doch schnell besuchen. Ansarut besuchte mit mehreren Dienern eine nach der anderen, verordnete einiges und kam lächelnd wieder zu Numan und sagte ihm: Deine Töchter werden wieder genesen, sobald sie ein wenig von dieser Insel, auf der eine fortwährende Seeluft weht, sich entfernen; ich werde dafür sorgen, daß sie auf angenehme Weise sich zuweilen auf das feste Land begeben können. Er verließ dann den König und ließ einen Fischer rufen und befahl ihm, die Haut von fünfzehn großen Fischen zu bringen. Sobald der Fischer die Häute brachte, schrieb er auf die innere Seite derselben allerlei heilige Namen, welche diesen Häuten die Tugend verliehen, wie lebendige Fische im Meer nach jeder Richtung zu schwimmen, welche der von ihnen Umhüllte ihnen zu geben wünscht. Am folgenden Tag gab er jeder Prinzessin in Anwesenheit des Königs eine solche Haut; die fünfzehnte Haut aber gab er seinem Sohn Didakam und befahl ihm, die Mädchen nach dem Gazellental zu begleiten. Dem König sagte er dann: Sei frohen Mutes und vertraue mir; was deinen Töchtern Schlimmes widerfährt, trifft auch meinen Sohn, der, wie du wohl weißt, mir ebenso teuer ist, wie dir deine Töchter sind. – Tue, was du für heilsam hältst, erwiderte der König. Darauf befahl Ansarut seinem Sohn, mit seinen Prinzessinnen ins Meer zu steigen und ins Gazellental zu schwimmen, dessen Luft sie bald wieder herstellen würde. Denn dort, sagte er, sind sie sicher vor Menschen und vor Genien; auch schützen euch die heiligen Namen, die in die Haut geschrieben, gegen Menschen wie gegen Genien, die Wellen des Meers fliehen, die Berge ebnen sich und die Bäume verbeugen sich vor ihnen. Didakam stieg hierauf mit den Prinzessinnen ins Meer, und sie schwammen wie natürliche Fische ins Gazellental bis an den großen Nußbaum hin. Dort stiegen sie ans Land und brachten den ganzen Tag im Tal zu, und schon am ersten Abend fand sie ihr Vater, als sie wieder heimkehrten, so gestärkt und wohl aussehend, daß er Ansarut und seinem Sohn ein Ehrenkleid schenkte.

Seither kommen die Prinzessinnen jeden Tag in das Gazellental und spielen miteinander in der Nähe des Baumes, auf dem du dich mit deinen Brüdern befandest. Doch schlage dir jetzt die Mädchen aus dem Kopf und denke zunächst daran, wieder in den Besitz deines Buches zu gelangen, und das kannst du nur mit Hilfe deines Lehrers in Tunis; darum werde ich dafür sorgen, daß du noch diese Nacht dahin gebracht werdest. Grüße nur deinen verehrten Lehrer vielmal von mir und sage ihm, der Priester Sanuda, Herr des eisernen Klosters mit der messingnen Pforte, sehne sich sehr nach ihm. Schon wartet hier, fuhr Sanuda fort, ein Geist, den mir dein Lehrer mit einem Brief gesandt, in welchem er mir anzeigte, was dir widerfahren, und der beauftragt ist, dich nach Tunis zu tragen. Sei aber nur auf deiner Hut: Dieser Geist ist ein wahrer Satan; er kann sich so klein wie ein gewöhnlicher Menschenarm, und so groß wie der höchste Dattelbaum machen; er fliegt wie ein Vogel, und sein Hauch verbrennt die Erde, an der er vorüberfliegt. Fällst du von seinem Rücken herunter, so zerfließest du wie heißes Blei; nimm dich also wohl in acht! Er rief dann diesen Geist und setzte mich auf seinen Rücken; ich nahm Abschied vom Priester, und der Geist flog mit mir einige Stunden lang zwischen Himmel und Erde und ließ sich mit mir vor der Tür meines Lehrers Abul Adjaib (der Wundervater) in Tunis herab. Als ich den Fuß auf die Erde setzte, hörte ich, wie mein Lehrer seinen Jungen sagte: Geht hinaus und bewillkommt Mahmud in meinem Namen und führet ihn herein!

Die schönen Töchter des Königs Numan hätten dir beinahe das Leben gekostet, sagte mir mein Lehrer lächelnd, als ich zu ihm ins Zimmer trat; aber auch deinen Brüdern ist diese Lustreise schlecht bekommen, denn die Geister haben sie überlistet, so wie sie dich überlisten wollten; sie haben das Buch in die Adlerschlucht gebracht, zu weicher niemand gelangt, der nicht durch die sieben Pforten hinter dem Berg Mukattam dringt; sie haben es in eine messingne Kiste neben das Zauberschwert gelegt, welches der Priester Sintbest mit Talismanen beschrieben. Dieser Priester hat die Zauberkunst von einer Tochter Satichs, des Meisters aller Zauberer, gelernt und es dahin gebracht, daß er mit seinem Schwert, vermöge der darauf geschriebenen Beschwörungsformeln, gegen die mächtigsten Könige und zahlreichsten Heere glücklich kämpfte; auch unterwarf er sich so viele Länder und Städte, daß nur Gott ihre Zahl kennt. Aber nicht nur Menschen, sondern auch Genien fürchteten dieses Schwert; denn wenn er gegen jemanden zürnte, so durfte er es nur gegen ihn erheben, da fuhr ein Lichtstrahl heraus, der ihn in zwei Teile teilte und sogleich in einen Haufen Asche verwandelte. Waren ihrer viele gegen ihn, so durfte er nur einen mit dem Schwert berühren, und alle stürzten leblos zur Erde. Eines Tages aber besuchte ihn seine Lehrerin, die Tochter Satichs, welche auch viel von der Macht dieses Zauberschwertes gehört hatte, und sagte ihm: Verehrter König, zeige mir doch einmal das Schwert, das so viele Wunder übt, daß man es in der ganzen Welt fürchtet. – Da ich dir alles verdanke, erwiderte Sintbest, kann ich dir nichts versagen, und reichte ihr das Schwert hin. Die Tochter Satichs nahm es in die Hand und betrachtete es auf allen Seiten. Nach einigem Nachdenken sagte sie ihm: Teurer König! Dieses Schwert, dessen Verfertigung dir so viel Mühe und schlaflose Nächte verursachte, wird einst in die Hände eines Menschen fallen, der dadurch die höchste Stufe von Macht und Ansehen erreichen wird. Die mächtigsten Genienhäupter werden von ihm getötet werden; auch wird er damit den uralten Baum des Magiers Bahram abhauen. Als Sintbest dies hörte, legte er das Schwert in eine smaragdene Scheide und befahl einem Djinn, es nach der Adlerschlucht zu tragen. Dort, sagte er, wird es kein Mensch holen. Sintbest irrte sich aber, fuhr Abul Adjaib fort, denn ich habe in meinem Weisheitsbuch gelesen, daß die Adlerschlucht sich einst vor dir mit Hilfe eines Fischers aus Ägypten, welcher Djaudar heißt, öffnen wird, und daß du Herr des Schwertes und des Buches wirst. Den Fischer Djaudar aber triffst du vor einem kleinen See bei Kahirah, welcher der See Karun heißt. Mein Lehrer ging dann in sein Arbeitszimmer, holte eine schwarze und eine rote Büchse und eine seidene Schnur und sagte: Geh' nach Ägypten an den See Karun, lasse dich vom Fischer Djaudar binden und in den See werfen; du wirst im See einen Mann mit einem weißen Bart und einem hohen Turban auf dem Haupt sehen, der in der einen Hand einen roten und in der anderen einen schwarzen Fisch hält und sie dir hinreicht, sobald er dich erblickt; nimm sie ihm ab, steige ans Ufer und sperre den roten Fisch in die rote Büchse und den schwarzen in die schwarze. Laß dann Djaudar mit dir nach dem Berg Mukattam reiten, wende dich nach Osten bis zu einem roten Hügel, zünde dann Feuer an, nimm ungefähr die Schwere eines Drachmen aus der roten Büchse und gieße es ins Feuer, da wird ein Licht aufsteigen bis zum Himmel und dir eine Falltür mit zwei Ringen, die zu einem unterirdischen Gang führt, zeigen. Fasse die Ringe und hebe die Falltür auf, da wird eine steinerne Treppe zum Vorschein kommen; gehe mit Djaudar diese Treppe hinunter, auf der einunddreißigsten Stufe werdet ihr einen Gang vor euch sehen, dessen Boden von Blei und dessen Wände von Kupfer sind. Geht durch diesen Gang, da kommt ihr an die Tür eines Saales, vor welcher eine Jungfrau sitzt, so schön, wie ihr noch keine in eurem Leben gesehen; sie wird in einem Buch lesen und bei eurer Ankunft aufstehen und das Buch in einen roten Beutel stecken; dann wird sie euch bei euren Namen rufen und euch bewillkommnend die Hand hinstrecken. Wenn ihr aber ihre Hand ergreifet, so wird der Boden unter euch zu kochen anfangen, und ihr befindet euch in glühend schmelzendem Blei, das euch das Fleisch von den Knochen abbrennen wird. Statt ihr die Hand zu reichen, nimm schnell ungefähr die Schwere eines Drachmen aus der roten Büchse und spritze es gegen die Mauer, da wird euch die Jungfrau durch den Saal lassen, den sie bewacht. Hierauf gelangt ihr in einen marmornen Gang, an dessen Ende wieder eine Jungfrau vor einer Tür sitzt, noch schöner als die erste. Sobald sie euch erblickt, wird sie aufstehen und euch zurufen; Mahmud aus Tunis und Fischer Djaudar aus Kahirah, seid mir willkommen! Erwidert ihren Gruß und befreundet euch mit ihr, denn sie meint es gut mit euch und wird euch treu zur Seite stehen, bis ihr euch des Schwertes und des Buches bemeistert habt; ich gebe euch daher keine weiteren Verhaltungsbefehle, denn ihr könnt und müßt ohne Bedenken alles tun, was euch diese Jungfrau befiehlt. Wisse auch, Mahmud, fügte noch mein Lehrer hinzu, deine Brüder haben an der Tür alles gehört, was ich dir bisher gesagt, und lassen sich in diesem Augenblick von zwei Geistern nach Ägypten bringen, denn sie glauben, wenn sie das befolgen, was ich dir anempfohlen habe, statt deiner sich das Schwert und das Buch zueignen zu können; aber sowie sie in den See Karun steigen, werden sie von den Genien des Sees getötet, doch nur Gott ist allwissend! Nach diesen Worten rief mein Lehrer den Geist, der mich von dem Kloster nach Tunis gebracht hatte, und befahl ihm, mich nach Ägypten zu tragen. Der Geist breitete sogleich seine Flügel aus und trug mich bis in die Nähe des Sees Karun; dann verschwand er und brachte mir eine Djinn in der Gestalt eines Maultiers und setzte mich darauf. Dieses Maultier trug mich mit Blitzesschnelligkeit zu dir, teurer Djaudar. Das ist alles, was ich dir über mein Vorhaben zu erzählen weiß.

»Als Mahmud seine wunderbare Geschichte vollendet hatte, faßte ich Mut und zweifelte nicht an einem glücklichen Ausgang für ihn und für mich. Nachdem er noch manches über Genien und Zauberer mitteilte, schliefen wir ein, und am folgenden Morgen wendeten wir uns nach Osten, bis wir an einen roten Hügel gelangten. Mahmud war außer sich vor Freude, als er ihn erblickte, und sagte mir, Djaudar, jetzt sind wir an der von meinem Lehrer mir bezeichneten Stelle. Er nahm dann ein Feuerzeug aus der Tasche, zündete Feuer an, goß einen Drachmen aus der roten Büchse darauf, und siehe da, es stieg eine große Lichtsäule gen Himmel auf, welche uns eine Falltür mit zwei Ringen zeigte. Sie öffnete sich, sobald Mahmud den Ring anfaßte, und wir gingen dreißig Stufen hinunter, dann kamen wir in einen Gang und fanden eine Jungfrau, wie sie Abul Adjaib beschrieben; sie grüßte uns und streckte die Hand nach uns aus, aber Mahmud, statt ihr die Hand zu reichen, griff schnell nach der roten Büchse und spritzte etwas daraus gegen die Mauer, da stürzte die Jungfrau um, und wir gingen durch einen leeren Saal in einen marmornen Gang, an dessen Ende eine Jungfrau, wie der Mond in der vierzehnten Nacht, auf einem goldenen Stuhl saß. Sobald sie uns erblickte, stand sie auf und sagte mit einer Zephyrstimme, welche jedem Kranken die Gesundheit wiedergeben müßte: Willkommen, mein Herr Mahmud aus Tunis und mein Herr Djaudar aus Kahirah! Gelobt sei der Herr, der mich durch euch erlöst. Ich schmachte hier schon zwanzig Jahre, und sah euch schon mehrere Nächte im Traum so, wie ihr jetzt vor mir steht; auch ist mir eure Ankunft prophezeit worden. Doch werdet ihr wissen wollen, wer ich bin und wie ich hierhergekommen, darum höret mich an, ehe ich euch weiter führe. Ich bin die Tochter des Königs Sasan, Herr des Luftberges und des goldenen Schlosses, und heiße Heifa. Mein Vater war einer der tapfersten Könige seiner Zeit, er war immer der Erste im Krieg, obschon unzählbare Armeen für ihn fochten. Da er aber außer mir kein Kind hatte, wurde ich als Kriegerin erzogen und ich zeichnete mich bald durch so glänzende Waffentaten aus, daß unsere ganze Armee mich nicht weniger als meinen Vater verehrte. Bald wurde mein Name sowohl durch meine Tapferkeit als wegen meiner Schönheit so bekannt, daß die entferntesten Könige und Prinzen um mich warben, Da ich aber keine Lust zu heiraten hatte, mußte ich gegen manchen beleidigten Werber ins Feld ziehen. Eines Tages kam ein Bote mit einem Brief zu meinem Vater, welcher folgendermaßen lautete: Von dem König Sintbest, dem höchsten König seiner Zeit! Wisse, König Sasan, daß ich so viel von der Tapferkeit und Schönheit deiner Tochter gehört habe, daß ich sie liebe, ohne sie je gesehen zu haben, und sie daher von dir zur Gattin fordere. Ich hoffe, du wirst einen Schwiegersohn meinesgleichen nicht verschmähen, Fordere, welche Morgengabe du willst, antworte mir nur bald und sei von mir gegrüßt.

»Als mein Vater diesen Brief gelesen hatte, kam er mit dem Boten zu mir und las mir ihn vor. Da sagte ich: Laß mich einmal den Brief sehen. Als er mir aber den Brief gab, zerriß ich ihn und zog mein Schwert gegen den Boten, und wäre er nicht schnell geflohen, so hätte ich ihm den Kopf vom Hals gehauen. Der Bote kehrte zu Sintbest zurück und erzählte ihm, wie er von mir behandelt worden. Sintbest rief sogleich den Geist Dilhudj und befahl ihm, mich im Augenblick aus meinem väterlichen Haus zu ihm zu führen. Ich saß gerade allein in meinem Zimmer, als Dilhudj, der so groß war wie der höchste Dattelbaum, auf mich losstürzte, und ehe ich mich faßte hatte er mich schon auf dem Rücken und flog mit mir zum König Sintbest. Dieser schrie mich an: Wie wagtest du es, elende Dirne, meinen Brief zu zerreißen und meinen Boten zu mißhandeln? Weißt du nicht, daß die mächtigsten Könige sich vor mir beugen, und daß selbst Genienhäupter mich fürchten? Als ich mich aber entschleierte und er mein Gesicht sah, fuhr er in einem sanfteren Ton fort: Doch ich verzeihe dir, wenn du meine Liebe erwidern und meine Gattin werden willst. – Lieber lasse ich mich in Stücke hauen, versetzte ich, als daß ich deine Umarmung dulde. Als er dies hörte, schlug er die Zähne übereinander und befahl Dilhudj, der noch immer an der Tär stand, mich nach der Adlerschlucht zu tragen. Ich bin nun schon zwanzig Jahre hierher gebannt, und der Geist Dilhudj bringt mir jeden Tag meine Nahrung. Ich hatte schon alle Hoffnung verloren, je wieder meine Freiheit zu erlangen, als vor zehn Tagen mir im Traum ein alter Mann von sehr ehrwürdigem Aussehen erschien, der mir zurief: Freue dich, Heifa, die Stunde der Erlösung ist nahe, der Tyrann Sintbest liegt in den letzten Zügen, du kannst bald in deine Heimat zurückkehren und den Thron deines Vaters, der schon längst tot ist, besteigen. Habe nur noch Geduld, bis zwei Männer hierherkommen; der eine heißt Mahmud aus Tunis und der andere Djaudar aus Kahirah, und stehe ihnen bei, daß sie in den Besitz des Zauberschwertes und des heiligen Buches gelangen, sie werden dann auch dich in deine Heimat zurückbringen. Nun wißt ihr, wer ich bin, folget mir jetzt und tut, was ich euch rate. Bei diesen Worten zog sie einen goldenen Schlüssel aus einer Tasche und öffnete den Saal, vor welchem sie saß. Er war ungeheuer groß und ringsum mit Divanen belegt, auf welchen Könige saßen mit Kronen von den kostbarsten Edelsteinen auf dem Haupt. Jeder hatte eine goldene Kette um den Hals, an welcher eine silberne beschriebene Tafel hing. Wie kommen so viele Könige hierher? fragte ich Heifa erstaunt, leben sie oder sind sie tot? – Du siehst hier nur Leichen, antwortete Heifa (gepriesen sei Gott, der allein Unsterbliche!), es sind Könige, Söhne von Königen, denen sogar Könige als Sklaven dienten. In der Mitte des Saales war ein Springbrunnen mit vier goldenen Löwen, über welche sich vier Pfauen aus Perlen und Edelsteinen erhoben, und den Löwen gegenüber standen vier messingene Statuen, deren jede eine Trompete an den Mund hielt. Neben diesen Statuen befanden sich vier griechische Sklavinnen mit Tamburinen aus Gazellenhaut und vier Fränkinnen mit Lauten. Die Mädchen sahen aber so frisch aus, daß man sie für lebendig hielt und glaubte, sie müßten sprechen. Um den Springbrunnen herum standen Stühle, auf denen Könige saßen, aber ein schönerer und höherer Stuhl stand leer da. Dies ist der Stuhl des Königs Sintbest, sagte Heifa und bat mich, darauf Platz zu nehmen. Sobald ich mich niederließ, drehten sich die Löwen dreimal im Ring herum, standen auf, wedelten, streichelten und leckten mich, die Pfauen sperrten den Schnabel auf und verbreiteten die feinsten Wohlgerüche aus ihrem Mund, die messingenen Statuen verbeugten sich und die Sklavinnen fingen an auf ihren Instrumenten zu spielen. Ich blieb sitzen und hörte ihnen zu, bis Heifa zu mir sagte: Wenn du tausend Jahre auf diesem Stuhl bleibst, werden die Mädchen nicht aufhören zu spielen; sie werden nicht müde, denn sie leben nicht und bewegen sich durch eine Zauberkraft, welche Sintbest, der sie hervorgerufen, überdauert. Als ich dies hörte, stand ich wieder auf und näherte mich der Tafel, welche am Hals eines der Könige hing.

»Auf der Tafel des Königs stand: Wanderer, der du einst hierher gelangst, wisse, daß ich, der mächtige König Alexander, von dem Zauberer Sintbest besiegt worden bin. Nimm dir ein Beispiel an mir und an anderen Königen, die gleich mir vom Gipfel der Macht in die tiefste Erniedrigung gefallen sind. Wisse, ich habe hundert Jungfrauen geheiratet, die mir zweihundert Söhne gebaren. Ich war Herr über zwanzig Hauptstädte, für deren jede ich einen Vizekönig ernannte. Meine Armee war unzählbar, meine Schatzkammern waren mit Gold, Perlen und Edelsteinen und den feinsten Stoffen angefüllt; aber zuletzt kam derjenige, welcher jede Freude zernichtet, jede Vereinigung auflöst und so viele Söhne und Töchter zu Waisen macht, der Tod, und verwüstete unsere Paläste. Darunter standen noch folgende Verse:

»O Erdensohn, laß dich nicht blenden vom trügerischen Glanz der Welt, wie manchen Hohen hat sie schon erniedrigt, wie manchen Starken geschwächt, wie manche Paläste verödet, und wie manches Grab ausgefüllt. Sie sendet dem Freudigen plötzliche Trauer, füllt auf einmal die Augen des Lachenden mit Tränen und trennt die Freunde, wenn ihre Vereinigung sie am glücklichsten macht.«

»Diese Verse rührten uns zu Tränen und griffen mich so sehr an, daß ich die übrigen Tafeln nicht mehr lesen wollte, sondern Heifa bat, uns weiter zu führen. Sie öffnete eine Tür gegenüber derjenigen, zu welcher wir hereinkamen, und nachdem wir wieder einen langen Gang durchschritten, gelangten wir in einen Saal, der vierzig kleine Kabinette hatte, vor deren jedem ein seidener golddurchwirkter Vorhang hing. Mitten im Saal stand eine kupferne Statue mit einer Rauchpfanne in der Hand, aus der sich bald Ambra-, bald Moschus-, bald Weihrauchduft verbreitete. Als ich den Vorhang von einem der Kabinette weghob, sah ich ein Mädchen wie die leuchtende Sonne auf einem Bett liegen, und so lagen rund umher noch neununddreißig Mädchen, welche alle in tiefem Schlaf versunken zu sein schienen, aber Heifa versicherte mich, sie seien alle tot. Heifa schob dann einen Thron weg, der mitten im Saal stand, und wir sahen einen goldenen Ring auf dem Boden, mit welchem Heifa eine Falltür öffnete, unter welcher eine große marmorne Treppe in einen dunklen Gang führte. Heifa nahm mich und Mahmud bei der Hand, und wir brauchten einen halben Tag, bis wir ans Ende dieses Ganges kamen. Jetzt befanden wir uns wieder im Freien, und zwar in einem sehr blühenden Garten, mit allerlei Obstbäumen geziert, deren Früchte wie die herrlichsten Edelsteine strahlten, und auf deren Zweigen die verschiedenartigsten Vögel ihren Schöpfer priesen. Als wir eine Weile in diesem Garten umhergingen, sahen wir in der Ferne einen sonnenähnlichen Strahlenglanz: Wir näherten uns demselben, und siehe da, es war ein großes Schloß, mit den reinsten Diamanten verziert, wie sie kein König und kein Kaiser je besessen. Das Schloß hatte aber weder Tür noch Fenster. Vor demselben lag ein Stück Felsen, auf welchem ein langbärtiger Geist in einem weißen seidenen Kleid mit einem Buch in der Hand saß. Er drehte sich immer nach allen Seiten um, bis er uns erblickte; dann stand er auf, warf sich auf die Erde und rief: Gepriesen sei der Herr der Welten, der die Stunden meiner Erlösung herbeigeführt! Dann erhob er sich wieder, grüßte uns freundlich und sprach: Ich erwarte euch hier schon dreißig Jahre mit Ungeduld, denn ich habe viele Kinder, von denen ich nicht weiß, was aus ihnen geworden. Nun hat Gott doch mein Flehen erhört, denn ich durfte vor eurer Ankunft nicht von hier weichen, weil ihr meiner bedürfet, um eueren Zweck zu erreichen. Sehet ihr diese Katze da oben? Da hoben wir unsere Augen auf und sahen auf einer weißen marmornen Säule, welche sich aus einem Teich erhob, eine schwarze Katze, welche eine goldene Kette an die Säule fesselte. Was bedeutet diese Katze? fragte ich erstaunt. – Die Katze, erwiderte der alte Geist, ist wegen euer schon zehn Jahre an diese Säule gebannt, sie kann nur durch zwei Worte aus eurem Munde erlöst werden, dann verschafft sie euch das Zauberschwert und das heilige Buch. Sie ist eine der berühmtesten und gefürchtetsten Zauberinnen unter den Genien und heißt Schah Bair. Mein Name aber ist: Schwarzer Abd Allah, Kadhi der muselmännischen Genien. Um diese Katze zu befreien, rufet sie nur bei ihrem Namen und bespritzet den Teich mit der Flüssigkeit aus der schwarzen Büchse, sogleich wird die Katze ihre Pfote ausstrecken, die Kette von der Säule losbinden und davonfliegen. Als der Kadhi der Djinn so gesprochen hatte, breitete er seine Flügel aus, und in einem Augenblick war er verschwunden. Wir gingen dann um den Teich herum, den wir mit der Flüssigkeit aus der schwarzen Büchse bespritzen sollten. Dann rief ich: Schah Bair, besorge unser Anliegen! Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, stand die Katze auf und machte sich zweimal so groß als die Säule war, zerriß die Kette, die sie am Hals hatte, und flog auf das Dach des Schlosses. Bald kehrte sie aber wieder in Menschengestalt mit sechs Hörnern, eins auf jeder Seite, zwei zwischen den Augen und zwei auf dem Rücken, und hatte eine messingene Kiste mit einem Buch auf dem Kopf und ein Schwert unter dem Arm, legte beides vor uns nieder und verschwand. Mahmud war außer sich vor Freude, als er die Kiste, welche sein Buch enthielt, sah. Es hing aber ein goldenes Schloß davor, und als er es öffnen wollte, ließen sich viele furchtbare Stimmen vernehmen. Die eine rief: Ergreifet ihn! Die andere: Haut ihn in Stücke! Die dritte: Schlagt ihn zu Boden! Dabei waren wir von allen Seiten von kleinen Flämmchen umgeben, die uns zu verzehren drohten. Mahmud bemühte sich vergebens, die Kiste zu öffnen; ich aber zitterte an allen Gliedern, und all mein Blut stockte.

»Heifa, welche über unsere Angst lachte, sagte zu Mahmud: Gieße ein wenig Flüssigkeit aus der schwarzen Büchse auf das Feuer, du sollst dann Wunder sehen. Als Mahmud dies tat, stieg ein schwarzer Rauch gen Himmel, wir sahen und hörten nichts mehr. Mahmud küßte dann Heifa den Kopf und die Hände, und diese sagte: Jetzt öffne die Kiste und ziehe das Schwert aus der Scheide, du hast nichts mehr zu fürchten, denn alle Geister, welche Sintbest zu ihrer Bewachung aufgestellt, sind dahin. Mahmud sagte: Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen, und das Kästchen öffnete sich von selbst. Als er aber sein Buch wieder sah, fiel er vor Freude in Ohnmacht. Wir mußten ihn lange bespritzen bis er wieder zu sich kam, dann öffnete er das andere Kistchen von Smaragd, da lag ein grüner seidener Beutel darin, und neben demselben ein Siegelring, welcher strahlte wie ein Stern in einer dunklen Nacht. In dem Beutel lagen drei Stücke Stahl, welche Mahmud zusammensetzte und in ein blitzendes Schwert umgestaltete. Es hatte eine ganz feine Inschrift, wie Ameisenfüße; die letzten Worte lauteten: Ich bin ein edles Schwert, nur zum Guten brauchbar; wer mich besitzt, den bewahre ich vor Unglück und bringe seinen Feinden Verderben. Auf dem Siegelring, welcher daneben lag, stand: Dieser Ring ist für Zaher Beibars, Sultan von Ägypten. Als ich diese Inschrift gelesen hatte, bat ich Mahmud, mir diesen Ring zu geben, er antwortete mir aber: Dieser Ring, der den Sultan Zaher zum mächtigsten Herrscher seiner Zeit erheben und ihm die glänzendsten Siege über die Ungläubigen verleihen wird, kann ihm nicht eher zukommen, bis du mich in den Besitz der Mädchen setzest, die ich im Gazellental gesehen. Mit Hilfe dieses Schwertes, fuhr er dann fort, indem er mir das Zauberschwert überreichte, können wir ans Ziel gelangen. Er las dann ein wenig in seinem Buch und rief: Sandja! Beflügelter Sandja! Da stieg ein Rauch aus dem Buch gen Himmel, dann sammelte er sich und nahm die Gestalt eines Geistes an, so groß wie der höchste Dattelbaum; er hatte drei Flügel, einen auf jeder Seite und einen auf dem Rücken, welche, wenn er sie ausbreitete, wie Segel eines großen Schiffes aussahen. Er küßte Mahmud Hände und Füße und fragte ihn, was er befehle. Da trat Heifa hervor und sagte: Ihr wisset, daß ich schon zwanzig Jahre euch hier erwarte, ihr bedürfet nun meiner nicht mehr, darum bitte ich euch, lasset mich in meine Heimat zu meiner Familie zurückbringen, der ich gewaltsam entrissen wurde. – Sandja! rief Mahmud dem Geiste zu, nimm Heifa auf den Rücken und trage sie nach dem goldenen Schloß auf dem Luftberg. Heifa nahm Abschied von uns, und Sandja flog mit ihr davon. Als wir sie aus dem Gesicht verloren hatten, kehrten wir auf demselben Weg, durch welchen wir in den Garten gekommen, zurück, bis wir wieder an den roten Hügel auf dem Berg Mukattam kamen. Mahmud rief dann sein Maultier und befahl ihm, seinem Lehrer Abul Adjaib Nachricht vom Gelingen seines Unternehmens zu geben, mir aber sagte er: Laß uns vor allem jetzt zu deiner Mutter gehen, daß sie nicht länger dich als tot beweine, dann wird mein Buch mir angeben, was wir ferner zu tun haben. – Weißt du, Mahmud, sagte ich ihm auf dem Weg zu meiner Mutter, daß es mich reut, Heifa in ihre Heimat zurückgesandt zu haben? Erst seitdem sie fern ist, fühle ich, wie sehr ich sie liebe. – Verschaffe mir die Töchter des Königs Numan, versetzte Mahmud, so sollst du auch Heifa haben, und wenn du willst, noch hundert Abessinierinnen und ebenso viele Türkinnen und Inderinnen dazu. Während wir uns nun über unsere gegenseitigen Geliebten unterhielten, gelangten wir vor das Haus meiner Mutter, Schon von außen hörte ich sie weinen und jammern, denn da ich ohne Abschied von ihr wegging, weil ich selbst nicht wußte, daß ich mehrere Tage abwesend sein würde, hielt sie mich für tot. Als sie mich daher wiedersah, fiel sie in Ohnmacht, und kam erst nach einigen Stunden wieder zum Bewußtsein, des Abends bereitete sie Mahmud auf eine noch längere Abwesenheit vor, schwor ihr aber bei Gott, daß er mit Bestimmtheit meine glückliche Wiederkehr voraussehe. Am folgenden Morgen, als wir allein waren und unser Gebet verrichtet hatten, sagte Mahmud, nachdem er eine Weile in seinem Buch gelesen: Laß uns nicht länger auf glühenden Kohlen verweilen, wer weiß, ob wir es später nicht bereuen würden; jetzt aber verbürge ich einen leichten, glücklichen Erfolg, wenn du meine Vorschrift treu befolgest. Mache dich sogleich auf und gehe nach Bulak, dort findest du ein Schiff, das in vier Tagen nach Alexandrien hinabfährt, gehe sogleich auf den Bazar, der am Meer liegt, dort wirst du in einem Laden einen Perser sehen mit einem weißen wollenen Turban auf dem Haupt, vier weiße Sklaven stehen zu seiner Rechten, vier schwarze zu seiner Linken, und zu seinem Haupte steht noch ein bartloser Jüngling mit einem grünen, seidenen Tuch in der Hand. Der Perser wird dich grüßen, wenn du vor seinem Laden stehen bleibst, und dich fragen, womit er dir dienen kann; antworte ihm, er solle dir nur seine Rechte hinstrecken. Tut er dies, so stelle dich, als wenn du ihm die Hand küssen wolltest, beiße ihn aber in den Daumen, da wird er ausrufen: Es gibt nur einen einzigen Gott, Mohammed ist Gottes Gesandter! Alles trifft zu seiner bestimmten Zeit ein. Er wird dann seinen Laden schließen, und mit dir, den acht Sklaven und dem bartlosen Jüngling ans Ufer gehen und ein zierliches Schiffchen besteigen. Die acht Sklaven werden rudern, der Jüngling wird am Steuerruder, und du und der Perser, ihr werdet in der Mitte des Nachens sitzen und zwanzig Tage auf dem Meer bleiben, bis ihr an eine grüne Insel gelangt. Dort wird der Perser dich ans Land setzen und dir sagen, was du weiter zu tun hast, vertraue ihm nur und fürchte nichts! Wisse auch, Djaudar, fuhr er fort, daß, wenn einer meiner dienstbaren tausend Geister mir statt deiner die Töchter Numans verschaffen könnte, ich dich nicht bemühen würde, aber wer außer dir das Zauberschwert berührt, wird sogleich zu einem Haufen Asche, nur du kannst mit diesem Schwert den Tyrannen Hindmar, den Herrn des Rabenteiches und des Pfeilerschlosses, töten und den eisernen Baum des Magiers Bahram abschneiden, welcher den Muselmännern so viel Unglück bringt. Erst nachdem alles dieses vollbracht ist, kannst du die Erfüllung meiner und deiner Wünsche herbeiführen. Er rief dann Sandja, und als er erschien, fragte er ihn, ob er Heifa in ihre Heimat gebracht? Jawohl, mein Gebieter, antwortete Sandja; sie ist jetzt Königin in ihrem Land, denn ihr Vater ist während ihrer Abwesenheit gestorben, und der verhaßte Vezier Dimdiman, welcher den Thron usurpiert hatte, wurde gleich in der Nacht ihrer Rückkehr genötigt, ihn Heifa wieder abzutreten. Sie beauftragte mich, euch dies mitzuteilen und vielmal von ihr zu grüßen. Auch soll ich euch versichern, daß sie euch nie vergessen und stets mit Liebe euer gedenken wird.

»Diese Worte des Geistes belebten meine Hoffnung, ich nahm Abschied von meiner Mutter und Mahmud, und ging nach Bulak, wo ein segelfertiges Schiff stand, das nach Alexandrien fuhr. Dort traf ich den Perser, den mir Mahmud beschrieben, ich biß ihn in den Finger, und er brachte mich in zwanzig Tagen auf einem Nachen nach einer grünen Insel. Steige ans Land, sagte er mir, sobald wir das Ufer erreichten, und gehe in gerader Richtung über die Insel, da wirst du am jenseitigen Ufer ein noch niedlicheres Schiffchen als das meinige finden, in welchem ein Abendländer am Steuerruder sitzt. Er wird dich bei deinem und deines Vaters Namen rufen, dich in seinen Nachen nehmen, zehn Tage mit dir auf dem Meer bleiben, am elften dich auf eine schneeweiße Insel setzen, und dir sagen, was du ferner zu tun hast; befolge nur seinen Rat, denn er meint es gut mit dir.

»Hierauf verließ mich der Perser; Ich durchschritt die grüne Insel und kam gegen Mittag an das jenseitige Meeresufer, wo der verheißene Mann mich aufnahm und weiter schiffte. Am elften Tage nach unserer Abfahrt setzte er mich auf eine weiße Insel, wo kein grünes Blättchen wuchs, und sagte mir: Ich habe nun vollbracht, was mir oblag; gehe in gerader Richtung durch sieben Täler, da gelangst du auf einen roten Berg, auf welchem ein Kloster liegt, geh auf das Kloster zu und klopfe an dessen Tür; wenn man fragt, wer klopft, so sage: Der Fischer Djaudar aus Kahira. Die Tür wird sich öffnen, und du trittst durch einen Hof in ein Gemach, wo ein noch unbärtiger Jüngling auf einem Thron von Elfenbein mit goldenen Füßen sitzt, es ist der Priester Schanuda, der dir angeben wird, was du ferner zu tun hast. Er nahm dann Abschied von mir und kehrte wieder um, ich aber ging in das mir bezeichnete Kloster und fand einen Priester mit sieben Schleiern um sein Gesicht auf einem Thron sitzen. Als ich zu ihm hintrat, grüßte er mich nicht, sondern stand auf, drehte sich siebenmal im Kreis herum und hob dabei jedesmal einen Schleier weg, bis ich zuletzt ein sehr schönes, junges Gesicht sah; dann setzte er sich wieder, grüßte mich freundlich und sagte: Wisse, Djaudar, ich sehnte mich sehr nach dir und erwarte dich schon lange. Gepriesen sei der Herr, der dich und Mahmud aus der Adlerschlucht errettet, in welcher schon so viele Menschen vor euch ihren Tod gefunden! Ihr verdanket aber eueren glücklichen Erfolg nur dem frommen Lehrer Abul Adjaib, der das Wohl der Muselmänner dabei im Auge hat, denn durch dich soll der Tyrann Hindmar getötet und der Baum des Magiers Bahram abgeschnitten werden. Wisse auch, Djaudar, fuhr er fort, daß, so wie Sandja über tausend Geister gebietet, welche dem Besitzer des heiligen Buches untertan sind, so ist Misram der Anführer der fünfhundert Geister, die demjenigen gehorchen, welcher das Zauberschwert an seiner Seite trägt. Als du eben zu mir hereintratst, sah ich die fünfhundert Geister hinter dir und sie grüßten mich, einer nach dem andern, Misram fehlte aber, und als ich nach ihm fragte, hörte ich, er sei auf dem Rauchschloß im Kamillental bei der Königin Daruma. Da du ohne Misram nicht zu deinem Ziel gelangen kannst, so geh zur Königin Daruma, grüße sie von mir, und bringe ihr eine kleine Tafel mit Inschriften, die ich dir morgen früh mitgeben will; sie wird dir dann weiter behilflich sein. Hüte dich aber vor den dreihundert Mädchen, welche sie bei sich im Schloß hat, sonst bist du verloren, denn sie sind sehr gewandt in der Zauberkunst und haben schon manchen König und Prinzen verführt. Nachdem er so gesprochen hatte, ließ er das Nachtessen auftragen, an dem er und noch einige andere Priester teilnahmen, dann ging ich zu Bett, träumte von Heifa und rezitierte im Traum folgenden Vers:

»Ich bin noch nicht alt, aber meine vielen Tränen haben meine schwarzen Haare weiß gefärbt.«

»Als ich des Morgens erwachte, fragte mich Schanuda, wieso ich im Traum darauf gekommen sei, diesen Vers zu rezitieren? Da senkte ich eine Weile beschämt das Haupt zur Erde nieder, und als er seine Frage wiederholte, sagte ich: Ich befand mich diese Nacht im Traum bei Heifa, meiner Geliebten, da fragte sie mich, wieso ich denn auf einmal so grau geworden? Ich glaubte, sie scherze nur, denn ich hatte noch nie ein graues Haar an mir bemerkt, sie holte aber einen Spiegel und hielt mir ihn vor, und in der Tat sah ich darin alle meine Haare weiß, nur einige wenige am ganzen Bart waren noch schwarz. Ich erstaunte sehr über diese Verwandlung, und rezitierte den Vers, den du gehört zu haben scheinst.

»Schanuda holte ein Buch und las ein wenig darin, dann sagte er: Sei frohen Sinnes, Djaudar, dein Traum bedeutet die sichere Erfüllung deiner Wünsche; hättest du alle deine Haare weiß gefunden, so wärest du jetzt schon am Ziel, die paar noch übrigen schwarzen Haare deuten auf einige dir noch bevorstehende Hindernisse und Mühseligkeiten, über die du aber mit Gottes Hilfe gewiß siegen wirst. Er holte dann einige Lebensmittel herbei und sagte mir: Geh nur weiter in diesem Tal, bis du an einen schwarzen Berg kommst, auf den ein bequemer Pfad führt, folge diesem Pfad über einen Berg, der führt dich zum Schloß der Königin Daruma. Ich brauchte zehn Tage, bis ich den schwarzen Berg überstiegen hatte; am elften Tage gelangte ich wieder in ein blühendes Tal, in welchem sich ein großes Schloß bis zu den Wolken erhob. Auf diesem Schloß stand eine kupferne Statue, die, als ich mich demselben näherte, in eine Trompete stieß. Sogleich öffnete sich die Tür des Schlosses, es traten mehr als hundert Jungfrauen heraus, in die feinsten seidenen Stoffe gehüllt, mit goldenen Gürteln um den Leib und diamantenen Kronen auf dem Haupt, verbeugten sich vor mir, als wäre ich ein Vezier oder ein Sultan und führten mich ins Schloß zu Daruma, Tochter des Königs Kaschuch. Sie saß auf einem goldenen, mit vielen Edelsteinen verzierten Thron, dessen Füße von Elefantenzähnen waren, die Krone auf ihrem Haupt verbreitete einen Glanz, der meinen Augen nicht erlaubte, sich zu ihr zu erheben. Sie war schön wie der Mond, hatte aber doch ein würdiges, ehrfurchtgebietendes Aussehen. Zu ihrer Rechten saßen hundertundfünfzig Sklavinnen, zu ihrer Linken ebenso viele. Daruma erhob sich von ihrem Thron, als ich in den Saal trat, reichte mir die Hand, bewillkommte mich bei meinem Namen und zog mich zu sich auf ihren Thron. Ich grüßte sie vom Priester Schanuda, und überreichte ihr die Tafel, die er mir für sie mitgegeben. Sie freute sich sehr damit und verschloß sie in ein Kästchen.

»Daruma ließ mir dann Speisen und Getränke geben, trank selbst mit mir, und befahl einigen ihrer Jungfrauen, zu singen und zu spielen; dann sagte sie: Da du doch liebst, hast du gewiß auch schon gedichtet, ich möchte wohl einige Verse von dir hören. Als ich ihr hierauf einige Verse rezitierte, in welchen ich meine Sehnsucht nach Heifa ausdrückte, sagte sie: Heifas Besitz ist dir sicher, doch vorher muß dem armen Mahmud, der vor Liebe zu den Töchtern des Königs Numan fast wahnsinnig wird, geholfen werden. Vor allem aber muß der Tyrann Hindmar durch dich sterben, denn auch mir würde Gefahr drohen, wenn er noch ein Jahr lebte. Wisse nämlich, Djaudar, mein Vater, welcher ein mächtiger Genienfürst war, hatte einen Weisen bei sich, welcher Kandarin hieß. Eines Tages, als dieser von einer Reise nach einem von Menschen bewohnten Land heimkehrte, fragte ihn mein Vater, was er Schönes auf seiner Reise gesehen? Er antwortete: Als ich in die Stadt Dalaß kam, da fand ich alle Einwohner in Bewegung und die Stadt ganz festlich geschmückt, ich nahm die Gestalt eines Menschen an und fragte einen alten Mann, was denn für ein Fest gefeiert werde, das die ganze Stadt in Bewegung setze? Der Alte antwortete mir: Wisse, der König dieser Stadt, welcher Schamkur heißt, hat eine Tochter, so schön, daß noch kein Menschenauge ihresgleichen gesehen. Diese Prinzessin wurde vor einiger Zeit plötzlich so krank, daß man sie schon als tot beweinte, nun ist sie aber genesen, und da sie heute zum erstenmal wieder ausreitet, wird auf Befehl ihres Vaters ein öffentliches Fest gefeiert. – Als ich dies hörte, beschloß ich, Dalaß nicht zu verlassen, bevor ich die schöne Prinzessin gesehen. Es dauerte nicht lange, da kam der König Schamkur mit seiner Tochter geritten, von vielen Offizieren begleitet, mit Musikern und Fackelträgern vor ihnen her. Ich mischte mich unter das Gefolge, um die Prinzessin länger und näher zu sehen, und fand sie in der Tat so vollkommen schön, daß ich es gar nicht versuchen mag, sie zu schildern; das ist das Schönste, was ich im Land der Menschen gesehen. Als mein Vater, welcher ohnedies Menschentöchter mehr liebte, als weibliche Djinn, den weisen Kandarin so sprechen hörte, sagte er: Ich werde in der Gestalt eines menschlichen Königs nach Dalaß reisen und bei dem König Schamkur um seine Tochter werben; gibt er mir sie freiwillig, so soll es ihm gut gehen: Verweigert er mir sie aber, so nehme ich sie mit Gewalt. Er rief dann sogleich eine Abteilung Djinn herbei und sagte ihnen: Kommt morgen früh in Menschengestalt auf leichten Rennern in einem reichen Kriegeraufzug hierher. Am folgenden Tag erschienen sie, wie ihnen mein Vater befohlen hatte, zwanzigtausend an der Zahl; mein Vater selbst bestieg dann ein Pferd, das etwas größer war, als das seiner Truppen, und leichter als ein Rabe flog, und ritt an ihrer Spitze, in Begleitung Kandarins, nach Dalaß. Der König Schamkur erschrak sehr, als er auf einmal eine so zahlreiche Armee vor den Toren der Stadt sah, und sandte seinen Vezier zu meinem Vater, um ihn zu fragen, in welcher Absicht er gekommen. Mein Vater bat den Vezier, seinem Herrn zu sagen, der König Kaschuch sei gekommen, um bei ihm um die Hand seiner Tochter anzuhalten; gewähre er sie ihm, so werde er ihm Freund sein und so viel Morgengabe versprechen, als von ihm gefordert wird. Als der Vezier dem König Schamkur diese Antwort brachte, ging dieser zu seiner Tochter und fragte sie, ob sie den mächtigen König Kaschuch heiraten wolle. Er soll auf die Rennbahn kommen, antwortete die Prinzessin, da kann ich ihn vom Schloß aus sehen; gefällt er mir dann, so heirate ich ihn, wo nicht, so lasse ich mich lieber von ihm in Stücke hauen, als daß ich seine Gattin werde. Der König Schamkur ritt selbst zu meinem Vater und brachte ihm die Antwort seiner Tochter. Mein Vater nahm ihre Bedingungen an, und begab sich am anderen Morgen an der Spitze seiner Djinn in menschlicher Kriegergestalt auf die Rennbahn und zeigte sich als einen so gewandten Ritter, daß die Prinzessin bald ihrem Vater erklärte, sie wolle gern seine Gattin werden. Schamkur ließ sogleich meinen Vater rufen und sagte ihm: Nimm meine Tochter zur Gattin, denn du hast ihr Herz gewonnen. Er ließ dann alsbald an der Ausstattung seiner Tochter arbeiten, und als sie vollendet war, reiste mein Vater mit ihr voraus zu Pferd, ihre Aussteuer aber folgte nach auf dreihundert Kamelen. Als mein Vater in seiner Heimat war und die Hochzeitsnacht feiern wollte, sagte ihm Kandarin: Deine Gattin ist verloren, wenn du sie berührst, denn du bist aus Feuer geschaffen, sie aber aus Erde, welche das Feuer verzehrt. Du wirst dann ihren Tod beweinen, wenn es zu spät ist. Morgen, fuhr er fort, will ich dir eine Salbe bringen, mit der du dich und sie einreiben mußt: Dann könnt ihr lange miteinander glücklich leben. Am folgenden Tage brachte er eine weiße Salbe, mein Vater salbte sich und seine Gattin damit und feierte ohne Gefahr die Hochzeitsnacht. Nach neun Monaten wurde ich zur großen Freude meiner Eltern geboren und Daruma genannt. Schon als Kind war ich von auffallender Schönheit, denn das Sanfte und Liebliche des Menschen war mit der Kraft und Majestät des Djinn wunderbar gepaart; als ich aber mein fünfzehntes Jahr erreichte, wurde meine Schönheit so sehr gepriesen, daß auch der Tyrann Hindmar von mir hörte und bei meinem Vater um mich werben ließ. Mein Vater ließ sogleich Kandarin rufen und fragte ihn um Rat, wie er, ohne sein Verderben herbeizuziehen, dem bösen König Hindmar mich verweigern könne? Kandarin antwortete: Laß ihm sagen, deine Tochter sei noch zu schwach und zu jung, um jetzt schon zu heiraten, er möchte doch noch zwei Jahre warten, dann solle sie seine Gattin werden. Ist er mit dieser Antwort zufrieden, fuhr Kandarin fort, so bist du aus aller Not, denn ich habe in einem Buch gelesen: Nach einem Jahr wird ein Fischer aus Kahirah, mit Namen Djaudar, Sohn Omars, hierher kommen und Hindmar mit einem Zauberschwert töten.

Mein Vater befolgte Kandarins Rat, und als die Boten, welche er mit dieser ausweichenden Antwort zu Hindmar schickte, zurückkehrten und einen Brief von Hindmar brachten, in welchem er erklärte, daß er gern noch zwei Jahre warten wolle, sagte Kandarin zu meinem Vater: Ich rate dir, damit deine Tochter jedenfalls sicher vor den möglichen Nachstellungen Hindmars sei, sie mit mir auf mein Schloß, das im Kamillental liegt, zu schicken; auch habe ich eine kupferne Statue, mit einer Trompete in der Hand, verfertigt, welche in die Trompete stoßen wird, sobald Djaudar den Berg übersteigt, der zu meinem Schloß führt. Djaudar wird nämlich in meinem Schloß den Geist Misram suchen, und um ihn herbei zu beschwören, muß er ein kleines Türchen öffnen, das am Leib der kupfernen Statue sich befindet; er findet in dessen Leib ein kleines Kästchen, in welchem viele zerstreute Blätter liegen, auf welchen ein Alef steht; die lasse er liegen, bis er ein Blatt findet, auf dem gar nichts geschrieben ist; dieses werfe er ins Feuer, und sogleich wird ihm Misram erscheinen und ihm helfen, den Tyrannen Hindmar umbringen. Mein Vater übergab mich Kandarin mit dreihundert Jungfrauen, und ich lebe nun schon drei Monate hier und wartete immer, bis in die Trompete gestoßen werde, aber die Statue regte sich nicht bis zu deiner Ankunft. Darum, Djaudar, freute ich mich so sehr mit dir und sandte ich dir einen Teil meiner Jungfrauen entgegen. Das ist's, was ich dir mitzuteilen hatte; nur Gott ist allwissend.

»Als Daruma so gesprochen hatte, ergriff sie meine Hand und führte mich auf das Dach des Schlosses zur kupfernen Statue; ich nahm das Kästchen heraus und fand darin viele Blätter von Gazellenhaut, auf denen ein Alef stand, ein einziges war ganz weiß; ich warf es auf einige Kohlen, die mir Daruma reichte, da stieg ein Rauch gen Himmel aus dem Mund der Statue, der sich bald sammelte und die Gestalt eines furchtbaren Geistes annahm, mit einem Kopf wie eine Kiste, Augen in die Länge gespalten und Nasenlöcher, aus denen große Flammen hervorsprühten. Als er vor mir stand, rief er mit einer Stimme wie der Donner: Hier bin ich, mein Herr, die Hilfe ist nahe, die bestimmte Zeit ist gekommen, ich gehorche dem Besitzer des Zauberschwertes, an das ich gebannt bin.

Sieh einmal, sagte Daruma, was dein Schwert vermag; dieser schreckliche Geist zittert vor dir, wie ein Rohr beim Sturmwind. Misram wendete sich dann zu Daruma und fragte sie, ob ich wisse, was die übrigen Blätter in dem Kästchen bedeuten, und bat sie, mich davon in Kenntnis zu setzen. Da sagte sie. Wisse, Djaudar, Misram hat zwei Söhne, der eine heißt Mahik und der andere Lahik, die er so zärtlich liebt, daß er nicht lange leben würde, wenn er sie nicht von Zeit zu Zeit wiedersähe. Als er daher von Sintbest an dieses Schwert gebannt wurde, erbat er sich als Gnade, jeden Monat drei Tage bei seinen Söhnen zubringen zu dürfen. Sintbest gewährte ihm seine Bitte, verfertigte diese Blätter aus Gazellenhaut und gab ihm jeden Monat ein solches als Schutzbrief für die Reise; da aber du jetzt Herr des Zauberschwerts bist, so ist es deine Sache, ihm jeden Monat Urlaub auf drei Tage und ein solches Sicherheitsblatt zu geben, ohne welches er keinen Augenblick von mir weichen kann. Sie sagte dann zu Misram: Ich zweifle nicht, daß Djaudar nicht härter gegen dich sein wird, als Sintbest; hingegen solltest du auch, da Djaudar ein gewöhnlicher Mensch ist, der bisher noch gar keinen Umgang mit Geistern hatte, ihm zu Gefallen ein freundlicheres Äußeres annehmen, damit er sich heimlicher bei dir fühle. Misram verschwand einen Augenblick und kehrte wieder als ein schöner unbärtiger Jüngling mit freundlichen schwarzen Augen, rosigen Wangen, leuchtender Stirn, frischen Lippen wie Korallen und einem Hals so klar wie Kristall. Nun aber, Djaudar, sagte er, als ich ihn mit Staunen betrachtete, müssen wir weiter ziehen, wenn wir zu bestimmten Zeit bei Hindmar eintreffen wollen. Ich nahm Abschied von Daruma und folgte Misram zehn Tage lang, ohne die mindeste Müdigkeit zu empfinden, bis wir vor ein großes Zelt kamen, aus welchem wir eine klägliche Stimme hörten, welche rief: O barmherziger Gott, der du Hiobs Leiden ein Ende gesetzt, erbarme dich auch meiner! Ich öffnete schnell das Zelt und fand darin einen nackten Menschen auf den Boden gestreckt, seine ganze Haut war zerschlagen, so daß das Blut von allen Seiten herströmte, seine Hände und Füße waren mit starken eisernen Ketten zusammengebunden. Ich rief ihm zu: Friede sei mit dir, mein Herr! Er antwortete: Mit dir sei Gottes Friede, Segen und Barmherzigkeit. Wer bist du? – Ich bin ein Mensch. – Wer hat dich hierher gebracht? – Der Allmächtige, dem nichts zu schwer ist, und du, wer hat dich in diese peinliche Lage versetzt? – Zwei große, schwarze Sklaven, die mich jetzt schon zehn Tage lang auf jede Weise mißhandeln. – Und warum dies? – Weil ich meinen Glauben mit dem ihrigen nicht vertauschen will. – Zu welcher Zeit kommen sie gewöhnlich? – Ich erwarte sie leider wieder in dieser Stunde, darum fliehe schnell von hier, daß du nicht mein Los teilest, denn die beiden Sklaven haben Stricke bei sich, mit denen sie einen Elefanten töten könnten. – Fürchte nichts mehr; ich bin gewiß nur durch göttliche Fügung hierher gekommen, um dich zu befreien. Wie heißt du denn? – Mein Name ist Hatem aus der Stadt Baser; ich reiste mit meiner Braut, die mir entrissen wurde und von der ich gar nichts mehr weiß. –Beruhige dich nur, vertraue auf Gott und habe Geduld, denn Geduld ist der Schlüssel der Erlösung, Ich verließ dann das Zelt und verbarg mich hinter einem Baum in der Nähe und wartete, bis die Sklaven kamen. Als sie im Zelt waren, näherte ich mich der Tür des Zeltes, um Hatem in jedem Augenblick beistehen zu können, zog mein Schwert aus dein Beutel und setzte es zusammen.

Bald hörte ich, wie einer der Sklaven zu Hatem sagte: Habe doch Mitleid mit dir selbst, gib deinen Glauben auf und nimm den unseres Königs an, und ermahne deine Braut zum Gehorsam gegen unseren König, so hast du nur Gutes von uns zu erwarten; tust du dies aber nicht, so wirst du und deine Braut gepeinigt bis zu unserem großen Fest, dann werdet ihr beide unserem kristallenen Götzen geopfert. Hatem antwortete hierauf: Es gibt keinen wahren Glauben als den Mohammeds, den Sohn Abd Allahs; euer König mag mit mir verfahren, wie er will, ich werde bis zum letzten Atemzug bekennen: Es gibt nur einen einzigen Gott und Mohammed ist sein Prophet! Als die Sklaven dies hörten, stellten sie sich der eine zur Rechten und der andere zur Linken Hatems und hoben ihre Arme auf, bis man das Schwarze unter ihrer Achsel sah, aber im Augenblicke, wo sie Hatem schlagen wollten, stürzte ich in das Zelt und rief: Ihr verruchten Götzendiener, wehe euch! Lasset diesen Mann in Ruhe oder ich räche ihn. Die Sklaven drehten sich nach mir um, und als sie mich sahen, sagten sie lachend: Wer bist du? und hoben ihren Strick gegen mich auf, aber ich kam ihnen mit meinem Schwert zuvor, und kaum hatte ich sie mit demselben berührt, als ihre Köpfe vom Rumpf flogen. Ich entfesselte dann Hatem, der vor Freude und Erstaunen ganz außer sich war, und reichte ihm einige Speisen. Als er wieder gestärkt war, fragte ich ihn, wieso er hierher gekommen? Meine Geschichte ist wunderbar, antwortete er mir; wenn man sie mit einer Nadel in die Tiefe des Auges schriebe, so könnte sie jedem zur Warnung dienen. Wisse nämlich, in Baser, meiner Heimatstadt, regiert seit einem Jahr ein junger König, man nennt ihn den Perser Kink, der das ausschweifendste Leben auf der ganzen Welt führt. Die Weinkrüge weichen nicht von seinem Tisch, und weiß er ein schönes Mädchen oder sogar eine schöne Frau in der Stadt, so muß er sie haben, oder er läßt alle ihre Verwandten hängen. Die meisten Leute, welche schöne Töchter oder Frauen haben, verbergen sie daher, damit er nichts von ihnen höre. Da aber der König viele Spione unterhält, welche unter allerlei Vorwand ins Innere der Häuser dringen und auskundschaften, wo junge Frauen oder Mädchen sich aufhalten, so ist auch dieses Mittel nicht immer sicher. Eines Nachts, als ein Mädchen aus einem Nachbarhaus gewaltsam zum König geschleppt wurde, fing ich auch an, für meines Bruders Tochter, welche ich bei mir verborgen hatte, und mit der ich schon seit einigen Monaten verlobt war, zu fürchten und faßte daher den Entschluß, mit ihr zu entfliehen. Meine Braut, die mich leidenschaftlich liebt, war mit mir einverstanden, und gleich in der folgenden Nacht verließen wir die Stadt Baser, dachten weiter an nichts, als der Tyrannei unseres Königs zu entgehen, und wußten nicht, wohin wir uns wenden, noch welchen Weg wir einschlagen sollten.

Zehn Tage lang reisten ich und meine Braut aufs Geratewohl umher, da kamen wir in einer großen Wüste vor eine hohe marmorne Säule, an welcher eine stählerne Tafel hing mit der Inschrift: Wanderer, der du hierher kommst, wende dich nicht rechts, sonst gehst du zugrunde, auch nicht links, sonst ist dir der Tod gewiß, sondern gehe gerade vor dich hin, mitten durch das Tal, so wirst du gerettet. Ich sagte zu meiner Braut: Sieh einmal, was gute Leute für Reisende tun. Wir schlugen dann das bezeichnete Tal ein und gelangten bald in eine Ebene, welche ein klarer Bach durchströmte und auf der die herrlichsten Obstbäume prangten, auf deren Zweigen muntere Vögel den Schöpfer priesen. Jetzt sind wir aus aller Not, sagte ich zu meiner Braut, laß uns hier ausruhen. Ich stieg von meinem Kamel herunter und hob auch meine Braut aus ihrer Sänfte; die Kamele weideten auf der grünen Wiese vor uns, während wir einiges Obst pflückten und Wasser aus dem Bach tranken. Wir befanden uns hier sehr behaglich, nachdem wir zehn Tage mit sehr spärlichen Lebensmitteln in unwirtbaren Gegenden umhergeirrt waren. Auch überfiel uns der Schlaf, sobald wir unseren Hunger und Durst gestillt und uns auf unseren Teppich gelegt hatten. (Gepriesen sei der Herr, der nie schläft!) Als wir aber erwachten, befanden wir uns vor einem König, der noch von den Amalekiten herzustammen schien, denn er war über dreißig Schuh hoch. Neben ihm standen viele Offiziere, er selbst saß auf einem Throne, an welchem vier Löwen mit goldenen und silbernen Ketten angebunden waren. Wisset ihr, wer ich bin? fragte er uns, als wir die Augen öffneten. Nein, mein Herr, wir kennen dich nicht, antworteten wir. So wisset, versetzte er, ich bin der König Mudsil und habe schon manchen König meinem kristallenen Götzen unterworfen; wer ihm huldigt, erhält von mir, was er wünscht, wer ihm aber seine Huldigung versagt, wird vernichtet. Darum befehle ich auch euch, jetzt meinen Götzen anzubeten; tut ihr es, so verleihe ich dir, sagte er, zu mir gewendet, ein ehrenvolles Amt und nehme das Mädchen, das bei dir ist, in mein Schloß, wo nicht, so werdet ihr eueren Ungehorsam schwer büßen. – Ich werde mich nie deinem Willen fügen, rief ich voller Entrüstung, wie soll ich mich vor einem Götzen verbeugen, der weder nützen noch schaden kann? Ich werde nur den anbeten, der mich geschaffen, der mir Augen zum Sehen, Füße zum Gehen und Ohren zum Hören gegeben hat. Es gibt nur einen einzigen Gott, der den Tag und die Nacht geschaffen, die Sonne und den Mond, dem nichts auf Erden oder im Himmel verborgen ist; darum rate ich auch dir, den Götzendienst aufzugeben und den einzigen Gott anzubeten, dann wirst du von der Hölle befreit und kannst einst das Paradies, das mit Huri und schönen Knaben gefüllt ist, bewohnen. Mudsil sprang zornig auf, als er dies hörte, und sagte: Vor einem Mann, wie ich bin, wagst du es, so zu lästern. Er rief dann einen seiner Diener und befahl ihm, einen der vier Löwen zu schlachten und ihn ihm zu bringen. Der Sklave schlachtete den Löwen und als er ihm die Haut abgezogen hatte, machte er einen Braten daraus und reichte ihn dem König, welcher ihn in einem Augenblick verschlang. Dann ließ er das Zelt aufschlagen, in welchem wir uns eben befinden, und befahl den beiden Sklaven, die du getötet, mich zu foltern, bis ich meinen Glauben abschwöre; was aber aus meiner Braut geworden, weiß ich nicht. Das ist alles, was ich zu erzählen weiß, – Verzage nicht, rief ich ihm zu, derjenige, der mich zu dir gesandt, ist auch mächtig genug, deine Braut zu befreien. Ich rief dann Misram und befahl ihm, mich zu Mudsil zu führen und die Braut Hatems zu befreien. Folge mir, sagte Misram; Mudsil hält sich jetzt im Leopardenschloß auf, das drei Tage weit von hier liegt. Ich machte mich mit Hatem und Misram auf und lief wieder drei Tag lang über Berge und Täler, ohne müde zu werden. Am dritten Tage sagte uns Misram: Bleibt hier sitzen, bis ich wiederkehre. Ich unterhielt mich unter einem Baum mehrere Stunden lang mit Hatem; auf einmal sahen wir in der Ferne einen dicken Staub aufsteigen, dann kamen fünfhundert Reiter auf arabischen Pferden zum Vorschein, mit indischen Lanzen in der Hand und davidischen Panzern auf der Brust. Als sie in unserer Nähe waren, trat ein Reiter von riesenhafter Gestalt aus ihrer Mitte, der ganz in Eisen gehüllt war. Hatem schrie: Wehe uns, das ist gewiß Mudsil; wenn der mich sieht, so bringt er uns beide um. Ich nahm schnell die Klinge aus dem Beutel und setzte sie zusammen; da rief mir aber der Reiter mit einer donnernden Stimme zu: Stecke dein Schwert ein, mein Herr Djaudar, ich bin Misram und komme mit meiner Schar, um für Turaja, die Braut Hatems, gegen Mudsil zu kämpfen; wir sind hier ganz in der Nähe seines Schlosses, bleibe du nur noch hier, bis ich dich rufe. Er kehrte dann zu seinen Kriegern zurück, ließ in die Trompete stoßen und die Fahnen entfalten und ritt gegen das Schloß. Als Mudsil Kriegslärmen vor seinem Schloß hörte, schickte er seinen Vezier heraus zu Misram, um ihn zu fragen, was er wolle und wer er sei? Misram sagte dem Vezier: Geh zu deinem Herrn und sage ihm: Misram, der Sohn Akus, fordert Turaja von ihm, und wenn er sie nicht gleich herausgibt, so wird er seinen Kopf von ihm fordern und seinen kristallenen Götzen in tausend Stücke zerschlagen.

Als der Vezier mit dieser Antwort zu Mudsil zurückkehrte, schäumte dieser vor Wut und fluchte und lästerte; dann rief er alle seine Leute zusammen und teilte ihnen mit, was er vom Vezier gehört, und forderte sie auf, mit ihm gegen diesen kühnen Misram zu ziehen. Sobald aber Mudsil mit seinen Kriegern aus dem Schloß kam und zu einem allgemeinen Angriff sich vorbereitete, rief Misram: Wer nimmt meine Herausforderung an? Wer hat Lust, sich mit mir zu messen? Wer mich kennt, dem brauche ich nichts zu sagen, wer mich aber nicht kennt, der wisse, ich bin Misram, der Sohn Akus, der weder vor Schwarzen noch vor Weißen, weder vor Menschen noch vor Genien sich fürchtet. Auf diese Herausforderung trat ein Krieger aus Mudsils Reihen, der so groß war, wie der höchste Dattelbaum, und eine dicke eiserne Stange auf der Schulter trug, stellte sich Misram gegenüber und sagte ihm: Wie wagst du es, einen König mit solcher Geringschätzung zu behandeln? Er drang dann auf ihn ein und schlug ihn mit seiner Stange, sie fügte ihm aber nicht mehr Leid zu, als wenn ein Zephyr ihn anwehte. Indessen glaubten alle Zuschauer, Misram werde unterliegen, als ein einziger Feuerhauch aus seinem Mund seinen Gegner leblos zu Boden streckte. Als Mudsil dies sah, wendete er sich zu seinen Leuten und sagte ihnen: Wer will den gefallenen Krieger rächen! Sogleich trat ein zweiter Ritter aus ihrer Mitte und drang auf Misram ein. Aber kaum war er auf der Rennbahn, als Misram mit ihm wie mit seinem Vorgänger verfuhr. Diesem folgten noch achtzehn andere, welche ebenso von Misram in Asche verwandelt wurden. Mudsil schlug sich vor Ärger mit solcher Heftigkeit ins Gesicht, daß ihm fast die Augen heraussprangen, dann wendete er sich zu einem schwarzen Sklaven, der es schon oft mit tausend Reitern aufgenommen hatte, und forderte ihn auf, gegen Misram zu kämpfen, die Schmach, welche seine Brüder erlitten, zu tilgen, und ihrem Götzen Genugtuung zu verschaffen. Djamus (Büffel), so hieß nämlich dieser schwarze Sklave, sagte zu Mudsil: Es ist wohl Zeit, daß ich aufhöre, als bloßer Zuschauer hier zu stehen – aber ich will deinen Rachedurst kühlen und dir Misram lebendig überliefern, daß du ihn deinem Gott zum Opfer bringen kannst. Er drang hierauf auf Misram ein und hob eine Stange gegen ihn auf, die einen Elefanten zertrümmert hätte. Aber Misram wich nicht von der Stelle, sondern hauchte bloß Djamus' rechten Arm an und er fiel sogleich zu Boden. Djamus ergriff sein Schwert mit der linken Hand und stürzte abermals auf Misram los; aber dieser hauchte auch den linken Arm an, und auch er fiel zu Boden, Jetzt entfloh Djamus, und Mudsils Truppen, welche diesem Kampf zugesehen hatten, riefen insgesamt: Gegen einen Helden wie Misram können wir nicht länger kämpfen. Da sagte Mudsil: Wenn es niemand mehr wagt, sich mit Misram zu messen, so will ich es versuchen, doch will ich zuvor meinen Götzen befragen. Während er aber vor seinem Götzen auf den Knieen lag und ihn um Hilfe anflehte, ließ ihn Misram von zwei Geistern ergreifen und unter den Baum bringen, wo ich mit Hatem saß. Was hältst du von der Macht deines Götzen? fragte ihn Misram lachend. Ich glaube, er zürnt mir, antwortete Mudsil. Misram sagte dann zu Hatem: Hier ist dein Feind, verfahre mit ihm, wie es dir gut dünkt. – Gestehest du mir die Wahrheit, redete ihn Hatem an, so soll dir alles verziehen werden; lügst du aber, so bist du des Todes, Was ist aus meiner Braut Turaja geworden? – Sie ist geehrt und geliebt in meinem Schloß, aber sie seufzt fortwährend nach dir und weint unaufhörlich. – So laß sie hierher kommen, versetzte Hatem, daß wir uns von der Wahrheit deiner Worte überzeugen. Mudsil wollte aufstehen und in sein Schloß gehen, aber Misram sagte: Du weichst nicht von hier, bis du bekennst, daß dein Götze ein lebloses Ding ist, das weder nützen noch schaden kann, und daß es nur einen einzigen Gott gibt. Als Mudsil dies hörte, rief er: O du mein kristallener Gott, jetzt ist es Zeit, deine Macht zu zeigen, bedenke, daß ich dich schon fünfzig Jahre anbete und dir jedes Jahr ein großes Fest feiere, an dem ich dir Fürsten und Könige opfere, errette mich nun in diesem Augenblick der Gefahr! Aber schon hatte Misram einen Geist abgesandt, der, noch ehe Mudsil sein Gebet vollendet hatte, den Götzen herbeibrachte, den Kopf gegen die Erde und die Füße in die Höhe gestreckt. Misram schlug ihn zusammen und fragte nochmals Mudsil: Was hältst du jetzt von deinem Götzen? – Ich sehe ein, antwortete Mudsil, daß er weder mir noch sich selbst helfen kann, darum bitte ich euch, lehret mich einen besseren Glauben. – So bekenne, wiederholte Misram, daß es nur einen Gott gibt und daß Mohammed sein Gesandter ist. Nachdem Mudsil dieses Glaubensbekenntnis zu unserer großen Freude abgelegt hatte, gingen wir mit ihm ins Schloß. Er ließ alle seine Leute zusammenkommen und erzählte ihnen, was zwischen ihm und Misram vorgefallen, worauf sie alle Muselmänner wurden. Er ließ dann Turaja rufen, und sie fiel vor Freude in Ohnmacht, als sie Hatem wieder sah. Wir blieben dann noch drei Tage bei Mudsil und lehrten ihn das Gebet, die Reinigung, das Fasten, und beschrieben ihm die Hölle, das Paradies und die übrigen Glaubensartikel des Islamismus.

»Er ließ uns königlich bewirten und wollte uns sehr kostbare Geschenke machen, ich dankte ihm aber und sagte: Tu für Hatem, was du im Sinne hattest, für mich zu tun. Mudsil fragte dann Hatem, wohin er sich wenden wolle, und ob er nicht etwa wünsche, bei ihm zu bleiben? Schenke mir das Zelt, antwortete Hatem, welches in dem freundlichen Tal aufgeschlagen worden ist, wo ich so viel gelitten habe, mit einigen dabei liegenden Gütern, ich werde darin glücklich sein mit Turaja.

Mudsil sprach hierauf zu Hatem: Das sollst du haben, und dazu ein jährliches Gehalt, das nicht nur für deine Bedürfnisse hinreicht, sondern dir auch gestattet, alle Reisenden, welche in diese Gegend kommen, zu bewirten; das bin ich dem einzigen Gott, zu dem ich mich bekehrt habe, schuldig für die vielen Mißhandlungen, welche die Reisenden, die sich durch die Tafel an der marmornen Säule dahin locken ließen, von mir zu dulden hatten. Der König Mudsil begleitete hierauf selbst Hatem und Turaja bis an ihr Zelt und ließ eine Abteilung Truppen zu ihrer Sicherheit in der Nähe lagern. Misram und ich aber, wir nahmen Abschied von ihnen und reisten wieder zehn Tage durch Wüsten und Einöden, wo kein grünes Blättchen, noch ein lebendes Wesen zu sehen war. Am elften Tag, als wir in ein fruchtbares Tal kamen, bat mich Misram um einen dreitägigen Urlaub. Ich reichte ihm eines jener Pergamentblätter, und er flog davon. Als ich aber meinen Hunger an den Früchten dieses Tales stillen wollte, fand ich sie so bitter, daß ich sie nicht genießen konnte; ich mußte daher an meinem Vorrat zehren, der so klein war, daß mir schon am zweiten Tag nichts mehr übrig blieb. Am dritten Tag plagte mich der Hunger so sehr, daß ich mich aufmachte, um entweder Nahrungsmittel oder eine bewohnte Stelle zu finden. Da erblickte ich am Ausgang des Tales auf einem Hügel ein großes steinernes Kloster mit einem schönen nußbaumenen Tor. Ich ging darauf zu und fand am Tor folgende Inschrift: Wanderer, den das Geschick hierher führt, bist du hungrig, so speisen wir dich, bist du nackt, so kleiden wir dich, bist du verirrt, so führen wir dich auf den rechten Weg, besuche uns nur, wir werden uns als Gäste und dich als den Hausherrn ansehen. Als ich diese Verse gelesen hatte, dachte ich: Was ist mir in diesem Augenblick wünschenswerter, als ein gastfreundliches Kloster, ich gehe hinein und stille meinen Hunger, inzwischen wird Misram wiederkehren. Kaum hatte ich angeklopft, da rief eine Stimme von innen: Wer ist da? Ich antwortete: Ein armer, hungriger Reisender. – So sei uns willkommen! versetzte die Stimme, und sogleich wurde das Tor geöffnet. Ein schwarzer Sklave trat mir entgegen, führte mich in einen freundlichen Saal und hieß mich auf einen schönen Divan sitzen. Er verließ mich dann einen Augenblick und kehrte wieder mit einer goldenen Schüssel, welche mit Fleisch und Gemüse gefüllt war, die im Fett schwammen, stellte sie mit zitternder Hand vor mir hin und entfernte sich wieder. Da ich fast vor Hunger starb, streckte ich meine Hand danach aus und sagte: Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen. Als ich aber einen Bissen in den Mund stecken wollte, hörte ich eine Stimme mir zurufen: Iß nicht! Ich legte den Bissen nieder, drehte mich nach allen Seiten um, sah aber niemanden. Da streckte ich wieder die Hand nach der Schüssel aus und griff nach einem Stückchen Fleisch, als ich es aber an den Lippen hatte, rief dieselbe Stimme wieder: Iß nicht! Ich sah mich wieder rechts und links um und erblickte wieder niemanden. Als ich aber zum drittenmal essen wollte und auch dieses Mal dieselbe Warnung vernahm, ohne jemanden zu sehen, sagte ich: Wer du auch seist, der du mit mir sprichst ohne dich mir zu zeigen, sage mir, warum ich nicht essen soll, da mich doch der Hunger bald umbringt?

»Hierauf antwortete die Stimme: Blicke einmal nach deiner Rechten! Ich drehte mich um, und siehe da, Misram stand neben mir und sagte: Mein Herr Djaudar, hättest du einen einzigen Bissen von diesem Fleisch gegessen, du würdest jetzt wie heißes Blei zusammenschmelzen, dein Schwert wäre dir entrissen worden, ich müßte mein ganzes Leben durch ruchlosen Leuten dienen und Mahmud müßte vor Verzweiflung sterben, Gelobt sei Gott, der mich noch zur rechten Stunde hierhergesandt hat. Wisse, Djaudar, dieses Kloster gehört einer Alten, welche das Feuer anbetet, die Inschrift auf dem Tor soll ihr Reisende herbeilocken, die sie alle ihrem Vetter Hindmar zuführt, der sie dann brät und wie gebackene Hühner frißt. Doch das Nähere will ich dir erzählen, wenn du den schwarzen Sklaven umgebracht hast, der jetzt auf der Terrasse des Schlosses sitzt. Geh nur hinauf, er wird einen lauten Schrei ausstoßen, wenn er dich hört, berühre ihn nur mit deinem Schwert, und er wird ein Haufen Asche werden; wenn dann morgen die Alte mit ihrem Vetter Hindmar zurückkommt, in der Hoffnung, neue Beute für ihn zu finden, so verfahre mit ihr ebenso, dann ziehen wir zusammen gegen Hindmar, das Verderben der Muselmänner. Als ich nach Misrams Befehl den schwarzen Sklaven getötet hatte und wieder zu ihm herunter kam, sagte er mir: Komm, wir wollen uns in einem Kabinett verbergen, damit die Alte nicht davonlaufe, sobald sie uns sieht, und noch ferner Unheil stiftet in der Welt. Ich folgte Misram in ein Kabinett, das dicht an der Tür des Saales war, und wir blieben bis zum folgenden Tag darin. Da hörten wir auf einmal ein Getöse im Kloster, als wenn es donnerte, und siehe da, ein altes Weib trat in den Saal und setzte sich auf den im oberen Teil desselben angebrachten Divan. Sie hatte einen Kopf wie ein Büffel, dazu aber kleine Augen wie Oliven, einen Hals hatte sie, so gelb wie abgefallene Blätter, einen Mund wie eine Trompete, eine Brust wie eine Kiste, einen Leib wie ein Esel, Zähne hatte sie wie ein Elefant und eine Zunge, die bis über die Brust herabhing, Das ist die alte Djachka, sagte mir Misram, Hindmars ruchlose Base. Als ich dies hörte, zog ich mein Schwert, sprang aus dem Kabinett und teilte sie entzwei. Da stieg ein Rauch gen Himmel, der sich dann sammelte und zu einem Haufen Asche wurde. Misram jubelte vor Freude wie ein Frauenzimmer, als er die Alte in einen Haufen Asche verwandelt sah, und sagte: Es wird alles gelingen, Djaudar, bald wird Hindmar das Los seiner Base teilen, und wir sind dann nicht mehr fern vom Ziel. Misram sammelte dann alles Silber, Gold und alle Edelsteine, welche in großer Masse im Kloster aufgehäuft waren, belud damit zehn Geister und sagte ihnen: Gehet nach Ägypten zur Adlersschlucht, dort findet ihr den Abendländer Mahmud, der euch erwartet, küsset ihm seine Hände und Füße, bringet ihm diese Kostbarkeiten und saget ihm, es gehe alles gut, wir hoffen bald wieder bei ihm zu sein. Nach einigen Stunden waren die Geister schon wieder zurück und brachten uns Grüße von Mahmud und versicherten uns, er habe schon durch sein Buch den Tod der Alten gewußt, und nun bete er fortwährend, daß auch unser Unternehmen gegen Hindmar gelinge. Daran zweifle ich jetzt noch weniger als früher, sagte Misram, denn auf meiner letzten Reise habe ich Schilschanum, den Sohn Djaldjamuks, vertrauten Priester Hindmars, für unsere Sache zu gewinnen gewußt. Djaldjamuk, von dem man eigentlich nicht recht weiß, ob er ein Jude, Christ oder Muselmann ist, wußte durch seine Geschicklichkeit in der Arzneikunst sich bei Hindmar sehr beliebt zu machen. Hindmar war nämlich einmal so krank, daß seine besten Ärzte ihn für unrettbar erklärten, und es nicht der Mühe wert hielten, ihm Arzneimittel zu geben. Als Djaldjamuk dies hörte, ließ er sich zum König führen, und kaum hatte er den Puls gefühlt, so sagte er: Mein König, du hast eine innere Krankheit, für die es nur ein Heilmittel gibt, und zwar, Menschenfleisch essen und Menschenblut trinken.

Sobald Djaldjamuk dies gesagt hatte, rief Hindmar einen seiner ihm untergeordneten Geister und befahl ihm, einen Menschen herbeizuschaffen. Der Geist flog wie ein Blitz in ein von Menschen bewohntes Land, raubte einen fetten Mann und brachte ihn vor Hindmar. Djaldjamuk untersuchte ihn und sagte: Der ist recht, hänge ihn nun an den Füßen auf und lasse ihn drei Tage mit dem Kopf gegen die Erde gerichtet hängen, am vierten Tag schneide ihm den Kopf ab, fange das Blut in eine goldene Schüssel und trinke es ganz warm, du wirst bald darauf einschlafen; inzwischen kann man das Fleisch des Geschlachteten braten, das ißt du beim Erwachen, und du wirst wieder so gesund sein, wie früher. Da Hindmar auf diese Weise sehr bald wieder seine frühere Gesundheit erlangt hatte, beschenkte er Djaldjamuk königlich und ließ in seinem ganzen Reich ausrufen: Wer Hindmar liebt und ehrt, der liebe und ehre auch seinen Retter Djaldjamuk. Da indessen Hindmar häufig von seinem Übel befallen wurde, so nährte er sich fortwährend von Menschenfleisch, und ließ sich von allen Seiten Menschen herbeischleppen; waren sie fett, so wurden sie sogleich geschlachtet, wenn nicht, so mästete man sie mit Hühner- und Gänsefleisch. Das ist die Ursache, warum seine alte Base, die ihn leidenschaftlich liebte, ein Kloster mit einer lockenden Inschrift an dem Tor bauen ließ; denn wer hineinkam, dem ließ sie einen Schlaftrunk im Essen reichen und schleppte ihn zu Hindmar. So lebt nun Hindmar schon viele Jahre von Raub und Mord, auch ist er schönen Mädchen ebenso gefährlich als fetten Männern, darum fürchtet man ihn allenthalben, und kein König wagt es, ihm den Krieg zu erklären, weil er ebenso tapfer als mächtig ist und über unzählbare Heere gebietet. Er fühlte sich aber vor einigen Monaten ohne alle äußere Veranlassung auf einmal so beklommen, daß er Djaldjamuk rufen ließ und ihn fragte, ob ihm nicht ein Unglück bevorstehe. Djaldjamuk las eine Weile in einem Buch, dann sagte er: Hüte dich vor einem Menschen der aus Ägypten kommt, er besitzt das Zauberschwert Sintbests, das Menschen und Genien besiegt. Darum will ich dir eine kupferne Statue gießen, mit einer Trompete in der Hand, in welche sie stoßen wird, sobald dieser Mensch gegen dein Schloß zieht. Vernimmst du den Trompetenschall, so lasse mich gleich rufen, daß ich gegen den Zauber des Schwertes Mittel ergreife, sonst bist du verloren und alle deine Feinde freuen sich an deinem Untergang. Hindmar lebte nun ruhig fort, bis auf einmal – es war gerade an dem Tag, wo du in Alexandrien dich einschifftest – die Statue mit einer solchen Kraft in die Trompete stieß, daß sein ganzes Schloß zitterte. Da ließ er schnell Djaldjamuk rufen und sagte ihm: Der Mann mit dem Zauberschwert muß nahe sein, denn die Trompete erschallte so laut, daß sie mich ganz betäubt. – Fürchte nichts, erwiderte Djaldjamuk, ich werde unserem Feind vier Schlingen legen, denen er, wenn ihn kein Verräter warnt, gewiß nicht lebendig entkommen soll. Da er indessen nicht allein alles verrichten konnte, mußte er seinem Sohn Schilschanum sein Geheimnis mitteilen. Dieser ist aber in seinem Inneren ein Muselmann und sieht daher schon längst mit Abscheu das ruchlose Leben Hindmars, welcher das Feuer anbetet, auch ist er ein Jugendfreund meiner beiden Söhne; als ich ihn daher auf meiner letzten Reise bei ihnen traf, erzählte er mir alles dies und versprach mir, sich auf dem Vogelberg einzufinden, den wir, um zu Hindmar zu gelangen, übersteigen müssen, um dir dort die Mittel anzugeben, wie du der vierfachen Gefahr, die dir droht, ausweichen kannst. Nun komm, und laß uns nicht länger hier verweilen.

»Misram befahl dann, als wir aus dem Kloster traten, einigen Geistern, es zu zerstören und in einem Augenblick war es in einen Haufen Asche verwandelt. Dann reisten wir wieder zwanzig Tage lang, bis wir vor einen grasgrünen, sehr hohen Berg kamen. Dies ist der Vogelberg, sagte mir Misram; hinter diesem Berg liegt das Feuertal, und hinter dem Feuertal das Schloß Hindmars. Wir blieben zwei Tage am Fuß des Berges, weil er überall so steil war, daß wir ihn nicht erklimmen konnten. Erst am dritten Tag entdeckten wir einen treppenartigen Pfad, der uns auf den Berg führte. Auf dem Gipfel desselben stand ein Schloß, dessen Grund den Boden berührte, dessen Spitze aber bis zu den Wolken emporstieg, und auf der Terrasse des Schlosses stand ein kupferner Vogel von der Größe eines Adlers. Das Tor des Schlosses war offen und ein Mädchen stand davor, das Misram und mich freundlich bewillkommte und mich fragte, ob ich nicht Djaudar sei. Als ich ihre Frage bejahte, sagte sie: Sei mir nochmals willkommen, du, dem der Islamismus so viel zu verdanken haben wird, folge mir mit deinem Freund Misram. Sie führte uns dann auf die Terrasse neben den kupfernen Vogel zu einem steinalten blinden Mann. Sobald wir auf die Terrasse kamen, drehte sich der Vogel dreimal im Kreis herum und breitete seine Flügel aus. Da sprang der alte Mann vor Freude in die Höhe und das Mädchen jubelte laut auf. Ich bat sie, mir die Ursache ihrer Freude zu erklären, da hub sie an: Wisse, Djaudar, der Greis, den du hier vor dir siehst, ist mein Vater, meine Mutter ist längst tot, aber noch eine Schwester habe ich, sie heißt Badiah, welche schon in ihrem achten Jahr das schönste Mädchen auf Erden war. Wir lebten mehrere glückliche Jahre nach meiner Mutter Tod beisammen, als auf einmal ein Geist von der Größe eines Dattelbaumes zu uns hereintrat, Badiah auf den Arm nahm und mit ihr davonflog. Es sind jetzt zwölf Jahre schon, daß uns dieses Unglück getroffen, und schon hatten wir alle Hoffnung verloren, Badiah wiederzusehen, als mir gestern im Traum eine Stimme zurief: Sei frohen Herzens, Djirah, so heiße ich nämlich, du wirst bald deine Schwester wiedersehen; es werden morgen zwei Leute kommen, ein Mensch namens Djaudar und ein Geist mit Namen Misram, durch die deine Schwester befreit wird. Wenn du diese beiden siehst, so führe sie auf die Terrasse, und wenn der Vogel sich dreimal im Kreis herumdreht und seine Flügel ausbreitet, so diene es dir als Zeichen der Wahrheit meiner Worte. Darum, mein Herr Djaudar, so schloß Djirah, freute ich mich so bei der Bewegung dieses Vogels. Kaum hatte Djirah ihre Erzählung beendet, da flog ein weißer Vogel zu uns und schüttelte von seinen Flügeln einen Geist auf die Terrasse herab. Das ist Schilschanum, sagte Misram, der Sohn des Priesters Djaldjamuk, der uns mit den Schlingen bekannt machen will, die uns sein Vater in Hindmars Schloß gelegt habe. Er grüßte ihn dann freundlich und stellte mich ihm als den Besitzer des Zauberschwertes vor. Weißt du, Misram, sagte Schilschanum, warum ich dich hierher bestellt habe? Weil ich gar oft diesen alten Mann um seine verlorene Tochter Badiah jammern hörte, welche kein anderer als Hindmar geraubt hat, und ich daher ihm die Rückkehr derselben verkündigen wollte, sobald Djaudar die Welt von diesem Ungeheuer befreit haben wird. Wollt ihr aber in euerem Unternehmen gegen Hindmar nicht den Tod finden, so höret mir aufmerksam zu und vernachlässigt nichts von dem, was ich euch sage.

»Schilschanum – so fuhr Djaudar in seiner Erzählung fort – sprach weiter zu uns: Ihr müsset nun von hier aus drei Tage lang durch das Feuertal gehen; dann gelangt ihr an einen grünen Berg, der ebenso hoch ist, als dieser, und zu dessen Gipfel ein bequemer Fußpfad führt. Habt ihr die höchste Spitze dieses Berges erstiegen, so sehet ihr das Säulenschloß und den Rabensee vor euch liegen. Das Schloß ist ungeheuer groß und ruht auf vierundzwanzig Säulen; es ist ganz glatt, hat weder Fenster noch Türen, so daß man es in der Ferne für einen Felsenblock hält. Dem Schloß gegenüber liegt ein kleiner See, vor welchem eine dünne, hohe Säule steht mit einem goldenen Raben, der den Schweif gegen den Himmel und den Schnabel zur Erde streckt. Du, Djaudar, mußt die Erde aufgraben an der Stelle, nach welcher der Schnabel des Raben gerichtet ist, bis du einen Beutel findest, welcher einen Bogen und drei Pfeile enthält. Spanne den Bogen und ziele nach dem Schnabel des Raben; triffst du ihn, so wird er sich dreimal im Kreise herumdrehen und drei goldene Schlüssel aus dem Mund fallen lassen; fehlst du zum ersten Male, so wird sich ein furchtbares Getöse um dich erheben, Geister von verschiedenartigster Gestalt werden dich angrinsen; der eine wird rufen: Ergreifet ihn! der andere: Zerreißet ihn! Laß dich aber nicht abschrecken, sondern schleudere auch den zweiten Pfeil nach dem Raben. Triffst du ihn wieder nicht, so wird der drohende Lärm um dich zunehmen; greife aber ohne Furcht nach dem dritten Pfeil, denn zum dritten Male triffst du gewiß den Schnabel des Raben. Nimm dann die Schlüssel, die aus seinem Schnabel fallen, gehe damit an den rechten Flügel des Schlosses und rufe: Abd Assurur, Bewohner dieses Schlosses! Man wird antworten: Hier bin ich, mein Herr Djaudar; es ist alles geschehen. Du wirst dann ein großes Geräusch aus dem Inneren des Schlosses vernehmen, als wenn viele Leute über einander stürzten; dann wird es nach und nach still werden und eine vorher unsichtbare Tür sich öffnen, an welcher ein schwarzer Sklave dich bewillkommnen und um eines der Blätter bitten wird, die Misram als Urlaub von dir erhielt. Gib ihm eines; er wird sogleich seine Flügel ausbreiten und davonfliegen. In der Halle des Schlosses siehst du eine Tür zu deiner Linken, welche einer der drei goldenen Schlüssel öffnet; du kommst durch ein großes Zimmer in einen Gang mit vierzig marmornen Platten, zwanzig davon sind weiß und zwanzig schwarz; trittst du auf eine weiße Platte, so sinkst du unter und zerschmilzest wie heißes Blei, und hättest du auch fünfzig Zauberschwerter bei dir. Du mußt also, immer nur die schwarzen Platten berührend, durch diesen Gang gehen; da gelangst du vor eine Tür, welche du mit dem zweiten goldenen Schlüssel öffnen mußt; es werden aus einem großen Saal mehr als siebzig Genien wie Elefanten auf dich losstürzen; ziehe aber nur dein Zauberschwert aus der Scheide, da sinken sie sogleich in den Boden. Gehe darauf durch diesen Saal in einen anderen, dessen Tür der dritte goldene Schlüssel öffnet; da wirst du zwei kupferne Statuen sehen mit einem fränkischen Bogen in der Hand, zu dem sie Pfeile haben, welche den härtesten Felsen wie Mehl zermalmen. Sobald sie aber auf dich zielen, berühre ihren Bogen mit deinem Schwert, so wird er ihnen aus der Hand fallen. Hierauf kommst du in einen Saal, wo dir eine brennende Luft entgegenweht, welche den Speichel im Mund dir austrocknet, du wirst Lust haben, an dem Springbrunnen zu trinken, aus dem mitten in diesem Saal frisches Wasser hervorsprudelt; aber ein einziger Tropfen von diesem Wasser reicht hin, um dich zu töten. Darum bezähme deinen Durst und gehe weiter, bis du ins Freie kommst, da liegt ein kleiner See vor dir, aus dem sich ein Inselchen erhebt, wo ein goldenes Zelt mit roten seidenen Schnüren aufgeschlagen ist. Am Ufer des Sees steht eine Säule mit einer Statue, welche eine bleierne Kugel in der Hand hält; berühre diese Kugel mit deinem Schwert, so wird sogleich ein zierlicher Nachen, welcher an die Insel befestigt ist, sich losmachen und zu dir kommen. Steige hinein, er wird dich zur Insel bringen, wo Hindmar in seinem Zelt sitzt; er ist seit einigen Tagen schon vor Angst so niedergeschlagen, daß du ihn ohne Mühe mit deinem Schwert töten kannst. Wisse auch, lieber Djaudar, fuhr Schilschanum fort, fürchtete ich meinen Vater nicht, ich würde dich gern begleiten, bis du Heifa wiedergefunden und deinem Freund Mahmud die Töchter des Königs Numan verschafft hast; übrigens wird Misram dir beistehen, und auch Gottes Hilfe ist dir gewiß. Schilschanum nahm hierauf Abschied von uns, und Misram sagte mir: Mein Herr Djaudar, es ist jetzt Zeit, daß wir mit Gottes Segen weiterreisen. Wir verabschiedeten uns bei dem Alten und versprachen ihm, seine Tochter Badiah recht bald zurückzuschicken. Nach drei Tagen waren wir vor dem grünen Berg, den uns Schilschanum bezeichnet hatte, und auf dessen Gipfel angelangt, sahen wir das Säulenschloß und den Rabensee vor uns liegen. Hier wiederholte mir Misram, was Schilschanum mir zu tun befohlen, und da ich nichts vernachlässigte, traf auch alles so ein, wie Schilschanum uns vorhergesagt, bis ich in das Zelt auf der Insel kam; da saß Hindmar auf einem goldenen Thron, der mit den schönsten Hyazinth-, Saphir- und Smaragd-Steinen verziert war; vor ihm stand ein Tisch, mit Weinkrügen und kristallenen Gefäßen besetzt. Er war halb betrunken, hatte ein Gesicht wie ein Stier, und einen Kopf mit vier Hörnern; einen Hals hatte er wie ein Esel, sein Körper war haarig, wie der eines Affen, nur seine Hände und Füße glichen denen eines Menschen. Sobald er mich sah, starrte er mein Schwert an, schlug seine Zähne zusammen und stieß einen Schrei aus, daß das ganze Schloß bebte. Ich ging auf ihn zu und berührte kaum seinen Hals mit dem Schwert, da flog sein Kopf vom Rumpf, ein Rauch stieg in die Höhe und der so gefürchtete Hindmar war nur noch ein Häufchen Asche; sein Geist aber fuhr in die Hölle. (Wehe einem solchen Aufenthaltsort!) Als Misram dies sah, umarmte er mich, küßte mich zwischen die Augen und sagte: Nun haben Menschen und Genien ihre Ruhe wieder. Geh du jetzt ins Schloß; du kannst trockenen Fußes dahin gelangen, denn der See, über den du hierher gefahren, ist ausgetrocknet; ich bleibe inzwischen hier im Zelt. Das erste Zimmer, das ich öffnete, war ganz leer, nur eine kupferne versiegelte Flasche stand in einer Ecke auf dem Boden.

»Sobald ich aber hineinkam, hörte ich eine Stimme, welche mir zurief: O du, der du die Katze von ihren Fesseln befreit, sei mir willkommen! – Wer bist du? rief ich erstaunt, der du so mit mir sprichst, ohne dich zu zeigen? – Bist du nicht der Fischer Djaudar aus Kahirah? versetzte jene Stimme, und hast du die Katze vergessen, die dir in der Adlersschlucht das Zauberschwert und das heilige Buch gebracht? Nur um deinetwillen schmachte ich nun schon fünf Monate in dieser kupfernen Flasche; wenn du Hindmar getötet hast, so befreie mich schnell! Ich riß das Siegel von der Flasche, da stieg ein dichter Rauch gen Himmel, der sich bald sammelte, und siehe da! Schah Bair stand vor mir, wie ich ihn in der Adlersschlucht gesehen, und dankte mir für seine Befreiung. Ich bat ihn dann, mir zu erzählen, wieso er in dieses Schloß gesperrt worden. Da hob er an: Wisse, Djaudar, ich bin der Sohn Abu Tawaifs, welcher auch Iblis genannt wird, und habe einen Bruder, der Schamhurisch heißt und in der Nähe von Tunis sich aufhielt. Eines Tages, als letzterer allein in seiner Wohnung war, wurde er von zwei großen Genien ergriffen und gefesselt vor den alten Abul Adjaib geführt. Mein Bruder fragte ihn erstaunt, wodurch er eine so gewalttätige Behandlung verdient habe. Aber Abul Adjaib antwortete bloß, er wolle seinen Vater Iblis zu sich berufen, ihm wolle er sagen, was er mit dieser Entführung bezwecke. Schamhurisch sandte einen Boten an unseren Vater, und als er zu Abul Adjaib kam und ihn fragte, was er von ihm begehre, antwortete jener: Wisse, ich habe seit vielen Jahren an einem heiligen Buch gearbeitet, bis es mir gelang, ihm tausend Geister zu unterwerfen; dieses Buch schenkte ich meinem frommen Schüler Mahmud, aber er wurde von seinen Brüdern verraten, und das Buch liegt jetzt in der Adlerschlucht in dem Schloß Sintbests neben dessen Schwert, welchem fünfhundert Geister gehorchen. Beide sind der Obhut deines Sohnes Schah Bair anvertraut, welcher in der Gestalt einer schwarzen Katze auf einer Säule Wache hält. Liegt dir daher das Leben und die Freiheit deines Sohnes Schamhurisch am Herzen, so bewege deinen Sohn Schah Bair, meinem Schüler Mahmud, der mit Djaudar in die Adlerschlucht kommen wird, Schwert und Buch auszuliefern. Mein Vater eilte zu mir, und sobald ich den Zweck seiner Reise erfuhr, faßte ich den Entschluß, um meinen Bruder zu befreien, dem Wunsch Abul Adjaibs zu willfahren. Als ich dir Schwert und Buch übergeben hatte, flog ich zu Abul Adjaib und benachrichtigte ihn davon. Darauf gab er meinen Bruder frei, und ich reiste mit ihm zu unserem Vater. Wenige Tage nach meiner Flucht verlangte aber Sintbest nach Heifa, und als er hörte, sie sei von zwei Männern befreit worden, denen ich Schwert und Buch übergeben, fing er an zu toben und zu lärmen, zu schäumen und zu fluchen, und Sonne und Mond und alle seine Gatter zu lästern; dann versammelte er alle seine Scharen, Menschen und Genien, und zog mit ihnen gegen uns aus, Wir konnten ihm nicht lange widerstehen, denn unser Häuflein Truppen war bald aufgerieben; doch gelang es meinem Vater und meinem Bruder, durch die Flucht zu entkommen; ich aber wurde gefangen und mit Ketten beladen vor Sintbest geführt, Schon hatte er den Befehl zu meiner Hinrichtung erteilt, als meine Freunde, unter denen auch Hindmar war, ihn um Gnade für mich baten. Aber Sintbest wollte mich nicht begnadigen und befahl Hindmar, mich in eine kupferne Flasche zu sperren und ins Meer zu werfen. Hindmar beschwor aber Sintbest so lange, mich beim Leben zu lassen, daß er ihm endlich erlaubte, mich in der Flasche mit in sein Säulenschloß zu nehmen; er mußte jedoch vorher schwören, daß er mich nie befreien würde.

Fünf Monate bring ich nun schon in dieser Flasche zu, verzweifelte aber nicht, weil ich wohl wußte, daß du einst mit dem Zauberschwert Hindmar töten und mich befreien würdest. Nun weißt du alles, mein Herr Djaudar; jetzt bitte ich dich, mich zu entlassen, daß ich zu den Meinigen zurückkehre und ihnen von dem Gelingen des Unternehmens Nachricht bringe. – Reise mit Gottes Segen! rief ich ihm zu, und er breitete seine Flügel aus und flog davon. Als Schah Bair fort war, verließ ich dieses leere Zimmer und kam durch einen langen Gang in eine Küche, da standen vier Kessel über dem Feuer; in dem einen waren Granatäpfelbeeren, welche im Fett schwammen, im anderen Pilaw, im dritten Kulkas und im vierten Fleisch. Da ich sehr hungrig war, langte ich mit einem goldenen Löffel, der neben jedem Kessel lag, nach dem Fleisch; aber siehe da, es kam eine Menschenhand heraus. Ich warf sie mit Abscheu wieder in den Kessel und dankte Gott, daß ich auch von den übrigen Speisen nichts gegessen, weiche wahrscheinlich mit Menschenfett geschmälzt waren. Von der Küche aus kam ich wieder in einen Gang und hörte, wie jemand in einem Zimmer zu meiner Rechten rief. O mein Gott, welch schwere Versuchung! Allein in einem fremden Land auf eine so schauerliche Weise zu sterben! Ich rief nach der Richtung, wo die Stimme herkam: Wer bist du, der du so klagst, und wie kann ich zu dir gelangen? – Tritt nur auf den goldenen Skorpion, antwortete die Stimme, welcher zu deiner Rechten auf der Platte liegt! Als ich dies tat, öffnete sich eine Tür, und ich sah einen schönen jungen Mann an den Füßen aufgehängt. Wer hat dich so gehängt? fragte ich, ihn schnell losbindend, Hindmars Sklaven, antwortete er. Ich hänge schon acht Tage hier, und morgen Abend soll ich geschlachtet und von Hindmar verzehrt werden. – Sei ohne Furcht, Hindmar ist tot, sagte ich ihm; erzähle mir nun, wie du hierhergekommen und wer du bist. – Mein Name ist Tadj Almuluk, hob der Jüngling an, und seit drei Monaten bin ich König von Tauris. Ich war von meiner Jugend an ein großer Jagdliebhaber, und sehr schwer fiel es mir, nach meines Vaters Tod einige Zeit dem Vergnügen der Jagd entsagen müssen. Sobald daher die ersten Trauermonate vorüber waren, veranstaltete ich eine große Jagdpartie; wir trieben aber lange umher, ohne etwas jagen zu können. Endlich zogen wir im Kreis in ein schönes grünes Tal, und als der Kreis enger wurde, befanden sich drei Gazellen darin, so lieblich, wie ich noch keine im Leben gesehen. Der Kreis zog sich immer näher zusammen, aber die Gazellen hüpften darüber weg, ehe jemand nach ihnen zielen konnte. Dies schmerzte mich so sehr, daß ich meinen Leuten befahl, zurückzubleiben, und ganz allein diese Gazellen verfolgte. Zwei derselben hatten aber schon einen zu großen Vorsprung, und ich verlor sie bald aus dem Auge. Die dritte hingegen hüpfte immer vor mir her, bis ich endlich kurz vor Sonnenuntergang ihr so nahe war, daß ich mit meinem Bogen nach ihr zielen konnte. Mein Pfeil traf ihr Herz und sie sank hin; aber wie groß war mein Erstaunen, als ich statt einer schönen Gazelle nichts als einen Haufen Asche fand. Nun bereute ich es, mich von meinen Leuten so weit entfernt zu haben, denn die Nacht brach heran und ich wußte nicht, wohin mich wenden. Ich irrte eine Weile umher, da stieß ich auf ein Beduinenlager von ungefähr hundert Zelten am Fuße eines Berges. Ich trat in das erste Zelt und sah darin einen Jüngling wie der Mond in der vierzehnten Nacht; er hatte einen alten Kaftan an, den er eben ausbesserte, und rezitierte dabei folgende Verse:

»Wer wenig Güter hat, den verachtet die Zeit; nur wer viel Geld hat, wird geehrt. Hätte ein Hund viel Geld, so würde man aus Ehrfurcht ihn Hund des Glaubens nennen.«

Ich sah mich im Zelt um und fand nichts als einen weißen Hahn darin. Sobald der Jüngling mich erblickte, sagte er: Friede sei mit dir! – Mit dir sei Gottes Friede, Segen und Barmherzigkeit! antwortete ich ihm. Du scheinst verirrt zu sein, sagte er; ich freue mich, daß Gott deine Schritte hierher gelenkt; sei mir willkommen als mein Gast. Er nahm mir dann mein Pferd ab und band es an einen Pfosten des Zeltes; dann trug er den Hahn in ein nachbarliches Zelt und nach einer Weile kehrte er wieder mit einem Weinkrug, einem Laib Brot, einer Schüssel voll Oliven, einigen syrischen Aprikosen und einem Säckchen voll Gerste. Letzteres legte er dem Pferd vor und das übrige stellte er neben mich und sagte: Im Namen Gottes! Wir aßen und tranken miteinander, bis wir satt waren. Als ihm aber der Wein in den Kopf stieg, rezitierte er folgenden Vers:

»Beruhige dich, du bleibst nicht lange in der Fremde, morgen löse ich dich mit meinem Leben aus. Nur um eine heilige Pflicht zu erfüllen, trennte ich mich von dir; Gott wird dich mir wieder schenken!«

Ich fragte ihn, was diese Verse bedeuten. Da sagte er: Ich bin der tapferste und der ärmste Mann in der ganzen Wüste; doch lasse ich keinen Fremden an meinem Zelt vorübergehen, ohne ihn zu bitten, bei mir einzukehren. Heute, als du mich mit deinem Besuch beehrtest, hatte ich gar nichts mehr, als einen weißen Hahn, den ich in meinem Zelt erzogen; ich mußte ihn daher verpfänden, um dich zu bewirten. Nun hörte ich ihn aber fortwährend schreien, dann rezitierte ich diese Verse. – Ich bewunderte die Freigebigkeit dieses Mannes und nahm mir vor, ihn reichlich zu belohnen, verschwieg ihm aber doch den ganzen Abend meinen Stand und unterhielt mich mit ihm über Jagd und Beduinenleben, bis der Schlaf unsere Augen schloß. Am folgenden Morgen rückten die Truppen, welche mich auf die Jagd begleitet hatten, heran; mein Wirt wollte seine Leute zusammenziehen, um nicht von irgend einem Feind überfallen zu werden. Da sagte ich ihm: Bleibe nur ruhig in deinem Zelt, diese Truppen gehorchen mir; ich bin der König von Tauris und freue mich, sogleich deinen Hahn auslösen und dich für die gute Aufnahme, die ich bei dir gefunden, belohnen zu können. Ich sagte dann, auf die Beduinen hindeutend, meinen Leuten, welche sich inzwischen uns genähert hatten und vor Freude, mich wiedergefunden zu haben, ganz außer sich waren: Diesem Manne habe ich es zu verdanken, daß mir in der Nacht nichts Unangenehmes zugestoßen ist; wer mich liebt, der gebe ihm einen Beweis seiner Erkenntlichkeit. Kaum hatte ich dies gesagt, da warf ihm ein jeder, was er an Geld oder Kleidungsstücken entbehren konnte, zu; ich selbst aber befahl meinem Schatzmeister, ihm zehntausend Dinare auszubezahlen und schenkte ihm dazu noch zwanzig vorzügliche Pferde und hundert Mamelucken. Dann ließ ich alle Beduinen, welche im Lager waren, zusammenkommen und sagte ihnen: Wisset, ich bin der König von Tauris, und der Mann, bei dem ich die Nacht zugebracht, ist mir teurer als ein Bruder geworden; ich wollte ihn mit mir nehmen und ihm ein hohes Amt verleihen, aber er kann sich nicht entschließen euch zu verlassen. Darum ist es eure Schuldigkeit, ihn als eueren Oberen anzuerkennen; ich fordere es hiermit von euch, und solltet ihr je ihm ungehorsam werden, so lasse ich keine eurer Wohnungen unverwüstet, und niemand soll darin bleiben, der imstande wäre, ein Feuer anzublasen. Alle Beduinen riefen einstimmig: Wir gehorchen Gott und dir! Ich sagte dann meinem Wirt noch besonders: Bedarfst du je meiner, so sende mir nur einen Boten, der sich als Abgesandter des Herrn vom weißen Hahn bei mir melden lasse, und fordertest du die Hälfte meines Königreiches, so soll sie dir gewährt werden. Ich nahm hierauf Abschied von den Beduinen und kehrte mit meinen Leuten in meine Hauptstadt zurück. Als wir aber das Tor erreichten, vernahmen wir ein so furchtbares Getöse, daß wir glaubten, die ganze Stadt müsse zusammenstürzen, und als ich fragte, was das bedeute, flog ein riesenhafter Geist auf mich zu und sagte: Nun will ich den Tod meines teuren Sohnes rächen! Er hob mich hierauf aus meinem Sattel und schwang sich mit mir in die Luft. Ich weiß nicht, wie lange er mit mir umherflog, denn ich verlor bald das Bewußtsein. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich auf einer Insel, welche von verschiedenartigen Genien bewohnt war: Die einen waren lang, die anderen kurz, bei den einen sah man vor vielen Haaren kein Gesicht, bei anderen nichts als Knochen ohne Fleisch; auch befanden sich Köpfe ohne Rumpf und Rümpfe ohne Kopf unter ihnen; sie schienen aber alle sehr niedergeschlagen, und viele weinten und jammerten ganz laut und schlugen sich dazu ins Gesicht. Nach langem Schweigen sagte der Genius, der mich auf diese Insel gebracht, mit einer Stimme, welche dem Donner glich: Hier ist der Mörder meines Sohnes, was beginnen wir mit ihm? Da riefen einige Genien in Elefantengestalt: Gib ihn her, daß wir sein Fleisch essen und sein Blut trinken. Aber ein Genius, der mehr einem Menschen glich, sagte: Es steht keinem von uns zu, diesen Mann zu richten; er muß vor unseren König geführt werden. Ich brachte die Nacht, von zwei furchtbaren Genien bewacht, in einem Gefängnis zu und wurde am folgenden Tag in ein großes Zelt gebracht, in welchem der König, von seinen Vezieren umgeben, saß. Der König schien schon von allem unterrichtet, denn sobald er mich sah, sagte er: Du Mensch, hast den Sohn dieses Genius umgebracht, und deutete dabei auf den Geist, der mich auf die Insel getragen. Verzeihe, mächtiger König! rief ich; ich habe den Sohn dieses Genius nie gesehen; ich weiß nicht, ob er groß oder klein, weiß oder schwarz ist. Erzähle mir, sagte der König zu meinem Ankläger, auf welche Weise dieser Mensch deinen Sohn getötet hat. – Mein Sohn, versetzte der Genius, lief in Gazellengestalt umher; da verfolgte ihn dieser Mensch den ganzen Tag und tötete ihn mit einem Pfeil. Hier ist der Pfeil, setzt er hinzu, indem er einen Pfeil dem König hinreichte, den ich meinem armen Sohn aus dem Leib gezogen. Der König betrachtete den Pfeil eine Weile; dann überreichte er ihn einem seiner Veziere. Dieser drehte ihn nach allen Seiten um und sagte: Dieser Pfeil ist von einem Djinn vergiftet, sonst hätte er nicht die Kraft gehabt, einen Geist in Gazellengestalt in Asche zu verwandeln. Der Mensch ist daher unschuldig: Das Leben dieses Geistes war zu Ende; dieser Mensch war nur ein willenloses Werkzeug der Bestimmung.

Als der König dies hörte, befahl er dem Vater des Getöteten, mich wieder in meine Heimat zurückzutragen. Aber statt nach Tauris trug er mich hierher zum König Hindmar und klagte mich nochmals bei ihm an. Hindmar freute sich mit ihm und sagte: Der soll seine Schuld büßen! Ich habe noch acht Menschen, die ich zuerst verzehren will; bis zum neunten Tag soll er gemästet werden, dann kommt die Reihe an ihn. Ich wurde hierauf an den Füßen gehängt, und in diesem Zustand befinde ich mich schon acht Tage. Morgen hätte ich das Los so vieler anderer Unglücklicher geteilt, wärest du nicht, mein Herr Djaudar, zu meiner Befreiung gekommen. Nun weißt du alles, was ich zu erzählen habe. Gelobt sei Gott, der dich noch zur rechten Stunde hierhergesandt. Als der Jüngling so gesprochen hatte, rief ich Misram und befahl ihm, ihn in seine Heimat zurückzutragen. Ich ging dann durch einige Zimmer in einen großen Saal, welcher rings umher von kleinen niedlichen Kabinetten umgeben war: Ich befand mich im Harem des Königs Hindmar. Mitten in diesem Saal stand ein goldener Thron, mit Perlen und Edelsteinen besetzt, und es saß eine Dame darauf, wie die aufgehende Sonne, so blendend schön; ich dachte, sie müsse aus dem Paradies entschlüpft sein in einem Augenblick, wo der es bewachende Engel Ridhwan nachlässig in seinem Amt war. Als diese Dame mich sah, bedeckte sie schnell ihr Gesicht und rief mir zu: Wie wagst du es, in den Harem des mächtigen Königs Hindmar zu dringen? – Hindmar ist tot, antwortete ich ihr; ich bin jetzt Herr dieses Schlosses mit allem, was darin ist. – So bist du der Fischer Djaudar aus Kahirah! versetzte sie und rief sogleich ihre Freundinnen aus ihren Kabinetten herbei. Habe ich euch nicht oft vorausgesagt, fuhr sie dann fort, daß unsere Sklaverei nicht ewig dauert? Nun ist meine Prophezeiung in Erfüllung gegangen: Der Mann, den ihr hier vor euch sehet, hat unseren Räuber mit dem Zauberschwert getötet und wird uns alle unserer Familie und Heimat wieder schenken. Wisse nämlich, mein Herr Djaudar, sagte sie dann, zu mir gewendet, sowohl ich, als alle Mädchen, die du hier siehst, und noch viele andere, welche noch in ihren Zimmern sind, hat Hindmar mit Gewalt entführt. Meine Entführung wurde meinem Vater von einem sehr berühmten Wahrsager schon mehrere Jahre vorher prophezeit; aber auch meine Befreiung durch einen Fischer aus Kahirah, welcher Djaudar heißt und Sintbests Schwert besitzt, wurde vorausgesagt. Ich betrachtete dann die Mädchen, welche alle sehr schön waren, und fragte, welche von ihnen Badiah heiße und vor zwölf Jahren ihrem Vater und ihrer Schwester entrissen wurde. Da trat eine unter ihnen hervor, mit einem Blick, der den einer Gazelle beschämte, und sagte: Ich bin die, nach welcher du dich erkundigst. Ich rief Misram und befahl ihm, sie in ihr väterliches Haus zurückzubringen. Als Misram mit ihr davonflog, bat ich die Dame, welche auf dem Thron saß und Sakirsad hieß, alle Mädchen, welche im Schloß sich befänden, zu versammeln. Da schickte sie einige Sklavinnen umher, welche die Mädchen zu ihr riefen; der Saal füllte sich immer mehr, und Sakirsad zählte immerfort, bis es ihrer achtundneunzig waren. Da sagte sie mir: Jetzt fehlt nur noch eine, welche so hart gefesselt ist, daß wir sie erst befreien müssen; doch lasse zuerst diese achtundneunzig wieder in ihre Heimat bringen. Ich rief Misram, welcher von seiner Reise mit Badiah schon wieder zurück war, und bestellte bei ihm achtundneunzig Geister. In einem Augenblick stiegen sie aus der Erde hervor, und jeder von ihnen nahm ein Mädchen auf die Schultern und schwang sich mit ihm in die Luft.

»Sakirsad führte mich dann in das Gemach, wo das gefesselte Mädchen lag, und siehe da, es war Heifa, meine Geliebte, welche ich schon einmal aus der Adlerschlucht befreit hatte. Vor Freude über ein so unverhofftes Wiedersehen fiel ich in Ohnmacht. Als mir das Bewußtsein wiederkehrte, stand Heifa schon entfesselt vor mir, ich umarmte und küßte sie, und bat sie, mir zu erzählen, wieso sie in dieses Schloß gekommen. Wisse, Djaudar, erwiderte sie, nicht lange nachdem Sandja mich nach Haus gebracht und ich an der Stelle meines Vaters den Thron bestiegen hatte, kam auf einmal eine Armee gegen meine Hauptstadt herangezogen, so zahlreich, daß meine Truppen ihr nicht zu widerstehen vermochten. Ich schickte ihnen meinen Vezier entgegen, um zu vernehmen, wer sie seien und in welcher Absicht sie gekommen. Da kehrte er bestürzt zurück und sagte: Es sind Truppen Sintbests, von ihm selbst angeführt. Als Ich dies hörte, fing ich an zu zittern, wurde blaß und fiel in Ohnmacht. Da stürzte ein furchtbarer Geist herein, vor dem alle meine Wachen erbebten, und trug mich vor Sintbest, bei dem auch Hindmar zugegen war. Sintbest wollte mich ins Meer werfen lassen, aber Hindmar sagte ihm: Gib sie lieber mir, ich will sie in meinem Schloß so lange peinigen, bis sie vor Gram stirbt. Sintbest willigte ein, und so schmachte ich seither in diesem Gemach in schweren Fesseln; aber nichts drückte mich so schwer, als die Trennung von dir, mein Geliebter, denn seitdem ich dich in der Adlerschlucht gesehen, ist mein Herz nur mit dir beschäftigt. – Auch ich, versetzte ich, habe keinen anderen Zweck bei allen meinen Unternehmungen, als dich zu erlangen; nun hat uns Gott vereinigt, wir wären am Ziel unserer Wünsche, wenn ich nicht Mahmud geschworen hätte, nicht eher mich dem Genuß meines Glückes hinzugeben, bis ich ihm die Töchter des Königs Numan zugeführt, die er ebenso leidenschaftlich liebt, als ich dich. Da sagte sie: Laß uns wenigstens einige Tage hier beisammen bleiben, dann erfülle du deine Pflicht gegen Mahmud, und ich erwarte dich hier mit Sakirsad, bis du wiederkehrst. Ich rief Misram und fragte ihn, was ich tun sollte? Bleibe drei Tage hier in diesem Schloß, wo du Überfluß an allen Annehmlichkeiten des Lebens findest und niemanden zu fürchten hast, und erlaube mir inzwischen, meine Söhne zu besuchen, die ich schon so lange nicht wiedergesehen. Ich überreichte Misram ein Urlaubsblatt, und brachte drei Tage bei Heifa und Sakirsad so angenehm zu, daß mir dieses Mal Misrams Wiederkehr am vierten Morgen höchst unerwünscht war. Doch ich dachte an das, was ich Mahmud verdankte, und nahm Abschied von den beiden Mädchen. Misram führte mich zehn Tage lang durch ein wüstes Land, bis wir in eine Seestadt kamen. Hier schifften wir uns ein, und sobald wir uns eingeschifft hatten, erhob sich ein so günstiger Wind, daß der Hauptmann uns umarmte und sagte: Wir warten schon zehn Tage hier im Hafen vergebens auf günstigen Wind, es scheint, daß ihr uns eine glückliche Reise bringt. Er ließ schnell die Anker lichten und die Segel spannen, und das Schiff flog davon wie ein Pfeil oder Blitz; aber der Wind wurde bald so heftig, daß der Steuermann das Schiff nicht mehr zu lenken vermochte, und da er nicht immer von derselben Seite herwehte, wußte der Hauptmann nach einigen Tagen nicht mehr, wo er sich befand. Da hieß er einen Matrosen auf den Mastbaum klettern, um zu sehen, ob das Schiff sich nicht in der Nähe eines bekannten Landes befinde. Der Matrose stieg bis auf die höchste Spitze des großen Mastbaumes, und als er wieder auf das Verdeck kam, sagte er: Ich habe einen roten und einen schwarzen Berg gesehen, die einander gegenüber liegen.

»Sobald der Hauptmann dies hörte, stieß er ein jämmerliches Geschrei aus, schlug sich ins Gesicht und rief: Wehe uns, wir sind ohne Rettung verloren, wir können nichts mehr tun, als unser Sterbegebet hersagen. Da liefen alle Kaufleute zum Hauptmann hin, auch ich und Misram traten immer näher und fragten ihn, warum er uns in solche Todesangst versetze? Weil es für uns kein Rettungsmittel mehr gibt, erwiderte der Hauptmann; der rote Berg, den mein Matrose gesehen, ist der Affenberg, auf dem zweihundert verzauberte Affen seit langer Zeit hausen, die keinen Menschen verschonen, der in ihre Hände fällt; was aber mein Matrose für den schwarzen Berg hält, ist nichts anderes, als der eiserne Baum mit eisernen Blättern und Früchten, den der Magier Bahram zum Verderben der Reisenden durch allerlei Zauberkünste hierher gepflanzt hat. Einst war hier nämlich ein trockenes Land, in dessen Mitte ein sehr hoher Berg sich erhob, von dem die Geographen behaupten, er stehe in unterirdischer Verzweigung mit dem Berg Kaf. Dieses Land war von Feueranbetern bewohnt, welche in festen Burgen hausten, aus denen sie die Reisenden überfielen und mißhandelten. Auch Bahram wurde auf einer Reise durch dieses Land von den Bewohnern dieser Burgen beschimpft; um sich zu rächen, bestieg er den hohen Berg, öffnete sein Zauberbuch und beschwor Geister herbei, welche von dem Fuß des Berges her bis ans Meer einen Kanal gruben, und so viel Wasser herbeileiteten, daß jene ganze Gegend überschwemmt wurde. Hierauf pflanzte er einen großen eisernen Baum mit magnetischer Kraft, der alle Schiffe in einer Entfernung von vierundzwanzig Stunden an sich zieht. Es bleibt dann den Leuten, welche auf den Schiffen sich befinden, keine andere Wahl, als den Berg zu besteigen. Sobald dies aber die verzauberten Affen sehen, fallen sie über sie her und fressen sie. Als die Kaufleute, welche auf dem Schiff waren, dies hörten, weinten sie und jammerten laut wie Frauen. Aber Misram, der mich stets in der Gestalt eines schönen Jünglings begleitete, fing an so laut zu lachen und zu jubeln, daß die Kaufleute ihn für verrückt hielten und ihm sagten: Spottest du über unsere Not? Glaubst du etwa, du allein würdest dem Tod entgehen? – Seid ohne Furcht! sagte Misram; was euch der Hauptmann hier erzählt hat, ist zwar ganz wahr, aber wir besitzen ein Schwert, das den eisernen Baum wie ein Blatt Papier zerschneidet, und niemand hindert uns dann, unserem Schiff jede beliebige Richtung zu geben. Da die Leute sich des guten Windes erinnerten, der mit unserer Einschiffung zu wehen anfing, beruhigten sie sich ein wenig, wurden aber doch immer noch ängstlicher, je näher unser Schiff dem eisernen Baum kam. Als es endlich ganz in der Nähe desselben auf den Berg stieß, rief Misram: Wer das Schiff verläßt, wird von den Affen gefressen. Djaudar allein darf es wagen, ans Land zu steigen, denn sein Zauberschwert schützt ihn. Er sagte mir dann: Geh nur ohne Furcht auf den Baum zu und rufe: O du, der du Moses das Meer gespalten, David das Eisen erweicht und unserem Herrn Mohammed den Koran geoffenbaret hast, steh mir bei und lasse mich diesen eisernen Baum umhauen, du bist ja allmächtig. Ich befolgte, was mich Misram hieß, das Eisen gab meinem Schwert wie ein weiches Rohr nach und stürzte mit einem donnernden Getöse ins Meer. Hierauf lief ich wieder zum Schiff zurück, und kaum hatte ich es wieder bestiegen, da blies der Wind vom Berg her und stieß unser Schiff ins offene Meer.

»Der Hauptmann tanzte vor Freude auf dem Verdeck umher und küßte mich einige Male, und wer auf dem Schiff war, dankte mir und entschuldigte die geringe Aufmerksamkeit, die er mir bisher geschenkt. Wir segelten nun drei Tage lang nach Osten, bis wir an eine grüne Insel kamen, welche Misram die Smaragdinsel nannte; hier stieg dieser mit mir aus und belehrte den Hauptmann über die Richtung, die er zu nehmen hatte, um an den Ort seiner Bestimmung zu gelangen. Mich führte dann Misram drei Tage lang durch ein grünes Tal, welches ein kleiner Fluß bewässert, dessen Wasser süßer als Honig und frischer als Schnee war; aus der Erde sproßen nichts als wohlriechende Kräuter und Blumen hervor, und die Bäume waren mit den schönsten und schmackhaftesten Früchten beladen. Endlich, als wir vor einen großen Nußbaum kamen, in dessen Nähe der Fluß sich ins Meer ergießt, sagte Misram: Jetzt sind wir am rechten Platz; hier ist das Gazellental und hier der Baum, von welchem Mahmud auf die Töchter des Königs Numan herabsah. Besteige nun auch du diesen Baum, und warte, bis die Mädchen wiederkehren. Siehst du sie ans Land steigen, so verbirg dich sorgfältig hinter den Zweigen des Baumes, sobald sie aber ihre Fischhaut abgelegt haben, so springe schnell mit deinem Schwert darauf los, es ist ihnen dann unmöglich, wieder heimzukehren und du kannst sie deinem Freund Mahmud zuführen, um dessentwillen wir diese ganze Reise unternommen; das ist der letzte Rat, den ich dir zu erteilen habe. (Nur Gott ist allwissend!) Ich hatte kaum nach Misrams Rat den Nußbaum bestiegen, als drei Fische, ein blauer, ein grüner und ein gelber, aus dem Meer den Fluß aufwärts bis in die Nähe des Nußbaums geschwommen kamen. Hier stiegen sie ans Ufer und warfen ihre Fischhaut ab, und es wandelten drei Mädchen vor mir umher, so schön und wohlgestaltet, wie ich noch keine im Leben gesehen. Ich versteckte mich sorgfältig, weil ich dachte, es würden ihnen noch andere nachfolgen, da hörte ich aber, wie eine derselben zur anderen sagte: Heute wollen wir uns nicht lange hier aufhalten, weil unsere Schwestern zu Hause geblieben sind, nach denen ich mich sehr zurücksehne. Ich wartete daher nur so lange, bis sie sich von ihren Fischgewändern entfernt hatten, dann sprang ich vom Baum und bemächtigte mich derselben. Misram freute sich sehr, als er dies sah, und befahl drei Geistern, die drei Mädchen in Hindmars Schloß zu Heifa und Sakirsad zu tragen und uns dort zu erwarten. Jetzt glaubte auch ich am Ziel meiner Bemühungen zu sein, denn ich dachte, mit drei solchen Mädchen kann Mahmud schon zufrieden sein; ich wusch mich daher im Fluß, dankte Gott für seinen Beistand und betete zu ihm, daß er mir nun auch meine Rückkehr nach Ägypten erleichtere. Als ich aber das Gebet vollendet hatte, kamen zwei der Geister, welche Misram mit den Mädchen abgeschickt hatte, mit zerstörtem Gesicht zurück, und als Misram sie fragte, was ihnen zugestoßen sei, sagte einer von ihnen: Wisse, mein Gebieter, als wir mit den Mädchen in die Nähe des schwarzen Berges kamen, an dem uns der Weg nach Hindmars Schloß vorüberführte, sprangen zehn Geister auf uns zu und hielten uns an. Als ich ihnen sagte, ich sei ein Abgesandter Misrams und Djaudars aus Ägypten, erwiderten sie: Die sind es eben, die wir suchen, einer von euch bleibe hier mit den Mädchen bei uns, und die übrigen beiden müssen zu Misram und Djaudar zurückkehren und sie hierher bringen. Als Misram dies hörte, sagte er mir: Mache dich auf, Djaudar, hier darf keine Zeit verloren werden, man will uns gewiß etwas Wichtiges mitteilen.

Wir reisten nun zusammen nach dem schwarzen Berg, bis wir zu den Geistern kamen, welche die Mädchen gefangen hielten. Misram fragte sie: Wer seid ihr und was wollt ihr von mir? – Wir sind auf Befehl Schilschanums, des Sohnes Djaldjamuks, hier, antwortete einer von ihnen, um euch zu sagen, daß ihr ihn hier erwarten sollt, und wir hielten einen eurer Geister mit den Mädchen zurück, um desto sicherer zu sein, daß ihr hierher kommt. Kaum hatte der Geist ausgesprochen, da erschien Schilschanum selbst in der Gestalt eines weißen Vogels, und sagte uns: Ich suche euch schon drei Tage überall, denn in meinem Herzen glüht eine glühende Kohle wegen dessen, was ich im Schloß Hindmars gesehen. Bald nachdem ihr nämlich dasselbe verlassen hattet, um den eisernen Baum des Magiers Bahram zu vernichten, rief mich mein Vater zu sich und befahl mir, ihn zu Hindmar zu begleiten. Sobald er aber den Vogel, welcher auf der Säule war, umgestürzt und das Tor des Schlosses geöffnet fand, rief er: Wehe mir! Es ist um meinen Ruf geschehen, mein Freund Hindmar ist tot, alle meine Zauberei vermochte nichts gegen das Zauberschwert Djaudars; aber ich will mich rächen. Er ging hierauf ins Schloß und nahm alles, was an Silber, Gold, Edelsteinen und kostbaren Stoffen darin war, und befahl einigen Geistern, es ins Meer zu werfen. Als er dann in das Gemach kam, wo Heifa und Sakirsad mit ihren Sklavinnen saßen, stieß er einen Schrei aus, daß ich glaubte, das ganze Schloß stürze über uns zusammen; dann sagte er mir: Mein Sohn, Djaudar soll nun sehen, daß man gegen mich nicht ungestraft sich vergeht. Bringe mir eine goldene Tasse und etwas weißen Sand; als ich ihm dies brachte, rührte er den Sand mit einer Flüssigkeit an, die er bei sich trug, murmelte einige unverständliche Worte darüber, dann sagte er mit lauter Stimme: Behaltet eure Menschengestalt nur an der obern Hälfte eures Körpers, eure untere Hälfte aber werde zu Stein; er bespritzte sie hierauf mit der Flüssigkeit aus der Tasse, welche zu kochen anfing, als stünde sie über dem Feuer, und siehe da, Heifa, Sakirsad und die anderen acht Mädchen wurden zur Hälfte in Stein verwandelt, so daß sie sich nicht mehr von der Stelle bewegen konnten. Hierauf zog mein Vater ein Buch aus der Tasche und las ein wenig darin, wurde blaß, fing an zu zittern und zu beben. Was ist dir, mein Vater? fragte ich ihn. Wehe mir, antwortete er, mich reut, was ich eben getan habe, denn Djaudar wird mich zuletzt doch noch überwinden und zwar mit Hilfe eines mir nahestehenden Wesens; doch will ich wenigstens dafür sorgen, daß seine Geliebte nicht ihre frühere Gestalt wieder erlange. Er schrieb daher ihren und der übrigen Mädchen Namen auf eine Tafel, schloß sie in ein smaragdenes Kästchen und befahl dem Geist Schamhurisch, es in eine Statue zu legen, welche nicht weit von dem Schloß des Zauberers Munkich im Königstal steht. Auch ich, fuhr er dann fort, begebe mich jetzt zu Munkich, wo ich doch gewiß eine geraume Zeit von den Nachstellungen Djaudars sicher sein werde. Hierauf zerstörte er das ganze Schloß Hindmars bis auf das Gemach, in welchem die verzauberten Mädchen waren, und nahm Abschied von mir. Sobald er aber fern war, ging ich zu den Mädchen, die ich von Herzen bedauerte, gab mich ihnen zu erkennen und tröstete sie, indem ich ihnen versprach, euch von allem in Kenntnis zu setzten, und sie versicherte, daß es euch nicht allzu schwer fallen werde, ihren Zauber zu lösen. Ich verließ dann die Mädchen und nahm zehn Geister mit mir, die ich beauftragte, alles anzuhalten, was vom Gazellental herkomme, weil ich wohl wußte, daß ihr der Töchter des Königs Numan willen dorthin ziehen würdet; ich selbst wanderte auch umher, um euch zu suchen, und danke nun Gott, euch gefunden zu haben, damit ihr mir folget, um die armen Mädchen zu befreien.

»Als Schilschanum seinen Bericht vollendet hatte, weinten wir heftig und waren, ohne Wein getrunken zu haben, in einem furchtbaren Taumel. Ganz bewußtlos folgten wir Schilschanum nach dem verwüsteten Schloß Hindmars, und als wir zu den halbversteinerten Mädchen kamen, verwünschten sie uns und sagten: O lebte doch Hindmar noch! O hätten wir euch doch nie gesehen! Aber Misram ermutigte sie, indem er ihnen schwor, nicht eher seine geliebten Söhne wiederzusehen, bis er ihnen wieder ihre frühere Gestalt mit Hilfe Gottes zurückgegeben. Er befahl dann drei Geistern, die drei Töchter des Königs Numan nach Ägypten zu tragen, sie Mahmud zu bringen und ihn dann im Schloß bei Heifa zu erwarten. Als dies geschehen war, nahm mich Schilschanum auf seine Schultern und flog mit mir von morgens bis mittags durch die Luft, dann setzte er mich auf eine Insel nieder und sagte mir: Das ist die Insel der Tochter des Veziers Schems, den Gott mit einem roten Kamm wie einen Hahn geschaffen, mit Zähnen, wie die eines Elefanten und Flügel, wie die Segel eines großen Schiffes. Er hat diese Insel seiner Tochter überlassen und will seine Tage im Königstal bei seinem Freund Munkich beschließen. Von dieser Insel bis ins Königstal braucht ein leichtes Schiff bei immer günstigem Wind wenigstens zwanzig Jahre, Geister durchfliegen aber diesen Raum in zwei Tagen, und Besitzer der heiligen Namen in einer Stunde; auch gibt es eine eigene Gattung Vögel, welche den Weg von hier nach dem Königstal in einem Tag zurücklegen. Ich werde jetzt ein Kamel schlachten, ihm die Haut abziehen und dich in dieselbe einnähen, es wird gewiß bald einer dieser Vögel kommen und dich ins Königstal tragen, wohin auch ich dir folge. Gerne hätte ich dich auf meinen Schultern dahin getragen, aber wir kommen an vielen feindlichen Ländern vorüber, wo ich, um jeden Angriff abwehren zu können, frei sein muß. Ich werde aber stets hinter dir sein, und du hast ebensowenig zu fürchten, als wärest du auf meinen Schultern. Er verließ mich dann eine Weile und kehrte mit einem großen Kamel wieder, schlachtete es, zog ihm die Haut ab, nähte sie um mich zu und entfernte sich ein wenig. Sogleich kam ein Vogel, so groß wie ein Elefant, nahm mich zwischen seine Krallen und flog mit mir von morgens bis abends. Dann setzte er mich nieder und wollte mich aufpicken, aber Schilschanum, der stets hinter mir geblieben war, verscheuchte ihn, riß die Haut auf und sagte: Steh auf, Djaudar! Wir sind am Ziel; gelobt sei Gott, der uns auf keinen Feind stoßen ließ. Ich stand auf und sah mich nach allen Seiten um, und befand mich in einem der reizendsten Täler in der Welt, bei jedem meiner Tritte duftete Moschus aus der Erde hervor. Bäche, Bäume und Vögel priesen vereint den allmächtigen Schöpfer. Das ist das Königstal, sagte mir Schilschanum, und nicht weit von hier liegt das Schloß Munkichs mit seinen vier eisernen Toren. Vor einem dieser Tore steht eine Statue, neben welcher ein goldener Skorpion liegt; reibe diesen Skorpion an der rechten Seite, so wird sich am Leib der Statue ein Türchen öffnen, gerade so groß, daß du mit der Hand hineinlangen kannst; strecke sie hinauf bis an das Hirn der Statue, da findest du einen kupfernen Käfig, mitten in diesem Käfig erhebt sich eine goldene Säule, auf der ein Spatz aus grünem Smaragd steht; greife nach diesem Spatz, er wird sich dreimal im Kreis herumdrehen, dann bindest du ihn an der Säule mit einer seidenen Schnur fest. Hüte dich aber wohl, daß der Vogel dich weder mit dem Schnabel noch mit den Krallen berühre, denn die kleinste Wunde die er dir beibringt, ist tödlich.

Djaudar setzte seine Erzählung vor dem Sultan Zaher Beibars also fort: »Als ich alles vollbracht hatte, was Schilschanum mich geheißen, trat Djaldjamuk aus dem Schloß zu mir heraus und sagte: Alles hat seine bestimmte Zeit; ich bin jetzt dein Freund, geh und befreie den Spatzen wieder, dann will ich dir die Mittel angeben, wie du deiner Geliebten ihre frühere Gestalt wieder geben kannst. Eile aber, denn mein Leben geht bald zu Ende und ich darf nicht sprechen, so lange der Spatz angebunden ist. Sieh, ich werde jeden Augenblick schwächer, mein Auge wird trübe, meine Hand erstarrt, mein Fuß kann nicht vom Platz weichen, eile also, daß mir meine Lebenskraft wiederkehre, und ich dir zur Befreiung der Mädchen und zu deiner Rückkehr in die Heimat beistehe. Diese in einem wehmütigen Ton gesprochenen Worte Djaldjamuks rührten mich so sehr, daß ich, alle früheren Feindseligkeiten vergessend, ihn verließ, in der Absicht, den Spatzen wieder loszubinden. Ich fand aber Schilschanum vor der Statue, der den Spatzen immer fester band, so daß er ihn fast erwürgte. Als er mich sah, stieß er einen Schrei aus, daß ich vor Angst zu Boden stürzte, und Feuer sprühte dabei aus seinen Nasenlöchern, das, wenn ich mich nicht schnell entfernt hätte, mich gewiß verzehrte. Dann sagte er: Bestände nicht ein alter Bund zwischen uns, so wärest du jetzt nicht mehr; du ließest dich von meinem Vater erweichen und wolltest den Spatzen wieder befreien, hättest du dies aber getan, so wäre für dich, für mich und die Mädchen, welche in Hindmars Schloß schmachten, keine Rettung mehr möglich; mein Vater hätte dann die ausgedehnteste Gewalt über uns, und du dürftest nie mehr daran denken, deine Heimat wiederzusehen. Gehe nun als ein Mann zu meinem Vater zurück und kehre dich nicht an seine Klagen und Versprechungen, bis du zuerst die Befreiung der Mädchen von ihm erlangt hast. Ich ging wieder zu Djaldjamuk und fand ihn in den letzten Zügen auf die Erde gestreckt. Als er mich erblickte, sagte er: Du hast mir doch versprochen, meinen Zustand zu erleichtern, und nun geht es mir noch schlimmer als vorher. – Ich durchschaue deine Treulosigkeit, antwortete ich ihm, zuerst befreie die Mädchen, dann soll auch dir Erleichterung werden. Als er dies hörte, sagte er vor Zorn lachend: Nun, mein Sohn, du bist unschuldig, ein anderer hat mich verraten, so höre mich denn an: Nimm den Siegelring, den ich an meinem Finger trage, und geh damit zu meinem Sohn Schilschanum, er wird dich zu Schamhurisch führen, welcher die heiligen Namen aufbewahrt, vermöge derer die Mädchen in Stein verwandelt wurden. Gib ihm den Ring als Zeichen, daß du von mir gesandt bist; er wird dir eine kleine, mit vielen Talismanen beschriebene, smaragdene Tafel verschaffen, mit dieser gehst du zu den Mädchen. Dort nimmst du weißen Sand aus einer Büchse, welche zu ihrer Rechten steht, streust ein wenig davon in eine goldene Tasse mit Wasser gefüllt. Mein Sohn Schilschanum lese dann siebenmal, was auf der Tafel geschrieben ist, dann bespritze er die Mädchen mit dem Wasser aus der Tasse und sage: Bei diesen heiligen Namen und dem Schöpfer des Himmels und der Erde, nehmet euere frühere Gestalt wieder an! So wird der Zauber sich lösen und die Mädchen können frei mit menschlichen Füßen umherlaufen wie zuvor; ja sie werden noch schöner und wohlgestalteter sein, als je. Ist dies geschehen, dann verfahre mit mir, wie ich es verdiene. Ich nahm den Ring von seinem Finger und ging damit zu Schilschanum; als dieser ihn sah, sagte er: Jetzt sind wir unserem Ziel nahe, folge mir nur! Ich ging mit ihm bis in die Nähe eines schönen Gartens, in welchem die herrlichsten Früchte prangten. In diesem Garten, sagte Schilschanum, sitzt der Geist Schamhurisch mit einer Schlange in der Hand, deren Gift den härtesten Felsen zermalmen könnte, er hat diese Schlange nur um deinetwillen in der Hand, damit, wenn du dich ihm näherst, du von ihr getötet werdest. Du mußt daher auf den Geist von hinten her zugehen und ihm, ehe er dich bemerkt, den Ring meines Vaters zeigen, dann wird er nicht zulassen, daß die Schlange dich beschädige. Ich ging nun in den Garten, der mit den schönsten Bächen, Blumen, Früchten und Vögeln angefüllt war, die je eine Zunge genannt oder ein Auge gesehen hat. Am Ufer eines Baches blieb ich stehen, wusch mich und betete. Nach vollendetem Gebet ging ich weiter, bis ich in die Mitte des Gartens kam, da sah ich einen furchtbar langen Geist mit einem dicken Kopf und einem Kamelhals vor einer Wasserleitung sitzen, wo ein goldener Ochs mit diamantenen Hörnern ein Rad aus Sandelholz mit einer smaragdenen Achse in Bewegung setzte. Ich schlich wie ein Dieb ganz leise heran, bis ich den Geist von hinten her umarmen konnte, dann hielt ich ihm den Ring vor die Augen und sagte: Djaldjamuk sendet mich zu dir wegen der Befreiung der in Hindmars Schloß verzauberten Mädchen. – Alles hat seine bestimmte Zeit, sagte Schamhurisch, ich glaubte schon, die Mädchen müßten bis zum Auferstehungstag so verzaubert bleiben; nun ist es anders. Gott erlöst, wen er will, auch mir wird es nun vergönnt werden, zu den Meinigen zurückzukehren, denen mich Djaldjamuk schon vor vierundzwanzig Jahren durch allerlei Zauberkünste entrissen hat, Der ist ein wahrer Iblis (Teufel), der sich den Gläubigen zwischen Haut und Knochen setzt. Doch nun ist es bald aus mit ihm und seinen Ränken, denn wäre noch seine alte Kraft in ihm, so hätte er dir diesen Ring nicht gegeben. Höre mir nur aufmerksam zu und vergiß kein Wort von dem, was ich dir sage, sonst ist dein Untergang unvermeidlich. Geh nun aus dem Garten hinaus durch das Tor, welches dem, durch das du gekommen bist, gegenüber liegt; da wirst du in einer großen Wiese eine marmorne Säule sehen, auf deren Spitze ein weißer Vogel auf einem Bein steht, grüße ihn und sage ihm: Schamhurisch sendet mich zu dir und bittet dich, mir die Tafel zu geben, die er dir anvertraut hat; schlage dann mit deinem Schwert auf die Säule, antwortet dir der Vogel etwas, so wird dein Wunsch erfüllt, verstummt er aber, so schlage noch einmal auf die Säule, er wird dir dann gewiß die Tafel geben. Steht aber der Vogel auf zwei Beinen, von denen das eine rot und das andere schwarz ist, so rede ihn gar nicht an, sondern kehre schnell zu mir zurück, da werde ich dir das Weitere raten. Ich nahm den Weg, den mir Schamhurisch anzeigte, bis ich an die Säule kam, auf welcher ein weißer Vogel stand, und da er auf einem Bein ruhte, redete ich ihn nach Schamhurischs Unterweisung an.

»Der Vogel schwieg eine Weile, dann breitete er die Flügel aus, öffnete den Mund und sprach mit einer menschlichen, sehr wohlklingenden Stimme: Es gibt keinen Gott außer dem einzigen Gott, der alles zu der von ihm bestimmten Zeit in Erfüllung bringt! Mir ist diese Nacht im Traum meine Rückkehr in meine Heimat durch die Ankunft eines Fischers aus Ägypten verkündet worden. Bist du dieser Fischer? Als ich seine Frage bejahte, flog er fort und kehrte nach einer Weile wieder mit einer grünen Stange, und sagte: Hier bringe ich vom Baumschloß, das dem Berg Kaf gegenüberliegt, den Schlüssel zu dieser Säule, welche die smaragdene Tafel enthält, die mir Schamhurisch aufzubewahren gegeben. Er ließ sich dann in Menschengestalt zu mir herunter; aber sein Anblick machte mich schaudern. Er war nur zwei Ellen lang; seine Zunge war halb so lang, wie sein ganzer Körper, und hing weit über die Brust herunter; sein Bart aber reichte bis zu den Füßen herab; Augen hatte er wie feurige Kohlen, und Nasenlöcher wie zwei Trompeten; er war viel dicker als lang, und am häßlichsten war noch an ihm ein langer Affenschwanz. Als er neben mir stand, überreichte er mir die schlüsselförmige Stange und sagte: An der linken Seite der Säule ist ein marmorenes Schloß: Öffne es mit diesem Schlüssel, strecke die Hand hinein und hole eine grüne Tafel heraus. Als ich ihm die Tafel brachte, sagte er: Sieh einmal, was auf dieser Tafel geschrieben steht. Da las ich den Namen Heifas, Sakirsads und der übrigen Mädchen, welche bei ihnen waren. Darunter stand aber noch der Name: Hinkender Schimhar, der mir unbekannt war, und als ich ihn fragte, was dieser einzeln stehende Name bedeute, antwortete er: Es ist mein Name, wodurch ich gleich den Mädchen von dem verruchten Djaldjamuk verzaubert wurde; ohne dich müßte ich eben so lange als Hüter der Tafel hier auf der Säule stehen, wie die Mädchen in Hindmars Schloß. Noch immer bin ich wie ein Gefangener, bis du meinen Namen von dieser Tafel auslöschest. Das kannst du aber ohne Gefahr tun, denn du bedarfst meiner nicht mehr: Schilschanum wird das Nötige für dich tun. Ich wischte den Namen Schimhar weg, und siehe da! Der häßliche Mann, der neben mir stand, verwandelte sich wieder in einen weißen Vogel und flog, mir dankend und viel Glück wünschend, davon. Ich steckte dann die Tafel in die Tasche und ging damit zu Schilschanum, der mich vor dem Garten erwartete. Er war außer sich vor Freude, als ich ihm die Tafel zeigte, und rief: Jetzt können wir getrost zu den Mädchen zurückkehren! Doch können wir nicht wissen, welche neue Falle uns mein Vater legt; darum ist das Sicherste, wir schaffen ihn aus der Welt. Er trug mich hierauf wieder vor die Säule, wo der Spatz angebunden war, und erwürgte ihn. Geh einmal jetzt ins Schloß, du wirst Wunder sehen, sagte er mir, als der Vogel tot vor unseren Füßen lag. Ich ging ins Schloß, und, siehe da! Djaldjamuk war in eine schwarze Kohle verwandelt, welche sich nach und nach in einen Haufen Asche auflöste, Als ich wieder herauskam und Schilschanum erzählte, was ich gesehen, tanzte er vor Freude und küßte und umarmte mich. Er schlachtete dann wieder ein Kamel, zog ihm die Haut ab und nähte sie um mich. Ein Vogel trug mich über das Land, wo Schilschanum einen feindlichen Angriff befürchtete. Dann nahm er mich selbst auf die Schultern und flog mit mir bis in die Nähe von Hindmars Schloß. Als wir vor das Gemach kamen, wo die Mädchen waren, hörten wir ein lautes Schluchzen; dann erkannten wir Misrams Stimme, der sie tröstete und ihnen unsere Wiederkehr verkündete.

»Ich hatte nicht mehr Geduld, länger zu lauschen, und stürzte freudetrunken ins Gemach, zog die smaragdene Tafel hervor und verfuhr damit nach Djaldjamuks Vorschrift, und siehe da! Die Mädchen wurden noch schöner gestaltet, als zuvor und fielen eine nach der anderen mir um den Hals. Ich mußte ihnen dann erzählen, auf welche Weise ich zu dem Besitz dieser Tafel gelangt, und nachdem ich sie mit allen meinen Abenteuern auf dieser weiten Reise bekannt gemacht hatte, küßten sie mich wieder und dankten Gott für das Gelingen einer so schwierigen Unternehmung. Ich näherte mich dann Heifa, welche zwar während meiner ganzen Erzählung ihren Blick nicht von mir wandte, aber noch immer mir kein liebendes Wort sagte, und fragte sie, ob denn ihre Liebe ihr kein Wort für mich auf die Zunge legte. Mir geht es, antwortete sie, wie dem Dichter folgender Verse:

»Stets wünschte ich meinen Geliebten zu sehen und ihm Worte der Liebe zu sagen; als ich aber in seine Nähe kam, war meine Zunge gelähmt, mein Auge wagte es vor Ehrfurcht nicht, sich zu ihm zu erheben, und ich verbarg in mein Inneres, was unaufhaltsam hervorbrechen wollte. Ganze Bücher voll hatte ich ihm zu sagen, und nun fand ich keinen Buchstaben mehr.«

»Wir brachten nun den Abend bei Wein, Gesang und Tanz zu, und am folgenden Morgen sagte Misram: Nun haben wir nichts mehr in diesem Schloß zu tun; auch ist es nicht ratsam, an einem Ort zu bleiben, der zu jeder Zeit von bösen Geistern und Zauberern besucht wird; darum lasset uns jetzt nach Ägypten aufbrechen. Ich werde acht Geister für die acht Mädchen kommen lassen; ich trage Heifa und Sakirsad, und Schilschanum nimmt Djaudar auf die Schultern. Ich freute mich, bald in meine Heimat zurückzukommen, um so mehr, da ich Mahmud geschworen hatte, mich erst dort mit Heifa zu vermählen; jedoch bat ich Misram, mir vorher zu erlauben, die Terrasse des Schlosses zu besteigen, um einen Überblick über diese wunderbare Gegend zu gewinnen. Misram begleitete mich selbst eine marmorne Treppe hinauf, welche zweihundertundachtzig Stufen zählte. Als ich oben war, kam mir das Schloß wie der Berg Kaf vor, und die Erde unter mir schien mir so fern, wie der Himmel. Als ich mich eine Weile nach allen Seiten umsah, erblickte ich in der Ferne etwas, das wie die Sonne strahlte und mich ganz verblendete. Ich fragte Misram, was das bedeute. Es ist ein goldenes Schloß, antwortete Misram, mit den kostbarsten Diamanten verziert; die Fenster sind vom feinsten Kristall, die Tore von Sandelholz; es ist das größte und schönste Schloß auf Erden, das Schadad, der Sohn Ads, der Gründer der säulenreichen Irem, erbauen ließ. Schadad war nämlich Herr der ganzen Erde nach ihrer Länge und ihrer Breite, und hatte zwei Söhne: der eine hieß auch Schadad und der andere Schadid. Eines Tages ließ Schadad die Großen seines Reiches versammeln und sagte ihnen: Ich möchte eine Stadt gründen, deren Boden wie Moschus und Safran duftet, deren Steine wie die kostbarsten Edelsteine glänzen, von Bächlein durchkreuzt, so klar wie Silber. Darum gehet zu meinen Präfekten und lasset euch die Einkünfte der ihnen anvertrauten Länder an Gold, Silber und Juwelen auf drei Jahre voraus entrichten. Schadads Befehl wurde vollzogen, und nach einigen Monaten kehrten die deshalb abgesandten Kommissare mit viertausendfünfhundert beladenen Kamelen zurück. Als das Nötige an Gold, Silber und Edelsteinen beisammen war, machte er sich mit seinen Truppen auf und reiste zehn Tage lang, bis er in ein sehr blühendes Tal kam. Hier stieg er ab und erteilte den Befehl, Zelte für ihn und seine Truppen aufzuschlagen, und in einer Stunde erhoben sich hundertundfünfzigtausend Zelte.

Djaudar fuhr in seiner Erzählung vor dem Sultan mit Misrams Worten fort: Schadad ließ dann Baumeister, Zimmerleute, Goldarbeiter, Bildhauer, Maler und andere Handwerksleute und Künstler kommen, und trug ihnen auf, eine Stadt mit viertausend Säulen zu bauen. Mitten in der Stadt ließ er ein Schloß mit einem Garten anlegen, der den des Paradieses übertreffen sollte. Für das Schloß wurden nur das reinste Gold und die edelsten Perlen und Diamanten gebraucht, und der Garten wurde mit den seltensten Blumen und Früchten aus allen Weltteilen angefüllt. Die Obstbäume wurden aus Griechenland und Persien herbeigeholt, die Veilchen aus Baßrah, die Rosen aus Kufa, Basilienkraut aus Mekka, Lilien und Jasminen aus Ägypten, Safran aus Genua, Aloe und Sandel aus China; dabei war ein Park, in welchem die schönsten Gazellen umherhüpften und die buntfarbigsten Vögel ihre Liebeslieder sangen. Die Mauern dieses Gartens wurden mit den feinsten Stoffen bedeckt, auf denen allerlei Bäume und Vögel gemalt und gestickt waren. Als alles vollendet war, beschenkte Schadad die Arbeiter und Künstler königlich und bezog sein Schloß. Aber in der ersten Nacht, die er darin schlief, hatte er einen bösen Traum, aus dem er ganz erschrocken und niedergeschlagen erwachte; er wußte aber nicht mehr, was er eigentlich geträumt hatte. Des Morgens früh ließ er seinen Traumdeuter rufen, welcher Ifrach hieß und dem er ein unbedingtes Vertrauen schenkte, und sagte ihm: Mein teurer Ifrach, ich habe diese Nacht einen schrecklichen Traum gehabt, dessen ich mich aber nicht mehr erinnere; nur so viel weiß ich noch, daß ich mit zitterndem Herzen darüber erwachte. Erkläre mir, was dieser Traum bedeutet. Ifrach zog eine Tafel aus der Tasche, bestreute sie mit Sand und schrieb allerlei fremde Charaktere hinein; dann rechnete er eine Weile mit den Fingern und sagte: Erhabener König, du befandest dich im Traum auf einem Schiff mitten auf dem tobenden Meer, da kam ein häßlicher Schwarzer mit einem Löwengesicht auf dich zu, faßte eine Kette, welche am Vorderteil des Schiffes herabhing, tauchte unter und zog das Schiff nach sich in den Abgrund. Du stürztest um und fielst in Ohnmacht. Als du wieder zu dir kamst, befandest du dich in einer großen Grube, von der du weder den Eingang noch den Ausgang sahest; nachdem du eine Weile darin umhergingst, fandest du ein großes Feuer, das hell aufflammte, ohne daß jedoch ein Rauch aufstieg; das Feuer kam dann auf dich zu und verzehrte dein linkes Bein wie ein Stück dürres Holz, und als es dann weiter herauf gegen das Herz stieg, erwachtest du. – Du hast wahr gesprochen, sagte Schadad, das war mein Traum, nun sage mir aber auch, was er bedeutet, Ifrach zog ein Buch aus der Tasche und las eine Weile darin; dann stieß er einen Schrei aus, daß das Schloß trotz der vielen Säulen, auf denen es ruhte, doch davon erbebte. Was hast du gesehen, fragte Schadad, vor Schrecken außer sich. Sage mir deine Gnade zu, versetzte Ifrach, und ich verhehle dir nichts. Als ihm Schadad hierauf das Gnadentuch überreichte, sagte er: In zehn Tagen wird der Tod dich und dein ganzes Volk hinwegraffen. – Am zehnten Tag, als Schadad über seine Truppen Musterung hielt, erhob sich ein heftiger Sturm, die ganze Erde bebte und verschlang den König Schadad mit seinem ganzen Heer, und sie waren nicht mehr als der gestrige Tag, der nie wiederkehrt. Sein schönes Schloß aber bewohnte nach ihm Deidabudj, ein sehr mächtiger, aber lasterhafter Genienfürst, welcher seinen Vater Jadjudj, König der bleiernen Stadt, ermordete. Er blieb aber nicht lange im ruhigen Besitz desselben, denn der Zauberer Busirian, welcher ein vertrauter Freund Jadjudjs war und dessen Tochter Unka leidenschaftlich liebte, sperrte ihn in eine kupferne Flasche, die er fest versiegelte; er wollte ihn sogar ins Meer werfen, aber Unka bat um Gnade für ihn. Deidabudj blieb viele Jahre in dieser Flasche, bis eines Tages sein Vetter Iblis zum Priester Djindar ging, welcher ein festes Schloß auf einer kleinen Insel des Ozeans bewohnte, und ihn um Beistand gegen Busirian anflehte. Djindar las eine Weile in seinem Zauberbuch, dann sagte er zu Iblis: Ich vermag nichts für deinen Vetter zu tun, so gern ich ihn auch befreien möchte; der einzige Mann auf der Welt, dessen Hilfe dir von Nutzen sein kann, ist Abul Adjaib, den ich in einigen Tagen hier erwarte, und mit deinem Anliegen bekannt machen will. Am dritten Morgen traf wirklich Abul Adjaib bei Djindar ein. Er hatte ein doppeltes Gesicht, ein menschliches vorn und ein Elefantengesicht hinten; war er guter Laune, so verschleierte er letzteres, zürnte er aber jemanden, so zeigte er nur sein Elefantengesicht, dessen Anblick Menschen und Genien mit Angst und Schrecken erfüllte. Sobald er hörte, was Deidabudj widerfahren, sagte er zu Iblis: Sei frohen Herzens; Busirian soll für seine Grausamkeit gegen deinen Vetter büßen. Er rief dann einen häßlichen geflügelten Geist herbei, und befahl ihm, Busirian gefangenzunehmen und die kupferne Flasche, welche in seinem Schloß stehe, zu öffnen. Soll ich auch eingesperrt werden? fragte der Geist mit zitternder Stimme; habe ich das um dich verdient? War ich je treulos gegen dich? Wie kann ich dem mächtigen Busirian beikommen? – Sei nur ohne Furcht, erwiderte Abul Adjaib, ich folge dir. Busirian hat seine geliebte Gattin verloren und trauert nun auf einem Berg, welcher Schadads Schloß gegenüber liegt; er ist so betrübt über den Tod Unkas, daß er nicht daran dachte, sein Zauberbuch mitzunehmen; auch seine schöne Tochter hat er im Schloß zurückgelassen, und diese Beute ist nicht minder wichtig, als die des Zauberbuches, ohne welches er nicht mehr als ein gewöhnlicher Mensch ist. Abul Adjaib ließ sich hierauf von dem beflügelten Geist nach dem Berg tragen, wo Busirian seine Gattin betrauerte, und nahm ihn gefangen; dann befreite er Deidabudj aus der Flasche und schenkte ihm das Schloß Schadads samt den Töchtern Busirians, welche darin waren. Dies geschah vor wenigen Monaten, setzte Misram hinzu, und was sich inzwischen zugetragen hat, ist mir unbekannt. Kaum hatte Misram diese letzten Worte gesprochen, da kam ein Geist in der Gestalt des Vogels Rock und überreichte Schilschanum einen Brief von dem Abendländer Mahmud, welcher folgendermaßen lautete:

Am Namen Gottes, des Allbarmherzigen! Ehre, Gruß und Segen dem Priester Schilschanum und seinen Freunden Djaudar und Misram, welche für die Ruhe der Guten und das Glück der Unschuldigen mit so rastlosem Eifer gearbeitet. Noch eine verdienstvolle Tat bleibt dir zu vollbringen, dann kannst du wieder in den Schoß der Deinigen zurückkehren. Du mußt meinen Freund Busirian und seine Töchter befreien, und Djaudar soll den ruchlosen Abul Adjaib, so wie den Vatermörder Deidabudj, welche Schadads Schloß bewohnen, mit dem Zauberschwert töten. Busirian gibst du dann sein heiliges Buch zurück, damit er nicht länger wie ein Vogel ohne Flügel umherflattere. Sobald dieser Brief zu dir gelangt, fliegst du mit Djaudar, Misram, Heifa und Sakirsad nach dem Schloß Schadads und wartest dort, bis dessen treulose Besitzer, welche jetzt auf Reisen sind, wieder dahin zurückkehren. Gott ist allmächtig!«

»Als Schilschanum diesen Brief gelesen hatte, sagte er zu dem Boten: Kehre zurück zum Abendländer Mahmud, grüße ihn, küsse ihm Hände und Füße für mich und sage ihm, sein Wille soll geschehen, und hernach werden wir alle zusammen ihm einen Besuch abstatten. Dann wendete er sich zu uns und sagte: Ihr sehet wohl, daß ich euch über das Schloß Schadads nur die Wahrheit berichtet habe; es scheint, daß ein Freund oder Verwandter Busirians Mahmuds Hilfe angefleht hat, oder daß er dessen Schicksal in seinem Zauberbuch lesen konnte. Schilschanum nahm mich dann auf seine Schultern und Misram die beiden Mädchen, und in einem Augenblick waren wir auf der Terrasse des goldenen Schlosses Schadads. Wir stiegen dann herunter, und ich fand es noch viel schöner, als es Misram beschrieben hatte. In einem geräumigen Salon, welcher nach dem wundervollen Garten lag, fanden wir die fünf Töchter Busirians, welche höchst erstaunt waren, von fremden Männern besucht zu werden; während ich ihnen aber erzählte, wer uns zu ihnen gesandt und warum wir gekommen, ließ Schilschanum den armen Busirian, der in einem der unteren Schloßzimmer eingesperrt war, entfesseln, und die Mädchen fielen vor Freude in Ohnmacht, als sie ihren Vater wiedersahen. Wir brachten nun in Gesellschaft Busirians und seiner Töchter drei höchst vergnügte Tage zu. Am vierten Tag, als wir Abul Adjaib und Deidabudj wiederkommen sahen, verbargen wir uns in einem Nebenzimmer, und sobald sie sich auf den Diwan neben den Mädchen niedergelassen hatten, sprang ich mit dem Zauberschwert auf sie zu, und mit einem Schlag flogen beide Köpfe vom Rumpf. Misram sammelte dann die Kostbarkeiten dieses Schlosses und beauftragte einige Geister, sie hierher zu bringen; er selbst nahm Heifa und Sakirsad auf die Arme, Schilschanum bot mir seine Schultern an, wir nahmen von Busirian und seinen Töchtern Abschied, und in einem halben Tag waren wir hier. Ich entließ nun auf immer Misram und Schilschanum und feierte meine Hochzeit mit Heifa an demselben Tag, als Mahmud, der mich in meinem Haus erwartete, sich mit den Töchtern des Königs Numan vermählte. Die aus Schadads Schloß mitgenommenen Schätze setzten mich in den Stand, alle Armen Kahiras königlich zu bewirten. Dies tat ich auch fortwährend, mächtiger Sultan, bis meine Nachbarn mich als einen verdächtigen Menschen anzeigten und der Polizeipräfekt mich hierher beschied. Nun, gelobt sei Gott, der mich in deine Nähe geführt, denn schon längst suchte ich eine Gelegenheit, dir das mächtige Zauberschwert zu schenken, das dir gewiß in allen deinen Kriegen gegen die Ungläubigen den Sieg verschaffen wird.«

Der Sultan Zaher nahm Djaudars Geschenk mit Dank an und lebte fortan mit ihm in der vertrautesten Freundschaft.

»Ich selbst«, sagte der Dichter Hasan aus Andalusien, der Verfasser dieses Buches, »lernte Djaudar auf meiner Reise nach Kahira kennen und erfuhr von ihm selbst alle Abenteuer seines Lebens; auch stellte er mich dem Sultan Zaher vor, bei dem er wie ein Bruder ein- und ausging. Ich schrieb aber alles nieder, was mir Djaudar erzählte, weil ich es würdig fand, der Nachwelt überliefert zu werden.«

Das ist alles, was uns von dem Leben Djaudars zugekommen. Gepriesen sei Gott und gegrüßt sein Prophet Mohammed und dessen Verwandte und Gefährten.


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